Deutsches Reich.
Stuttgart, 11. März. Unter Führung der beiden Präsidenten der Abgeordnetenkammer Payer und Kiene erschien heute nachmittag drei Uhr dieAdreßkommission im kgl. Residenzschloß, um dem'König die in den letzten Tagen von der Kammer beratene und beschlossene Adresse zu überreichen. Der Kommission hatte sich nicht angeschlossen der sozialdemokratische Abgeordnete Kloß. Die Audienz fand statt im weißen Saal, wo der König sich vor dem Thronsessel aufgestellt hatte. Präsident Payer verlas die Adresse, zum Teil mit stärkerer Betonung der wichtigsten Punkte. Se. Majestät brachte eme kurze Antwort zur Verlesung, worin er die gewissenhafte Prüfung der Adresse zusagte und den Wunsch aussprach, der Landtag möge im Geiste weiser Mäßigung auch seine künftigen Beratungen zum Wohls des Landes fortsetzen. Danach trat der König auf den Präsidenten Payer zu, um sich in einem kurzen Zwiegespräch über den voraussichtlichen Gang der weitern parlamentarischen Arbeit mit dem Präsidenten auszusprechen und den Wunsch nach einem guten Jahr für Landwirtschaft und Gewerbe anzu- sügen. Die Audienz dauerte eine halbe Stunde.
Berlin, 11. März. (Deutscher Reichstag.) Zunächst werden die zum Militäretat vorliegenden Resolutionen nach der von der Budget- Commission vorgeschlagenen Fassung genehmigt, die von Podbielski eingebrachte Resolution (Verpflegungsvergütung) ganz, die Schädler'sche (warme Abendkost für Soldaten) mit dem Zusatz, daß Mittel eingestellt werden sollen, sobald es die Finanzlage des Reiches gestatte. Postetat. Abg. Lin gens (Centr.) bemerkt, daß in Bezug auf die Sonntagsruhe der Beamten manches besser geworden sei. Redner empfiehlt die Annahme der von der Commission vorgeschlagenen Resolution betr. die Abschaffung von Güterzügen an Sonntagen und die Beschränkung des Packetbetriebs. Staatss. v. Stephan verspricht, soweit etwas geschehen könne, ohne die Verkehrsinteressen zu schädigen, werde es geschehen. Abg. Müller-Sagan (fr. Vp.) wünscht Verlegung der Postdienststunden an Sonntagen in die Geschäftszeit und plaidiert für Herabsetzung der Telephongebühren, sowie Reformierung des Postzeitungstarifs. Staats, v. Stephan führt unter Darleguug der Verhältnisse aus, daß, wenn diese Wünsche alle berücksichtigt würden, ein Ausfall von 9 Mill. Mark einträte, der doch wiederum anderweitig gedeckt werden müßte. Abg. Förster (Antis.) tritt ein für Heraufsetzung des Gewichts für einfache Briefe und für Herabsetzung des Portos im Amlsverkehr. Abg. Schönlank (Soz.) kritisiert die Arbeitsüberlastung der Assistenten und Unterbeamten, hofft, daß mit der Zeit die außeretatmäßigen Anstellungen in Wegfall kommen werden und daß Gehaltsaufbesserungen möglichst schleunigst vorgenommen würden. Direktor im Reichspostamt Fischer widerspricht der Auffassung des Vorredners, als sei es Prinzip der Postverwaltung, auf Kosten der Unterbeamten die höher gestellten zu begünstigen. Nächste Sitzung: Morgen 1 Uhr. Weiterberatung.
Berlin, 12. März. Wie die Voss. Ztg. hört, findet die Verhandlung gegen den Exkanzler Leist vor dem Leipziger Disziplinarhof bald nach Ostern statt.
Tagesneuigkeiten.
Calw, 12. März. In der gestern stattgehabten Generalversammlung des Handels- und Gewerbevereins standen mehrere Fragen zur Beratung, die ein größeres Interesse voraussetzen ließen; die Versammlung war daher auch recht zahlreich besucht. Der Vorstand, Hr. Handelsschuldirektor Spöhrer erstattete Bericht über die Thätigkeit des Ausschusses im abgelaufenen Jahr und rccapitulierte die gepflogenen Verhandlungen auf dem Verbandstag in Ellwangen. lieber die dort stattgehabten Beratungen — Neuorganisation der Gewerbevereine, Umänderung der Concursordnung, Unfallversicherungszwang, Sonntagsruhe, Hausierhandel etc. —, ist s. Z. berichtet worden. Im hies. Verein hat im vorigen Jahr ein Vortrag stattgefunden von Patentanwalt Otto Sack in Leipzig. An Lehrlingen sind geprüft worden 18 und für Prämien an Fortbildungsschüler wurden 32 ^ verausgabt. Der Verein besitzt ein Vermögen von etwa 2200 ^ und zählt heute 137 Mitglieder, gegen 115 im Vorjahr. Das Ansuchen beim hies. Postamt um mehrmalige Briefbestellung an Sonntagen ist abschlägig beschicken worden. An den Kursen für Buchführung, welche vom Vorstand gegeben wurden, hatten sich erfreulicherweise 28 Damen und 12 Herren beteiligt. Hr. Handelsschuldirektor Spöhrer wurde pr. Acclamation wieder als Vorstand gewählt und statt der austretenden 5 Mitglieder nachstehende Herren in den Ausschuß berufen: R. Pflüger, SchlosserHeldmaier, Flaschner Essig, Schreiner Schäfer. Fabrikant H. F. Baumann. Hr. Georgii ersucht die Versammlung zum Zeichen der Anerkennung der gehabten Mühewaltung des Hrn. Vorstands sich von den Plätzen zu erheben. Bei Punkt 4 : Beratung über einen Beitrag zur Stiftung eines Andenkens für die Eröffnung des neuen Landesgewerbemuseums entspann sich eine längere Debatte, welche zu dem Resultat führte, daß man die Verbandsleitung, von welcher die Sache ausgehe, ersuche, genauere Anhaltspunkte zu geben, wie man sich ein- solches Angebinde dort denke, bezw. was eigentlich geschaffen werden soll. Hierauf folgte Punkt 5 der Tagesordnung: Besprechung über elektrischen Licht- und Kraftbetrieb in unserer Stadt. Anlaß zu dieser Besprechung gab namentlich die jüngste Anwesenheit eines Technikers der Firma W. Neißer in Stuttgart. Die gen. Firma erbietet sich an hiesige Gewerb- treibende zunächst elektr. Kraft bei unentgeltlicher Anlage der Zuleitung und nur so viel Licht zu liefern, als zur besseren Einführung der Sache zetwa 300 Flammen) nötig sei. Aus der sich hierüber entwickelnden Debatte ging hervor, daß die städt. Gasanstalt noch 48000 ^ zu decken habe und bei dem Nentement von 1700 jährlich noch nahezu 30 Jahre vergehen würden, bis man hier auf elektr. Licht und Kraft hoffen dürste. Der Vorstand machte darauf aufmerksam, daß durch die Gratislieferung der Zuleitung, mancher Gewerbetreibende sich leichter zur Anschaffung der seinem Gewerbe dienlichen Maschinen entschließe, wodurch ihm eine große Erleichterung in seinem Betrieb geschaffen sei. Den Umstand, daß Hr. Reißer das Elektrizitätswerk auf eigene Rechnung herstelle, halte er für sehr günstig. In 20—25 Jahren könnte dann das Ganze von der Stadt übernommen werden. Auf Vorschlag des Vor
stands wurde hierauf beschlossen, an die bürgerlichen Collegien die Bitte zu richten, den Antrag Reißer nicht abzuweisen um dem Gewerbe entgegenzukommen. Bei Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung über die Umwandlung des Handels- und Gewerbevereins in einen Bezirks-Handels- und Gewerbeverein giebt die Versammlung ihre Zustimmung. Dieser regierungsseitig gemachte Vorschlag begründet sich damit, daß die Vereine durch Zunahme der Mitgliederzahl leistungsfähiger und namentlich auch durch die in Aussicht gestellte Unterstützung seitens der Centralstelle kapitalkräftiger werden. Nachdem zu Punkt 7 ein Mitglied noch eins begründete Beschwerde betreffs Ausstellung im Musterlager vorgebracht hatte, wurde die Versammlung vom Vorstand geschlossen.
* Calw. Vom 1. April an wird auf der Strecke Calw-Pforzheim zwischen Liebenzell und Unterreichenbach eine Haltestelle errichtet werden. Diese neue Station kommt besonders den badischen Orten Lehningen und Neuhausen, welche einen starken Personenverkehr nach Pforzheim haben, zu statten. Die genannten Orte haben zu den Anlagekosten einen entsprechenden Beitrag zu leisten.
* Calw. Das Gausängerfest des Enz« Nagold-Gaus findet dieses Jahr in Birkenfeld statt. Als Festtag wird ein Sonntag im Juni bestimmt werden. Die meisten Vereine des Bundes beteiligen sich am Wettgesang; außerdem sind noch gemeinschaftliche Chöre im Programm vorgesehen.
Calw, 13. März. Der heutige Viehmarkt war sehr stark befahren. Zugebracht wurden 644 Stück Rindvieh. Der Handel zeigte sich flau bei zurückgehenden Preisen. Auf dem Schweinemarkt war mehr Leben und rege Kauflust. Milchschweine lösten 24—36 das Paar, Läufer 50—80 Zufuhr 29 Körbe Milchschweine, 143 Stück Läufer. Auf dem Pferdemarkt hatten 86 Stück Aufstellung gefunden. Umsatz gering.
Altensteig, 10. März. In welch lobenswerter Weise die Freiherr!, v. Gültlingen'sche Gutsherrschaft Anteil am Wehe der Bern eck er Bewohner nimmt, zeigt am deutlichsten der von derselben kürzlich letzteren bekannt gemachte Beschluß, nach welchem sämtlichen Pächtern von gutsherrlichen Grundstücken in Anbetracht des strengen Winters 10°/« des Pachtzinses nachgelassen werden. Dieser hochherzige Beschluß verdient umsomehr alle Anerkennung, als im Jahr 1893/94 infolge der großen Dürre des Sommers Nachlässe an den Pachtgeldern bis zu 25"/» gewährt wurden. Den Pächtern des Freiherrlichen Hofguts Roßrücken wurde aus Rücksicht auf die gegenwärtige landwirtschaftliche Notlage durch noch höhere Nachlässe des Pachtschillings seitens der Gutsherren in einer Art und Weise entgegengekommen, wie sie wohl sonst selten Vorkommen wird. Aermeren Bernecker Kranken haben die Freiherren ohnedies schöne Gaben an Geld oder Holz zukommen lassen.
Berlin, 13. März. Wie die Nordd^A^. Ztg. hört, ist die Ernennung des Regierungspräsidenten in Hannover, des Grafen Wilhelm Bismarck, zum Oberpräsidenten von Ostpreußen vom Kaiser genehmigt worden. — Die Berliner Bäckerinnung unternimmt am 27. April ihre Huldigungsfahrt nach Friedrichsruh.
rose, die sie nach eigener Wahl für das schwere, blauschwarze Haar Ellmors gebrochen, war sie endlich aus dem Garten zurückgekehrt und im Begriff, die Rampe, die zur Eingangsthür deS Schlosses führte, hinaufzugehen, als von der entgegengesetzten Seite deS Walles her die beiden Offiziere, die Herzthal verlassen, angeritten kamen und ihre Pferde unmittelbar unter der Laterne parierten, die der Diener soeben am Portal von Ellerstadt angezündet.
Mit einem ganz kleinen Schrei des Erschreckens huschte Elisabeth hinter die Ausmauerung der Rampe und sah von hier auS mit eng an sich gedrückten Kleidern und großen Augen auf die beiden Reiter, die ihr den Weg so jäh abgeschnitten. Er war es, wahrhaftig er. der sie heute auf der Landstraße angehalten, der sie aufgefordert, den armen, gejagten Hasen wieder laufen zu lassen, der sie dann mit ihrem Schutze für das. hilflose Tier geneckt und ihr endlich einen Kernfluch nachgesandt, als sie ihn mit ihrer ihr von der Pfarrrrstochter zuerteilten Würde bekannt gemacht.
Nie im Leben, nie hätte sie gedacht, den jungen Mann wiederzusehen, wie hätte sie eS sonst übers Herz gebracht, des Ausdrucks, den Pastors Hildegard von ihr gebraucht, und den sie selbst so urkomisch gefunden, Erwähnung zu thun? Und nun war er da, nun bestrahlte die Helle Flamme der Laterne seine blitzenden blauen Augen, die weiße Stirn, die gegen das übrige, gebräunte Antlitz seltsam abstachen, und die deutlich zum Vorschein kam, als er die Mütze etwas lüstete, um sie sich dann wieder fester auf das blonde Haar zu drücken. Elisabeth hätte am liebsten heimlaufen mögen nach Amtmanns HauS, aber daran war ja jetzt nicht zu denken, die jungen Mädchen warteten auf ihren Blumenschmuck, che sie unten im Salon «scheinen konnten, und mit einem ungeduldigen Seufzer sah sie wieder hinüber zu den Offizieren, denen ein Stallknecht soeben die Zügel der Pferde abnahm.
So, jetzt war doch endlich Aussicht für sie, auS ihrem Versteck fortzukommen, die Herren betraten schon die Schwelle zur Eingangshalle, vorsichtig schlich Elisabeth um den Bogen der Rampe herum, da wandte sich der blonde, der schreckliche Offizier
noch einmal zurück, dem Stallbedientesten einen Auftrag in Bezug auf sein Pferd zu geben, und atemlos blieb Elisabeth gerade in dem Lichtstreifen stehen, den die Laterne auf dem breiten KieSwege bildete. Ein pfeifender Laut der Überraschung entrang sich den festgeschlossenen Lippen Kurt Waldaus, aber er kam nicht dazu, etwas zu sagen, denn schon war das junge Mädchen an ihm vorübergchuscht und in der Seitenthür der Halle verschwunden.
Wie hingeweht lag die gelbe Rose in dem Reichtum schwarzer Haare, der LeonorenS hochgetragenes Köpfchen zierte, und die blitzenden Wassertropfen, mit denen Elisabeth sorglich die Blüte getränkt, glänzten und schillerten in dem Lichte, das darauf fiel, wie eine Fülle kostbarer, glänzender Brillanten.
Mit verschlungenen Händen, bewundernden Blicken stand die kleine Manöverstütze vor dem Mädchen, und aus den großen, lichtbraunen Augen, die sich voll auf die junge Dame hefteten, sprach eine so neidlose Anerkennung fremd« Vollkommenheit und Schönheit, daß Leonore, einem raschen Impulse folgend, mit sanft« Hand über die Wange Elisabeths fuhr.
Ein warmes Rot der Freude stieg in das gebräunte Gesichtchen Lisels, und liebevoll hielt sie die zarten Finger fest, leicht damit über ihre Augen gleitend. »Wissen Sie auch, Fräulein Eleonore, daß Sie heute so schön sind, viel zu schön für jeden Sterblichen, dessen Blick Sie wahrhaftig blenden werden."
»Und das ist gut, Lisabethel, sehr gut," ertönte vom Nebenzimmer h« die lustige Stimme Ernas, »denn heute werden wir ihn sehen, ihn, den Herrlichsten von allen, der unS andere im Seebade mit souveräner Verachtung zu übersehen pflegte, um sich ganz und voll unserer Sonne .Lori" zuwenden zu können."
Das schöne Mädchen zuckte die Achseln, ein Zug deS Mißvergnügens trübte die klare Reinheit der Züge, und mit einem leichten Zucken der Lippe warf sie hin: »Als ob er nicht mit Euch Croquet gespielt hätte, mit Euch zur See gefahren wäre?"
(Fortsetzung folgt.)