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des Reichstages faßte den einstimmigen Beschluß, die Teilnahme an den Eröffnungsfeierlichkeiten des Nord- ostsce-Kanals abzulehnen, und zwar weil, wie der »Vorwärts" mitteilt, man darüber einig war, daß die Grundsätze der sozialistischen Partei die Teilnahme an einer Feier nicht gestalten, welche der Hauptsache nach in militärisch-höfischer Pompentfaltung bestehen wird.
Tagesneuigkeiten.
* Calw, 6. Mai. Am Freitag abend fand im badischen Hof ein Konzert der Pianistin Frl. Marie Zundel und ihres Bruders des Violinvirtuosen Hermann Zundel aus Stuttgart statt. Die erstere spielte mit außerordentlicher Fertigkeit, trefflichem Anschlag und feinem Verständnis ein Rondo brillant von Weber, eine Romanze von Rubinstein und eine äußerst schwierige Rhapsodie v. Liszt. Der Vortrag sämtlicher Piecen machte durch die sichere, empfindungsvolle Wiedergabe den besten Eindruck. Hr. Hermann Zundel zeigte sich als großer Meister auf seinein Instrument. Die großartige Technik, die sicheren und reinen Doppelgriffe in den höchsten Lagen, der stramme Strich und das staunenswerte musikalische Gedächtnis verrieten sofort den Äonzertgeber als feinfühlenden und ausgezeichneten Künstler. Das Violinkonzert von Beriot, ein Mazurka von Wieniawsky, die Faustphantasie von Alard war für die Zuhörer ein hoher Kunstgenuß. Hr. Lehrer Staig er, welcher die Konzertgeber freundlich unterstützte, sang 2 Lieder, „Heinrich der Vogler" von Löwe und „Der Fischer" von Hegels und erntete großen Beifall. Das Konzert war leider nur schwach besucht, was bei den großen Leistungen sehr zu bedauern war.
X. Calw. (Landwirtschaftliches.) Letzte Woche kam der schon länger geplante Einkauf von Zuchtvieh der Simmenthaler Rasse seitens des landw. Bezirksvereins zu Stande. Unter Führung einer aus den Herren Hugo Rau, O.-A.- Thierarzt Pfeiffer und Schultheiß Hanselmann bestehenden Kommission reisten neun weitere Vereinsmitglieder nach Mengen und Meßkirch und erwarben daselbst 13 Kalbinnen sowie 4 Farren, welche
am Tage der staatl. Bezirksviehschau, Samstag, II. Mai, Vormittags auf dem Brühl in Calw zur Ausstellung kommen. Im Bezirk Mengen dessen Zuchtviehgenoffenschaft längst einen guten Ruf hat, wurde am meisten aufgekauft und sind die Beteiligten dem Vorstand der Genoffenschaft Herrn Nebholz in Mengen für dessen viele Bemühungen, Begleitung und uneigennützige Beihilfe beim Einkauf sehr dankbar. Es ist zu hoffen, daß kommenden Samstag recht viele Bezirksangehörige Calw besuchen, um sich über die neue Zuchtrichtung ein Urteil bilden, es wird sich dann wohl mancher leichter zur Beteiligung an künftigen Zuchtviehauskäufen entschließen, ist doch die Viehzucht eines der wenigen Gebiete auf welchem der Landwirt noch etwas erzielen kann.
Calw, 6. Mai. Heute früh wurde von einem Landjäger in der Blockhütte am Wege nach Zavelstein ein Frauenzimmer erhängt aufgefunden. Die Entseelte hinterläßt 2 Kinder und ihren Mann, den früheren Mühtebesitzer I. N. in Teinach.
)( Calw. Der vom K. Landgericht Stuttgart wegen Betrugs schon längere Zeit steckbrieflich verfolgte und aus dem Katharinenhospital entwichene, 24 Jahre alte Metzgerbursche Carl Lutz von Alt- hengstett, welcher in letzter Zeit wiederholt Betrügereien und Einbruchsdiebstähle in den Bezirken Calw und Neuenbürg verübt hatte, wurde am letzten Samstag auf Veranlassung eines hiesigen Landjägers in Pforzheim verhaftet. Lutz ergriff auch da nochmals die Flucht, wurde aber in Brötzingen wieder eingeholt und in Sicherheit gebracht. Derselbe wurde in letzter Zeit von seinen Angehörigen in Althengstett beherbergt. Auch bei Verwandten in Gechingen fand er einige Tage Unterkunft, trotzdem dieselben wußten, daß ihr Gast von den Landjägern verfolgt wurde, er stahl solchen aber zum Danke hiefür 60
Weinsberg, 2. Mai. Unsere sämtlichen Metzger künden unter dem heutigen in der „Weinsberger Zeitung" einen Preisabschlag beim Schweinefleisch an. Solches kostet nunmehr 50 das Pfund, statt bisher 60 und noch früher 70 -H.
WaIhe > m, 2. Mai. Im Kreise ihrer Kinder, Enkel und Urenkel begingen gestern der 87 Jahre
alte Jakob Bezner, Fischer hier, und seine 84 Jahre zählende Ehefrau das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Bei körperlicher Frische verlebte das Jubelpaar einen fröhlichen Tag. Abends wurde ihm von der Gesangsabteilung des hies. Kiegervereins ein Ständchen gebracht.
Köln, 2. Mai. Auf 39 Jahre Zuchthaus und 3 Jahre Gefängnis erkannte heute Abend das Schwurgericht gegen 5 Ziegelarbeiter aus Schlagbaum (Kreis Solingen), die mit kannibalischer Bestialität einen Arbeilsgenossen, den 40jahrigen Ziegler Wilhelm Langemann durch mehrstündige brutale Mißhandlung zu Tode gemartet hatten. Es hat hiermit eine viehische Roheit ihre gesetzliche Sühne gefunden, wie man sie kaum von afrikanischen Wilden, nicht aber von Angehörigen der deutschen Nation erwarten konnte. Die Kannibalen gestanden selbst heute zu, daß die Martern des bedauernswerten Menschen über 2 Stunden gedauert hätten. Zum Schluß luden die Verbrecher ihr Opfer auf einen Schiebkarren und fuhren den Langemann in einen kurz vorher ausgeräumten heißen Ringofen der Ziegelei. Gegen 4'/-Uhr hörten Arbeiter den Langemann noch röcheln, waren aber zu bange, nach ihm zu sehen. Um 6 Uhr wurde im Ringofen die Leiche des Langemann gefunden. Die Temperatur des Ringofens war so warm, daß, als nach 46 Stunden die Obduktion der Leiche stattfand, der Körper fast gebraten war und das Fleisch sich von den Knochen löste. In der Verhandlung konnte nicht festgestellt werden, daß der Tod des Langemann durch den Aufenthalt im Ofen allein herbeigeführt worden sei. Mit verblüffender Unverfrorenheit erzählten die Burschen, daß sie über 2 Stunden auf den Unglücklichen hineingeschlagen und getreten hätten; alle Angeklagten waren, da sie überführt waren, geständig. Das Urteil lautete gegen den Einen der Angeklagten auf 15 Jahre Zuchthaus, den 2. auf 10 Jahre Zuchthaus, den 3. auf 8 Jahre Zuchthaus, den 4. auf 6 Jahre Zuchthaus, den 5. auf 3 Jahrs Gefängnis. Mehrfach ging durch die Zuhörer ein Schrei der Entrüstung, als die Leute in cynischer Weise ihre Schandthalen erzählten; man hätte sie gelyncht, wenn man lyrer hätte habhaft werden können.
Amtliche Ketzanstmachuvgkv.
Kgl. Amtsgericht Calw.
Der nächste
Gerichtstag
wird am Montag, den IS. ds. Mts., vormittags 8—10 Uhr, auf
dem Rathaus in Neu weiter abgehalten.
Den 6. Mai 1895.
Gerichtsschreiber
Nagel.
Liebelsberg.
Brennholz-Verkauf.
Am Don- fnerstag, den !9. ds. Monats, -von vormittags (9 Uhr an, werden aus dem hiesigen Gemeindewald verkauft:
130 Rm. buchene Scheiter,
150 Rm. Nadelholz-Scheiter. Zusammenkunft bei der Braun- 'schen Sägmühle im Tcinachthal.
Käufer sind eingeladen.
Den 1. Mai 1895.
. Gemeinderat.
Deckenpfronn.
Eichen- und tarmen Kan- «nd Sagholz- Uerkanf.
Am Freitag, den 10. d. M., von morgens 9 Uhr ab kommen zum Verkauf im oberen Wald: 364 Stück Fichten- und Forchen-Säg- und Baustämme mit 205 Festm., 7 Stück Eichen mit 10 Festm., teilweise Küferholz.
Zusammenkunft im Ort morgens L'/i Uhr.
Gemeinderat.
Privat-Anzeigen.
Eine Partie leere
Gelfässer
hat billigst abzugeben
Seifensieder Schlatterer.
Einen Acker
bei der Schafscheuer, mit Klee angeblümt, hat zu verkaufen
F. Kleinbub.
Pflästererarbeit
vergibt im Accord
W. llolcsr,
ob. Bad Liebenzell.
MWMÜMWV^VWW
Lmil Qsorgii
Milch
ist zu haben in der
Haydt'schen Brauerei.
Ca. 50 Zentner unberegnetes
Heu und Oehm-
hat zu verkaufen
Konrad Köhler.
Hirsau.
Todes-Nnseige.
Tieferschüttert teilen wir Verwandten, Freunden und Bekannten die schmerzliche Nachricht mit, daß unser lieber, unvergeßlicher Vater und Schwiegervater
Friedrich Maerkle, Bauunternehmer,
heute morgen 4 Uhr nach langem Leivsn sanft in dem Herrn entschlafen ist.
Wir bitten, dies statt jeder besonderen Anzeige entgegcnnehmen zu wollen.
Beerdigung Mittwoch, den 8. Mai, nachmittags 3 Uhr.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Die Tochter: Ariederike Wikharz geb. Maerkle. Der Tochtermann: Kermauu Ailharz z. Rößle.
Luftkurort Kirfuu.
. Oberawts Calw.
Liegenschafts-Verkauf.
Aus dem Nachlaß des verstorbenen Heinrich Feldweg, Baurats a. D. dahier, kommt am
Mittwoch, den 15. Mai 1895. nachmittags 2 Ahr,
auf dem hiesigen Rathaus zum zweiten- uud letztenmal rm öffentlichen Auf- streich zum Verkauf:
Parz. Nr. 44. 4 n 06 gm Ein zweistöckiges Wohnhaus mit
Scheuerraum und zwei
B,-nd»„sich,A»s«i», 36.000 MkASM M
„ „ 44d. — „ 57 „ Eine einstöckige Wagenhütte,
Brandversicherungs-An schlag 360 — „ 10 „ Der laufende Brunnen im Hosraum vor dem Wohnhaus.
6 „ 25 „ Ho fraum vor und neben dem Wohnhaus, zus. 10 a 98 gm an den Straßen nach Pforzheim und Wildbad gelegen.
Parz. Nr. 65 u. 66. 17 n 88 gm Garten beim Wohnhaus.
Woisengerichtlicher Anschlag des ganzen Anwesens 40.000
Auf dem Wohnhaus Nr. 44 ruht eine dingliche Schildwirtschaftsgerechtigkeit und eignet sich das Anwesen vermöge seiner außerordentlich günstigen Lage an der Kreuzung der Staatsstraßen Calw—Pforzheim und Calw—Wildbad vorzüglich zum Betrieb eines Gasthofes oder einer Kur Anstalt.
Herr Schultheiß Majer hier ist bereit, nähere Auskunft zu erteilen.
Z>ie Grven.