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wird für ein großes Trockendock auf der Kieler Werft eine Million gefordert, als zweite Rate resp. erste Baurate. Die Commission empfiehlt die Streichung. Nachdem der Staatssekretär Hollmann und der Abg. Jebsen ihr Bedauern hierüber ausgedrückt, erkennt das Haus demgemäß. Zu Titel 8 liegt der gestern schon bei der Beratung über die 4 Kreuzer erwähnte Antrag Müller-Fulda vor, den Zuschuß aus Anleihen zu den Ausgaben im Ordinarium von 2145000 ^ auf 3 355 000 ^ also um 1300000 (der Betrag für einen Kreuzer, erste Rate) zu erhöhen. Der eine Kreuzer soll also auf Anleihe übernommen werden. Abg. Hammacher (natl.) erklärt, daß diese Anleihen zum Abgrunde führen würden. — Abg. Rickert (freis. Der.) bemerkt dem gegenüber, daß wir uns diesmal in einer außergewöhnlichen Lage befänden. Der Abg. Hammacher und Schatzsekretär Posadowsky widersprechen dem. Abg. Rickert hebt hervor, daß in diesem Jahre 22 Millionen mehr an außerordentlichen Ausgaben auf das Ordinarium genommen worden seien. Abg. Richter (frs. Volksp.) führt aus, daß unsere Ausgaben noch nie io niedrig waren, wie in diesem Jahre. Graf Posadowsky, Abg. Hammacher vertreten nochmals ihren Standpunkt. Abg. v. Leipziger pflichtet ihnen bei. Der Antrag Müller-Fulda wird hierauf angenommen. Es folgt Militäretat. Zum Besoldungstitel Kriegsminister liegt vor der Antrag Auer u. Gen. die Regierung zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit und die Umwandlung der > jetzigen Heeres-Organisation angebahnt wird. Abg. Liebknecht (Soz.) bemerkt zur Begründung dieses Antrages, daß nur auf diesem Wege unser Volk zu einem wirklichen Volk in Waffen, einem Volksheere werde. Abg- Baumbach (Rp.) erklärt, nur eine regelmäßige Armee mit fester Disciplin könne dauernde Erfolge erzielen. — Abg. Rickert tritt dem Anträge Auer entgegen, weil es sich ziffermäßig Nachweisen ließe, daß das Milizheer mehr Kosten verursachen würde. Abg. Podbielski (Cons.) wünscht Klarheit in dieser Sache, um den sozialistischen Massen zu zeigen, wie wertlos der Vorschlag ihres Führer sei. Weiterberatung Montag 1 Uhr.
Berlin, 1. März. Die Umsturz-Kommission des Reichstages setzte heute die Beratung des Z 130 fort. Abg. Spahn (Centr.) ersuchte die Regierung um Vorlegung des Materials zu Z 130. Dagegen bemerkt Geheimrat Seidenspinner, das sei kaum notwendig, da es allgemein bekannt wäre, welche schlimme Angriffe die Presse oft auf Monarchie, Religion, Ehe und Eigentum unternommen habe. Der Paragraph sei aus einem längst empfundenen Bedürfnis hervorgegangen. Zum Beleg hiefür führt Redner aus anarchistischen Zeüschriften, Flugblättern etc. einzelne Beispiele an. — Abg. Bebel protestiert gegen solche Beweise aus Blättern, welche im Auslande erscheinen. Beschimpfende Aeußerungen gegen Religion, Monarchie, Ehe u. s. w. biete unsere Literatur
im reichsten Maße und werden durch hochgeachtete Namen vertreten. Den Sozialdemokraten liegt es fern, die Religion als Schwindel oder Erfindung zu bezeichnen. Redner führt Falle an aus den ^Werken Hoffmann von Fallersleben und Andere, welche scharfe Ausfälle gegen Monarchie, Ehe, Gottcsglaube enthalten. Auch die conservative Presse enthalte in jüngster Zeit Drohungen und Hinweise auf das Schwinden der monarchischen Gesinnung, was viel gefährlicher wirken müsse als eine gelegentliche, beschimpfende Aeußerung. Nach kurzen Erklärungen von Hammerstein (cons.) führt Enneccerus (natl.) aus, daß vr. Hänel schon 1878 diesbezügliche scharfe Strafbestimmungen vorgeschlagen habe. Z 130 sei notwendig unter Vornahme einiger Aenderungen der Regierungsvorlage. Abg. vr. Barth (frs. Ver.) hat von vr. Hänel eine Zuschrift erhalten, worin dieser die gegenwärtige Vorlage für unannehmbar hält. Nachdem sich Bebel nochmals gegen das Gesetz ausgesprochen, wird Weiterberatung auf morgen vertagt.
Berlin, 1. März. Im Landtage fand heute die Fortsetzung der Beratung des Kultusetats statt.
Berlin, 2. März. Der Besuch, welchen König Wilhelm dem italienischen Botschafter Grafen Lanza am Freitag abstattete, dauerte eine volle Stunde. In diplomatischen Kreisen legt man diesem Besuch eine große politische Bedeutung zu.
Berlin, 2. März. Die Nordd. Allg. Ztg. bestätigt, daß Freiherr von Scheele jetzt seiner Stellung als Gouverneur von Ostafrika enthoben worden ist.
Hamburg, 2. März. Wie die „Hamb. Nachr." melden, ist Fürst Bismarck offiziell zur Teilnahme an den Sitzungen des Staatsrats eingeladen worden; er hat jedoch aus Rücksicht auf seine Gesundheit abgelehnt.
Tagesnenigkeiten.
Calw, 4. März. Am Freitag abend hielt Hr. Rektor a. D. vr. Müller im Georgenäum einen Vortrag über Dante's göttliche Komödie. Der Redner teilte das Wichtigste über Namen und Zweck der Komödie (kein Schauspiel, eher ein Epos, eine dichterische Schilderung des Zusammenhangs großartiger Ereignisse), über Person und Leben des Dichters (geboren im Mai 1265 in Florenz, sehr reich begabter Dichter, bekleidete mehrere Staatsämter, gestorben in Ravenna 1321, betrauert von Fürst und Volk) mit und gab sodann eine Uebersicht über das große Werk (3 Teile: Hölle, Fegfeuer und Paradies schildernden Gang des menschlichen Lebens in Bildern) und eine eingehende Darlegung der einzelnen Gesänge und einzelnen Proben aus denselben. Mit gespanntester Aufmerksamkeit lauschten die Zuhörer dem fesselnden und sehr interessanten Vortrag. — In 14 Tagen wird der Redner eine Fortsetzung des Vortrags geben und hiebei weitere Proben aus dem Werk, Fegfeuer und Paradies, vortragen.
seine Erwählte sei. Seine Blicke, seine zarte Aufmerksamkeit, sein beständiges Zusammensein mit Rosa verrieten es, daß ein neues Menschenpaar sich gefunden in Liebe.
Und Rosa glühte und wandelte wie in seligem Traum.
Er liebte sie! Jeder Blick seines AugeS, jeder Ton seiner Stimme, jeder Druck seiner Hand verrieten eS ihr.
Dann, als sie allein waren im Garten, blickte er sie forschend an und sagte: .Fräulein Rosa, ich habe eine ernste Frage an Sie zu richten/
Rosa blickte zu ihm auf, und dann senkte sie errötend das Köpfchen.
.Im Aufträge meines Freundes, des Grafen/ fuhr er fort.
Rosa blickte ihn wieder stagend an, und Doktor Justus fuhr fort: „Mein Freund, Graf Schönburg, hat von Ihrer Herzensgüte, Ihrer Menschenliebe gehört. Er verehrt Sie innig und läßt durch mich Sie um Ihre Hand bitten/
ES klang beklommen, mit plötzlich zitternder Stimme, und angstvoll blickte JustuS in Rosas Antlitz.
Also das war eS, dachte Rosa, deshalb war er so verändert, deshalb so aufmerksam und liebevoll, weil er der Werber war, der Vertreter des Grafen Schönburg ; nicht für sich warb er, für einen anderen, ihr fremden Mann.
Die Thränen stiegen ihr wieder brennend heiß in die Augen, aber sie hob ihr Köpfchen stolz und sprach mit bebenden Lippen: „Sagen Sie Graf Schönburg, daß sein Antrag mich ehrt, aber ich muß ihn adlehnen; ich kenne den Grafen nicht und liebe ihn mcht."
In Justus Augen blitzte es freudig auf.
„Mein Freund wird unglücklich sein. Er hatte den Gedanken an eine Ehe längst ausgegebcn; nur die Schilderung Ihres W-sens hat ihn wieder daran denken lassen. Wollen Sie nicht überlegen, Rosa?'
Rosa! — wie süß, wie zärtlich es klang im Ohr des Mädchens.
Rosa schüttelte heftig den Kopf: „Nein, eS bedarf keiner Ueberlegung!"
Jetzt faßte Justus ihre Hand, und leise, flüsternd, fragte er:
— In Großengstingen, OA. Reutlingen, fand am Aschermittwoch ein Trinkgelage der ledigen Burschen im Wirtshaus zum Lichtenstein statt, an welchem auch der 20 Jahre alte Taglöhner Josef Riedinger teilnahm. Da er in betrunkenem Zustande Händel ansing, nahm sich seiner der Schmid Josef Freudigmann, ein Verwandter, an und führte ihn nach Haus. Zum Dank dafür stieß ihm Riedinger das Messer in die Brust, so daß Freudigmann lebensgefährlich verletzt darniederliegt. Nachdem Riedinger von seinen Angehörigen durchgehauen worden war, wurde er vom Landjäger an das Amtsgericht Reutlingen eingeliefert, wo er sich nunmehr in Haft befindet.
(Staatsanz.)
— Für das 24. allgemeine Liederfest des Schwäb. Sängerbundes in Biberach liegt bereits das Fest-Programm in großen Zügen vor. Danach beginnt das Fest am Sonntag den 21. Juli, vormittags halb 11 Uhr, mit der Begrüßung und Uebergabe der Bundesfahne in der Festhalle, worauf sofort das Wettsingen beginnt. Nachmittags 4 Uhr ist Generalprobe für die Montag früh 10 Uhr stattfindende Hauptaufführung. Montag Nachmittags 2 Uhr ist Festzug, an welchen sich die Preisverteilung schließt. Sonach ist in dem Programm eine wesentliche, dem Gesang zu gut kommende Vereinfachung eingetreten.
Berlin, 2. März. Bei dem gestrigen Bismarckkommers der Berliner Studentenschaft hielt der Reichskanzler Fürst Hohenlohe eine Ansprache. Er dankte, daß ihm durch die Einladung Gelegenyeit gegeben sei, mit den Studenten den Mann zu feiern, in dem er nicht allein den größten Staatsmann des Jahrhunderts, sondern, wie er stolz hinzufüge, auch seinen Freund verehre. (Brausender lang anhaltender Beifall.) Mögen die Studenten den patriotischen Geist bewahren, der bei den Studierenden Deutschlands traditionell sei, mögen sie die Treue zu Kaiser und Reich bewahren, den frohen und mutigen Sinn der Jugend, und festhalten an der idealen Weltauffassung, ohne die das Leben ohne Wert sei. Er trinke auf das Wohl der akademischen Jugend Deutschlands. (Donnernder Beifall.) Generaloberst Graf Los wies auf die innige Solidarität zwischen dem Offizierkorps und der Studentenschaft hin.
Aus Bern wird der N. Fr. Pr. über einen Millionär und Anarchisten geschrieben: Der vom Bundesrate aus der Schweiz weggewiesene Italiener Borghetti, der in Lugano wohnte, besitzt mehr als eine Million Fr. Vermögen, so daß an seinem Fortkommen im Auslande nicht zu zweifeln ist. Er ist erst 25 Jahre alt, kleidet sich möglichst nachlässig, wo nicht schäbig. Unter seinen Genossen, die ihn förmlich umschwärmten, erfreute er sich hoher Wertschätzung. Oefter lud er die „Propagandisten der Thal' zu den allerfeinsten Diners ein. Die Gesinnungsgenossen, welche sich von Italien nach dem Kanton Tessin begaben, unterließen es nie, den kapitalistischen Anarchisten zu besuchen. Seine revo-
„Jetzt, Rosa, werbe ich für mich selbst. Rosa, wollen Sie mein Weib werden?' Ich kann Ihnen nicht viel bieten, ein redliches Herz, das es treu mit Ihnen meint, und meine Arbeitskraft. Wollen Sie beides, wollen Sie mich lieben, immer?"
Rosa schlug beide Hände vor ihr Gesichtchen; sie zitterte, und kein Wort hätte über ihre Lippen kommen können, so erregt war sie, so glückselig.
Es bedurfte auch keine« Wortes. Er zog sie an seine Brust, und sie schmiegte ihr Köpfchen an seine Schulter.
In Justus' Auge stand eine Thräne des Glückes. Was er sein Lebelang vergebens gesucht, jetzt ward es ihm zu teil — ein Menschenherz, das ihn liebte um seiner selbst willen. Er drückte Rosa fest an sich, und dann sagte er neckend: .Aber Graf Schönburg darfst Du doch keinen Korb geben, denke Dir, er ist ein Graf, und ich bin ein armer Doktor, überlege es Dir noch einmal/
Rosa legte ihm ihre kleine Hand auf den Mund und schüttelte abwehrend das Köpfchen: „Nein, nein, sprechen Sie nicht mehr von dem Antrag des Grafen, ich bitte Sie darum!'
„Sie? Ich bitte Dich darum, so heißt es jetzt, Rosa, meine Braut, mein Liebling!
„Und nun gehen wir zu Mama, und wenn sie mich zum Schwiegersohn haben will, dann will ich heute unsere Verlobung proklamieren, und die Feldener sollen ein Fest haben, wie kein zweites wiederkommt; ist doch heute ein Glückstag, ein großer Glückstag für Dich und mich und ganz Felden!" plauderte Justus glückstrahlend. Wie verklärt sah er aus, wie jubelnd, und dies alles um ihretwillen.- Es trieb sie, seine Hand zu fassen und ihm leise zuzuflüstern: „Habe Dank für Deine Liebe!"
Es klang rührend demütig in Justus' Ohr.
Beide schritten sie nun dicht neben einander und suchten die Baronin. (Fortsetzung folgt.)