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vornehmen zu lassen und den betreffenden Stratzen- »värter von der Zeit der Vornahme zu verständigen, damit dieser dabei anwohnen und mit seiner Schablone zeigen kann, wie weit das Ausästen stattfinden muß.

Die Ortsbehörden werden beauftragt, von gegenwärtigem Erlaß den Baumwärtern und den Vizinalftraßenwärtern durch Eintrag in das Tchultheißenamts-Protokoll Eröffnung zu machen.

Calw, 6. April 1895.

K. Oberamt.

Vo elter.

Bekanntmachung.

Nachdem die Maul- und Klauenseuche in Calw, LiebelSbera. Neuhengstett und auf Hof Georgen««, Gde. Möttlingen, erloschen ist, werden die s. Zt. über diese Gemeinden verhängten Sperr­maßregeln wieder aufgehoben.

Calw, den 8. April 1895.

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesneuigkeiten.

* Calw, 8. April. An der hiesigen gewerbl. Fortbildungsschule fand am Freitag abend der Schlußakt statt. Der Schulvorstand H. Prof. Haug teilte mit, daß im abgelaufenen Schuljahr die Schule von 110 Schülern besucht war, eine Zahl, welche dir des Vorjahrs ziemlich übersteigt. 3b Schüler besuchten sämtliche Fächer, so daß diese Schüler jeden Abend ausgenommen Samstag sich in der Schule einfanden. Es ist dies ein erfreuliches Zeichen für den Eifer und das Streben der jungen Leute. Auch verdient ferner hervorgehoben zu werden, daß nicht nur Lehrlinge, sondern auch Gehilfen die Schule besuchten. Der Unterricht in Französisch u. Englisch war von 8 Kaufleuten besucht. Es hält aber jedes Jahr schwer, die erforderliche Zahl von Teilnehmern zusammenzubringen, und doch sollte man glauben, es werde diese günstige Gelegenheit zur Ausbildung in den Sprachen von einem jungen Kaufmann eifrig be­nützt werden. Daß dies nicht so ist, beweist die für hiesige Verhältnisse kleine Zahl von Schülern. Der Unterricht begann um '/-8 Uhr. Manche Schüler kamen aber erst später mit der Entschuldigung, daß sie bis um diese Zeit arbeiten mußten. Es wäre höchst wünschenswert, daß die Lehrlinge um 7 Uhr das Nachtessen erhalten würden, damit sie nicht so abgehetzt und pünktlicher zur Schule kommen könnten. Weitere Ansprachen wurden von H. Handelsschul­direktor Spöhrer und H. Rektor Or. Müller ge­halten. Bei der Verteilung von Prämien wurden besonders diejenigen berücksichtigt, welche die Schule mindestens 3 mal besucht und sich durch Fleiß und Wohloerhalten ausgezeichnet hatten. Die jüngeren Schüler erhielten Belobungen. Die Preise bestanden in Büchern, Werkzeugen und bar Geld.

* Calw. Preise auf dem letzten Wochen- markt: 1 Pfd. saure Butter kostete 7580 --Z, Süßbutler 1 ^ 10 A Eier waren sehr viel zuge­tragen; Hühnereier kosteten 5 - 6 -H, Enteneier 67 Gänseeier 13 --Z pro Stück. Monatrettiche waren um

5 H Schwarzwurzeln um 20 H das Büschel zu haben. Zwiebel kosten 1013 --Z das Pfund, Steckzwiebel 2035 der Schoppen. Obst ist wenig mehr zu sehen, nur Händler bieten Aepfel um 1416 das Pfd. an. Kartoffeln kosten 2'/- ^ der Zentner. Ackersalat, Lattich, Karviol und noch andere Früh­lingsgewächse fanden schnellen Absatz.

* Calw, 8. April. In der letzten "Woche fand die Lehrlingsprüfung in den wissenschaft­lichen Fächern statt. An derselben beteiligten sich 13 Lehrlinge, sämtliche aus vem Gewerbestande. Wie notwendig der Besuch der Fortbildungsschule für die jungen Leute ist, zeigte der Erfolg der Prüfung. Diejenigen, welche keine Fortbildungsschule besuchten, sei es, daß die Lehrlinge selbst keine Lust dazu bezeugten, sei es, daß der Meister seine Erlaubnis nicht gab (solche Fälle kommen immer noch vor!) - standen an Kenntnissen den andern weit zurück. Und doch ist für einen Lehrling die Ausbildung im Rechnen, in Geschäftsaufsätzen, in Buchführung u. s. w. heut­zutage gerade so notwendig wie die im praktischen Beruf. Möchten daher Eltern und Vormünder da­rauf dringen, daß bei Eingehen von Lehrverträgen dem Lehrling der Besuch der Fortbildungsschule zu­gestanden werden muß.

Freuden st adt, 7. April. In vergangener Nacht sind hier 7 Wohnhäuser abgebrannt. 12 15 Familien wurden dadurch obdachlos. Auch mehrere Nachbarhäuser wurden beschädigt.

Göppingen, 4. April. Am 80. Geburts­tag des Fürsten Bismarck war hier, dem Willen der demokratischen Mehrheit zuwider, das Rathaus beflaggt. Doch wurde die Flagge bald wieder eingezogen. In der heutigen Gemeinderatssitzung rief der Vorfall eine große politische Debatte hervor. Der Stadt­schultheiß rechtfertigte sich dahin, daß er keinen Be­fehl zum Flaggen gegeben, sondern nur einen Mann bestellt gehabt habe, der sich bereit halten sollte, wenn ein Befehl zum Beflaggen gegeben würde, die Fahne auszuhängen, dieser Hab« dann eigenmächtig gehandelt. Sobald er die Fahne bemerkt, habe er auch ihre Ein­ziehung angeordnet. Auf diese Erklärung hin bean­tragte Gemsinderat Gutmann, der Führer der demo­kratischen Mehrheit, die Handlungsweise des Stadt- schultheißen gutzuheißen, was auch geschah.

Heilbronn, 4. April. Gestern wurden in hiesiger Stadt zwei Bettler sestgenommen, welche beide mit gefälschten und mit falschen Stempel versehenen Papieren sich zu legitimieren suchten. Die beiden, aus Norddeutschland stammend, sind heruntergekommene, als Handwerksburschen reisende Kaufleute. Der eine behauptete, zuletzt bei der Fremdenlegion in Algier gestanden zu haben. Der andere zerriß nach seiner Festnahme aus purem Mutwillen seine Fußbekleidung.

Leipzig, 6. April. Im Prozeß Leist hat der Disciplinarhof des Reichsgerichts das frühere Urteil aufgehoben und auf Dienstentlassung unter Belastung der halben Pension auf 3 Jahre erkannt.

Hamburg, 7. April. Der Kommandant des SchiffesNormannia" Arends hat, wie gemeldet, am

31. vor. M. unter schwierigen Verhältnissen die aus 31 Mann bestehende Besatzung des englischen Schiffes Arno vom Tode des Ertrinkens gerettet; es ist ihm nun vom Kaiser folgendes Telegramm zugegangen r Zu der mit ausdauerndem Mute glücklich durch­geführten Rettung der Besatzung eines Schiffes unter -erschwerenden Umständen spreche ich Ihnen meine vollste Anerkennung aus. Wilhelm, I. R.

Altona, 6. April. Als erstes Schiff ist gestern nachmittag der DampferChristian" mit einer Kohlenladung bei Brunsbüttel in den Nordostseekanal eingelaufen.

Berlin, 6. April. Nach dem Reichsanzeiger ist die Meldung französischer Blätter, daß sich die deutsche Heeresverwaltung eines von dem französischst Obersten de Rue vor einigen Jahren erfundenem Säbel-Models unter Nichtachtung der Rechte des Ge­nannten bemächtigt und mit diesem Säbel die preußische Kavallerie bewaffnet habe, völlig unzutreffend.

Berlin, 6. April. Major Wißmann, dessen Gesundheit wieder völlig hergestellt ist, wird gegen den 10. April aus Italien mit seiner Gattin nach Berlin zurückkehren.

Eingesandt.

Da die großartige Anlage der Matthäus- passion von I. S. Bach mit 2 gesonderten Chören und 2 Orchestern eine große Zahl von Ausübenden erforderlich macht, so werden bei der bevorstehenden Aufführung im Ganzen 120 Personen zusammenwirken..

Die beiden gemischten Chöre zählen etwa 70 Mitglieder; ein Chor von gegen 30 Knaben singt den in die Eingangsnummer eingelegten Choral r O Lamm Gottes unschuldig", sowie den Schlußchoral des ersten Teils:O Mensch bewein' dein' Sünde groß". Das Orchester von 24 Mann (18 Streicher, 6 Bläser) besteht zum größten Teil aus Mitgliedern der berühmten Prem'scheu Militärkapelle, verstärkt durch einige weitere musikalische Kräfte hiesiger Stadt, die sich freundlichst zur Mitwirkung bereit erklärten. Die Solopartieen haben zu über­nehmen die Güte: Frln. Julie Kraushaar (Sopran), Frau Bauinspektor Bareiß-Staelin aus Ludwigsburg: (Alt). Die Herren W. Schwämmle und H. Staiger (Tenor), C. Jsenberg aus Stuttgart (Baß).

Um die Aufführung möglichst zu kürzen, wurden: von 72 Nummern nur etwa 40 ausgenommen, bei der Auswahl mußte darauf Bedacht genommen werden, die Erzählung der Leidensgeschichte ohne fühlbare Lücken zu belasten; dabei gehören die ausgewählten Arien und Chöre zu den schönsten des ganzen Werks. Ganz neu wurde herein genommen die Reue des Judas mit der schönen Baßarie:Gebt mir meinen Jesum wieder".

Der Verein hat viele Zeit und Kraft daran gewendet, durch sorgfältige fleißige Einübung dieses großen Tonwerks eine der Weihe des Tages ent­sprechende Aufführung zu veranstalten und setzt den Eintrittspreis so nieder als möglich um recht vielen aus der Gemeinde und Umgegend Gelegenheit zu geben, durch diese Charfreitagsfeier die Eindrücke des Tages in würdiger andächtiger Stimmung ausklingen zu lasten.

beschlich doch «in heißer Schreck ihr Herzchen» wenn sie daran dachte, daß er durch sie in irgend ein Ungemach kommen könne. Bereitwillig aber nahm sie das Geleit des Hauptmanns an. der als Papas alter Freund an ihrer Seite blieb, als sie den Weg durch den Park zum Gärtnerhäuschen antrat, sich ihres Auftrags zu entledigen.

Der Schrei Elisabeths blieb völlig unaufgeklärt, denn auch Kurt verschanzte sich hinter einer Ausrede, als er zu der Gesellschaft mrückkebrte. aber er warf dem Herrn Lieutenant von Böhmer einen so sinsttrn, drohenden Blick zu, daß dieser sich dem älteren Offizier gegenüber wie ein gemaßregelter Schuljunge vorkam.

Auch Leonore war stiller geworden, so daß das Croquetspiel, das so heiter begonnen, in ziemlich trübseliger Stimmung fortgesetzt wurde. Sie hatte nämlich den Hauptmann von Erbach mit Elisabeth den Parkweg entlang gehen sehen und das vornehme, stolze, reiche Schloßfräulein ein« uneingestandene Regung deS Neides auf die kleine Manöverstütze erwachen gefühlt.

IV.

Das Schlußmanöver war kurz und schneidig beendet worden, nun kam nur noch eine Biwaknacht, am andern Morgen eine kurze Übung, und dann ging es heim, die stehenden Truppen in ihre Garnisonen, die Reservisten, die deshalb auch an Ausgelassenheit und Munterkeit ihresgleichen suchten, direkt in die goldene Frei­heit, zu Weid und Kind, zu den alten Eltern oder zur Braut.

Es war sechs Uhr nachmittags, seit zehn Stunden war das Militär im Ge­fecht gewesen, und die Mannschaften nicht allein, auch die Offiziere, unter ihnen Kurt Waldau, Hugo Erbach, und die übrigen einquartierten Herren von Schloß Ellrrstädt sahen unglaublich entstellt durch ihre staubgeschwärzten Gesichter aus.

Die Bagagewagen waren dem Militär vorausgefahren und hatten auf das große Stoppelfeld, das für das Biwak erlesen, all« Erfordernisse gebracht die schon ziemlich kalte Nacht für die Leute so angenehm wie möglich zu machen. Mächtige Berge von Scheitholz waren abgeladen worden und sollten nun bald darauf zu Feuerstätten und zur Unterhaltung von Kochheerden dienen, Strohschober aller Art wechselten ab mit den Leinwondzelten der Offiziere, und die Marketender mit ihren Leinen, an Wurst, Brot und Bier inhaltsschweren Wagen waren schon am Platze.

Bald prasselten auch die Feuer an den verschiedensten Stellen auf und über- goffen mit ihrem flammenden Schein das gelbrote Laub der Ebereschenbäume, die den Feldplan abgrenzten, die niedrigen Höhen und Hügel, die sich nach dem nahe­gelegenen Walde hin erhoben, sowie diesen selbst, der seine dunklen Tannen wie erstaunt in all das bunte Gewirr des Lagerlebens hineinschauen ließ. Hier schälten die bärtigen Männer unter fröhlichem Lachen und Plaudern die Kartoffeln zur Abendmahlzeit, dort wurden die Büchsen mit den Fleischkonserven geöffnet, und andere wieder schürten das Feuer und stellten die Töpfe mit dem leckeren Mahle zum Garkochen dicht daran.

Auch aus dem OsfizierSkochhecrde brodelte es schon längst ziemlich verdächtig, die Herren Offiziere selbst aber waren eifrig mit dem Reinigungswerk beschäftigt,, und während auch die Mannschaften in großen Trupps zu einem nahe gelegenen Tümpel zogen, um sich prustend und plätschernd von dem Staube des TageS zu befreien, lhaten die Herren dies in den schnell hergerichteten Zelten, und Kurt Waldau ist der schnellsten einer, während Lieutenant von Böhmer nicht fertig damit werden kann, sich in einen Handspiegel sehend den Schelle! gerade zu ziehen und das Schnurrbärtchen mit Brillantine zu versehen.

Die Ellerstädts versprachen nämlich daS Biwak zu besuchen und sich bei den Bekannten dort einzufinden, und aus diesen Grunde hatte Kmt Waldau nicht allein seinen Freund Erbach gebeten, gleichfalls von seiner Biwakstätte aus zu ihnen zu stoßen, er hatte seinem Burschen auch den Auftrag erteilt, für einen Trank duftigen- Moccas zu sorgen, den man den Damen servieren könne, wenn sie sich gegen Abend einstellten.

Während nun der ehrliche polnische Junge, der Kurt zuerteilt worden, aus dem Manöverranzen alles nur Denkbare herauspackte und einen aus verschiedenen Klötzen vor dem Zelte hergestellten Tisch mit einem schneeweißen Tuche überdeckte, standen sein Herr und der Hauptmann Erbach ziemlich schweigsam im Freien und warteten.

(Fortsetzung folgt.)