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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw
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Amtliche NeLanntmachnnge«. Dekauntmachnng.
Nachdem in Neubulach und Holzbronn die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist, werden folgende Maßnahmen zunächst bis zum 7. Dezember d. I. einschließlich angeordnet.
Es ist verboten:
1) Das Treiben von Rindvieh, Schweinen und Schafen außerhalb der Feldmarkgrenzen in den Gemeinden Neubulach, Altbulach samt Teilgemeinden, Holzbronn, sowie in den Teilgemeinden Waldeck, Hof Dicke und Station Tein ach, Gde. Stammheim.
2) Die Verladung von Rindvieh, Schweinen und Schafen auf der Station Teinach.
3) Die Weggabe von Magermilch aus Sammelmolkereien in den genannten Gemeinden mit der Ausnahme, daß solche Milch, welche zuvor auf mindestens 100" 0. erhitzt worden ist, abgegeben werden darf.
Die Schultheißenämter haben vorstehende Maßregeln in den betr. Gemeinden auf ortsübliche Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringen und dabei darauf hinzuweisen, daß die Unterlassung oder Verspätung der Anzeige von Seuchenausbrüchen und die Zuwiderhandlung gegen die ergangenen Anordnungen nicht nur Bestrafung, sondern auch den Verlust der Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh nach sich zieht.
Calw, den 23. November 1894.
K. Oberamt.
I. V.:
Amtm. Gallert.
Bienstag» den 27. November 1894.
LbonnementSpreir vierteljährlich in der Stadt V0 Pfg. urH »0 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen ML. 1. 1k, sonst t» ganz Württemberg Mk. 1. SL.
Tagesneuigkeiten.
* Calw, 26. Nov. Am gestrigen Sonntag veranstaltete der Liederkranz unter äußerst zahlreicher Teilnahme seitens der Mitglieder einKonzert, für welches ein reichhaltiges und abwechslungsvolles Programm vorbereitet war, das hohen Genuß bot und für welches der Leitung der Dank der Gesellschaft gebührt. Durch Zuziehung eines gemischten Chores erhielt das Konzert noch einen erhöhten Reiz. Eine interessante Ouvertüre: Der Kalif von Bagdad von Boildieu eröffnete den Abend, worauf der Chor „Im Feld des Morgens früh" von Burkhardt anstimmte. An diesen immer gern gehörten und sehr ansprechenden Chor schloffen sich weitere an. Dieselben waren von dem Direktor Hrn. Mittelschullehrer Müller, trefflich einstudirt und namentlich die Novität „Herr dein Odem weht" von Häser, „Das stille Thal" von K. Schmid, wie die großen gemischten Chöre „Kolumbus" von Becker mit Klavierbegleimng und eingelegter Deklamation, sowie „Zigeunerleben" v. R. Schumann errangen einen durchschlagenden Erfolg. Ein gemischtes Doppelquartett erfreute die Zuhörer mit den Vorträgen „Abschied vom Walde" von Mendelssohn und „Gute Nacht" von Abt und erntete den reichsten Dank und Beifall. Im Sologesang trat Herr W. Schwämmle mit dem Vortrag von „Suleika" von Mendelssohn auf und wußte damit die aufmerksamen Zuhörer zu fesseln. Hinreißend waren die Leistungen des Herrn Totems, welcher ein Violinsolo von Singelee mit einer staunenswerten technischen Meisterhaft, einer ungemeinen Leichtigkeit, Sicherheit und einem reinen, einschmeichelnden und glänzenden Ton von außerordentlicher Biegsamkeit vortrug, so daß er mit Recht den größten Beifall
errang. Die Klavierbegleitungen wurden von den Herren Vin^on und Gerst in rühmlicher Weise treffend durchgeführt. Wir sind sicher, daß jedermann von dieser schönen und gelungenen Aufführung hochbefriedigt war.
* Calw. Am 23. Nov. waren es 10 Jahre, daß der „Schwarz waldverein" gegründet wurde. Der Zweck des Vereins ging dahin, es sollten die Schönheiten des württ. Schwarzwaldes zur Geltung gebracht und die wissenschaftliche Erforschung desselben gefördert werden. Der Hauptverein gliedert sich wieder in Bezirksvereine. In den letzten Jahren hat der Verein ein eigenes Organ, „Blätter aus dem Schwarzwald" geschaffen, ein Blatt, das sich durch gediegenen Inhalt und schöne Illustrationen auszeichnet und die Bestrebungen des Vereins in immer weitere Kreise hineinträgt. Seit der Gründung dieser Zeitschrift ist die Zahl der Vereinsmitglieder bedeutend gewachsen. Jedoch dürfte der Verein noch viel mehr Mitglieder zählen, namentlich sollte der Verein auch in den Dörfern noch weitere Anhänger gewinnen und das Vereinsblatt in den besseren Wirtschaften aufgelegt sein. Der Verein hat während seines 10jährigen Bestehens sehr viel Gutes geschaffen und Einheimischen, Kurgästen und Touristen viele Annehmlichkeiten bereitet. Wir erinnern nur an die zahlreichen Fußwege, Ruhebänke, Schutzhütten, Aussichtsgerüste und Wegweiser, die derselbe erstellen ließ. Ueberall begegnet man der fürsorglichen und nützlichen Tätigkeit des Vereins. Möge der Schwarzwaldverein auch im nächsten Jahrzehnt sich neue Freunde zuführen und immerdar grünen und frisch bleiben wie die Tannen seines Gaus.
Calw, 26. November. Am gestrigen Tage
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Dcrs Lote Kcrus.
Roman von Carl Görlitz.
(Fortsetzung.)
Angelika wandte die Karte hastig um und las auf der andern Seite folgende Worte, mit Bleistift geschrieben:
„Ich muß Sie noch einmal sprechen, vielleicht ist eS ein Abschied auf ewig! Mein Schiff lichtet bei Sonnenaufgang die Anker."
„Welches Schiff?" fragte sie, indem sie vor innerer Erregung kaum ihrer Sinne mächtig war.
„Die Korvette, an deren Bord der Herr Kapitän kommandirt ist."
Nach dieser Antwort Jordans wandte Angelika die Karte abermals um und laS nun Stand und vollen Nomen Gerhards.
Ihr Kopf schwindelte, der Boden tanzte unter ihren Füßen, al« ob sie sich schon selbst auf einem Schiffe befände,'dos von Meereswogen hin und her geschaukelt wird.
„Aber wo — wo find' ich ihn?" — fragte sie athemlos weiter.
„Er erwartet Sie unten in meinem Zimmer."
„Ah!" rief sie freudig aus, „er ist hier im Hause?"
Dabei that sie einige Schritte vorwärts, als wollte sie der Trepp« zueilen, um zu Gerhard hinabzugchen.
„Ich bitte, meine Gnädige," warnte Jordan sie mit gut gespieltem Schreck, „nicht so laut, man könnte uns hören, und ich hätte mehr zu nSkiren als Sir, daß ich den Herrn Kapitän in das Haus gelassen und Sie von seiner Anwesenheit unterrichtet habe."
Angelika stand still; sie wußte nicht mehr recht, war sie that. Sie war LereitS wie ein weiches Stück Wachs in der Hand des intriguanten Unholds.
„Er erwartet Sie unten in meiner Wohnung," flüsterte ihr Jordan zu, „versuchen Sie, wenn Alles oben schläft, ungesehen hinabmkommen. Der junge Herr wird sich zwar in Ungeduld nach Ihrer Gegenwart verzehren, aber die Hoffnung, daß Sie kommen werden, wird ihm die Pein des Wartens erträglich machen."
Gerhard in Ungeduld und Sehnsucht nach ihr! Dieser Gedanke verwirrte Angelika's Köpfchen. Ach, ihre Sehnsucht nach ihm war wohl keine geringere.
Jener Philosoph hat jedenfalls sehr Recht, als er die Liebe folgendermaßen analyfirte: „Die Liebe ist ein Rausch. der Sehende blind und Vernünftige toll macht, sie ist eine Krankheit der Jugend, von der uns jeder Tag, den wir älter werden, naturgemäß heilt."
Angelika bestätigte obigen Spruch des Philosophen in diesem Augenblicke nur zu sehr; sie war im Augenblicke so blind, daß die philosophische Analyse der Liebe für sie eigens gemacht zu sein schien. Nur so ist es zu erklären, daß sie Jordan zurief: „Er soll mich erwarten!" und dann in das Zimmer Dorothea'» zurückkehrte, während Jordan, lautlos wie eine Schlange, über den mit wollenen Läufern bedeckten Korridor hinglitt und dann im Dunkeln des Treppenhäuser verschwand.
„Mit wem haben Sie denn da draußen so lange gesprochen, liebes Fräulein?" fragte Dorothea, als Angelcka sich wieder an ihr Bett setzte.
Die junge Dame antwortete nicht gleich. „ES war einer der Diener," antwortete sie zögernd, „der eine Auskunft verlangte."
„Wohl wegen der Flurlampe?" forschte Dorothea weiter.
„Ganz recht, wegen der Flurlampe!' erwiderte Angelika, die froh war, daß Dorothea ihr die Antwort erleichterte.
„ES ist ein aller Streit," fuhr Dorothea fort, wer von der Dienerschaft die Flurlampe auszulöschen hat; je bequemer die Diener es in einem Hause haben, desto weniger wollen sie thun, und keiner von ihnen wollte des Abends spät noch einmal die Treppe hinaufsteigen, um die Lampe auSzudrehen. Damit der Zank deshalb ein Ende erreichte, hatte ich eS übernommen."