149 . Amts- UN- Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
69 . Zahr-i»-.
Erscheint Dien - t» g, Donnerstag und GamStag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um« »sbunz S Pfg. di« Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, den 20. Dezember 1894.
»bonntmentlprei» otirteljLhrllch in der Stadl SV Psg. mch so Psg. TrLgrrl«^«, durch die Post bezöge» Ml. t. 1t, sonst st» gan, WüMemberg Mk. t. Sb.
Amtliche Aekauntmachnuge».
An dir gemeinschaftlichen Acmter.
Einer Anregung der Zentralleitung des Wohl- vthätigkeitsvereins zufolge wird den gemeinschaftlichen Aemtern die Haltung der „Blätter für das Armenwesen" mit dem Anfügen dringend empfohlen, daß die Uebernahme des jährlichen Abonnementspreises -von 2 15 auf öffentliche Kaffen nicht zu be
anstanden ist. Auch wird gebeten, auf die weitere Verbreitung des Blattes in den interessierten Kreisen Hinzuwirken. Die Bestellung hätte bei der nächsten Postanstalt zu erfolgen.
Calw, den 17. Dez. 1894.
K. Gemeinschaft!. Oberamt. Voelter. Braun.
Den Ortsbkhördkn für die Arbkilttversicherilug
gehen die Listen über die fingierten Steuerkapitale zur Besorgung des Weiteren gemäß Z 8 der Min. Verf. vom 18. Juli 1891 (Reg.-Bl. S. 157) mit der heutigen Post zu.
Calw, 17. Dezember 1894.
K. Oberamt.
__ Voelter. _
Bekanntmachung.
In Breitenberg ist dieMa ul - und K l a u e n - seuche ausgebrochen.
Bezüglich der Sperrmaßregeln wird auf den -oberamtl. Erlaß vom 17. d. M. Amts-Bl. Nr. 148 -verwiesen.
Calw, 18. Dezember 1894.
K. Oberamt.
I. V.:
Amtm. Gottert.
Deutsches Reich.
Berlin, 17. Dez. Deutscher Reichstag. Am Bundesratstische: v. Bötticher, v. Marschall, Nieberding, v. Köller, später auch der Reichskanzler. Erste Lesung der Umsturzvorlage (Novelle zum Strafgesetzbuch, Militärstrafgesetz und Preßgesetz), Staatssekretär im Reichsjustizamt Nieberding. Ueber den Ursprung und den Zweck der Vorlage sind die abenteuerlichsten Andeutungen gemacht worden, sodaß es für uns erfreulich war, bei der Etats beratung von den meisten Rednern zu hören, daß sie zu einer unbefangenen leidenschaftslosen Würdigung der Vorlage an der Hand der gegebenen Tatsachen bereit sind. Die Vorlage ist ein ehrlicher Versuch, auf dem Wege des gemeinen Rechtes verbrecherische, gegen das Staatswohl gerichtete Ausschreitungen zu bekämpfen. Solange nicht behauptet werden kann, daß Aufreizungen zum Umsturz der Staatsordnung allein bei den Sozialdemokraten Vorkommen, solange ist die Vorlage kein Sozialistengesetz. Es hat kein späterer Anlaß, kein besonderes Verbrechen die Vorlage veranlaßt, es war die notwendige Folge der Aufhebung des Sozialistengesetzes. Die Regierung erinnere sich nur des Programms, das ihr 1875 bei Vorlegung der Strafgesetznovelle vorgeschwebt habe und hoffe, es mit dem Reichstage durchzuführen. Die Abgeordneten Rickert und Bachem haben auf die Kriminalstatistik verwiesen; letzterer hat noch ganz besonders hervorgehoben, daß die Strafhandlungen, deren Bestrafung durch die Vorlage verschärft werden solle, am meisten in den Gegenden verübt werden, wo die Sozialdemokratie nicht in der Mehrheit ist, allein diese Auffassung beruht auf einer irrigen Behandlung des statistischen Materials. Die ironische Behandlung
der Umsturzvorlage schließe eine große Verantwortlichkeit nach sich. Der Reichstag habe doch auch 1878 ein Gesetz gegen die Umsturzbestrebungen angenommen. Nachdem noch Redner als Beispiel auf- hezerischer Sprache mehrerer Artikel sozialistischen und anarchistischen Ursprungs zitirt hat, wobei die Sozialdemokraten ihn lärmend unterbrechen, kommt er zu dem Schluß, daß der Reichstag die Vorlage annehmen muffe, da der jetzige Zustand zur Gewaltsamkeit führen muß. Auf Antrag des Abgeordneten Singer erfolgt wegen Beschlußunfähigkeit die Vertagung des Hauses auf den 8. Januar mit gleicher Tagesordnung.
Berlin, 18. Dezember. Zum Strafprozeß gegen die Oberfeuerwerkerschüler erfährt der „Lokalanzeiger", daß noch 130 Mann in Magdeburg internirt sind. Dieselben werden nicht in Einzelhaft gehalten, sondern 6—7 Mann in je einem Zimmer einquartiert. Die Aufsicht wird durch die Stubenältesten und die Chargirten des Festungskommandos ausgeübt. Ein Oberfeuerwerkerschüler ist im Lazarrt deS Festungsgefängnisses gestorben.
Berlin, 18. Dezember. Die „Voss. Ztg." verurteilt die Vorgänge der letzten Tage an der Berliner Börse, woselbst der Verfasser eines Börsenartikels sowie der Redakteur eines Börsenblattes beschimpft und körperlich bedrängt wurden. Den Gegnern der Börse könne nichts willkommener sein, als dieses Gebühren, das noch lange auf die Verhandlungen über die Börsenreform nachwirken werde.
Berlin, 18. Dez. Die 2. Strafkammer deS Landgerichts verurteilte heute den Anarchisten Tischlergeselle Eicke wegen Aufreizung zur Gewaltthätig» keit, begangen durch eine Rede in einer öffentliche» Anarchistenversammlung, zu 1 Jahr Gefängnis.
l»»4dru« ««»»»-„.!
Dev Sonderling.
Roman von P. Felsberg.
(Fortsetzung.)
Dienstwillig für die Mutter und die kranke Schwester ging Gertrud ab und Zu; schweigend verrichtete sie die Dinge, welche sonst bezahlte Hände gethan. Sie war zu stolz, um in Unthätigkeit zu leben von dem dürftigen Einkommen ihrer Mutter. Fremden hätte niemals dieser Nacken sich gebeugt; unaufgefordert, freiwillig «füllte sie die Pflichten ein« guten Tochter und Schwester, aber ohne jede Freudigleit deS Herzens.
Nach ein« einfachen Abendmahlzeit gingen alle zur Ruhe. Lange stand noch Gertrud Felde» an dem hohen Fenster ihres Zimmers, blickte hinaus auf die mond-' beschienene Landschaft, die sich vor ihr ausbreitete in weiter Ebene. Die Stille der Nacht umwehte sie nicht anmutend, kalt und leer war es in ihr« Brust, und wie ein Vorwurf lag es in ihrem vom Mondstrahl beleuchteten Gesicht: „Warum, warum mir das!" Sie erschauerte als dicht vor ihr au» dem alten Gemäu« eine große Fledermaus emporschwirrte. Hastig schloß sie das Fenst« und suchte ihr Lag« auf. Draußen rauschte es und schlug gegen die Scheiben. Den Nachtvogel lockte der Lichtstrahl. Gertmd «bebte, hüllte sich in ihr« Decke und barg das Gesicht wie ein furchtsames Kind in die Kiffen, ihr bangte um die Zukunft
II.
D« Fremde, welch« auf der Station gleichzeitig mit den Damen den Zug -verlassen hatte, fuhr mit seinem leichten Gefährt in flottem Trabe dem Schloff« Schönburg zu. Es war ein« mittelgroße, kräftige Gestalt mit einem ausdrucksvollen Kopf, der Energie und Geist bekundete. Er trug einen üppigen, hellbraunen Vollchart und ganz kurz geschorene Haare, sein starker, sonngebräunter Nacken war leicht
nach vorn gebeugt; die großen, starken Züge des Gesichts kontrastierten lebhaft mit dem feinen Munde, d« frisch und rosig wie ein Frauenmund war; seine klaren Augen wechselten in der Farbe vom Hellen Grau bi« zum dunklen Blau. Er mochte dreißig Jahre alt sein.
Jetzt hing sein Blick träumerisch an den Umriffen des in der Ferne sichtbar werdenden Schlöffe», das von rin« Anhöhe hinab den Blick in die Ebene beherrscht«. Ein warmer Strahl leuchtete in seinen Augen auf. und fast schien es, als ob ein leichte», belustigtes Lächeln um seinen Mund flog. „Sind schon Fremde im Schlosse?" wandte er sich fragend an den Kutscher.
„Nein," antwortete derselbe, „der Herr Doktor sind der erste Sommergast; die übrigen Herren werden «st im Herbst zur Jagd erwartet."
„So, und d« Herr Graf?"
„Der Herr Graf kommt nie selbst, nur zuweilen schickt er Gäste und läßt dann seinen Neffen, den jungen Grafen Schönburg, den Herrn Lieutenant, die Honneurs de« Hauses machen. So ist's auch diesen Sommer. Mer so srüh kommt niemand sonst, erst zur Jagd, prachtvolle Jagd, Herr Doktor!'
„Ist ein schöner Forst, alt« Bestand, kann mir'» denken."
„Ja, Herr Doktor, ein Prachtwald; unser aller Stolz; aber Holzdiebe giebt'S. Dort drüben, in dem armseligen Neste Felde«, da wohnen die Kerle, die in der Nacht wie die Katze» heranschleichen und sich ihren Wintervorrat mausen. Erster» haben sie einen «wischt, die Förster, und festgesetzt; es war gar arg. wie «'s trieb; einen ordentlichen Holzhandel hat er sich angelegt von dem gestohlenen Holze."
„So, ad« d« Forstwatt und seine Gehülfe» sind doch da?"
„Gewiß find sie da. Sie thun auch ihre Schuldigkeit, aber der rechte Trieb ist es doch nicht, wenn nicht ein He« da ist, der sich um Forst und Feld und Schloß bekümmert und seine Freude daran hat. Sehen Sie, He« Doktor," fuhr der gesprächige Rofselenker fort und ließ den Pferden die Zügel, unsereiner will auch wissen, wem « dient, und daß d« Herr Graf gar nicht kommt, das thut uns leid;