Wird unser Antrag abgelehnt, so werden wir natürlich für den Antrag Pachnicke stimmen. Redner bezeichnet die mecklenburgische Verfassung als eine Zwangsjacke, die dem Lande von der früheren Neichsgewalt auf­gezwungen worden sei, dieselbe widerspräche dem ge­samten modernen Staatswesen und bedürfe der Ab­änderung. Abg. Bebel (Soz.) tritt für den Antrag Auer ein, schildert den völligen Mangel an Vereins­und Versammlungsrcchten in Mecklenburg und ver­wahrt sich gegen den Vorwurf, der sozialistische Antrag schädige die Selbstständigkeit der Einzelstaaten. Redner wirft dann einen Blick auf die Wahlsysteme der ver­schiedenen Einzelstaaten, besonders auf Preußen und plaidiert dem Anträge Auer entsprechend für Herab­setzung des Wahlmündigkeits-Alters auf das vollendete 21. Jahr, sowie für das Wahlrecht der Frauen. Abg. Rettich (Eons.) will von Veränderungen in Mecklenburg nichts wissen. Abg. Lieber (Centr.) hält den Reichstag in dieser Frage für nicht kompetent und erklärt namens des Cenlrums, daß seine Partei gegenüber dem vorliegenden Anträge auf ihren alten Standpunkt stehe. Abg. v. Marquardsen (natl.) ist für den Antrag Pachnicke; auch er will Mecklen­burg eine Verfassung geben. Abg. v. Frege (Eons.) bekämpft den vorliegenden Antrag. Nach einem Schuß­wort des Abg. Pachnicke wird der Antrag Ancker (Neueinteilung der Reichstagswahlkrcise) abgelehnt.

Berlin, 14. Febr. Während der Rede des Abg. Jebsen in der heutigen Sitzung des Reichstags besuchte der Präsident von Levetzowdie Journalssten- tribüne, um sich persönlich von den Mängeln der­selben, die neulich zur Sprache gebracht wurden, zu überzeugen.

Berlin, 14. Febr. In Sachen des Duells zwischen dem Reichstagsabgeordneten Liebermann v. Sonnenberg und Dr. Böckel teilt eine parlamen­tarische Korrespondenz mit, daß Dr. Böckel die an ihn ergangene Forderung angenommen habe.

Tagesneuigkeiten.

Calw, 15. Febr. Der Wahlkampf ist vor­über, der Wille der Wähler hat entschieden. Der bisherige Abgeordnete, Stadtschultheiß Haffner, er­hielt in der gestrigen Stichwahl 2338, alt Adlerwirt Dingler 2 088 Stimmen, somit crgiebt sich für Haffner eine Majorität von 250 Stimmen. Die Wahl­beteiligung war stärker als am 1. Febr., indem bei dH Stichwahl über 500 Stimmen mehr abgegeben wurden. Haffner erhielt einen Stimmenzuwachs von 429, Dingler einschließlich der 218 sszialdemokrat. Stimmen einen solchen von 314 Stimmen. Die Einzelnresultate auS der Stadt und den Landorten sind sehr interessant; in manchen Orten hat eine ganz bedeutende Stimmenverschiebung stattgefunden. Eine Zusammenstellung der Resultate von der Haupt­wohl und von der Stichwahl finden unsere Leser in dem heute früh ausgegebenen Extrablatt. Mit dem

Ausgang der Stichwahl hat nun ein Wahlkampf ein Ende gefunden, der unfern Bezirk in große Aufregung versetzt hat. Mögen die hochgehenden Wogen der Meinungen sich wieder glätten und eine ruhige Zeit für den Wahlbezirk einkehren.

Nagold. Der 16 Jahre alte Wilhelm Nuding, welcher vor kurzem seiner Mutter 23 000 samt Coupons zu weiteren 16000 gestohlen hat, ist in Antwerpen mit einem Teil der gestohlenen Wertpapiere verhaftet worden.

In Nothfelden OA. Nagold kam in der Nacht vom 7. auf 8. ds. Mts. der 46 Jahre alte verheiratete Bauer Friedrich Köhler in be­trunkenem Zustand nach Hause. Er mißhandelte und bedrohte seinen 13 Jahre alten Sohn Philipp so, daß dieser, nur mit einem Hemd begleitet, bei einer Kälte von 23 Grad aus dem Hause flüchtete und Schutz in einem Nachbarhause suchte. Eine ältere Frau nahm sich des Knaben an und legte ihn in ihrem Hause zu Bett, wo er sich wieder erholte. Die Gefahr des Erfrierens war nahe gelegen. Gegen den Vater ist Untersuchung eingeleitet.

Stuttgart, 13. Febr. (Landgericht.) Vor der II. Strafkammer stand gestern der 20jährige Metzgergeselle C. Schmohl von Echterdingen wegen fahrlässiger Tötung. Er war bei Metzgermcister Nägele hier in Arbeit und hatte ein gemeinschaftliches Schlafzimmer mit dem Gesellen Renz. Am 1. Jan. d. I. war Schmohl nicht wohl, weshalb er das Bett hüten mußte. Als Renz ihn liegen sah, sagte er: Schlaft der Echterdinger Schmohl schon wieder?" Ein dritter Geselle stichelte Schmohl, sich das nicht gefallen zu lassen, worauf Schmohl dem Renz zurief: Mach, daß du hinaus kommst oder ich schieße." Er hatte stets einen Revolver im Bett und setzte sofort Patronen auf; Renz entfente sich eiligst, nach einigen Minuten erschien er aber wieder unter der Thür; jetzt krachte ein Schuß, Renz wurde in den Unterleib getroffen und ohnmächtig zu Bett gebracht. Am 3. Januar wurde er in der Olgaheilanstalt operiert, am 4. starb er an Blutvergiftung. Vor seinem Tod ist er noch vernommen worden und hat ausgesagt, Schmohl habe ihn absichtlich geschossen, denn er habe ausgerufen: Hin muß er sein." Dem widerspricht der Angeklagte energisch; er will, ohne Renz noch einmal im Zimmer gesehen zu haben, nur nach der Thür geschossen haben. Mehrere Zeugen treten ihm hierin bei, die Drohung hat niemand gehört. Schmohl wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Stettin. Seinen 100. Geburtstag be­ging am 11. Febr. der Rentier August Schmit in Wolgast. Am 11. Febr. 1795 in Anklam geboren, machte er als freiwilliger Jäger die Befreiungs­kriege mit und hat namentlich in den Schlachten von Bautzen, Jüterbogk, Großbeeren, Dennewitz, Leipzig, Ligny und Waterloo Proben persönlicher

Tapferkeit abgelegt. Noch heute zeigt der alte Krieger mit Stolz seine Militärpapiere aus damaliger Zeit, in denen er einunerschrockener, tapferer und zu­verlässiger Krieger" genannt wird, und eine alte Karte vom Kriegsschauplatz, auf der er jede von ihm berührte Ortschaft rot angestrichen hat.

Sieben Goldsucher aus We stau sstra li en sind von Coolgardie zurückgekehrt und berichten, daß sie hundert Meilen hinter Coolgardie eine hervor- stchende Quarz säule, 70 Fuß hoch, 250 Dards lang, 20 Fuß breit, entdeckt hätten, deren ganzer oberer Teil mit dicken Goldadern von wunderbarem Reichtum durchzogen sei. Sie hätten auch ein reiches Goldlager am Fuße der Säule durch Bohrung ge­funden. Die Goldsucher richteten ein Gesuch an die Regierung, ihnen die Konzession zur Ausnützung der Entdeckung zu erteilen. Das größte Aufsehen erregt aber die Thatsache, daß die Polizei sämtliche verhaften ließ. Die Goldsucher sind beschuldigt, den ganzen Stamm einschließlich der Frauen und Kinder nieder­gemetzelt zu haben. Die Verhafteten sind der That geständig und behaupteten, in Ausübung der Notwehr gehandelt zu haben, weil die Eingeborenen ihr Lager geplündert hätten. Man sieht dem Ausgange der Angelegenheit mit größter Spannung entgegen, nament­lich auf dem Goldmarkte bewirkt die neue Entdeckung reicher Goldlager eine fieberhafte Aufregung.

Stsudesaml tzalw.

Geborene:

7. Febr. Marie Emilie, Tochter des Heinr. Muggli,

Appreteurs hier.

11. Febr. Helene, Tochter des Jakob Knecht, Kauf­manns hier.

9. Febr. Wilhelm. Sohn des Ehr. Berner, Eisenbahn­schaffners hier.

8. Febr. Eberhardt Siegfried, Sohn des Heinr Samtier,

Färbermeisters hier.

11. Febr. Karl Fried., Sohn des Fried. Herrmann,

Schuhmachers hier.

9. Febr. Karl Ernst, Sohn des Karl Dürr, Zimmer­

malers hier.

Getrautc:

12. Febr. Karl Heinr. Schmid, Kaufmann hier und

Sofie Karoline Friedrike Kugel hier.

G estorbcn e:

10. Febr. Emil Blindt, 7 Monate alt, Sohn des

Joh. Adam Blindt, Hilfswarters hier.

Gottesdienste

am Sonntag Sexagesimä, 17. Februar.

Vom Turni: 423. Der Kirchenchor singt: Was mein Gott will, das g'scheh' allzeit, v. I. S. Bach ls. Beil.) Predigtlied: 427. 9'/- Uhr Vorm.-Pred.: Hr. Dekan Braun. lEv. Luc. 9,5156). 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Hr. Stadtp farrer S ch mid.

Mittwoch, 20. Februar.

10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.

Reklameteil.

Ls M

versebikäens Zrtts Saiten, ja! Lkar äis ?erl-8site" ist äoed ibrer Lillißcheit rvexen clis pralctisedsto türäsnU»miiisu- gedraaeb.

Residenz zurückzukehren, wußte eS klar sein zwischen ihm und Gertrud Felben. Die j stolz« Gertrud hatte es ihm angethan. Sie war ein Weib für ihn. den Erben von Echöndurg, eine echte Schloßherrin, stolz, hochmütig, wie er selbst es war. Sie waren sich so seelenverwandt, daß eines die Gedanken des anderen erriet, noch ehe er sie auisprach. Eine mächtige Sehnsucht erfaßte Günther sie zu sehen; er konnte nicht einen Tag zudringen, ohne in ihre schönen Augen geblickt zu haben. Mochte es nun zu seinem Glück oder zu seinem Unheil sein lassen, das wußte er, konnte er nie mehr von ihr.

Graf Günther befahl ebenfalls, sein Pferd zu satteln; trotz der Abmahnung des Arztes wollte, mußte er hinüber nach Felden.

Er trat noch einmal in sein Ankleidezimmer, stand noch einige Minuten vor dem hohen Spiegel und ordnete peinlich seine Toilette. Endlich schien er zufrieden mit sich und schritt hinab in den Park. Er ging an dem köstlichen Rosenflor vor­über mit musterndem Blicke, endlich brach er «ine eben erblühte, volle, dunkelrote Rose und befestigte dieselbe an dem Sattel seines Pferdes. Im scharfen Trabe ritt er vorwärts, bis er daS aste Herrenhaus vor sich sah. Jetzt hemmte er den Lauf des Tieres und ritt langsam im Schritt über den Feldweg, der aus dem Walde hinüberführte nach dem verwitterten Garten des Herrenhauses.

Günther kannte ganz genau die Lieblingsplätze Gertruds. Einer derselben lag dicht an der Hecke auf einer kleinen Anhöhe, der einen Blick gestattete auf den Weg, welcher aus dem Walde hierher führte. Günther hatte sie schon oft auf diesem Platze gefunden und sich geschmeichelt, daß sie ihn erwartet habe. Heute glaubte er sie kaum hier zu finden; da Rosa krank war, blieb sie wohl in deren Nähe. Mit beengendem Herzklopfen nahte er sich dem Hause d« Geliebten ob sie ihn em­pfing. ob sie lhn gütig aufnahm, ob ihre Augen heute wärmer blickten, nicht so klar und ruhig wie ein Gletschers«? Er ritt immer näher, ohne auf den Bau der Fabrik zu achten, an dem er vorüber mußte; derselbe interessierte ihn heute weniger als je­mals. Was ging eS ihn an, wie Graf Erich sein Geld verschleudert«; er würde Hess« wissen, damit fertig zu werden.Pah, daS Gesindel wird es ,hm schlecht

j lohnen", dachte Günther.Jetzt reicht « ihnen die Hand, und bald wollen sie ihn ganz haben." Der Anblick der Arbeit« war ihm verhaßt. Sie lüfteten ihre Mützen, als er vorüberritt, war er doch der Neffe des Bauherrn, des Grafen; er achtete nicht darauf, nickte nicht einmal. Er dachte nur an Gertrud und sich selbst; alle anderen Menschen waren ihm gleichgültig.

Vergebens spähte er in den Garten, von Gertrud war keine Spur zu sehen. So ritt er denn in den Hof ein und stieg vom Pferde.

Die Magd kam ihm entgegen und meldete ihn bei den Damen. Er trat in den Salon; er wußte bestimmt, daß Gertrud kam, und et täuschte sich nicht. Sie trat ein, ruhig, kühl, vornehm wie immer, ohne eine Spur von Erregung in dem schönen Gesicht.

Wir haben eine Kranke, Graf, Rosa liegt seit gestern; wir hatten eine angst­volle Nacht." sprach sie in gleichgültigem Ton, ließ sich die Hand von Günther küssen und nahm die Rose in Empfang. Dann lehnte sie sich in eine Ecke des alt­modischen Sofas, und eine graziöse Bewegung ihrer Hand lud den Grafen zum Sitzen ein.

Und wie geht cs Baroneß Rosa heute? Doktor Justus berichtete bereits die Erkrankung. Sollte nicht kommen, meinte er. könne stören, war indes unmöglich heute, ohne Ihren Anblick zu sein. Zürnen Sie mir deshalb?"

Rosa geht eS noch immer nicht gut. Schade, wir wollten Sonntag zu Werdens hinüber fahren, es wird uns nun unmöglich sein. Es soll kleine Ge­sellschaft drüben sein, sind Sie noch nicht geladen, Graf?"

Ja doch, werde ab« nur gehen, wenn Sie, Baroneß, kommen, was soll ich sonst dort?"

In Gertruds Augen leuchtete es aus. Sie fühlte, wie heiß seine Blicke auf ihr ruhten, aber sie sah gleichgültig an ihm vorüber; sie wußte ganz gut, daß ihre Kälte ihn reizte, ihre Gleichgültigkeit ihn bezwang.

(Fortsetzung folgt.)