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Berlin, 7. Mai. Die Centrumsfraktion: des Reichstages hat gestern mehrere Stunden die Umsturzvorlage beraten und sich dahin geeinigt^ eine abwartende Stellung einzunehmen. In der Sitzung machte sich eine starke Stimmung für Ab­lehnung der Vorlage geltend.

Berlin, 7. Mai. Die Nordd. Allg. veröffent­licht einen langen Artikel über den internationalen Flottenbesuch zur Eröffnungsfeier des Nord­ostseekanals. Zwölf fremde Nationen sind durch Geschwader vertreten, durch zusammen 52 Schiffe, 810 Offiziere und 16 500 Mann Besatzung. Schisse entsenden England 10, Italien 9, Oesterreich 4, die Vereinigten Staaten 4, Frankreich 3, Rußland 3, Dänemark 6, Schweden, Norwegen 5, Niederlande 2, Spanien 3, Rumänien 2, Türkei 1.

Berlin, 7. Mai. Die Einladungen an die Mitglieder des Reichstags zur Teilnahme an der Eröffnungsfeier des Nordostseekanals ist gestern ergangen. Das Programm hat dadurch eine Aenderung erfahren, daß der Bremer Senat die Mitglieder zum Besuche Bremerhafens und Bremens, sowie zu einer Festsitzung im Bremer Ratskeller ein­geladen hat.

bezweifeln gleichfalls den Wert des Jmpfens. Letzterer wünscht Verziehung eines Homöopathen zum Medizinal­kollegium. Egger: Auch in seinem Bezirk finden sich Gegner des Impfzwanges. Frhr. v. Gemmingen: Die Homöopathie mache immer weitere Fortschritte und sei die Berufung eines Homöopathen ins Medi­zinalkollegium deshalb angezeigt. Die christliche Sitte der seitherigen Bestattungsweise sollte aufrecht erhalten werden. Rem bald legt Namens der Zentrums­fraktion Protest ein gegen den von Haußmann dem Abg. Gröber gemachten Vorwurf des agitatorischen Auftretens; das könnte man mit viel mehr Recht von den Herren die weit unten sitzen, sagen. (Redner meint die Herren Haußmann.) Minister v. Pischek kommt eingehend aus die Feuerbestattungsangelegenheit zu sprechen. Es sei bei dem Gesuch des Feuer­bestattungsvereins geprüft worden, ob sich Mißstände bei dem bisherigen Beerdigungswesen gefunden haben, was von den Sachverständigen verneint worden sei. Gegen die fakultative Zulassung der Feuerbestattung sprechen doch Bedenken religiöser Natur. In katholischen und evangelischen Kreisen würde ein Aergernis an der Feuerbestattung genommen werden. Auf das Gesuch des Feuerbestattungsvereins sei noch keine Entscheidung erfolgt. Eine Abstimmung über diese Frage im Hause wäre ihm sehr erwünscht. Die Jmpffrage betreffend, sei das Sache des Reiches. Er habe wohl Kenntnis von der bestehenden Abneigung gegen die Impf­ung, die Regierung schenke der Angelegenheit fort­gesetzt ihre Beachtung. Daß die Impfung der Mensch­heit viel genützt habe, sei aber doch zweifellos. Ein homöopatisches Mitglied des Medizinalkollegiums ge­nüge. Schrempf spricht den Wunsch aus, die Re­gierung möge die Verunreinigung der Flußläufe ver­hindern. Henning: Die Kosten der Impfung seien zu hoch. Gröber stellt den Antrag, zu beschließen, die Regierung möge das Gesuch des Feuerbestattungs- »ereins ablehnen. Henning ist gegen den Antrag Gröber. Man lebe doch in einem aufgeklärten Zeit­alter. Nußbaumer: In Tübingen sollte ein homöopatischer Professor angestellt werden, v. Balz ist für Verweisung des Antrags Gröber an die Kom­mission für innere Verwaltung. Er sei auch ein guter Christ, habe aber gegen die Feuerbestattung nichts einzuwendcn. Das sei Geschmackssache. Die Zahl der Anhänger der Feuerbestattung sei groß, er zähle auch dazu. Haußmann-Gerabronn ist mit den Ausführungen des Vorredners einverstanden. Der Abg. Rembold habe ihn zurechtgewiescn, er habe in dem Fall nicht angegriffen, sondern sich verteidigt. Gröber ist mit der Kommissionsberatung einver­standen. Bürk: Bei der Bebauung eines alten Friedhofs seien Schwierigkeiten gemacht worden. Wenn Gröber Recht habe, so solle das Medizinal­kollegium dies künftig unterlassen. Kloß: Die Fried­höfe kosten zu viel Geld. Die Krematorien sollen freigegeben werden. Nach einer Bemerkung der Abg. Gröber und Kloß und des Ministers v. Pischek wird Kapitel 30 Titel 13 genehmigt und der An­trag Gröber an die Kommission für innere Ver­waltung verwiesen.

Stuttgart, 7. Mai. (Kammer der Ab­geordneten.) Aldinger richtet bei Kap. 31 die Bitte an die Regierung, sie möge in Erwägung ziehen, ob es nicht möglich wäre, die den Viehbesitzern durch die Perlsucht entstehenden Schäden durch staatliche Unterstützung bezw. Versicherung erträglicher zu machen, v. Ow ist der Meinung, daß bloß vorgegangen wer­

den könnte, wenn dies gleichzeitig im ganzen Reich nach gemeinsamen Gesichtspunkten geschehe. Im übrigen glaubt er, man sollte von Staatswegen eine allge­meine fakultative Landesversicherung organisieren. Aldinger formuliert seinen Wunsch entsprechend den Ausführungen v. Ow's in dem Antrag, die K. Regierung möge beim Bundesrat auf reichsgesetzliche Regelung der vorliegenden Frage hinwirkcn. Zu dem Antrag äußern sich befürwortend die Abgg. v. Wöll - warth, Weidle, Stockmayer, Deutler, Henning, Rat, Sachs und Schürer. Minister des Innern v. Pischek erklärt, die württembergische Negierung würde einem im Bundesrat etwa erschei­nenden bezügl. Antrag auf reichsgesetzliche Regelung gern beitreten, wenn auch mehrere Bedenken vorlägen. Dem Gedanken einer fakultativen Landesviehoersiche­rung nach bayrischem Muster steht der Minister gleich­falls sympathisch gegenüber, er verkennt jedoch nicht namentlich die Schwierigkeiten des Kostenpunkts. Zu der Frage sprechen weiterhin die Abgg. Spieß, Schrempf und Rath in befürwortendem Sinne, worauf der Antrag Aldinger angenommen wird. Die Abgg. Tag, Dentler, v. Gaisberg geben einige Anregungen bezüglich der Stellung der Oberamtstier­ärzte. Spieß und v. Ow wenden sich gegen die Anregung, die Lberamtstierärzte sx Molo als Mit­glieder der Farrenschaukommission beizuziehen. Mau­rer weist die Anregung zurück, die Oberamtstierärzte aus Korporationsbeamtcn zu pensionsberechtigtcn Staatsbeamten zu machen. (Bravo.) Es folgt die Beratung über Kap. 34 (Zentralstelle für die Landwirt­schaft). Schad, Graf Adelmann, Eggerbringen einige Wünsche mit Bezug auf die redaktionelle Besse­rung des Wochenblatts für Landwirtschaft zum Ausdruck. Präsident der Zentralstelle v. Ow macht auf den et- waigenfalls notwendig werdenden Mehraufwand auf­merksam. Weidle, Spieß,Dentler, Schrempf, Haußmann- Gerabronn, Büble,v. Herrmann, Egger, v. Wöll warth, Henning tragen ver­schiedene weitere Wünsche vor bei der Beratung über die Staatsbeiträge für landwirtschaftliche Zwecke, wo­bei Spieß, Schrempf und Egger die Aufmerksamkeit der Negierung auch auf die Kunstweinfabrikation ge­lenkt wissen möchten. Die Anregungen werden durch den Minister des Innern v. Pischek, sodann in längerer Rede durch den Präsidenten der Centralstelle v. Ow beantwortet. Finanzminister Dr. v. Riecke äußert sich zu der Frage der Kunstweinbesteuerung. Ein Gesetzentwurf sei dem Landtag nicht mehr vor- gelegt worden, weil man in anderen Ländern dis Erfahrung gemacht habe, daß der finanzielle Effekt derartiger Gesetze ein verschwindend kleiner sei. Er gebe zu, daß allerdings die finanzielle Seite nur für eine sekundäre gehalten werden müsse, weshalb er sich mit dem Minister des Innern ins Benehmen setzen werde, ob es in dessen Interesse wünschenswert sei, die Frage von neuem an den Landtag zu leiten. Stockmayer hält im allgemeinen für richtig, was der Finanzminister mitteilte, gleichwohl aber erklärt er es für notwendig, daß die k. Regierung dem Land­tag in thunlichster Bälde wieder einen Gesetzentwurf betreffend die Kunstweinbesteuerung vorlege. (Schluß der Sitzung nach 7 Uhr. Nächste Sitzung morgen 9 Uhr.)

Berlin, 7. Mai. Die nationalliberale Fraktion des Reichstages hat heute die Umsturz­vorlage beraten und in der Commissions-Fassung abgelehnt.

hergetrippelt war und neugierig dem zugesehen hatte, was die fleißigen Mädchen schafften, bekam dann Lust, selbst mit Hand anzulegcn, und ließ sich in allen Haus- haltungskünsten unterweisen. Das war nun eine große Belustigung nicht allein für die Schülerin, sondern auch für die beiden Lehrerinnen, die natürlich nicht zu­ließen, daß ihr Schützling an seinen niedlichen Händen irgend welchen Schaden leide. Kam man mittags und abends zusammen, so bot das Nächstliegende Stoff genug zur Unterhaltung. Daß Hulda dabei das Wort führte, daß die übrigen sich nur ihr angenehm zu machen suchten, verstand sich von selbst.

Nun ist es gewiß häufig der Fall, .daß die Neuheit gewagter V rhältnifse zeitweilig einen Reiz schafft, der die darin schlummernde Gefahr gänzlich vergessen läßt. Allmählich aber, indem das neue zum alltäglichen wird, stumpft die Empfäng­lichkeit dafür ab, und aus dem Grunde der Seele treten die zurückgedrängten dunklen Bilder wieder hervor.

So ging es auch im Försterhause.

Der biedere Förster begann, sich um das ungewisse Schicksal der zarten jungen Frau Sorge zu machen. Emst, im Walde neben Konrad herschreitend, brachte er die Rede auf die Lage der Flüchtlinge. Ob der Versuch nicht ratsam sei, von dem Vormund die Billigung des Geschehenen zu erlangen? ließ er sich vernehmen. Er machte darauf aufmerksam, daß Hulda erst in drei Jahren mündig werde. ES könne ihr sehr zum Nachteile ausschlagen, meinte er, wenn sie nichts von sich hören lasse. Ihr Erbrecht stehe auf dem Sp:el; man könne nicht wissen, was der Vormund gegen dasselbe, zu seinem eigenen Nutzen, unternehmen werde.

Gruber erwiderte auf diese sehr vernünftigen Vorstellungen leichthin, daß zu einem deranigen Schritt noch immer Zeit sei. Man müsse nichts übereilen. Wende «r sich jetzt an Herrn von Allmühl, so bringe er denselben auf seine Spur und müsse gewärtigen, Hulda sich entrissen zu sehen.

Tagesneuigkeilen.

* Calw. Am 14. Juni d. I. hat im ganze» deutschen Reiche eine Berufs- und Gewerbe- zählung stattzufinden. In Württemberg wird da­mit eine Aufnahme derland- und forstwirtschaft­lich e n, sowie der gewerblichen Betriebe verbunden werden. Zu diesem Zweck ist am Sitz des Gewerbe­betriebs für alle diejenigen Geschäfte und Betriebe ein Gewerbebogen auszufüllen, in denen in der Regel entweder mehr als eine Person thätig ist, oder in denen elementare Kräfte aller Art oder Dampf­kessel verwendet werden. Allein arbeitende Hand­werker erhalten also keinen Gewerbebogen, während z. B. Handwerker mit einem Lehrling oder einem Gehilfen, wenn sie zugleich Landwirtschaft treiben, eine Haushaltungsliste, den Gewerbebogen und eine Landwirtschaftskarte auszufüllen haben. Die Aus­füllung des Gewerbebogens hat der Geschäftsinhaber oder Betriebsleiter vorzunehmen. Hat ein Landwirt auch noch einen anvern industriellen Betrieb, wie eine Brennerei, Steinbruch, Ziegelei, Lohnfuhrwerk u. s. w., so wird er für jedes Gewerbe einen besonderen Bogen ausstellen. Das Geschäftspersonal ist bei einem zu einem Betriebe vereinigten Gewerbe, wie bei einer Mahl- und Sägmühle und ähnlichen derart zu teilen, daß jede Person nur auf einem Gewerbebogen vor­kommt und zwar bei dem Gewerbszweige, wo sie allein oder hauptsächlich beschäftigt wird. Durch die Gewerbebogen sollen die Grundlagen für eine Statistik der gewerblichen Betriebe nach Personenzahl, Anwendung von Motoren und Maschinen gewonnen werden. Die Gewerbetreibenden sind nach dem Reichs­gesetz vom 8. April d. I. verpflichtet, die zur Aus­füllung der Gewerbebogen erforderliche Auskunft zu erteilen.

Calw, 8. Mai. (Marktbericht.) Der heutige Viehmarkt war mit 556 Stück befahren. Während Fettvieh gesucht aber wenig zugeführt war, zeigte sich der Handel im übrigen Vieh flau. Auf dem Schweine­markt lösten Milchschweine 2030 ^ pro Paar, Läufer 4060 pro Stück. Zugeführt waren von ersteren 30 Körbe und 84 Stück Läufer. Auf

Diesem immerhin berechtigten Einwande gegenüber riet der Förster, Gruber möge in der betreffenden bayrischen Kreisstadt einen Advokaten, unter Einsendung des Trauscheins, mit der Wahrnehmung der gefährdeten Rechte seiner Frau beauf­tragen.

Auch davon wollte Konrad nichts hören. Solch ein extremer Schritt werde seine und Huldas Sache vollständig verderben, rief er unmutig aus. Damit schien er das G.svräch, dos ihm offenbar peinlich war. für beendet anzusehen.

Doch der Förster ließ sich nicht leicht von einem Gegenstände abbringen, den er einmal ergriffen hatte. Bekümmert sagte er, er wolle nur hoffen, daß das Paar im Besitz der Mittel sei, um auf eine erfreuliche Wendung warten zu können. Wo­her dieselbe kommen solle, wenn Konrad fortfahre, den Kopf in den Sand zu stecken, sehe er freilich nicht ein.

Darauf versetzte Konrad hochfahrend, daß es ihm an Geld und Geldeswert nicht mangele, um seine Flitterwochen noch Belieben verlängern zu können, einerlei wo. Auch verstehe sich von selbst, daß er für die Verpflegung im Forsthouse eine angemessene Entschädigung leisten werde.

Selbstverständlich war es dem Förster nicht entfernt in den Sinn gekommen, etwas derartiges andcuten zu wollen. Die barsche Art, in welcher Gruber diese delikat« Frage ausS Tapet brachte, verletzte ihn.

Ironisch entgegnete er: .Ich freue mich des Reichtums, den Du Dir er­worben," stolz hinzufügend:Es ist indessen nicht meine Absicht, mir die Gastfreund­schaft bezahlen zu lassen, die ich Euch erweise."

Die Folge dieses Gesprächs war eine Spannung zwischen den Freunden. Gruber ließ den Förster allein seine Wege abmachen, und beide waren befangen und einsilbig, wenn sie in Gesellschaft der Frauen zusammentrasen.

(Fortsetzung folgt.)