^ 147 .
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
89 . ZshkHSW.
z,bung 9 Pfg. di, Zeile, sonst 12 yjsg.
Samstag, den 15. Dezember 1894.
Adrmnemenltpreil vierrüjührlich in der Stad» sr PIg. »B so Psa. Trigerlohn, durch die Bosl bqegen ML l lb, sonst i» ganz WiirtreniberU Mk. I. Sb
Amtliche ZSekauutrrrachttAge«.
Kekannlmachung.
Nachdem die Maul- und Klauenseuche auf Hof Dirke Gemeinde Stammheim, ausgebrochen ist, werden die am 23. v. M. über die Teilgemeinden Hof Dicke und Waldeck, sowie über Station Tein ach und die Gemeinde Holzbronn verhängten Sperrmaßregeln bis auf Weiteres verlängert.
Calw, 13. Dezember 1894.
K. Oberamt.
I. V.:
Amtm. Gottert.
An die Krankenkassen und Ortsbehörden für die Arbeiter-Versicherung.
Soviel bekannt, befinden sich bei den Krankenrassen und Ortsbehörden für die Arbeitsrversicherung noch eine erhebliche Anzahl von Ouittungskarten aus dem Jahre 1891, welche von den Eigentümern seiner Zeit zurückgelassen worden sind und diesen nicht zugestellt werden können, weil ihr Aufenthalt nicht bekannt ist.
Da diese Quittungskarten »ach Z 104 des Reichsgesetzes über Jnvaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 ihre Giltigkeit verlieren, wenn sie nicht bis zum Schlüsse des Jahres 1894 zum Umtausch eingereicht werden, so werden die Krankenkassen und Ortsbehörden, welchen die fraglichen Karten feiner Zeit zur Aufbewahrung anvertraut worden sind, veranlaßt, die im Jahre 1891 ausgestellten Quittungskarten, deren Eigentümer nicht aufzufinden waren, im Interesse der letzteren aufzurechnen und anit der nächsten Kartensendung hieher vorzulegen.
Vollzugsbericht, bezw. Fehlanzeige, sieht man binnen 1V Tagen entgegen.
Calw, 13. Dezember 1894.
K. Oberamt. Voelter.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Dezbr. (Deutscher Reichstag.) Am Bundesratstische befinden sich: von Schellendorf, vonMarschall, Posadowsky und Hollmanü. Fortsetzung der Etatsberatung. Der Reichsparteiler Kardorff beginnt mit einer heftigen Polemik gegen Richters gestrige Auslassungen über die Ueberflüssigkeit neuer Steuern. Daß Richter von Staatsstreichgelüsten und Attentatsversuchen auf das allgemeine Wahlrecht gesprochen habe, sei um so komischer, als die Sozialdemokraten dasselbe selbst antasten wollen, indem sie für die Verleihung des Wahlrechts an die Frauen eintreten. Daß die Linke für die Notwendigkeit der Weltmachtstellung Deutschlands kein Verständnis habe und daher Gegner der Kolonialpolitik und Marinevermehrung sei, könne nicht überraschen. Die gesamte Landwirtschaft liege darnieder, ebenso wie die Industrie, die den Export nach den Silberländern verloren habe. Abgeordneter Rickert (freis. V.) ist gegen jede neue Steuer, weist auf die Möglichkeit von Ersparnissen bei der Marine hin und betont die Unzulänglichkeit der Erklärungen Böttichers über den Kanzler- und Ministerwechsel vom konstitutionellen Standpunkt. Die Landwirtschaft habe durch die Schutzzollpolitik dauernden Schaden erlitten, um so mehr seien die Handelsverträge Caprivi hoch anzurechnen. Die Einführung der Doppelwährung sei nur ein Wunsch des verschuldeten Grundbesitzes.
Zum Schluffe bemerkt Redner, die Regierung solle davon abstehen, die Rechte des Volkes und deS Reichstages anzutasten, von Posadowsky antwortet dem Vorredner und begreift nicht, wie dieser bestreiten könne, daß die Gesetzgebung der letzten 10 Jahre mehr der Industrie als der Landwirtschaft zu gute gekommen sei. Selbst die Sozialdemokratie habe auf ihrem letzten Parteitage die Notlage der Bauern anerkannt. Davon gebe auch die wachsende Bevölkerung des platten Landes und die zunehmende Arbeitslosigkeit in den Städten Zeugnis, von Manie uffel (dkons.) teilt die Ansicht des Abgeordneten Rickert in der Angelegenheit betr. den Antrag des Staatsanwaltes gegen Liebknecht und Genoffen nicht. Redner bemerkt ferner, daß die Handelsverträge auf Kosten der Landwirtschaft geschloffen seien. (Rufe: Sie haben ja auch dafür gestimmt.) Der Referent versucht sodann in ziemlich heftiger Weise die Ausführungen Richters in der gestrigen Sitzung zu widerlegen und bezeichnet es als kühn, daß Richter eine Zeitungsnotiz benutzte, um im Reichstage dem Ministerium Staatsstreichideen zu unterschieben. Die Landwirtschaft müsse dringend verlangen eine Aenderung der Branntweinsteuer, die , Erhaltung des Zuckerexports nach Amerika, die Beschränkung der Vieheinfuhr und der Freizügigkeit. Im Uebrigen seien die Konservativen zur Bekämpfung des Umsturzes bereit. Abgeordneter Liebknecht wendet sich in längerer Rede zuerst gegen die Vorwürfe, die seinen Genoffen aus den Vorgängen vom 6. Dezember gemacht wurden. Sodann spricht er gegen die beabsichtigte Umsturzvorlage, die man eine lex Stumm nennen könne, da sie nur dazu diene, die Arbeiter rechtlos zu machen. Redner wandte sich ferner gegen die Mehrforderungen für Militär und
Der: SonöerLing.
Roman von P. Felsberg.
I.
Es war auf einer kleinen Eisenbahnstation; der Schnellzug hielt nur fünf Minuten, in welchen die neu hinzukommenden Paffagiere sich beeilten, einen möglichst guten Platz zu gewinnen.
Am schwersten schien eS drei Damen zu werden, die gewünschten Plätze zu erhalten, da alle DamencoupSS voll besetzt waren. Der Schaffner zuckte bedauernd die Schultern und stellte eS ihnen anheim, eine Abteilung für Nichtraucher zu benutzen, in welcher sich noch reichlich Platz bot.
Die Zeit drängte. Mühsam nur, auf Mutter und Schwester gestützt, bewegte sich ein schlankes Mädchen vorwärts.
„Guten Tag, Frau Baronin/ rief ein älterer Herr den Damen entgegen, .bitte, hier ist noch vollauf Platz; darf ich Ihnen helfen? Arme Rosa, noch immer nicht besser?"
.O, Herr von Werden, ich danke Ihnen, Sie sind zu gütig —erwiderte Baronin von Felde», als Werden schnell das Coupö verließ, um den Damen behilflich zu sein welche er so herzlich begrüßte.
In demselben Coupö saß nur noch ein Herr, und die Damen, namentlich die Kranke, konnten es sich bequem machen.
.Ist der Fuß noch immer nicht besser?' forschte Herr von Werden. Traurig schüttelte das junge Mädchen den feinen Kopf mit dem schönen braunen Haar; ihre Augenlieder senkten sich, und um den kleinen rosigen Mund zuckte es, als sie rrwi- derte: „Er wird es wohl nie mehr.'
.Doch, doch. Rosa,' beschwichtigte die Mutter und schlang den Arm um ihr leidendes Kind.
Währenddessen hatte die andere junge Dame, die Schwester der Kranken, das Handgepäck untergebracht, und der stille Reisende in der gegei.üb »liegende« Ecke des Coupss hatte reichlich Gelegenheit, die herrliche Gestalt derselben »u bewundern, die in dem eng anliegenden grauen Reisekleid zu vollsten Geltung kam. Jede Bewegung verriet die edlen, stolzen Formen, die üppige Jugendsülle und ruhige, vornehme Grazie. Er konnte den Blick nicht losreißen von dem schöne« Antlitz von der üppigen, rötlich glänzenden Lockenfülle, dem schlanken, schneeweiße« Hals, den so stolz und ruhig blickenden Augen, die eine Sekunde nur den Fremde« gestreift mit ihrem kalten Strahl.
Er wandte sich gewaltsam ab »on dem schönen, stolzen Wribe, das nur mit einem leichten Neigen des Kopfes und einem halben Lächeln den Freund ihrer Familie begrüßte. Er wollte nicht zudringlich sein und vertiefte sich anscheinend in seine Lektüre, die neben ihm lag, und zu der er unwillkürlich griff, als der stolze Blick ihn traf.
Mit Spannung lauschte der Fremde auf die Unterhaltung, welche hauptsächlich von der älteren Dame und ihrem Bekannten in leisem Tone geführt wurde, und nur seinem scharfen Gehör verdankte er eS, daß ihm kein Wort entging.
.Ja, bester Herr von Werden, wir sind nun wieder Nachbarn, hoffentlich gute, wie früher, nicht wahr?' kam eS beinahe bittend von den Lippen der Baron«.
.Treue Freunde! Können Sie zweifeln an mir und meiner Frau? Ich denke, wir kennen und gut genug, und wahrhaftig, ich zürne Ihnen, daß Sie bei mir vorüberfahren wollen und meine Gastfreundschaft verschmähen, so lange bis das alte Nest wohnlich gemacht ist.'
.Werden, ich danke Ihnen,' sprach die Baronin und reichte eine schmal«, blaffe Hand ihrem Gegenüber, die dieser an seine L ppen führte. .E>n Freund i» der Not, das thut wohl; der Gedanke allein genügt, Schwierigkeiten zu bekämpfe».