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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw.

70. Jahrgang.

Erscheint DienStig, Donnerstag und Samstag. Die EinrückungSgeLühr beträgt im Bezirk und nächster Um- Hebung 9 Pfg. di« Aeile, sonst 12 Psg.

Samstag, Len 26. Januar 1895.

SbonnementSpreil vtertelsäbrttch in der Stadt SO Pfg. «ad SO Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Nk. 1. IS, sonst i« ganz Württemberg Mk. 1. Sb.

Amtliche Aekauutmachungeu.

Die Ortsbehörden

«erden beauftragt, die ungefähre Zahl der voraus­sichtlich an der Musterung teilnehmenden Militär- Pflichtige» unfehlbar bis 3. Februar hieher an­zuzeigen. »

Calw, 24. Jan. 1895.

K. Oberamt.

Voelter.

Deutsches Reich.

Berlin, 24. Jan. DeutscherReichstag. Beratung der Zolltarifnovelle. Abg. Hitze <Centr.) hofft, daß das Haus einen Beschluß in der Öuebrachoholzfrage herbeiführen werde, umsomehr als es sich hier nicht um den Großgrundbesitz, sondern um den Schutz aller angesessenen gewerblichen und kleinbäuerlichen Betriebe sowie der Lederindustrie handelt. Redner drückt sein Befremden darüber aus, daß die Regierung dieser Frage noch nicht näher ge­treten sei. Abg. Langerhans (fr. Vp.) erklärt, bei vielen Ledersorten lasse sich mit Quebracho größere Erfolge erzielen, was seine dem Hause vorgelegten Proben beweisen. Den Preisdruck führe nicht das eingeführte Quebrachoholz, sondern die vom Auslande importierte Eichenlohe herbei. Diese Einfuhr sei aber nötig, da unsere Eichenschälwaldungen den Bedarf bei Weitem nicht decken können. Abg. Graf Kanitz (Cons.) hätte gewünscht, daß der Staatssekretär seine vorgestern in Bezug auf den russischen Zoll auf Roh­baumwolle geäußerten Ansichten auch hinsichtlich des Getreidezolles vertreten hätte. Abg. Dresler (natl.) Hält einen Zoll auf Quebrachoholz für angebracht. Geheimrat He nie tritt der Befürchtung des Abg.

Buddeberg entgegen, wonach durch den höheren Zoll auf Baumwoll-Samenöl die Produktion von Kunst­butter und Kunstschmalz stark verteuert werde, v. Mar sch all tritt den Ausführungen des Abg. Kanitz entgegen und bemerkt, in Rußland haben sich auch nicht alle Erwartungen ganz erfüllt, die man an den Handelsvertrag bezüglich der Getreideausfuhr zu höheren Preisen nach Deutschland geknüpft hatte. Abg. Barth (fr. Vrg.) hält die Unterscheidung zwischen natürlichem und künstlichem Honig für sehr leicht und ist gegen den Zoll auf Baumwoll-Samenöl und Quebrachoholz. Die Verwendung des letzteren Gerbstoffes bringe für die Lederherstellung ganz be­deutende Vorteile. Abg. Fusangel (Centr.) er­klärt, seine Partei werde die Vorlage daraufhin prüfen, ob berechtigte Interessen durch dieselbe ver­letzt werden. Abg. Stumm hält eine Benach­teiligung der Lederindustrie durch den Quebrachozoll für ausgeschloffen. Abg. Vr. Hammach er (natl.) verbreitet sich ausführlich über die Verwendung des Baumwollsamenöls, die sehr vielseitig sei. Abg. Witzlsperger (Centr.) empfiehlt den Quebrachozoll. Abg. Möller-Dortmund (natl.) konstatiert den Aufschwung der Eisen- und Maschinenindustrie in­folge des russischen Handelsvertrages. Abg. Kanitz (Cons.) äußert sich nochmals kurz zum russischen Handelsverträge, dessen Nutzen für die Industrie er nicht bestritten habe. Nachdem noch Abg. Wurm (Soz.) sich gegen jeden Zoll erklärt hat, wird die Vorlage zur Vorberatung an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Nächste Sitzung: Freitag 2 Uhr.

Berlin, 23. Jan. Der demokratische Verein hielt gestern eine gut besuchte Versammlung ab, in welcher der süddeutsche Demokrat Kröber sprechen

sollte, welcher jedoch in letzter Stunde abgsreist war. An seiner Stelle äußerten sich einige andere Redner scharf abfällig über die Haltung des Mitgliedes der freisinnigen Volkspartei, Lenzmann, welcher zu Gunsten eines Compromiffes betreffend die Umsturzvorlage ein» getreten war. In der Versammlung wurde erklärt, man würde bei einer solchen Haltung der freisinnigen Volkspartei bei den Wahlen lieber mit den Sozial­demokraten zusammen gehen. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, in welcher die Verwerfung der Umsturzvorlage entschieden verlangt wird.

Tayesneuigkeiten.

Calw, 25. Jan. Die Wahlbewegung nimmt in unserem Bezirk einen ruhigen Verlauf. Der bisherige Abgeordnete, Hr. Stadtschultheiß Haffner» hat nun an den meisten Orten Wähler­versammlungen abgehalten und dabei den zahlreich erschienenen Wählen: über seine Thätigkeit während der letzten Landtagsperiode eingehenden Bericht er­stattet und seine Stellung zu den verschiedenen politischen Tagesfragen und zu den voraussichtlich zu erwartenden Gesetzesvorlagen offen dargelegt. Die klaren, allen Phrasen abholden Ausführungen des Kandidaten machten überall den besten Eindruck und fanden die lebhafte Zustimmung der Wähler. Die in den Versammlungen gestellten Anfragen wurden bereitwilligst und in zufriedenstellendster Weise be­antwortet und die kräftige Unterstützung der aus­gesprochenen Wünsche zugesagt. Es ist zweifellos, daß im Bezirk für Hrn. Stadtsch. Haffner eine sehr gute Stimmung herrscht und daß die große Mehr­heit der Wähler dem tüchtigen, geschäftsgewandten und kenntnisreichen Manne volles Vertrauen ent­gegenbringt in dem Bewußtsein, daß die Interessen

6 14 1 1 O pk» fliachdmS verboten.I

Der Sonderling.

Roman von P. Felsberg.

(Fortsetzung.)

.Der Schmerz über den plötzlichen Tod ihrer einzigen Tochter, der Komtesse Dora," fuhr Justus fort, .hatte ihre zarte Gesundheit so erschüttert, daß sie sich nicht wieder erholte. Der junge Graf verlor seine geliebte, verehrte Mutter, als er eben zwanzig Jahre alt war. Sein Vater, ein strenger, stolzer Mann, hatte ihm nie sehr nahe gestanden; die Ansichten beider waren zu verschiedener Art, als daß «in inniges Verhältnis zwischen Vater und Sohn bestehen konnte. Erster« war ein eifriger Sportsmann und konnte dem Sohne nie »«Leihen, daß dies» nur wenig Interesse für den Spott zeigte, daß er mehr in der Bibliothek sich aufhielt als auf dem Pferde und mehr Liebe zu dm Wissenschaften und zur Poesie zeigte als zu dem edlen Kriegshandwerk, dem sonst jeder Schönburg wenigstens ein Jahrzehnt seines Lebens gewidmet hatte. Der Graf brachte sein halbes Leben auf Reffen zwischen Paris, London und dm deutschen Rennplätzen zu und überließ die Erziehung feines Sohnes der Mutter und bewährten Hauslehrern. Erst als er glaubte, daß derselbe innerlich mit seiner Bildung fettig sei, suchte er dm einzigen Sohn für sein» Interessen zu gewinnen; allein die Gegensätze in beiden Charakteren traten so schroff zu Tage, daß der Majoratsherr es enttäuscht aufgab, seinen Sohn und Erben in seine Fußstapfm treten zu sehm. Eine« Tages nach dem Tode der Mutter kam eS zwischen beidm zu einem Meinungsaustausch. Der alte, stolze Aristokrat mtsetzte sich über die vorurteilsfreie Meinung seines Sohnes, der ihm von allgemeinen Menschenrechten sprach und durchaus nicht emsehm wollte, welch« Kluft zwischen dem Bürgertum und dem Adr! gähnte, die der Vater für unausfüllbar hielt."

Doktor JustuS machte eine Keine Pause. Er sah zu Gertrud auf, die noch

immer an dem Baume lehnte, ihr Gesicht dem Monde zugekehrt. Er sah ganz deut­lich die Wirkung seiner Worte Ms ihrem Gesicht. Es zuckte um dm stolzen Mund, in ihren Augen lag es wie kalte Nichtachtung; auch sie war Aristokratin durch und durch, das fühlte sie jetzt, und wie leiser Hohn klang eS durch ihre Wort«: ^hr Freund gehört zu dm Fortschrittlern, die unsere alten Rechte hinwerfm, ich hätte eS mir denken können. Erzählen Sie nur weiter, wie eS gekommen, daß Graf Schönburg zum menschenscheuen Sonderling gewordm; eS interessiert mich, von seiner Umwandlung zu hören."

Sie sprach eS langsam in die Nacht hinein; sie blickte nicht zu JustuS hin­über, sie hatte sich vorgmommm, ihm anzudeutm, daß auch zwischen ihm und ihr «ine unausfüllbare Kluft gähnte, die ihre Armut nicht etwa Überdrücken konnte. Sie wollte jede Gelegenheit benutzen, ihm zu zeigen, daß sie frsthielt an dm alten er­erbten Rechten, daß sie sich hoch über ihm stehend dünkte, daß er ihr nur Interesse einflößte, well er ein Freund des Grafen war, daß er selbst, seine Person ihr mehr als gleichgültig war.

In ruhiger, schlichter Weise erzählte Justus weiter: »Statt in ein Regiment der Garde zu treten, wie sonst die SchönburgS mit ihrem zwanzigsten Jahre «S thatm, errang sich, nach heißen Kämpfen mit seinem Vater, Graf Erich die Erlaubnis, die Universität zu beziehen. Hier lernte ich ihn kennen, und bald waren wir innige Freunde. Wir verstanden unS sehr gut, Graf Erich und ich; ihm galt nur der Mensch und dessen persönlicher Wert, so wie seine Mutter eS ihn gelehrt. In allem, was er that, war sie es, die ihn leitete, noch lang« nach ihrem Tode. Ob zu seinem Glücke, wer dürste dies zu entscheiden wagm eine ideale, zart und tief empfindende Frauenseele, die arglos, vertrauend, die Welt von einer sicheren Höhe herab be­ttachtet, ist wohl nicht immer die rechte Leiterin eines jungm Mannes, der voll sehnsüchtiger Empfänglichkeit in die Well tritt, nicht ahnt und nicht glauben will, daß die Menschen, die er liebt, dmm er freudig sein ganzes Herz mtgegmbringt, sein Vertrauen nicht immer verdimm. ES gehören schlimme Erfahrungen, arge