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.Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
7V. Jahrgang.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die itzinrückungSgebühr beträgt im Bezirr und nächster Umgebung 9 Pfg. die Zeile, sonst IL Pfg.
lontag, den 4. Jebruar 1895.
Abounementlprii» «trrtrIWrltih in der Stadt SO Ps«. u»d »0 Psg. LrLgerlvhn, durch die Post bezöge» Mk. 1. lb, sonst t» go», Württemberg Mt. 1. SS.
Amtliche Bekanntmachungen.
Die Ortsdehorden für die Ardeiter- uerfichernng,
welche mit der Vorlage der Katasternachweisungen für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft des Schwarzwald-Kreises nebst Beilagen noch im Rückstand sind, werden an sofortige Einsendung derselben erinnert.
Calw, I. Februar 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Die Ortsvorsteher
werden unter Hinweis auf den Ministerialerlaß vom 7. v. Mts., betr. das Verbot von Sperrklappen in den Rauchabzugsröhren der Zimmeröfen (Ministerial- amtsblatt S. 12) beauftragt, den Lokalfeuerschauern unter Fertigung eines Eintrags im Schultheisien- amtsprotokoll urkundlich zu eröffnen, daß das Verbot der Benützung von Sperrklappen auf die in Kirchen aufgestelsten Oefen keine Anwendung zu finden habe.
Calw, 2. Februar 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung,
betr. die Wahl eines Landtagsabgeordneten.
Die am Freitag, den 1. Febr. 1895, vorgenommene Wahl eines Landtagsabgeordneten hat zu folgendem Resultat geführt.
' Von 4967 Wahlberechtigten haben 3911 giltige Stimmen abgegeben. Hievon fielen auf Stadtschultheiß Hermann Haffner in Calw 1909. Louis Dingler, alt Adlerwirt daselbst . . 1774, -Gottlieb Proß, Handschuhmacher in Eßlingen 220, Zersplittert waren. 8.
Da hienach keiner der Kandidaten mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat, so wird in Gemäßheit des Art. 12 des Verfassungsgesetzes vom 26. März 1868 (R.-Bl. S. 177) eine neue Wahl auf
Donnerstag, den 14. Februar 18SS, vormittags 10 Uhr bis nachmittags 0 Uhr
angeordnet.
Hiebei wird auf Nachstehendes noch ganz besonders hingewiesen:
1) die Wahl wird in Gemäßheit des Art. 19 des Wahl-Ges. v. 26. März 1868 auf Grund derselben Wählerlisten, nach denselben Abstimmungsbezirken und bei gleicher Besetzung der Wahlkommissionen wie die erste Wahl vorgenommen. Es unterbleibt daher die wiederholte Auflegung der Wählerlisten und das hiedurch verursachte Verfahren.
2) Bei dieser engeren Wahl ist nach Art. 12 des Verf.-Ges. vom 26. März 1868 nur zwischen denjenigen 2 Kandidaten zu wählen, welche bei der erfolglos gebliebenen Mahl die meisten Stimmen erhalten haben.
Es sind somit alle Stimmen, welche auf andere Kandidaten als
Stadtschultheiß Hermann Haffner in Calw und
Alt Adlerwirt Louis Dingler in Calw fallen, ungiltig.
Calw, den 4. Febr. 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
An die Ortsnorsteher und die Wahlvorsteher.
I. Die Ortsvorsteher werden hiemit beauftragt, vorstehende Bekanntmachung, sowie die Zeit des Anfangs und des Schluffes der Abstimmung und eine etwa eingetretene Aenderung der Wahllokale in ihren Gemeinden spätestens am Montag, den 11. Febr.,
auf ortsübliche Weise zu veröffentlichen und werden Plakate zum Anschlag am Rathaus den Ortsvorstehern noch zugehen.
lieber den Vollzug dieser Bekanntmachung ist eine Anzeige an das Oberamt einzusenden und hat solche spätestens am Dienstag, de« IT. Febr., vormittags 12 Uhr, hier einzukommen.
II. Den Wahlvorsteher» gehen mit nächster Post die Wählerlisten, je ein Formular zum Wahlprotokoll und zur Gegenliste zur Benützung bei der engeren Wahl wieder zu und werden dieselben angewiesen die bestehenden Vorschriften genau zu beachten. Insbesondere ist
1) nach Beendigung der Abstimmung das Wahlprotokoll und die Gegenliste von mindestens 5 Mitgliedern der Wahlkommission zu unterzeichnen und von diesen folgende Beurkundung auf den Anheftbogen der Wählerliste zu setzen:
„Die vorliegende Wählerliste wurde bei der engeren Wahl am 14. Febr. 1895 zur Vormerkung der Abstimmenden benützt und dem Wahlprotokoll als Beilage beigefügt."
Zur Beurkundung .den 14. Febr. 1895.
Die Diftriktswahlkommission:
Der Wahlvorsteher: Die Beisitzer:
Der Protokollführer:
2) Nach Schluß der Wahlhandlung sind die Wahlakten, bestehend aus der Wählerliste, Berufurm der Beisitzer und des Protokollführers, Wahlprotokoll und Gegenliste, sowie diejenigen dem Wahlprotokoll beizunummerisrenden Wahlzettel, über deren Giltigkeit oder Ungiltigkeit ein Beschluß der Distrinswahlkommission nötig wurde, ungesäumt und so zeitig wohlversiegelt als portopfl. D.-S. an das Oberamt einzusenden, daß dieselben spätestens am Freitag, den IS. Febr., vormittags 12 Uhr, erforderlichenfalls durch Extraboten, beim Oberamt einkommen.
Die Wahlvorsteher sind für die pünktliche Ausführung dieser Vorschriften verantworlich.
JeuiLketon.
sNachdruck verboten.)
Der: Sonderling.
Roman von P. FelSberg.
(Fortsetzung.)
„So gehen Sie, Gertrud, aber wir sehen uns bald wieder — nicht wahr — bald?'
„Ja — ja — bald,' stimmte sie zu in hastiger Ungeduld, nur um sich freizumachen. In JustuS' Blicken leuchtete es auf; er glaubte, dies ungeduldige „bald' komme aus einem liebenden Herzen. Er gab sie frei, in der Hoffnung, sie bald an sich zu fesseln für immer.
Gertrud Felden atmete auf. tief, schwer, wie erlöst von angstvoller Pein. Sie wollte vorwärts durch den strömenden Regen, ohne umzublicken nach ihm, der ihr langsamer folgte, aus der Ferne sie zu beschützen in dem einsamen, dunklen Walde. Die Nacht war hereingebrochen, als Gertrud im Herrenhause ankam.
Rasch erzählte sie, daß sie in der Grotte Schutz gesucht vor dem Unwetter und dann doch durch den Regen geeilt sei, als die Dunkelheit hereinbrach.
Kein Wort von der Begegnung mit Doktor Justus kam über ihre Lippen; sie nannte nicht seinen Namen und freute sich, daß die anderen es auch nicht thaten.
Bald darauf lag sie, von Frost geschüttelt, in ihrem Bette. Sie hatte die Augen geschloffen, und ihre Zähne bohrten sich in die Lippen. Kein Schlaf kam in dieser Nacht über sie; sie wachte, mit den verschiedensten Empfindungen kämpfend. Die stolze Gertrud konnte sich selbst nicht mehr verstehen, wenn sie daran dachte, welche Gewalt jener Mann auf sie übte, von dem sie nicht wußte, ob sie ihn haßte -oder liebte, den sie zu fürchten begann, weil sie ahnte, daß er eingriff in ihr Schicksal.
VHI.
Mit einem seltsam beklemmenden Gefühl in der Brust hatte Doktor Justus Gertrud Felden nachgeblickt, als sie sich so plötzlich von ihm gewendet, halb in scheuer Angst, halb in verletztem Stolz.
Er folgte ihr in einiger Entfernung bis zum Ausgange des Waldes, dam» kehrte er langsam zurück, gedankenvoll, den Regen nicht beachtend, der auf ihn niederfloß. Das kühlende Naß that ihm unbewußt wohl.
Die Kopfwunde, die er bei dem Anprall gegen den Felsen davongetragen, die er ganz vergessen hatte, so lange Gertrud Felden in seiner Nähe war, begann ihn jetzt zu schmerzen. Unwillkürlich tastete er mit der Hand danach und zuckte zusammen, als er die blusig« Stelle berührte. Einen Moment lehnte er sich an einen Baum, es befiel ihn ein Schwindel.
Die große Erregung der vorhergegangenen Stunde hatte ihn, den Starkem doch einen Augenblick übermannt. Dann schritt er vorwärts, fand sein Pferd an den Baumstamm festgebunden, wie er eS verlassen, bestieg eS und ritt, so rasch «r im finstern Walde fortkommen konnte, nach Schloß Schönburg.
Graf Günther Schönburg stand am Fenster des Speisesaales, als Doktor Justus in den Schloßpark ritt, und beobachtete ihn kopfschüttelnd. .Sonderbar« Kauz.' murmelte er mit lächelndem Munde, „scheut nicht Wind noch Wetter, hat viel von Kavalier. Schade, spiest nicht, trinkt nicht — wäre sonst ganz charmant« Gesellschafter.'
Die wohlwollende Stimmung gegen Doktor Justus ging bei Günther SchSn- burg so west, daß er kurz darauf an der Thür des Arztes anklopfte; eS war daS erste Mal, daß er dm Gast seines OheimS in dessen Zimmer aufsuchte.
„Ah, Sie, Graf Günther,' begrüßte ihn JustuS ohne großes Staunen, als ob es nicht eine besondere Ehre wäre, die der Graf ihm erwies.