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auf den beiden Pavillons auf der Georgenhöhe und dem Luginsthal, was einen Aufwand von mehr als 320 ^ verursachte, wozu übrigens ein Extra-Beitrag von 100 ^ aus der Stadtkafss verwilligt wurde. Im letzten Herbst wurde der Bergabhang unter der Kaiserlinde mit ZOO jungen Waldbäumchen, Eichen, Buchen, Eschen und Ahorn bepflanzt, die fast alle unversehrt durch den kalten Winter gekommen sind. Auch ist noch zu erwähnen die Anbringung von Ruhe­bänken an verschiedenen Stellen, z. B. im Zigeuner- Wald, am grünen Weg und erst in den letzten Tagen" an dem vor 3 Jahren durch den Schwarzwaldoerein neu geschaffenen Weg zum Thülesbach oder Fuchsloch. Dies sind der Hauptsache nach die Arbeiten, die unser Verein in den verflossenen 25 Jahren mit einem Gesamtaufwand von mehr als 18000 zu Stande gebracht hat. Zu wünschen wäre nur, daß unter der hiesigen Einwohnerschaft mehr Anteilnahme und Bei­steuer für die Zwecke unseres Vereins sich zeigen möchte, durch die für Einheimische wie für Fremde viel Annehmlichkeit bereitet wird!

sLI.j 24. Mai. Unter ungemein starker Be­teiligung, namentlich auch seitens der ländlichen Be­völkerung des Bezirks, ward gestern als am Himmel­fahrtsfest unser jährliches Bezirksmissionss- fest in Calw abgehalten, das sich nach allen Teilen zu einer schönen, gesegneten Feier gestaltete. Nach einer auf der Epistel des Tages fußenden, sachgemäßen einleitenden Ansprache des Stadtpfarrers Schmid in Calw erstattete Missionar Hesse den Jahresbericht, wornach aus Stadt und Bezirk im letzten Jahr ein­gegangen sind: 14,348 »H, eine schöne Summe, welche das rege Missionsintereffe bekundet; doch ist hiebei nicht zu verschweigen, daß in dieser Gesamtzahl noch Gelder enthalten sind, welche weder aus der Stadt noch aus dem Bezirk stammen, sondern für das Mis- swnswerk eben nur der Calwer Sammelstelle zuge­sandt wurden. Die neuerdings bestehende Einrichtung, wornach bei den Halbbatzenkollekten, welche nicht an­gelegentlich genug empfohlen werden können, sowie auch die Sammelbüchsen in den Häusern, 6mal statt wie bisher nur 5mal eingefammelt wird, hat in er­freulicher Weise ein« starke Vermehrung gebracht. Das Geld thut's freilich nicht, möge der Herr immer mehr die Herzen erwärmen für die Sache, dann fließen auch die Gaben reichlich: der innere Lohn und Segen bleiben nicht aus. Berichterstatter gibt schließlich einen interessanten Ueberblick über die durch den Krieg zwi­schen China und Japan für das Missionswerk nun sich erschließenden Aufgaben und Aussichten. China selbst und dir in Folge der Predigt vom Kreuz sich anbahnende Neugestaltung so vieler Herzen und die Neubildung der Verhältnisse aus verrotteten, durch den Aberglauben erzeugten, unglaublich schlimmen Zustände heraus, war sodann das Gebiet, welchem der dritte Redner, Missionar Di lg er aus Cann­statt, auf Grund eigener, lebendigster Auffassung und Erfahrung sich bewegte. Im Anschluß an das WortHast Du mich lieb?" (Joh. Kap. 21, V. 5) machte Pfarrer Scholl aus Tein ach kurz und gut, in gemütvoller Ansprache den Schluß und machte es die Zuhörer, welche über all dem Vielen und Guten,

das sie hören durften, doch etwas ermüdet waren, schließlich vergessen, daß sie drei Stunden lang an­strengend dem Hören und Empfangen sich hingegeben hatten.

(Amtliches.) Der König hat dem Bezirks­förster Langen in Oberkollwangen die Verd ienst- medaille des Kronordens in Gnaden ver­liehen.

-,',H'^f?s' Un terreich en bach, 24. Mai. Die Witwe "Christine Gentner in Dennjächt wurde gestern von einem schweren Unglück betrosten. Bei der sogen. Kohlplatte, ca. 800 m oberhalb Dennjächt siel ihre 17 Jahre alte Tochter, welche an Epilepsie lut, von Krämpfen befallen in die Nagold und konnte von der sie begleitenden älteren Schwester des reißenden Wassers wegen nicht mehr gerettet werden. Bei Denn­jächt wurde die Bedauernswerte tot an's Land ge­bracht. Die beiden Mädchen waren ausgegangen um Nesseln als Gänsefutter zu holen.

In Dachtel brannte in der Nacht vom Montag auf Dienstag Wohnhaus mit Scheuer des Schuhmachers und Totengräbers Melch. Balinger vollständig nieder. Der Besitzer ist nicht versichert und konnte nur weniges retten. Brandstiftung wird vermutet.

2 . Simmozheim. Am Pfingstmontag den 3. Juni feiert die hiesige freiwillige Feuer­wehr ihr 25jähriges Jubiläum. Mit Rück­sicht auf die gedrückte Lage, in der sich allwärts die Landwirtschaft treibende Bevölkerung befindet, nimmt die freiwillige Feuerwehr von Veranstaltung eines allgemeinen Festes Umgang und begeht diesen Freuden­tag mit einer Feier unter sich durch Abhaltung einer Uebung um 1 Uhr mittags, Festzug mit Musik um den Ort, hernach sich anschließender Uebergabe der Ehrenzeichen mit Diplomen an die Jubilare: Hein­rich Ayasse, Christian Ehmert, Jakob Ehmert, Johannes Ganser, Heinrich Maier, Georg Möck, Johannes Nüßle und Abhaltung eines Tanz­kränzchens im Gasthaus z. Lamm. Freunde und Gönner der Sache find herzlich willkommen!

Stuttgart, 22. Mai. Gestern nachmittag starb überraschend schnell Generalmajor a. D. Frhr. Ernst Perglas von Perglas, der sich nach seiner Pensionierung in Obertürkheim niederließ und seit einigen Jahren hier gewohnt hat. Die Beerdigung findet am Freitag in Ludwigsburg statt.

Murrhardt, 19. Mai. Als bei einer gestern hier stattfindenden Hochzeit die Gäste in bester Stimmung im Wirtshause beim Mittagsmahl bei­sammen waren, gab es ein kleines Intermezzo da­durch, daß plötzlich ein von auswärts gekommenes Frauenzimmer, die ehemalige Geliebte des Bräutigams, zur geöffneten Thüre herein ein 2 Jahr altes Kind dem Bräutigam zuschickte, worauf es sich entfernte. Als jedoch das Kind, weil angestaunt von lguter fremden Gesichtern, laut zu weinen anfing, kam die Mutter, die inzwischen vor der Thüre den Erfolg ab- warten wollte, wieder zur Thüre herein und nahm ihr Kind an sich. Damit war der Zwischenfall be­endet und die Hochzeitsgäste, die sich die Störung

ohnehin nicht besonders nahe gehen ließen, machten- in guter Stimmung im Essen weiter.

Balingen, 19. Mai. Ein hiesiger Händler kaufte von einem Bauern in Erlaheim ein 6 Wochen- altes Kalb um 106H; dasselbe hatte aber auch das seltene Gewicht von 250 Pfund.

Laichingen, 20. Mai. Nach einer kürzlich im Bezirksamtsblatt erschienenen Notiz steht die Münsinger Bezirkskrankenkaffevor ihrer vollständigem Zahlungsunfähigkeit", weswegen die letzte Generalver­sammlung sich genötigt sah, einzelne Beschränkungen und Kontrollmaßregeln anzuordnen. Ohne Zweifel steht damit im Zusammenhang, daß die Gemeinden Feld­stetten, Sontheim und Ennabeuren die Absicht haben,-, eine gemeinsame Ortskrankenkasse zu gründen. Für die hiesige Gemeinde besteht eine solche schon seid einigen Jahren zu großer Zufriedenheit der Beteiligten, die zwar etwas hohe Beiträge zu zahlen, aber auch- "ausgiebigere Krankenunterstützung, Wöchnerinnenunter­stützung und Sterbegeld, zu erwarten haben.

Am Sonnabend den 27. April lief auf der Werft des Vulkan in Stettin der zweite für den Norddeutschen Lloyd in Bremen neuerbaute, für die brasilianische Linie bestimmte Dampfer vom Stapel. Der Dampfer erhielt den NamenAachen" und soll bereits am 8. Juni seine erst« Fahrt von Bremen nach Brasilien antreten. Am 1. Mai vollendete der erste, für die brasilianische Linie ncugebaute DampferCrefcld" seine erste Probefahrt, auf welcher derselbe 13"/-> Meilen Geschwindigkeit entwickelte; . Schiff und Maschine befriedigen in allen Stücken. Der DampferCreseid" tritt seine erste Reise - nach Brasilien von Bremen am 11. Mar an. Der Norddeutsche Lloyd baut bekanntlich 4 solche Dampfer,- welche lediglich für den Verkehr von Zwischendeck­paffagieren und Frachtbeförderung bestimmt und niit den neusten Ausrüstungen für Tropenreisen versehen sind.-

Antwerpen, 23. Mai. Das zur Teilnahme- an den Kieler Festlichkeiten bestimmte italienische KriegsschiffUmberto" ist gestern hier eingetroffen.

New york, 23. Mai. Der französische DampferGascogne" ist gestern abend mit 3tägiger Verspätung hier eingetroffen. Zwei Schnelldampfern mußten dem Schiffe entgegenfahren, wegen bedeuten­der auf der Reise erlittener Beschädigungen.

Standesamt Kal«,.

Geborene:

15. Mai. Gustav, Sohn des Michael Bosch, Dienst»- knechts hier.

18. Karl Christian Friedrich, Sohn des Karl'

Gottlob Deuschle, Drehermeisters hier.-

Gottesdleirste

am Sonntag Exaudi, 26. Mai.

Vom Turm: 190. Predigtlied: 264. 9 Uhr Vorm.- Predigt: tJoh. 14,714) Hr. Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Nachm.-Pred: (Hebr, 6,1720) Hr. Stadtpfarrer Schmid.

Jireltag, 31. Mai.

10 Uhr Vorbereitungspredigt und Beichte: Hr. - Stadtpfarrer Schmid.

b H 1 f. ^ 6 1 ^ H» IRochdruck vn-otm l

Der Kröe von WatLingen.

Novelle von Wilhelm Berger.

(Fortsetzung.)

Aber sie, aber Hulda! Was mußte sie empfinden jenem Doppelgänger ihres verstoßenen Geliebten gegenüber!

Ich betrachtete sie. Eben unterhielt sie sich, ewporschauend, mit ihrem Sohne, der hart an die Brüstung getreten war und mir sein Profil zeigte. Sie lächelte ihm freundlich zu, während er sprach; dann wurde sie ernster und schien ihm einen milden Verweis zu erteilen. Der junge Mann blickte in das Orchester hinab auf die Pauken und zupfte an seinem Bärtchen. Als Hulda wieder schwieg, plädierte er nochmals für seine Sache. Diesmal widerstand sie ihm nichi; nach einigen Worten, die sie gesprochen, trat er in die Loge zurück, und ich bemerkte, daß er ihre Hand küßte, die sie ihm mit einem leichten Achselzucken darrelchte.

So gut, dünkte mir, verstand ich die kleine Scene! Hat sie doch schon un­endlich oft gespielt, seit Menschen auf der Erde wohnen! Mit ihresgleichen wollen die Jungen verkehren; das Alter wehrt ihnen und bütet: Bleib bei unS, zu unserer Freude, zu unserer Erheiterung! Gern, heißt es dann, nur heute nicht; heute ist dies und jenes; ein Freund feiert Geburtstag; eine Wette muß vertrunken werden und was sonst noch. Und immer wieder giedt das Alter seufzend nach: Nun ja; dann geht und amüsiert euch! Ach, wie dankbar empfängt die Jugend solche Erlaubnis, obgleich sie an ihrer Erteilung gar nicht gezweifelt hatte! Und dis Alten nehmen den Dank mit in ihre Einsamkeit und trösten sich daran, so gut sie können.

Und dies war auch das Los vonTante Hulda"!

Der Vorhang hob sich wieder. Wotan und Fricka traten auf und zeigten, wie herrlich auch in Walhall das Pantoffelregimmt gedeiht. Dann erschien das dem Untergang geweihte Liebespaar, und die hochherzige Walküre begann den trotzigen Feldzug gegen das Schicksal, in dem sie erliegen sollte. Personen, die nie gelebt hatten, in einer Wett, die nie gewesen war! Und dennoch: wie ergreift uns ihr

Thun und Lasten, ihr Handeln und Leiden! Wie matt und farblos erscheint alle Realität gegenüber diesen gigantischen Gebilden!

Aber es gelang mir nicht, den Vorgängen auf der Bühne meine volle Auf­merksamkeit zuzuwenden. Immer wieder muß ich jener armen Frau in der Prosceniums- löge gedenken, der es zwar gelungen war, ihren Sohn an sich zu ketten, die ihn aber nicht in Mutterliebe an ihr Herz schließen durste. Gerettet hatte sie, was zu retten war, aus dem Schiffbruch, den sie in ihrer Jugend erlitten. Doch keine reine Freude gewährte ihr der erschlichene Besitz! Meine Blicke stahlen sich hin und- wieder zu ihr. Wohl sah sie aus, als ob sie mit dem Erreichbaren sich abgefunden hätte. Nur von Kämpfen erzählten ihre Züge, die weit hinter ihr lagen. Eine Heldin war sie doch. Denn gewiß: nicht geringe Anstrengungen hatte sie aufwenden müssen, um den Knaben in ihre Kreise emporzuheben, ohne ihr Geheimnis preir- zugeben! Und daß sie dies überhaupt gethan, daß sie nicht dies Kind einer Liebe, deren sie sich schämte, nach der Geburt in irgend einem entlegenen Dorfe unter­gebracht und es daselbst hatte aufwachsen lassen, ohne ihm jemals näher zu treten^ daS war auch etwas Großes! Ein gewöhnliches Weib war Hulda von Nallingen. nicht; eS mußte sich der Mühe verlohnen, sie näher kennen zu lernen.

Auch im nächsten Zwischenakt verließ ich meinen Platz nicht. Nur stellte ich meine Beobachtung der Loge ein, fürchtend, daß dieselbe auffällig werden könnte. Um mir die Blicke dsrthm unmöglich zu machen, stand ich auf. wandte meinen Rücken der Bühne zu und ließ mein GlaS über die Menge der Gesichter wandern, die mir zugekehrt waren, ohne eigentlichen Anteil. Bekannte zu entdecken konnte ich kaum erwarten, da mich meine Geschäfte nur mit wenigen Personen in Berührung gebracht hatten und ich Einladungen ausgewichen war, um ungehindert meinen Volksstudien obliegen zu können. Und das eine Thcaterpublikum ist vom andern im ganzen wenig verschieden, wenigstens nicht in den großen, auS fürstlichen Schatullen erhaltenen Häusern. Dieselben Gesichter, dieselben Toiletten. Hin und wieder tr-fft man auf ein eigenartig ausdrucksvolles Frauengesicht, das man festhalten möchte, wenn man Maler wäre, oder auf einen männlichen Charakterkopf doch nicht - eben allzuhäufiz.

(Fortsetzung folgt.)