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3. Amis- und Anzeigeblati für den Bezirk (Lcrlw. 70. Jahrgang.
Erscheint Di-nit-g, D°nne«»iag und S-mit-g. Du Einrückungrgebühr b-trSgt im Bezirk und »Schfter Um« ,,bung 9 Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Amtliche Aekauutmachungeu.
Die Schultheisrenämter
werden an unverzügliche Einsendung der Sportelrechnungen pro ult. Dezember 1894, eventuell an Erstattung von Fehlanzeigen als portopfl. D.-S. erinnert.
Calw, den 3. Januar 1895.
K- Oberamt.
Voelrer.
Den Ortsirehörden
sind die Formulare zu der Wählerliste für die Landtagsabgeordnetenwahl nebst dem Beurkundungsbogen zuin Anheften an dieselbe, ferner Erkundigungsschreiben wegen der gesetzlichen Eigenschaften eines angemeldeten Wählers, ein Plakat über Aufforderung zur Anmeldung der Wahlberechtigung und ein solches über die Auflegung der Wählerliste zugegangen. Die weiter erforderlichen Formulare werden später zugehen.
Bei der Wählerliste sind die Formulare so berechnet, daß auf jeden Bogen 16 Wähler eingetragen werden können. Die Wählerliste ist in alphabetischer Ordnung anzulegen und empfiehlt es sich zu etwaigen Nachträgen nach jedem Buchstaben 2 oder 3 Linien frei zu lassen.
Etwaiger weiterer Bedarf von Formularien zur Wählerliste wäre umgehend anzuzeigsn.
Calw, 4. Jan. 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Tagesneuigkeiten.
Ebhausen, 2. Januar. Gestern abend um 5 Uhr brach aus bis jetzt nicht aufgeklärter Ursache
Samstag, den 5. Januar 1895
hier in einem Wohnhaus mit angebauter Scheune Feuer aus. Das Gebäude brannte vollständig nieder; doch gelang es der hiesigen und einigen benachbarten Feuerwehren, dem Umsichgreifen der Flammen zu steuern, so daß nur das einzige Gebäude in dem engen Gäßchen eingeäschert wurde. Die beiden Familien, welche in dem zerstörten Hause wohnten, sind ungenügend versichert.
Gerlingen, 2. Jan. Heute wurde auf den Feldmarkungen Ditzingen, Gerlingen und Weil im Dorf große Hofjagd gehalten, bei der sich auch der König beteiligte. Bei dieser Veranlassung wurde dem König von der hies. Einwohnerschaft ein festlicher Empfang bereitet. Die Häuser in den Straßen, durch die der König kam, waren reich beflaggt und mit Kränzen und Gewinden aus Tannenreisern schön und geschmackvoll geschmückt. Der Kriegerverein, die Feuerwehr, der Liederkranz und die Schuljugend bildeten beim Eingang in das Dorf auf der Ditzinger Straße Spalier. Beim Eintritt in das Dorf wurde der König bei der Kirche von Pfarrer Mörike und Schultheiß Düppel empfangen und durch eine Ansprache des Letzteren begrüßt; auch wurde dem König von Angehörigen der Pfarrfamilie ein schöner Strauß überreicht. Während des Empfangs sang die Schuljugend und der Liederkranz; auch später während der Dauer des Frühstücks gab der Liederkranz seine heiteren und munteren Weisen zum Besten. Nachdem der König mit Gefolge noch einen Rundgang durch das Dorf gemacht hatte, wurde das Frühstück im Freien unter einem Zelt eingenommen, wozu auch der Ortsgeistliche und der Ortsvorstand geladen wurden ; nach Beendigung desselben wurde dann die Jagd auf hies. Markung wieder fortgesetzt. Die Jagd ergab die Gesamtstrecke von über 300 Hasen.
Lbonnewenttpreii vierteljährlich tri der Stadt -ü Pfg. und SS Pfg. Lrägerlohn, durch die Post bezöge» ML. 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg Ml. 1. SS.
Stuttgart. Den von der demokratischen Presse verbreiteten Erzählungen über eine angebliche Mißstimmung zwischen dem preußischen und dem württembergischen Hofe wird nun endlich von Stuttgart aus ein energisches Halt geboten. Die „Kölnische Zeitung" ist in der Lage, versichern zu können, König Wilhelm habe in den letzten Tagen beim Empfange hoher Staatsbeamten die in der Presse umgehenden Gerüchte, daß er mit dem deutschen Kaiser während der ostpreußischen Manöver Meinungsverschiedenheiten gehabt habe, erwähnt, und bei dieser Gelegenheit diese Gerüchte als vom ersten bis zum letzten Worte erfunden bezeichnet. König Wilhelm versicherte, er sei tatsächlich einen Tag krank gewesen, habe aber, sobald er sich wieder wohler gefühlt, an den militärischen Vorgängen wieder teilgenommen und auch der Parade angewohnt. Erst dann sei er nach Hause gereist. Der König sprach den Wunsch aus, daß dieser wahre Sachverhalt den weitesten Kreisen bekannt werde.
Stuttgart, 2. Jan. In der Neujahrsnacht um 12^/z Uhr ist in einem Hause der Jakobsstraße eine Erdöllampe dadurch explodiert, daß ein Herr von oben in den Zylinder bließ, um das Licht auszulöschen. Es entstand ein kleiner Zimmerbrand, der aber durch die Bewohner gelöscht wurde, so daß die alarmierte Berufsfeuerwache nicht mehr in Thätigkeit zu treten brauchte.
— Im Oberamt Geislingen hat nunmehr Gutspächter Schmid vom Christophshof seine Kandidatur zurückgezogen. Auf einer Versammlung in Türkheim suchte darauf Redakteur Kleemann von der „Ulm. Schnellpost" die bäuerlichen Wähler zur Aufstellung einer anderen landwirtschaftlichen Kandidatur zu bestimmen, für die er den Bauern Hagmaier in
Lk. fli-chdnick oert-ten.I
Der Sonderling.
Roman von P. Felsberg.
(Fortsetzung.)
Die Abreise aus der Hauptstadt war rasch gekommen, ihm selbst überraschend. Sein Oberst meinte es gut mit ihm, als er ihm den Urlaub zudictirte und ihm 4>abei gütig bemerkte: „Gehen Sie auf das Schloß Ihres Onkels, lieber Schönburg, bis zum Manöver werden Sie dann wieder frisch sein! Bißchen toll gelebt —nicht übertreiben — Schönburg! Schuldenmachen taugt nicht — arrangieren Sie sich bis dahin."
Der Lieutenant überdachte nun seine Lage. Sie kam ihm nicht verzweifelt vor; nur die Langeweile paßte ihm nicht. Ein modernes LuxuSbav wäre ihm lieber gewesen als Schloß Schönburg mitten im Sommer. Doch dem Befehl des Obersten durfte er nicht entgegen handeln.
„Sparen — Schuldenbezahlen! Verteufelt philiströs!" brummte er am Schluß seiner Betrachtungen mit verdrießlicher Miene und schnellte sich empor au» seiner bequemen Lage. Aber rasch legte er die Hand an den Kopf, ein plötzlicher Schwindel nötigte ihn, einen Augenblick sich festzuhalten an der Kante des schweren Schreibtisches, der vor ihm stand.
Er war sehr bleich und erschrak, als er dann vor den hohen Spiegel trat, der seine ganze Gestatt wiedergab. „Jammergesicht!' meinte er und wandte seinem Spiegelbild indigniert den Rücken.
Lieutenant Schönburg fühlte sich ganz zu Hause in dem Schlosse seines Oheims. Er besaß die Vollmacht von demselben, nach Belieben dort ein und aus zu gehen, um nach dem Besitz zu schauen, der vielleicht ihm einst als Majorat zufiel. Er bezog einen ansehnlichen Zuschuß von dem Grafen, den er nicht mehr gesehen, seit er
ein Knabe von zehn Jahren war. Damals hatte der Onkel zu ihm gesagt: „Werde ein tüchtiger Mann, Günther, dann wirst Du an mir stets den besten Freund haben."
Ein tüchtiger Soldat war er vom Scheitel bis zur Sohle. Wenn er vor seiner Compagnie stand, und seine Helle Stimme laut und schneidig ertönte, dann flogen die Glieder nach seinem Befehl wie die eines einzigen Mannes. Das war sein Stolz. Im Salon, in der Gesellschaft war er Sieger, wie er hoffte, es einst auf dem Schlachtfelde zu werden. Seine biegsame, hohe Gestatt, sein feurige» Auge, sein lächelnder Mund übten immer ihren Zauber auf die Damen sowohl wie auf die Kameraden, die ihn den hübschesten Offizier des Regiments nannten, der leichtsinnig war, aber doch immer die Standesehre hochhielt. Damit war er zufrieden; daß er hochmütig war, wußte er selbst nicht. Er hielt es für sein Recht, Untergebene als kaum vorhanden zu bettachten, wenn er nicht dienstlich mit ihnm zu thun oder ihnen zu befehlen hatte.
Graf Günther von Schönburg schien mithin ein volles Recht zu haben, sich einen tüchtigen Mann zu nennen, und glaubte, die Erbschaft des Onkels, der stet» großmütig sich gezeigt, vollkommen zu verdienen.
Er hatte toll gelebt im vergangenen Winter. Sein Name war stets in dm Salons der am meisten genannte. Er war der beste Retter und der beste Tänzer, arrangierte die schönsten Bälle und Schlittenpartien und war am verwegensten, wenn es galt, eine Wette zu gewinnen. Er suchte durch Extravaganzen allen anderen es zuvorzuthun, und er eroberte sich dadurch den Namen „der tolle Schön- burg", weil er eines Tages kurz vor einem heraufziehenden Gewitter eine Luftfahrt unternahm, um sich das Unwetter von oben anzusehen.
Es war sein letzter toller Streich in der Residenz gewesm; der jugendliche Körper versagte plötzlich, Günther empfand, daß er doch Nerven hatte, die nicht alles zu ertragen imstande waren, was er ihnm zumutete.
Nun war er zur Einsamkett und Langeweile verbannt und empfand die» schon drückend in der ersten Stunde seiner Anwesenheit auf dem Schlosse. So ein-