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will die Verordnnngen, deren Verstoß der Z 4 so schwer ahnde, unter Mitwirkung des Bundesrats erlaffen wissen. Für die 3. Lesung behalte er sich Anträge vor. Abg. Graf Bernstorf (cons.) erklärt sich im Sinne Nimpaus. Direktor K a y s e r empfiehlt kurz die Vorlage. Abg. v. Buchka (cons.) begrüßt die Vorlage als einen weiteren Schritt zur gänzlichen Beseitigung des Sklavenraubes. Abg. Molke nbuhr (Soz.) erwartet keine Besserungen von der Vorlage. Sie spreche nur von Sklavenraub und Sklavenhandel, während sie die Sklavenhaltung durch Europäer nicht treffe. Direktor Kayser bezeichnet die Auffassung des Vorredners als eine irrige. Der Antrag Molken» buhr auf Verweisung an eine Commission wird abgelehnt. Es folgt die zweite Lesung. Au Z 1 wirk ein Antrag Gröber (Centr.) die Worte „Teilname am Sklavenraub" durch „vorsätzliche Mitwirkung" zu ersetzen angenommen. Z 2 wird so erledigt. Zu Z 3 wird wiederum ein Antrag Gröber angenommen, welcher Geldstrafen bis zu 100 000 deren obligatorische Festsetzung und Polizeiaufsicht verlangt. Z 4 wird auch durch einen Antrag Gröber vervollständigt, der dahin geht, daß die Verordnungen, deren Verstoß der H 4 bestraft, unter Mitwirkungen des Bundesrates erlaffen werden müssen. Z 5 wird unverändert angenommen, ebenso die Resolution Gröber. Es folgt der Gesetzentwurf über die kaiserliche Schutztruppe für Süd-Westafrika und Kamerun, welcher auf Antrag Richter an die Commission verwiesen wird. Sodann wird das Zuckersteuer-Notgesetz mit 191 gegen 45 Stimmen angenommen. Ein jetzt eingehender Vertagungs-Antrag Richter-Hompesch findet mit 110 gegen SO Stimmen Annahme. Morgen 1 Uhr: Branntweinsteuer.
Berlin, 23. Mai. Die offiziellen Vorbereitungen für denSchlußderReichstagssession sind für den bevorstehenden Freitag getroffen.
Berlin, 21. Mai. Wegen Majeftäts- beleidigung ist gegen die Zeitschrift „Die Kritik", Herausgeber und Redakteur Karl Schneidt, seitens der Berliner Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnet worden. Die Majestätsbeleidigung soll enthalten sein in einem in Heft 25 vom 33. März veröffentlichten Artikel über Kaiser Wilhelm 11., als dessen Verfasser Eduard Engels in Ulm zeichnete.
Berlin, 21. Mai. Die Vossische Zeitung hält die Stellung des Herrn v. Köller für gründlich erschüttert und glaubt, daß er spätestens nach den Kieler Festlichkeiten seinen Abschied erhalten werde.
Tagesneuigkeilen.
Calw. Die Hauptübung der Freiwill. Feuerwehr, welche am letzten Montag abend abgehalten wurde, ging glatt von statten und fanden die Ausführungen die Befriedigung des Kommandanten. In der nachfolgenden Generalversammlung
im Bad. Hof kam zunächst der Rechenschaftsbericht zur Verlesung, worauf seitens des Kommandanten Dortrag gehalten wurde über Vorkommnisse im vergangenen Jahr, über Beratungen im Verwaltungsrat und anderes. Besprechungen wichtiger Art lagen nicht vor und Wahlen fanden keine statt. Die jüngsten Austrittserklärungen wegen Alters, gaben einem Mitglied, Hrn. O.-A.-Arzt vr. Müller, Veranlassung derselben mißbilligend zu erwähnen. Kräftige Männer im Alter von 50 Jahren seien immer noch im Stande, der Feuerwehr gute Dienste zu leisten. Bei den Klängen des Musikkorps, das sein Bestes gab, blieben die Anwesenden noch lange in bestem Einvernehmen beisqmmen.
- x. Neubulach, 20. Mai. Aus Anlaß der in letzter Woche hier vorgenommenen Gemeinde- Visitation und den hiemit verbundenen Nechnungs- Abhören inOberhaugstett und Altbulach versammelte letzten Donnerstag Herr Oberamtmann Voelter im Gasthaus z. Lamm die Vertreter der Kirchspiel-Gemeinden um wegen gemeinsamer Ausarbeitung eines Projekts und Kosten-Voranschlags über die Correction bezw. Neubau der sog. Calwer Steige zu beraten und eine Einigung zu erzielen. Nach längerem Unterhandeln und Darlegung der einschl. Verhältnisse konnte die weniger für das Projekt eingenommene aber infolge der Wartungslast am meisten beteiligte Gemeinde Altbulach gewonnen werden und führten die erregten Verhandlungen zum Ziel, da die vorläufig getroffene Ueber- einkunft bezüglich der Aufbringung der Mittel für Plan und Kosten-Veranschlag in sämtlichen Gemeinden die Genehmigung der Collegien fand. Möge nun aus A. auch B. werden, indem nicht nur seitens des Staates, sondern auch der Amtskorporation solche Beiträge verwilligt werden, damit den durch Erbauung der Wasserleitungen sehr in Anspruch genommenen Gemeinden, die Erbauung der Steige ermöglicht wird, wodurch nach und nach auch der Calwer Bezirk bezüglich guter Straßen seinen Nachbarn ebenbürtig würde. — Am Samstag den 18. ds. Mts. nun vereinigten sich einige in der Nähe der Thalmühle gelegene Gemeinden daselbst ebenfalls auf Einladung des Hrn. Oberamtmann Voelter um Schritte und Einleitung dahin gehend zu treffen, daß für eine der in der Thalmühle angebotenen Wasserkräfte zum Zweck der Erstellung eines Fabrik-Anwesens ein passender Geschäftsmann oder Fabrikherr ausfindig gemacht würde. Die Anwesenden begrüßten im Interesse der in ihren Gemeinden noch verfügbaren Arbeitskräfte den Plan mit Freuden und wurde Hr. Oberamtmann Voelter mit den nötigen Ausführungen beauftragt. Es wäre zu wünschen, daß der gute Gedanke zur günstigen Aussicht bezw. zur Verwirklichung sich entfalte.
Stuttgart, 18. Mai. „Enthüllungen aus dem Bereiche des Jrrenwesens und der Rechtspflege" betittelt sich eine neue Bro
schüre größeren Umfangs aus dem Verlage von RoderL Lutz, der sich durch einige abfällige Bemerkungen in der Kammer der Abgeordneten nicht abhalten läßt^, sein Ziel nach einer gründlichen Besserung der Irren- behandlung writer zu verfolgen. Die neue Broschüre enthält ein Sendschreiben des zur Zeit in Paris weilenden Jrrenhausflüchtlings Julius Pfeifer an den-. Kammerpräsidenten Payer, worin er diesen in teilweise recht drastischer Weise auffordert, „der Schmied des Volksglückes zu werden" und das Wort zu halten, das er landauf landab als demokratischer Wahlkandidat dem Volke gegeben, und worin Pfeifer weiterhin-eine Inhaltsangabe über seine demnächst erscheinende weitere Broschüre giebt. Hienach scheint letztere sehr «saftig" zu werden. — Es folgt eine Abhandlung betitelt, „Vergewaltigung eines württembergischen- Kaufmannes und Reserveoffiziers" (in der Privatirrenanstalt zu Göppingen), worin Dinge behauptet- werden, die man unmöglich totschweigen oder mit einer leichten Redewendung abthun kann. — Das weitere Kapitel „Preußische Zustände auf dem Gebiete der Psychiatrie und Rechtspflege" zeigt dem Leser, daß nicht nur in Württemberg allein eine Reform der Jrren- behandlung dringend notwendig ist. Den Schluß der Broschüre bildet ein von dem Verleger selbst verfaßtes Kapitel, „Entlarvung des Schultheißen Schlör von Beutelsbach" (zur Beleuchtung des Falls Kuhnle). Unter photographischer Wiedergabe einiger äußerst kompromittierender Schriftstücke werden da Dinge behauptet, die, wenn sie wahr sind, dem genannten Schultheißen, wenn unwahr, dem Verleger Lutz äußerst fatale Folgen bringen müssen.
Urach, 16. Mai. Eine hiesige Lehrersfamilie wurde gestern abend von einem schweren Unglücksfall betroffen. Ihr jüngstes Kind, ein noch nicht ganz 3jähriger Knabe, fiel in einem unbewachten Augenblick von der obersten Bühne 5 Stock hoch hinab und wurde tot aufgefunden.
Gerabronn, 20. Mai. Nachdem vor etwa 3 Jahren die hiesige Gemeinde als Uebergang zur Regiefarrenhaltung, den Ein- und Verkauf der Farren auf eigene Rechnung beschlossen und die Fütterung und Pflege derselben nach bestimmter Weisung einem Gutsbesitzer übertragen hat, ist man nun zur vollständigen Regiefarrenhaltung mit Anstellung eines Wärters übergegangen. In dem früheren Hirtenhaus wurde außer der Wohnung für den Farrenwärter ein. neuer Stall für 5 Farren eingerichtet, der allen Anforderungen der Neuzeit entspricht. Weiter wurde beschlossen, für die Folge nur Farren 1. Klaffe anzuschaffen. Der hohe wirtschaftliche Nutzen, den eine rationelle Farrenhaltung hat, wird leider noch nicht überall erkannt und es ist jener Fortschritt auch nicht, kampflos erfolgt. Ja er wäre nie zu stände gekommen, wenn nicht der Staat und die Amtskorporation. die Sache in anerkennenswerter Weise kräftigst unterstützt hätten. Dieser Vorgang wird im Bezirk zweifel»
dem Zuschauerraum zu entfernen; ja, der Versuch, mich dem Banne zu entziehen, m den mich das Kunstwerk versetzt hatte, wäre mir frevelhaft vorgekommen.
Da, indem ich das traurige Geschick des WälsungenpaareL teilnehmend erwog, dessen Unabwendbarkeit mitten im Licbesjubel der wonnigen Frühlingsnacht den Zuschauer mit ahnungsvoller Wehmut ergreift — da tönte mir plötzlich ein bekannter Name in das Ohr, aus einer Unterhaltung, die hinter mir geführt wurde.
Rattingen! — Was knüpfte sich doch an diesen Namen? Wann und wo war er mir begegnet? — Richtig; jetzt hatte ich's. Der Förster mit seinen Zwillingsschwestern Jette und Riekr stand im Geiste vor mir. Und ich befand mich ja in Bayern, in dem Lande, wo jener Roman begann, mit dem er mich einen langen Abend unterhalten!
Siegmund und Sieglinde waren vergessen, und ich horchte.
„Sie ist die letzte aus einer alten Familie." sagte dieselbe Stimme, die ich schon gehört hatte. „Sehr reich muß sie sein; vor einigen Jahren sind ihr noch die Altmühl'schen Besitzungen zugefallen. Merkwürdig ist's, daß sie nicht geheiratet hat; eS kann ihr doch an Anträgen nicht gefehlt haben. In ihrer Jugend soll sie sehr hübsch gewesen sein; sie ist es eigentlich noch immer, trotz ihrer Vierzig. Sehen Sie nur: ist sie nicht eine blendende Erscheinung?"
Gleichsam instinktiv richtete ich meinen Blick auf die untere» Prosceniumslogen. Gerade beugte sich eine Dame vor und ließ die Blicke über das HauS schweifen. Ich konnte nicht zweifeln: das waren die Augen, deren Zauber die Förstersleute nicht hatten widerstehen können! — Jawohl, der Herr hinter mir hatte recht: Hulda Freiin von Rattingen war noch immer eine blendende Erscheinung! Wohl nur ich, der die dunkle Episode m ihrer Jugendzeit kannte, vermochte einen leichten Zug der Strenge, der Entschlossenheit zu entdecken, der sich um diese Lippen festgesetzt hatte.
„Früher kam sie selten zur Residenz." hörte ich weiter. „Seit indessen der junge Altmühl erwachsen ist. verbringt sie jeden Winter hier."
„Der junge Altmühl?" erwiderte ein anderer. „Sagten Sie nicht soeben, daS Fräulein von Rattingen habe die Altmühl'schen Güter geerbt? Wie konnte das «»gehen, wenn ein Sohn da war?"
Darauf der erste: „Altmühls Ehe mit der Freiin Walpurga von Rattingen ist kinderlos geblieben. Das Paar hat aber in den sechziger Jahren einen Vetters- fohn aus Kroatien oder Dalmatien zu sich genommen und später adoptiert. Auch ist damals demselben die Berechtigung erwirkt worden, den Namen von Altmühl zu führen. Daß derselbe nicht direkt geerbt hat, wird auf Vereinbarungen innerhalb der Familie beruhen. Bei seiner Intimität mit der Freiin Hulda, die er Tante nennt, ist indessen nicht daran zu zweifeln, daß sie ihn zum Nachfolger in ihrem Besitze erkoren hat. Der junge Mann kann sich gratulieren; er wird sich einmal in ein wohlgefüttertes Nest Hineinsetzen, und daß er sich jetzt schon nichts abgehen läßt, ist stadtbekannt."
Nicht der geringste Argwohn kam mir bei dieser Auseinandersetzung, welche Bewandtnis eS mit dem jungen Altmühl habe.
„Eben tritt er in die Loge," fuhr der Redner fort.
„Also das ist der Glückspilz?" sagte der andere. „Ein selten hübscher Mensch,. daS ist nicht zu leugnen."
Nun wandte auch ich meine Blicke wieder zu der Loge. Aus müßiger Neugierde natürlich; denn was ging mich der junge Altmühl an? — Wie erschrak ich aber! Vor mir, in der Rundung meines Glases, erschien jenes Gesicht, das mir von dem Bilde im Forsthause her noch so wohl erinnerlich war. Das waren die krausen braunen Haare, daS war die offene Stirn, die feine gerade Nase mit den etwas ausliegenden Flügeln, das kokette kleine Schnurrbärtchen, das volle Kinn! — Ein Geheimnis, tief vor der Wett verborgen, lag enthüllt vor mir. Mutter und Sohn! Und er, dieses jugendliche Abbild seines verschollenen Vaters — er hatte schwerlich eine Ahnung davon, in welch nahem verwandtschaftlichen Verhältnis er zu seiner Wohtthäterin stand! Nein, nein — gewiß nicht. Tante nannte er sie, hatte jener hinter mir gesagt. Nur eine gütige Tante war sie ihm, die ihn erhielt, die ihn beschenke, die jeden seiner Wünsche erfüllte.
(Fortsetzung folgt.)