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Protokoll und die Gegenliste zu unterzeichnen.
7) Nach Schluß der Wahlhandlung sind die Wahlakten bestehend aus der Wählerliste, Berufung der Beisitzer und des Protokollführers, Wahlprotokoll und Gegenliste, sowie diejenigen dem Wahlprotokoll berzunummerierenden Wahlzettel, über deren Giltigkeit oder Ungiltigkeit ein Beschluß der Distrikts-Wahlkommission nötig wurde, ungesäumt und so zeitig wohlversiegelt als portopfl. D.-S. an das Oberamt einzusenden, daß dieselben spätestens am Samstag, 2. Febr., vorm. 12 Uhr erforderlichenfalls durch Extraboten beim Oberamt einkommen.
Die Wahlvorsteher sind für die pünktliche Ausführung dieser Vorschrift verantwortlich.
Die gütigen Stimmzettel sind von den Wahlvorstehern versiegelt ausznbewahre».
Calw, den 23. Jan. 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Deutsches Reich.
— Aus der Reichstagssitzung vom 19. Jan. seien hier die Worte unseres Reichstagsabgeordneten Freiherrn v. Gültlingen nach dem Staatsanz. wiedergegeden, da der uns zugegangene Bericht der kurzen Fassung wegen lückenhaft ist.
(Justizgesetznovelle.) v.Gültlingen(Rp.): Wenn der Abg. Lenzmann u. a. von waraomus eri- wloalis spreche, so möge er wenigstens Württemberg ausnehmen, wo die Stellung des Verteidigers nicht so herabgedrückt sei, wie Lenzmann es geschildert habe. Es gebe dort in den Untersuchungsgefängnissen ein besonderes Zimmer, in welchem die Untersuchungsgefangenen mit ihrem Anwalt verhandeln können. Redner billigt die Regelung der Entschädigung für unschuldig Verurteilte in der Form der Vorlage; die Unschuld müsse dargethan sein. In Württemberg seien die unschuldig Verurteilten nach dem Gesetz von 1868 entschädigt worden, was leider durch die Reichs- justizgesrtze seit 1879 beseitigt worden sei. Die Entschädigung sei aber doch gewährt worden, ohne Gesetz, aus Dispositionsmittein. Am besten wäre es gewesen, wenn man eine gründliche Revision der Reichsjustizgesetze vorgenommen hätte. Was jetzt geboten werde, sei nur eine Abschlagszahlung. Dieselbe enthalte allerdings auch in Bezug auf den Nachrid eine willkommene Verbesserung; im Interesse der Feierlichkeit des Eides würde es aber vielleicht besser sein, es dem Richter zu überlassen, ob er überhaupt einen Zeugen vereidigen will oder nicht. Redner empfiehlt die Verweisung an »ine Kommission von 21 Mitgliedern.
Berlin, 21. Januar. Die Commission des Reichstages zur Beratung der Umsturzvorlage discu- tierte heute über die neue Fassung der ZZ 111 und 111 » des Strafgesetzbuches. Der Regierungsver« tretrr suchte die Notwendigkeit der Verschärfung dieser
Paragraphen durch Citate aus sozialistischen und anarchistischen Blättern nachzuweisen. Die Abgg. Barth (freis. Ver.) und Bebel (Soz.) führten aus, daß alle angeführten Vergehen durch den Hochverrats- Paragraphen getroffen würden, während von nationalliberaler und conservativer Seite die vorgeschlagene Verschärfung befürwortet wurde. Vom Centrum wurde für eine Milderung der beantragten Verschärfung plaidiert. — In derselben Sitzung wurde von Abg. Spahn (Centr.) ein Antrag eingebracht, die Verbreitung, öffentliche Ausstellung, das Feilhalten sowie die Herstellung unsittlicher Bilder und Schriften zu bestrafen.
Berlin, 21. Januar. Der Zar sandte an Kaiser Wilhelm ein herzliches Danktelegramm für die dem Grafen Schuwalow erwiesenen Ehren. Ferner richtete Schuwalow an den deutschen Kaiser ein Dankschreiben mit der Bitte, ihm auch ferner sein Wohlwollen zu bewahren.
Berlin, 22. Jan. Der hiesige französische Botschafter Herbette begiebt sich demnächst nach Frankreich, um den neuen Präsidenten persönlich zu beglückwünschen und sich zur Rücksprache über die allgemeine Lage ihm zur Verfügung zu stellen.
Berlin, 22. Januar. Pistolenduell zwischen dem Rittmeister Dietrich v. Kotze und dem kgl. Ceremonienmeister von Schrader-BIiestorff hat gestern im Grunewald stattgefunden. Der Kugel- wechsel verlief unblutig. Das Duell dürfte mit der bekannten Affäre des Ceremonienmeisters v. Kotze zu- sammenhängen, des Vetters des obengenannten Kotze.
Ausland.
Paris, 23. Jan. Nachdem Bourgeois die KabinetSbildung neuerdings übernommen hat, dürfte dieselbe heute beendet werden.
London, 22. Jan. Der Westminster-Gazette zufolge wird wahrscheinlich Ende April eine Zusammenkunft der Königin Viktoria mit Kaiser Wilhelm, dem russischen Kaiserpaar, der Kaiserin Friedrich, und des Herzogs und der Herzogin von Koburg in Darmstadt statlfinden. In Hofkreisen verlautet, daß auch der Herzog und die Herzogin von Cumberland dazu eingeladen werden sollen.
Athen, 23. Jan. Infolge von Differenzen zwischen der Regierung und d'er Krone über die Berechtigung des Einschreitens des Kronprinzen bei dem vorgestrigen Meeting hat das Ministerium demissioniert. Der König soll den Staatsanwalt T sioanopolos mit der Bildung des neuen Kabinets betraut haben.
New-Pork, 21. Jan. Die zur Verstärkung der Polizei herbeigerufene Miliz hat gestern an zwei Stellen von Broocklyn die vor den Depots stationierten Ausständigen angreifen und zerstreuen müssen. Die Bevölkerung nahm energisch für die Ausständigen Partei und schleuderte von den Dächern der Häuser
und den Stationen der Hochbahn Steine, Flaschen und Eisenteile auf die Miliz. Auf beiden Seiten ist eine große Anzahl Verwundeter. Die Telegraphendrähte sind vielfach zerstört. Große Unruhen mit folgenden Unglücksfällen werden befürchtet.
New - Jork, 22. Jan. Während des gestrigen Tages konnten nur einige Wagen unter polizeilichem Schutz cirkuliren. Blutige Zusammenstöße zwischen der Polizei und den Ausständigen fanden statt. Eine Anzahl Männer, Frauen und Kinder wurden von den anstürmenden Truppen niedergeworfen und förmlich zertreten. Die Bevölkerung unterstützt die Ausständigen mit Waffen und Lebensmitteln. Ein Wagenschuppen wird beständig bewacht, zwei Kanonen sind dort aufgestellt. Der Unterbürgermeister von Broocklyn hat ein Reglement ausgearbeitet, wonach die Gesellschaft nur solche Beamte und Arbeiter annehmen darf, welche mindestens 4 Monate ansässig sind. Die Gesellschaft protestirt dagegen, weil sie die Ausständigen durch Fremde bereits ersetzt hat.
— Eine pessimistische Neujahrsbctrachtung stellt das „Newyorker Schwäb. Wochenblatt" an:
„Die Vereinigten Staaten haben in der letzten Zeit, trotz ihrer herrlichen Konstitution, in den einzelnen Staaten sowohl wie in der Bundesregierung, so viele Schattensesten aufzuweisen gehabt, daß man sich darüber wundern muß, wie die Bürger einen solchen Zustand der Dinge auch nur einen Tag dulden können, da sie doch durch das allgemeine Wahlrecht die Macht in der Hand haben, Wandlung zu schaffen. In Land und Stadt ist ein und derselbe Grund für die Verwahrlosung unserer öffentlichen Zustände: der ewige Wechsel unserer Beamten. So lange die Politik ein Geschäft ist, so lange wir nicht ein wohl- geschultes und festgegliedertes Beamtentum haben, so lange werden auch Boßtum und Polizei mit tyrannischer Gewalt die Bürger beherrschen. Wie traurig ist es,, wenn der neugewählte Gouverneur des Staates New- york die Resignation der jetzigen Beamten fordert, ehe er noch sein Amt angetreten hat. Herr Morton will gar nicht untersuchen, ob nicht unter den im Amt Befindlichen einer oder der andere ist, der wegen seiner Tüchtigkeit eine wünschenswerte Kraft auch für seine Partei wäre. Solche sentimentale Anwandlungen kennt man hier in der Politik nicht. Wer in der Wahlkampagne am besten gearbeitet hat, der erhält den fettesten Bissen, ob er für sein Amt geeignet ist, das ist Nebensache. Auch die kulturelle Entwicklung unserer glorreichen Republik erscheint dem scharfen Beobachter nicht so ganz waschecht, als dies unsere angloamerikanischen Mitbürger glauben machen möchten. Die zahlreichen blutigen Streiks des verflossenen Jahres, die Coxey-Bewegung, die skandalöse Tarif- debatt« im Senat, das Räuberunwesen im Westen, die Lynchereien in den verschiedenen Staaten, ganz besonders die bestialischen Greuelthaten, welche in Brook County (Georgia) kürzlich an wehrlosen Negern verübt wurden, sind nur einige der dunkelsten Flecken
„Welch ein Sonderling Ihr Freund doch ist!" gab Gertrud enttäuscht zurück.
„Ja, er ist »in Sonderling," bestätigte JustuS.
„Erzählen Sie uns doch von ihm," bat nun Gertrud. Es klang in bittendem Tone, so wie sie noch nie zu JustuS gesprochen, und ein warmer Blick aus ihren klaren Ligen traf ihn.
„Er ist «in unglücklicher Mensch, der den Glauben verloren Hot an die West, besonders an die Frauen," begann JustuS langsam, bedächtig, wie zögernd.
„Und waS haben ihm die Frauen gethan?" lächelte Gertrud fragend zu ihm hinüber.
„Gertrud, sei nicht indiskret mit Deinen Fragen," mahnte die Baronin.
„ES ist kaum indiskret, davon zu sprechen, denn vor zehn oder mehr Jahren wurde die unglückliche Geschichte d«S Grafen Schönburg viel besprochen, mehr als ihm lieb war," gab JustuS zurück.
„Ich weiß." fuhr die Baronin fort, „man erzählt sich von einer unglücklich m Liebe und der unglücklichen Eh« seiner Schwester Dora."
„Von einer sehr unglücklichen Ehe," entgegnrte JustuS. „Ich darf Ihnen sein« Geschichte erzählen. Ich bm der einzige Mensch, der sein ganzes Herz kennt, der weiß, waS er gelitten hat, und warum er zum Menschenfeind wurde, zum Egoisten, der sich nicht um das Schicksal der anderen kümmert."
„Ist diese unglückliche Ehe seiner Schwester nicht ein Geheimnis, dürfen Sie davon erzählen, so bitte, thun Sie ei, ich bin gespannt darauf." meinte Gertrud.
„ES ist kein Vertrauensbruch, der Freund hat mir nie Schweigen auferlegt, ich schwieg l»S jetzt darüber, und nur Ihnen allein will ich von ihm erzählen. Sie haben rin Recht, zu wissen, warum die Pläne d«S seligen Herrn Barons so lange unausgeführt blieben, und warum der Graf niemals hierher kam. Ich will von vom beginnen, von seiner Jugendzeit erzählen, so wie er mir davon erzählt hat."
Einen Augenblick zögerte Doktor JustuS noch, wie sich besinnend. Er sah, mit welcher Spannung die Blicke der Damen am seinem Antlitz hingen. Der lichte Schein der Lampe, di« auf dem Tische stand, siel »oll auf seine Züge. Dir Helle
Beleuchtung schien ihm plötzlich peinlich zu werden, er erhob sich, und meinte, zum offenen Fenster tretend: „Der Abend ist zu schön, um im Zimmer verbracht zu werden. Kommen Sie, Fräulein Rosa, stützen Sie sich auf mich, wir wollen in den Garten gehen, dort läßt sich besser von vergangenen Zellen plaudern an solchem Sommerabend wie heute."
„Sie haben recht. Doktor." stimmten die Damen ihm bei, und sie schritten' ihm voran in den Garten, nur Rosa hing an seinem Arm und freute sich, daß ihr Fuß immer kräftiger wurde.
„Bald werde ich ohne Stütz« gehen können, und das dank« ich Ihnen," sprach sie leise und sah zu ihrem Begleiter auf mit dankerfülltem Blick. Er aber gewahrte eS nicht, seine Blicke folgten der hohen, schönen Gestalt, die vor ihm schritt.
Wieder hob JustuS Rosa in die Hängematte wie ein Kind, als ob eS sich von selbst verstände; er nahm das Recht der Arztes voll in Anspruch. Gertrud stand daneben und blickte mit zornigen, blitzenden Augen auf beive. Sie wußte selbst nicht, wem ihr Zorn galt. Ob eS Eifersucht war? Sie hätte höhnisch gelacht, wenn jemand ihr dies zu sagen gewagt. An den Stamm des BaumeS gelehnt erwartete sie mit Spannung, die Geschichte des Grafen Schönburg zu hören, der seit einiger Zeit in ihrer Gedankenwelt eine so bedeutende Rolle spielte.
Doktor JustuS unterbrach endlich das erwartungsvolle Schweigen, während dessen er sich auf einen Anfang seiner Erzählung vorbereitet zu haben schien.
„Der Gras gehört zu denjenigen, welche von Jugend auf daS Bedürfnis hegen nach einem Menschen, dessen Herz, dessen Liebe ihm ganz gehört," begann er. „Er war schon in der Jugend ein der Liebe vielbedürstigeS Kind, und diese wurde ihm im vollsten Maße zuteil. Don seiner Mutter, der Gräfin, haben Sie gewiß gehört?" fragte JustuS leise die Baronin, und diese nickte.
„Ja, ihr Edelmut, ihre Güte, ihre Schönheit waren viel gepriesen; ich selbst kannte sie leider nicht, sie lebte nicht mehr, als ich nach Felben kam, aber der Schmerz über ihren Verlust war noch frisch, und lange lebte sie noch fort in aller Gedächtnis." (Fortsetzung folgt.)