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ZUM Windhof geführt werden. Kostenanschlag 40 000 Mark. Nach dem 2. Projekt soll die neue Straße vom Rühle'scheu Hause in der Vorstadt durch den Mühlweg und sodann zwischen dem Bezirkskommando und dem früher Müller Reichert'schen Hause den Schloßberg umziehen, die Gärten am Hinteren Schloßberg durchschneiden, von da durch die Gärten von Löwenwirt Hammer und Kannenwirt Frohnmeyer in einem Bogen östlich bis zum Schießbach und dann aufwärts zum Windhof geführt werden. Die Grunderwerbungen wären beim 1. Projekt viel geringer als beim 2. Bei dem letzteren würde ein Teil vom Hafner Weiß'schen Hause und das Haus von Na sch old im Mühlweg angekauft werden müssen. Dieses Projekt ist zu 87000 Mk. angeschlagen; die Straße am Schloßberg herum würde wegen der nötigen Schutzmauern allein auf 40000 Mk. zu stehen kommen. Da die Preise für Grunderwerbungen ziemlich nieder in dem Voranschlag angenommen seien, so würde die Ausführung der neuen Straße etwa auf 100,000 Mk. sich belaufen. Zu den Kosten würde der Staat einen Beitrag von etwa 33'/, Prozent geben, auch wäre wohl von der Amtsversammlung ein größerer Zuschuß zu erwarten. Die übrigen Kosten müßten hauptsächlich von Calw und den besonders interessierten Gemeinden getragen werden. Da aber die zur Erwerbung nötigen Grundstücke auf Calwer Markung liegen und die Stadtgemeinde Calw zum Amtsschaden 19"/-,, also '/s beitragen muß, so wäre die Hauptlast jedenfalls von der Stadt zu leiden. Würde dieses Projekt zur Ausführung kommen, so wären auch die Geschäftsleute aufwärts von der „Schwane" an stark geschädigt. Daß im allgemeinen dieses 2. Projekt vor dem ersten ganz bedeutende Vorzüge hat, liegt auf der Hand. Denn wenn die Steigung an der Schwane hinauf nicht korrigiert wird, so hätte die Korrektion der obern Steige keinen großen Wert, da die untere Steigung doch bei Fuhrwerken Vorspann erfordern würde; es wäre dem Uebelstand nur halb abgeholfen. Ob das 2. Projekt, das den Verkehr mit dem Wald ungemein erleichtern und der jetzigen schlechten Zufahrt für immer ein Ende machen würde, zur Ausführung kommt, erscheint sehr fraglich, indem hiedurch der Stadt sehr bedeutende Auslagen entstehen würden. In einer weiteren Sitzung der bürgerl. Kollegien sollen endgültige Beschlüsse gefaßt werden.
* Calw, 10. Dez. Der 300jährige Geburtstag deS Königs Gustav Adolf's von Schweden wurde auch in unserer Stadt in würdigster Weise gefeiert. Am Freitag abend hielt Regisseur a. D. Bachmann aus Stuttgart im Vereinshause einen Vortrag von Scenen aus dem Leben des nordischen Helden. Der Redner entrollte in lichtvoller Darstellung und nobler Auffassung einzelne Episoden (Abschied Gustav Adolfs von Ständen und Volk; Landung und Einzug in Pommern; Magdeburgs Schicksal; vor Nürnberg; WeißenfelS) aus der Wirksamkeit des Schwedenkönigs auf deutschem Boden. Durch entsprechende Gesänge des K ir ch e n g e sa ng- ver eins wurde der Vortrag unterstützt.
Das Reallyceum hatte in Rücksicht auf die verschiedene Fassungskraft der älteren und jüngeren Schüler von einer gemeinsamen Feier abgesehen. Statt derselben wurde in jeder Klasse am Samstag von 11—12 Uhr vom Klassenlehrer die Bedeutung Gustav Adolfs für die evangelische Sache klargelegt und die damaligen Zustände in Deutschland näher beleuchtet.
Die Oberklassen der Mittel- ».Volksschule hatten ihre Feier im Vereinshaus. Nach einer Ansprache von Herrn Stadtpfarrer Schmid folgten abwechselnd gemeinschaftliche Gesänge, ein Vortrag des Schülerchors von Hrn. Schullehrer Roos und Deklamationen. Die älteren Schüler wurden mit dem Schriftchen „Gustav Adolf, v. Reinöl", und die jüngeren mit einem Schreibheft mit dem Bild des Königs beschenkt.
Derev. Bund undderev. Männerverein hatten auf gestern nachmittag im Badischen Hofe eine gemeinsame, zahlreich besuchte und sehr gelungene Feier veranstaltet. Nachdem Herr Professor Haug die Versammlung begrüßt und einen kurzen treffenden Vergleich zwischen Hans Sachs und Gustav Adolf gezogen hatte, hielt Herr Rector Dr. Weizsäcker einen sehr interessanten Vortrag über den Nürnberger Meistersänger. Der Redner verbreitete sich über die
Jugend- und Wanderzeit von Hans Sachs, über dessen dichterische Anfänge, über seine Stellung zur Reformation, zu Vaterstadt, Vaterland und Religion und hob besonders hervor, daß der Volksdichter in der Erzählung und im erzählenden Schwank ein großer Meister gewesen sei. Den zweiten, ebenso anziehenden Vortrag über Gustav Adolf hielt Herr Stadtpfarrer Schmid. Die beiden Vorwürfe, die von kathol. Seite dem frommen Helden und Christen gemacht werden, als ob Gustav Adolf nur aus Ländergier nach Deutschland gekommen und daß er der Verwüster des deutschen Landes geworden sei, erfuhren eine gründliche Widerlegung. Der Name des edlen Mannes werde im Gegenteil bei den Evangelischen für immer unauslöschlich im Andenken bleiben. Hr. Rektor Dr. Müller erfreute die Zuhörer noch mit einem stimmungsvollen Gedicht und der Jünglingsverein brachte einige Scenen auS dem Leben Gustav Adolfs zu lebendigem Vortrag. In einem warmen Schlußwort sprach Hr. Dekan Braun den Rednern und allen Mitwirkenden den Dank für die erhebende Feier aus.
Calw, 10. Dez. (Notiz zum Gustav- Adolf-Spiel.) Man erlaubt sich darauf aufmerksam zu machen, daß die Eintrittspreise in der aus dem Anzeigenteil ersichtlichen Höhe angesetzt werden mußten, weil die Kosten für die Kostüme ziemlich hohe sind, sowie daß die Stücke, die am Sonntag zur Aufführung kamen, etwa die Hälfte des ganzen Spiels ausmachen. Die Zeit der Aufführung am 16. Dez. kann jetzt noch nicht bestimmt werden.
Calw. Einer Korrespondenz im „Schwäb. Merkur" zufolge, soll Herr Stadtschultheiß Haffner hier auf eine an ihn ergangene Aufforderung eine Wiederwahl in den Landtag angenommen haben.
2 Neubulach, 7. Dez. Ein längst gehegter Wunsch, di« Korrektion derCalwer Steige, ist einen Schritt weitergerückt, indem durch gütige Verwendung der Herrn Oberamtmann Voelter heute eine Besichtigung des Terrains unter Leitung des Herr Oberamtmanns durch Herrn Baurat Grauer aus Stuttgart, Herr Straßenbau-Inspektor Fleischhauer sowie der Vertretung der beteiligten und interessirenden Gemeinden behufs Aufstellung eines geeigneten Projekts, stattfand. — Im Allgemeinen wurde das Projekt, die Straße, schon an der Ecke ves Berges bei Kirchherr's Sägmühle beginnend und mit einer Steigung von 7 Prozent den Berghang entlang fahrend, der Höhe zuzuführen, gutgeheißen, während der weiter ausgestellte Plan, die Steige über das sogen. Geigerle dem sogen, hohen Berg entlang auf die Altbulachsr Höhe — fast ob der Thalmühle — zu bringen, trotz der technischen Versicherungen, daß diese Straße des Terrains und der Sommerseite wegen eine schöne Ausführung ermöglichen ließe, wenig Anklang fand, da erstlich die Straße ziemlich länger würde und für die beteiligte Gemeinde Liebels- berg wenig gesorgt wäre. — Da unsere Calwer Steige zu einer der verkehrsreichsten Straßen des Bezirks zählt, so hoffen die beteiligten Gemeinden auf eine wesentliche Unterstützung seitens der Amtskorporation und des Staates, werden aber ihrerseits bestrebt sein, durch Einigkeit, d. h. durch Ausgleichen der Sonderinteressen und an den Tag legen ihres guten Willens die Ausführung des Projekts in möglichst nahe Zeit zu rücken.
Ulm, 3. Dez. Ein hiesiger Herr wird eine allzugroße Empfindlichkeit für sein Söhnchen ziemlich teuer zu bezahlen haben. Ein bayerischer Bahnadjunkt kam in Neu-Ulm dazu, wie sich zwei Knaben im Alter von 15 und 13 Jahren durchprügelten. Der eine stand eben im Begriff, dem andern einen Stein auf den Kopf zu schlagen, wodurch zweifellos eine größere Verletzung verursacht worden wäre. Dies verhinderte der Beamte dadurch, daß er das Bürschchen faßte und demselben mit seinem Stock einige versetzte. Der Vater des Burschen erhob Privatklage wegen Körperverletzung. Beim Amtsgericht dahier wurde der Beklagte freigesprochen und auch die Strafkammer, bei welcher die Sache auf die von dem Vater erhobene Berufung zur Verhandlung kam, erkannte auf Freisprechung. Der Privatkläger wurde zur Zahlung sämtlicher Kosten verurteilt.
Berlin, 8. Dez. DaS „Tagbl." schreibt zu der Meldung, daß in der Angelegenheit Kotze jetzt der Schreiber der anonymen Briefe entdeckt sei, in
der Familie des Herrn von Kotze sei hierüber nicht das mindeste bekannt.
Wien, 7. Dez. Kaiser Wilhelm richtete an den Wiener Männer ge sangverein folgendes Handschreiben: „Aus der Eingabe des Vorstands vom 17. Nov. habe ich mit Vergnügen ersehen, dass mein „Sang an Aegir" auch vom Wiener Männergesangverein mit gutem Erfolge zur Aufführung gebracht worden ist. Den mir aus diesem Anlasse eingesandten Ehrendukaten habe ich gern angenommen und wird mich derselbe stets daran erinnern, daß in der schönen Donaustadt deutscher Sang und deutsche Musik sich hervorragender Pflege und Förderung seitens des Wiener Mannergesangvereins zu erfreuen hat. Ich danke dem Vorstande für die freundliche Aufmerksamkeit aufs wärmste und wünsche dem Verein auch ferner kräftiges Blühen und Gedeihen. Neues Palais, 6. Dez. 1894. Wilhelm I. R."
Paris, 8. Dez. Ferdinand de Lesse ps ist gestern auf seinem Schloße Lachesnay 89 Jahre alt gestorben.
London, 8. Dez. Die Blätter veröffentlichen sympatische nekrologische Artikel über Lesseps. Die „Morningpost" sagt, daß das Mißlingen des Panamaunternehmens der Gestaltung des Bodens zuzuschreiben sei. Jedenfalls sei aber der Suezkanal für ewige Zeiten ein Gegenstand der Bewunderung für die ganze Menschheit. — Der „Standard" äußert sich: Nach der Vollendung des Panamakanals wird das Fehlen der Statue Lesseps am Kanaleingang das vergessen machen, was heute seinen Ruhm schmälere.
Chicago, 8. Dez. In einem Bahnschuppen wurde in einer Kiste die von Messerstichen durchlöcherte Leiche eines vierzigjährigen Mannes vorgefunden. Der Ermordete war ein Deutsch-Amerikaner. Von dem Thäter, resp. Absender der Kiste fehlt noch jede Spur.
Vermischtes.
— Vom Württembergischen Schutzverein für Handel und Gewerbe erhalten wir folgende Zuschrift: Vor ungefähr 1'/- Jahren sahen wir uns genötigt, die Hilfe der Presse unseres engeren Vaterlandes anzurufen, um von der Schwindlerbande „Wißing und Genossen" öffentlich zu warnen, über die nunmehr durch die Gerichte in Berlin, Ulm, Stuttgart, Ludwigsburg und Cannstatt die wohlverdienten Strafen verhängt worden sind. Heute haben wir wieder Veranlassung, die gütige Unterstützung der Presse in Anspruch zu nehmen, indem wir höflich bitten, nachfolgende, warnende Mitteilung, in den redaktionellen Teil Ihres geehrten Blattes aufnehmen zu wollen:
Eine Gesellschaft von 6 Hausierern, von welchen- bisher nur 3 zur Wandergewerbcsteuer angemeldct waren, durchzieht seit etwa 2 Jahren unter dem Na- men„Jsle Söh ne aus Karlstadt a. M. bei Würzburg'mit Buxskin, Tuchen, Kleiderstoffen rc. unser Land und pflegen das Publikum mit folgenden Kniffen zu fangen.
Zuerst zeigen sie Musterkarten von Blaudruck und anderen Baumwollwaren und bieten diese zu Preisen an, die etwa nur bis '/z der sonst üblichen Preise betragen, um .Bestellungen darauf aufzunehmen". Haben sie auf diese Weise beim Publikum den Glauben erweckt, daß sie so viel billiger verkaufen, als irgend ein anderer, dann erklären sie: „Wir haben auch noch andere Waren bei uns, weil diese beständig stark verlangt werden. Nicht nur jeder Privatmann, sondern auch- die Kaufleute kaufen davon große Posten."
Dies wird durch Nennung von im Bezirk bekannten Namen, der ersten Beamten :c. bekräftigt, indem sie z. B. den Leuten vorspiegeln, der Herr Kameralverwalter, der Herr Stadtschullheiß rc. haben auch bei ihnen viel gekauft. Das Publikum glaubt diese Aussagen und kaust vertrauensselig die vorgelegten Waren, ohne näher Preise und Qualitäten zu prüfen. Haushaltungen, die sich auf diese Weise verleiten ließen, für 100 bis ^ ISO Waren zu kaufen, sind nicht selten.
In Rielingshausen, Oberamts Marbach, ließen sich die Hausierer von ihren Käufern Wechsel unterschreiben, da die Einwohnerschaft, welche für ihre Rübenernte noch keine Zahlung erhalten hat, nicht bei Cassa war. Nun wissen die Leute weder ben Betrag, noch die Verfallzeit der Wechsel und sind in banger Sorge, daß sie bei deren Einlösung aufs neue Schaden erleiden müssen.
Die Jsle Söhne verkaufen nach eigener Aussage durchschnittlich für Mk. 500 pro Tag und zahlen an' Steuern (alle 6 Mann zusammen)
Staatsgewerbesteuer - - Mk. 10. SO AusdchnungsabgaLe per Bezirk „ 2. 10
Körperschaftssteuer ... ,. 10. 23
Gemeindesteuer .... . „ 21. —
in Summa Mk. 43. 83.