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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

70. Jahrgang.

Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die EtnrückungSgebübr beträgt im Bezirk und in nächster Um­gebung S Pfg. di« Zeile, sonst 12 Pfg.

Samstag, den 30. Mär; 1895.

LbormearentspreiS vierteljährlich in der Stadt -0 Pfg. mid a. Trägerlohn, durch die Dost bezogen ML 1. 1b, sovO t» Württemberg Mfl. 1 35.

Amtliche Bekanntmachung«».

Bekanntmachung.

In Kohlersthal, Gde. Altbulach, ist die Maul- und Klauenseuche erloschen.

Die s. Zt. verhängten Sperrmaßregeln sind aufgehoben.

Calw, den 28. März 1895.

K. Oberamt.

I. V.

Amtm. Göttert.

An die Gemeindebehörden

betr. die Vertilgung von Raubvögeln und andern schädlichen Vögeln.

Falls sich auf den Gemeindemarkungen eine Ueberhandnahme der in Z 7 der Min.-Vers, vom 7. Oktober 1890 (Reg.-Bl. S. 234) bezeichneten Raubvögel und andern schädlichen Vögel bemerklich machen sollte, werden die Gemeindebehörden hiemit veranlaßt, nach Maßgabe der angeführten Bestimmung entsprechende Anträge an das Oberamt zu stellen.

Calw, den 28. März 1895.

K. Oberamt.

Voelter.

Bekanntmachung.

Der auf 2. April ds. Js. in Oberjettingen fällige Vieh- und Schweinemarkt findet wegen der größeren Verbreitung der Maul- und Klauen­seuche im Bezirk nicht statt.

Hsrrenberg, 28. März 1895.

K. Oberamt.

Ziegler, Amtm.

Vorstehende Bekanntmachung wird hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht.

Calw, den 29. März 1895.

K. Oberamt.

I. V.:

Amtm. Gottert.

Bekanntmachung.

Nachdem die Maul- und Klauenseuche in Unterhaugstett und Ottenbronn ausge­brochen ist, wird das Treiben von Rindvieh, Schafen und Schweinen außerhalb der Feldmarkarenzen, das Durchtreiben der genannten Tiere durch die Mark­ungen dieser Gemeinden sowie die gemeinschaftliche Benützung von Brunnen und Tränken daselbst zu­nächst bis zum 12. k. M. verboten. Dabei wird wiederholt darauf hingewiesen, daß die Unter­lassung oder Verspätung der Anzeige von Seuchen­ausbrüchen nicht nur Bestrafung, sondern auch den Verlust der Entschädigung für an Maul- und Klauen­seuche gefallenes Rindvieh nach sich zieht.

Calw, den 29. März 1895.

K. Oberamt.

I. V.:

_ Amtm. Gottert.

Des All-Reichskanzlers achtzigster Geburtstag.

Heute gedenkt All-Deutschland seines ersten und größten Kanzlers. In allen Gauen unseres Vaterlandes feiert nran den achtzigsten Geburts­tag Bismarcks. Ja, auf dem ganzen Erdenrund, wo immer die deutsche Sprache erklingt, wo deutsche Herzen schlagen, ist dieser Tag dem Manne geweiht, der den deutschen Namen wieder zu Ehren in der Welt gebracht hat, der den Deutschen ein einiges Vaterland gegeben, ein Reich, das im Rate der Völker nicht an letzter Stelle steht. Darum brechen denn auch heute heißer denn je die Gefühle des Dankes aus den Herzen aller Deutschen hervor, und brausen als ein Strom der Begeisterung mächtig durch alle Lande, dem Fürsten am Abend seines Lebens Erquickung und Freude spendend. Und das ge­

schieht mit Recht. Denn dieser gewaltige Mann gehört nicht einer Partei an, er steht über den Parteien, er gehört dem ganzen Volke. Man braucht nur den Namen Bismarck zu nennen, so tritt mit ihm die ganze glorreiche deutsche Ge­schichte der letzten Jahrzehnte vor unser Auge. Jeder Blick in unsre jüngste Vergangenheit trifft auf ihn, als auf den Namen des Mannes, der in drei Jahrzehnten im Mittelpunkt als die treibende Kraft unserer ganzen Entwicklung gestanden. Seine Lebensgeschichte ist zugleich die Geschichte seiner Zeit.

Deutschlands Einheit, das deutsche Reich das war das Suchen und Sehnen der edelsten Geister, war die Lebensfrage der Nation fest den Freiheitskriegen, Jahrzehnte schaute man nach diesem herrlichen Ziele aus. Und diese Frage zu lösen, diesen Traum des deutschen Volkes zu verwirklichen, dazu war nun Bismarck berufen. Er ist der Deutscheste der Deutschen. Von seinem ersten Austreten an sahen wir in ihm deutsche Art und Gesinnung gleichsam verkörpert.

Aber es war ihm auch von Anfang klar, daß allein Preußens Größe Deutschlands Größe bedinge. Darum setzte Bismarck von Anbegum alle Kraft daran, zuerst Preußen diejenige Gestalt und Entwicklung zu geben, die ihm die alleinige Führerschaft der deutschen Stämme sichern konnte. Und so wurde der Kanzler des norddeutschen Bundes zugleich auch der Baumeister des deutschen Reiches. Er hat uns in Wahrheit erst das Haus gebaut. Aber er hat auch die Bahn gewiesen, welche das in diesem Hause wohnende Staats­leben für die Folgezeit zu gehen hat: es ist das praktische Christentum, welches sich in der von ihm begonnenen sozialen Gesetzgebung bethätigt.

Darum wird der Name Bismarck für Jahr-

Die Alanöverstütze.

Novelle von Anna Gnevkow.

(Fortsetzung.)

Und weiterhin: »Ach reise ab, der Onkel macht Andeutungen, Tante führt meine dreiundzwanüg Jahre ins Treffen, Irmgard möchte gern Brautjungfer bei mir werden und das alles auf Kosten eines Mannes, der so wenig an mich denkt, wie ich an ihn, ich, di« doch wahrscheinlich nicht für kleine, beengende Verhältnisse geschaffen."

Viele, viele Seiten des Tagebuches fanden sich nach der hauptstädtischen Epi­sode, die mit Schilderungen des häuslichen Lebens in Ellerstädt angefüllt waren, und durch deren Inhalt es allgemach wie der Odem eines neu erwachten Lebens und Empfindens ging. Leonore schien sich danach dem Studium so mancher Wissen­schaft, die ihr früher ganz fern gelegen, hingegeben zu haben, Urteile über Geschichte, Erdkunde, Botanik tauchten auf, dazwischen einmal die Schilderung eines Ganges nach einer der Dorfhütten, in denen Armut und Krankheit geherrscht und überall, bald hier, bald dort verstreut, eine Bemerkung, die Hauptmann Erbach gemacht, wie er gesagt, ein oberflächliches Wohlthun schade mehr, als eS nütze, wie er gemeint, im Weiterlernen, Weiterstreben, auch nach der Schule noch, fände ein Mädchen Be­friedigung und fülle ein Leben aus, dem sich sonst vielleicht nicht genug Arbeit darböte.

Und nun hasteten LeonorenS Blicke in der späten Nachtstunde, in der in Schloß Ellerstädt schon alle schlafen mochten, unausgesetzt auf den Zeilen, welche die letzten beiden Seiten ihres BucheS bedeckten. Erstem und heute geschrieben, wie es das Datum besagte, und seltsam anzusehen mit vielen Gedankenstrichen und Ab­

sätzen, als hätte die Schreiben« einen inneren Zwiespalt, eine gewisse Unklarheit beim Aufzeichnen derselben empfunden. »Er ist da," hieß eS auf der ersten Seite, »ist für mehrere Tage bei uns einquartiert worden, ein seltsamer Zufall, der dm Hauptmann Erbach in das Lager der Feinde führt. Finden sich auch viele An­knüpfungspunkte und Beziehungen von unserm Zusammensein in der Residenz her, so klingt doch durch meine Seels, in alle Plauderei hinein, der eine Wunsch, dm stolzen, kalten Mann, den Verächter aller Schönheiten zu meinen Füßen zu sehen, wäre es doch dann ein köstlicher Triumph, mich von ihm abwenden und sagen zu können: Sie handeln gegen Ihre Grundsätze, mein Herr, haben Sie denn Fräulein von Möhring ganz und gar vergessen? Kurt von Waldau hat andere Ansichten als dieser kleine Hauptmann von der Artillerie, er sah damals, als wir im Ostseebade zusammentrafen, niemand als mich, zu meinem R'tter machte er sich auf allen Promenaden, zu meinem Partner auf den Röunions und morgen kommt er Noch entsinne ich mich deutlich seiner schlanken Gestalt, der guten Augen, des frischen Gesichts, er kann sich wohl mit dem Hauptmann Erbach messen, nein, er ist hübscher, und der Eltern größter Wunsch ist eine Verbindung zwischen ihm und mir, ach, wäre ich doch nie in der Hauptstadt, nie beim Onkel gewesen, wie soll ich es nur anfangen, den Stolz Herrn von Erbachs gebührend zu strafen, und mir ist doch, als könnte ich meines Lebens nicht eher wieder froh werden, ehe ich eS gethan."

Auf der letzten Seite des Buches stand, flüchtig, soeben erst hingeworfen, denn noch war die Tinte feucht: .Elisabeth ist gekommen, ein Mädchen, just wie der Hauptmann sie damals im Wintergarten des Ballsaales beschrieben. Unbewußt aller Lieblichkeit, die wie der Hauch der eben erblühten Rose sie umgiebt, muß sie aller Herzen-einnehmen, und auch ich habe sie lieb, sehr lieb, denn ich weiß eS ja, wie innig sie mir zugethan. Ob Herr von Erbach sie beachten, ob er sie noch weiter so beachten wird, wie er es heut« abend gethan?" (Forts, folgt.)