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sie noch gerade bei Seite reißen konnte.' Dabei fiel ihr aber das Kind auf den Boden, und zum Entsetzen der Zuschauer gingen die Räder darüber hinweg. Eine furchtbare Erregung bemächtigte sich der Augenzeugen; man eilte hinzu, trug es in einen Hausflur, nahm dort vorsichtig das Umschlagetuch ab und fand — einen papiergefüllten menschlich geformten Sack. Entrüstung und Erstaunen ob dieses Gaunerstreiches waren groß, aber die Frau hatte sich in der allgemeinen Aufregung schleunigst entfernt.
Berlin, 7. Nov. Das Schwurgericht verhandelt heute gegen die Anarchisten Dräger und Schäme, Propagandisten der That. Dieselben hatten im Monat August einen blutigen Zusammenstoß mit Polizeibeamten. Das Urteil lautete gegen Schäme auf 12 Jahre Zuchthaus und 10 Jahre Ehrenverlust, gegen Dräger auf 5 Jahre Gefängnis.
Berlin, 7. Nov. Nach dem „Berl. Tagebl." hat der Kaiser den Namen Wallots, des Erbauers des Reichstagsgebäudes, von der Liste der für die goldene Medaille vorgeschlagenen Künstler gestrichen; ein Versuch eine Aenderung dieser Entscheidung herbeizuführen, blieb vergeblich. Wallot soll nach einer andern Nachricht nur die kleine goldene Medaille, die auch der Münchener Bildhauer Maison und Baurat Schwechtey, der Architekt der Kaiser Wilhelmskirche, erhielten, bekommen haben. Frau Vilma Parlaghi dagegen war nicht von dem Preisgericht für die große goldene Medaille vorgeschlagen worden; sie hat diese Auszeichnung durch die Entscheidung des Kaisers erhalten. Gleichzeitig erfährt das „Berl. T.": Frau Vilma Parlaghi wollte eine Ausstellung ihrer Werke in der Berliner Akademie veranstalten, die Direktion verweigerte jedoch einen Saal hiezu. Die Ausstellung wird nunmehr in der Nationalgallerie auf Befehl des Kaisers stattfinden.
Berlin, 8 . Nov. Die „Voss. Ztg." bestätigt die Behauptung, wonach der Justizminister v. Schilling nicht freiwillig aus dem Amte scheidet. Der Chef des Civilkabinets von Lucajnus soll sich zu Schilling begeben und denselben gefragt haben, ob er nicht vor seinem 50jährigen Dienstjubiläum seine Entlassung nachsuchen wolle. Schilling, welcher nicht beabsichtigte zu demissionieren, hat daraufhin sein Ent- lassungsgesuch eingereicht. — Die „Voss. Ztg." weiß ferner, daß das Justizministerium thatsächlich dem
Oberreichsanwalt von Tessendorf an geboten worden ist. Dieser hat jedoch die Annahme abgelehnt.
Berlin, 9. Nov. Von bestunterrichteter Seite verlautet, der Reichskanzler Hohenlohe besuche die Höfe von München, Stuttgart und Karlsruhe nicht nur zu dem Zweck, sich als Reichskanzler vorzustellen, sondern auch in der Absicht, die süddeutschen Souveräne mündlich über die Vorgeschichte der Kanzlerkrisis aufzuklären. Besonders soll die Verstimmung des Großherzogs von Baden, welche durch den Sturz Caprivi's entstanden, beseitigt werden...
Rom, 8 . Nov. Der Prinz von Neapel geht zu der Leichenfeier nach St. Petersburg. Der Osservatore Romano meldet, daß im nächsten Jahre ein großer Wallfahrerzug aus Amerika in Rom ein- treffen werde.
Livadia, 7. Novbr. Gestern Abend wurde der goldene Sarg mit den sterblichen Ueberresten des Zaren" Alexander aus dem Palais in die byzantinische Kapelle getragen. Vollständiges Dunkel herrschte und Tausende von Cypressen mit Lorbeer und Blumen umwunden erhöhten das Düstere der Stimmung. In regelmäßigen Zwischenräumen längs des '/-stundelangen Weges standen Kosaken mit Fackeln. Um 7 Uhr trat die Geistlichkeit aus der mit Blumen geschmückten Kirche; wohl 50 Priester in goldstrotzenden Brokatmänteln schlossen sich dem Zuge an, 6 außen an der Kirche angebrachte Glocken begannen zu läuten, als der Sarg das Palais verließ. Den Zug eröffnet« der Zeremonienmeister, die Hofsänger, Schulkinder von Livadia und die Geistlichkeit. Die Schützen traten ins Gewehr, die Fahnen senkten sich. Der von Kosaken getragene Sarg überragte die Menge. Derselbe ist ganz Gold mit Silberranv und trägt Krone und Schwert. Dem Sarge folgte der Kaiser und die kaiserliche Familie. Als der Zug vor der Kirche angelangt war, trugen der Kaiser und die Großfürsten den Sarg in die Kirche. Die Großfürstinnen folgten. Hierauf wurde der Deckel vom Sarge gehoben und die Leiche eingesegnet. Nach der Ceremonie entfernte sich die kaiserliche Familie unter andauerndem Glockengeläuts. Die Generalität und die Hofcharzen blieben bei der Leiche als Ehrenwache.
Kopenhagen, 2 . Novbr. Ueber das mitgeteilte Unglück in Jönköping, das 15 geistesschwachen Kindern den Tod in den Flammen brachte, erfährt
man folgendes: Das von einer Frau Hendriksen als Eigentümerin geleitete Asyl für geisteskranke Kinder ist eine halbe Stunde von Jönköping entfernt, sehr abgelegen und einsam. Am Unglückstage waren alle 20 Kinder zur Ruhe gebracht worden und nach der gewöhnlichen Runde durch alle Stuben begaben sich auch die Vorsteherin und die Mägde zu Bett. Durch den Husten eines Kindes wurde ein Dienstmädchen geweckt. Als sie den Schlafsaal, wo 15 Kinder lagen, betrat, schlug ihr so dichter Rauch entgegen, daß an ein Weitervordringen nicht zu denken war. Auf ihr Hilferufen eilten die andern Frauen herbei, man versuchte noch einmal, die armen Kleinen zu retten, aber vergebens; eine Stunde später war das ganze Haus eingeäschert. Die Ursache des Brandes ist unaufgeklärt. Die Vorsteherin ist vor Schrecken ernstlich erkrankt.
Standesamt Kal».
Geborene:
3. Nov. Maria Katharia, Tochter des Johann Hell-
mann, Taglöhners hier.
7. „ Lina Johanna, Tochter des Wilhelm GöIl
ling, Tuchmachers hier.
Getraute:
4. Nov. Johann Hirsch, Schuhmacher von Oestringen
und Karoline Charlotte Holzinger von hier.
Gestorbene:
7. Nov. Christian Ludwig Ayasse, 8 Wochen alt, Sohn des Christian Ayasse, Fabrikarbeiters hier.
Gottesdienste
am 26. Sonntag nach Trinitatis, 11. November. Vom Turm: 455. Prcdigtlied: 345.
9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Hr. Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern, 5 Uhr im Vereinshaus Missionsstunde, Hr. Dekan Braun.
Mittwoch, den 14. November.
10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.
RcklameteU.
Tauben Ohren predigen, heißt es, wenn man darauf aufmerksam macht, daß die Stiesel nicht erst, wenn sie verdorben sind, sondern von Anfang an rationell behandelt werden sollen. Das beste Lederconserviermittel ist das bekannte „Schuhfett Marke Büffelhaut", welches die Stiefel wasserdicht, weich und dauerhaft erhält, ohne daß das Glanzwichsen einen Tag unterbrochen werden müßte. Verkaufsstellen siehe Inserat.
Amtliche KeklmiltinachrlUlieli.
Revier Hirsau.
Schotterlieferung.
Nachdem der mündliche Abstreich für die meisten Wege ein annehmbares Resultat nicht ergeben hat, werden die pr. 1895 erforderlichen Steinlicferungen im Wege der schriftlichen Submission vergeben. Kostenvoranschlag und Bedingungen können auf der Revieramtskanzlei ringesehen werden.
Die in Mark und Pfg. pr. ebm auszudrückenden Angebote auf die einzelnen Sträßchen sind bis längstens
Donnerstag, den 15. d. M., . vormittags 10 Uhr, beim Revieramt einzureichen. Die Eröffnung derselben findet zur genannten Zeit im „Löwen" in Hirsau statt.
Revier Stammheim.
Larrbholzstamrrcholz- Nerkauf
am Freitag, den 16. Novbr., vormittags 10 Uhr, im Staatswald Wasserteich und Jäger- wicse 17 Eichen (für Wagner und Küfer) mit zus. 6,63 Fm., 1 Birke mit 0,38 Fm.
Zusammenkunft auf vem Gechingen— Gültlinger Sträßchen am Weilerweg.
Auf 20 . ds. Mts. hat die Teil- emeindepilea* Alzen bcrg
2000 Mark
zum ausleihen.
Bekanntmachung.
Die jährlichen Gaben aus den Armenstiftungen der Herren Dör- tenbach und Schauber werden nächsten Montag, den 12 . ds., mittags von 12'/s Uhr an bei Unterzeichnetem verteilt. Calw, 9. Nov. 1894.
Stiftungspflege.
Bub.
Privat-Anzeigen.
Lonvorllis Lslv.
Die
Monatsversammlung
findet kommenden Sonntag nachmittag 4 Uhr im badischen Hof statt, wozu insbesondere auch die passiven Mitglieder freundl. eingeladen sind.
I>er Worstand.
Nächste Woche backt
Lsugenbreheln
August Gakenheimer.
Junges
Kammeksteisch
ist zu haben bei
A. Ziegler.
Garantiert reinen
Schleuderhonig,
sowie reines
Menenwachs
empfiehlt
C. Costenbader.
Wegbau-Accord.
Die hiesige Metzger-Innung hat die Plamerungs- und Chaussierungs-Arbeit ihres ZusahrtswegeS und Hofes beim neuen Schlachthaus samt Beisuhr des Materials in Accord zu vergeben: Chaussierung von harten Sandsteinen ca. 950 gm,
Kleingeschläg von harten Sandsteinen „ 30 „
dto. von Kalksteinen „ 50 „
Lusttragende Unternehmer wollen sich am Montag, den 12. d. M., abends 5 Uhr, bei Unterzeichnetem einfinden. Calw, den 9. Nov. 1894.
A. Ziegler
z. alten Post.
rote, §rLiis Deeken, ?keräsäseksn,
zu herabgesetzten Preisen bei
Iriedr. Wöhrle.
Sogleich oder später
z« «emicklu
eine freiliegende Wohnung mit 5 Zimmern, eine solche, neueingerichtet, von 2 Zimmern, und in meinem Oekonomie- gebäude eine mit 3 größeren Zimmern.
werden angenommen bei
Chr. Beißer's Wwe., Hengstättergäßle.
gebäude eine mit 3 größeren Zimmern.
<Nu,r. Vayvt s rurwe., Brauerei.
Kostgänger
Am Sonntag, den II. November, vormittags halb 10 Uhr und abends 8 Uhr wird Herr Prediger Ludwig. Mann aus Heidelberg in der
WelhodPenkapelle
hier predigen; desgleichen kommenden Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag, je abends 8 '/« Uhr. Jedermann ist freundlichst eingeladen.
Frisch gebrannter
Aalk.
Ziegelei Hirsu«.
Auktion.
Wegen Wegzugs wird in der seitherigen Wohnung der Hch. Bauer, Kaufmanns Witwe hier, eine Fahrnisversteigerung abgehalten und wird Montag und Dienstag, den 12. und l3. Nov., von vormittags 8'/2 Uhr und nachmittags 1 '/, Uhr an aus freier Hand und womöglich gegen bar verkauft:
bessere Betten und Leinwand , Küchengeschirr, worunter 1 ovaler kupferner Waschkesiel, ferner unter Schreinwerk Sopha's, Kästen, 1 Schreibpult, Kommoden, Tische, Stühle; gutes Faß- und Bandgeschirr, allerlei Hausrat, 1 Flagge samt Stange,- Spiegel, Portraits und dergl., vozu Liebhaber höflich einqeladen werden.
Im Auftrag:
Nink-nbeil. Auktioneur,
Grlsdistanz- Verzeichnisse
des Oberamtsbezirks sind zu haben in der Druckerei dS. Bl.