543

Zeugen hauptsächlich angreifenden Stellen der Brochüre. Sodann giebt der Zeuge eine Darstellung d»r in Frage kommenden Vorgänge, wie sie ihm selbst vor­schwebten. Das summarische Ergebnis der Darstellung ist dies, daß Bücher, gestützt auf die Geständnisse des Eckstein, des Schaber, der Zeugen, sowie gestützt auf die gerichtliche Beaugenscheinigung am Schauplatz der Mordthat zwischen Happenbach und Unterheinrieth, ferner gestützt auf sonstige Jndicien, an der Schuld des Schaber festhält. Der Vorsitzende verliest Aus­züge aus denTagwachts-Artikeln. Der Zeuge gibt unter Anderem an, die Angriffe und Beschuldig­ungen seien so ungerecht, daß es einem anständigen Manne schwer falle, auf sie zu erwidern. Die Angaben in den Artikeln seien unwahr; eS seien unsinnige Lügen. Man sage- er habe den Schaber eine Sau, einen Hund geheißen, er habe ihm in's Gesicht gespieen. Wo in aller Welt habe man gehört, daß ein Untersuchungsrichter so handeln dürfe? Er hätte mit Schimpf und Schande dastehen müssen, als er vor dem Schwurgericht Ludwigsburg als Zeuge vernommen wurde; niemals habe er einen Arrestan­ten in Fesseln vernommen, was er nach der Straf­prozeßordnung nicht hätte thun dürfen. Die Fesselung der Gefangenen für den Transport sei nicht seine Sache gewesen. Bezüglich deS Vorkommnisses mit der Mutter des Schaber erklärt der Zeuge, er könne sich nicht erinnern, im Uebrigen aber könne er unmöglich glauben, daß ein anständiger Mensch eine arme Frau so zu behandeln vermöge. Der Zeuge bestreitet, daß dem Schaber von seiner Seite aus eine schlechtere Be­handlung zuteil geworden sei, als dem Eckstein. Er bestreitet ferner, daß er Zeugenaussagen erpreßt habe. Es sei möglich, daß er mit Hast gedroht habe, aber das würde jeder andere Untersuchungsrichter gleich­falls gethan haben. Im Uebrigen stellt der Zeuge auch jede andere Einwirkung auf die seiner Zeit von ihm Vernommenen in Abrede. Auf die Frage des Vorsitzenden an die Parteien:Wird noch eine Frage an den Zeugen gerichtet?" erwidert der Verteidiger Haußmann mit Betonung:Die Verteidigung hat beschlossen, keine Frage an den Zeugen zu richten!" Die Angeklagten nebst 'dem Staatsanwalt verzichten gleichfalls. Der Zeuge Bücher und die übrigen Zeu­gen bis auf Klemm, Moser und Weber werden ent­lassen. Die Nachmittagsverhandlung ergibt nichts besonders Bemerkenswertes.

Stuttgart, 30. Okt. Wie derSchw. M." erfährt, ereignete sich gestern abend 6 Uhr bei den Arbeitern an der neuen Bahnlinie Untertürkheim- Kornwestheim ein schwerer Unglücksfall. Eine Wand der Fundamentgrube eines Pfeilers stürzte ein und begrub 6 Arbeiter. 3 davon waren sofort tot, wäh­rend die übrigen, wenn auch schwer verletzt, gerettet werden konnten. Ueber die Ursache des Einsturzes der Wand, die in solider Weise abgesprießt war, ist noch nichts ermittelt.

Dürrmenz-Mühlacker, 26. Oktbr. Der Herbst im mittleren Enzthal ist geradezu trost­

los ausgefallen, so daß sich in manchen Gemeinden kaum die Lese lohnt. Wie einmal die Aussichten sind, geht am besten aus der Thatsache hervor, daß in einer benachbarten, auf badischem Gebiet gelegenen Gemeinde dortige Weinbergbesitzer das Erträgnis von einem Viertel Weinberg noch vor der Lese um 5 ^ verkauft haben. Die schlimmen Erfahrungen in diesem Jahr werden wohl dazu beitragen, daß der Weinbau in unserer Gegend, der sich vor einem halben Jahr­hundert noch bis nach Pforzheim ausdehnte, mehr und mehr zurückgeht und die Landwirte sich auf den Anbau von Futter- und Nutzgewächsen verlegen, weil ihnen das Hoffen auf einenGlücksherbst" nachgerade entleidet ist.

Tübingen. Am 27. ds. Mts. vormittags gegen 11 Uhr trafen zwei Geschirrhändler aus Matzen­bach in der Nähe des Bläsibades mit einer Zigeuner­bande zusammen, welche nach Gönningen fuhr. Bei der letzteren befand sich die Ehefrau eines der Geschirr­händler, welche ihrem Ehemann entwichen war. Es kam zu einem Wortwechsel zwischen beiden Partien, bei welchem die Zigeuner scharf schossen. Einige der letzteren wurden aus erstattete Anzeige gefaßt und hier eingeliefert.

Pforzheim, 30. Okt. Am gestrigen Mon­tag abend gegen 9 Uhr wurde durch ein Langholz­gefährt ein an der Ecke der östlichen Karl-Friedrich- Straße, bei Einmündung der Straße auf den Markt­platz angebrachter Gascandelaber umgerissen, worauf alsbald das Gas auszuströmen begann. Ein Unberufener hatte die Ungeschicklichkeit durch ein Streichholz das Gas anzuzünden und sofort schlug die Flamme etwa 5 Meter hoch empor. Von Seiten Angestellter des Gaswerks wurde zunächst die Flamme durch Aufwerfen von Sand erstickt, dann wurde auf­gegraben und das Leitungsrohr zugestopft. Der Vor­fall veranlaßte die Ansammlung einer großen Menschen­menge.

Frankfurt, 28. Okt. Der soz.-dem. Partei­tag ist am Samstag geschlossen worden. In seiner Schlußrede sagte Singer:Sie haben gehört, daß Caprivi und Eulenburg entlassen wurden. Wer auch kommen mag, es bleibt dasselbe, wenn auch die Färb­ung anders wird. Wir haben den alten Kurs er­lebt und Bismarck ist vor der Sozialdemokratie ge­gangen, auch Caprivi ist vor der Sozialdemokratie gegangen. Wir haben den neuen Kurs erlebt, wir bangen nicht vor dem neuesten. Die künftige Re­gierung wird auch nur eine Vertretung der Gesell­schaft sein, die wir bekämpfen. Die gesamte bürger­liche Gesellschaft steht gegen uns. Feinde ringsum! Aber wir sagen: Schach dieser Gesellschaft und wer­den sie matt setzen!" (Beifall.) Die Versammlung schloß mit einem Hoch auf die internationale Sozial­demokratie.

Berlin, 28. Oktbr. Der General der In­fanterie Graf Caprivi hat bereits gestern im Laufe des Nachmittags den Staatssekretären der

Reichsbehörden und einigen nähern Freunden seineir Abschiedsbesuch gemacht. Er hat dabei nicht verhehlt,, daß er sich herzlich freut, die schweren Bürden des verantwortlichen Amtes los zu sein. Seit vier und einem halben Jahre hat er nahezu keine dienstfreie Stunde gehabt; selbst wäh­rend seines Kuraufenthalts in Karlsbad hat er sich den wichtiger» Dienstgeschäften unterziehen müssen. Jetzt gedenkt er schon in den nächsten Tagen von hier abzureisen um sich zunächst längere Zeit in der Schweiz erholen. Graf Botho Eulenburx nahm gestern Abend mit seiner Gemahlin in sehr vergnügter Stimmung an einer kleinen Tisch­gesellschaft teil. Erst nach Tisch wurde einem der' Gäste ein Extrablatt hereingebracht, und erst dadurch erfuhr die Gesellschaft, welche politischen Ereignisse sich im Laufe des Nachmittags im kaiserlichen Schlosse vollzogen hatten. Graf Eulenburg gedenkt als Privat­mann hier in Berlin zu bleiben.

Berlin, 29. Okt. DerReichsanzeiger" ver­öffentlicht die Bewilligung der nachgesuchten Entlassung, des Reichskanzlers Grafen v. Caprivi unter Ver­leihung des schwarzen Adlerordens mit Brillanten, sowie die Entlassung deS Ministerpräsidenten Eid- Minister des Innern Grafen zu Eulenburg unter Belastung des Titels und Ranges eines Staats- ministerS und unter Verleihung des Kreuzes, sowie. des SternS zur Großkomthure des königlichen HauS- ordens von Hohenzollern mit Brillanten.

Berlin, 29. Okt. Bei dem Grafen Caprivi haben sich gestern zahlreiche hochgestellte Persönlich­keiten, Minister rc. verabschiedet.

Berlin, 29. Okt. Wie dasBerl. Tage­blatt" hört, sei für den Posten des Statthalters der' Reichslande soweit in erster Linie eine fürstliche Per­sönlichkeit in Frage kommt, augenscheinlich Prinz- Friedrich von Hohenzollern, kommandierender General des dritten Armeekorps, dazu auSersehen. (S. nächst.).

Berlin, 29. Okt. Der Reichsanzeiger schreibt, derVorwärts" fahre fort, unter den Arbeitern der Kgl. Munitionsfabrik in Spandau Unzufriedenheit zu erregen und bringe wiederum Verunglimpfungen- der Bestrebungen der Direktion des Feuerwerks- LaboratoriumS, die Arbeiter zum Sparen anzuregen, 880 Arbeiter hätten in 4 Monaten 13000 ^ zurück­gelegt. Daraus gehe hervor, daß die Löhne in den Kgl. Fabriken auskömmlich und alle Hetzereien der Sozialdemokraten bei diesen Arbeitern vergeblich seien.-

Ber lin, 30. Okt. DieNordd. Allg. Ztg." erfährt, gegen das nunmehr im Wortlaut vorliegende Erkenntnis der Disziplinarkammer in Sachen Leist sei im Auftrag der Vorgesetzten Behörde Berufung, an den Disziplinarhof eingelegt worden.

Berlin, 31. Okt. Nach derPost" tritt in der Angelegenheit der in Untersuchungshaft befinv- lichen Oberfeuerwerkerschülerin 814 Tagen das Kriegsgericht zusammen. Die Erledigung des Vorfalls, dem keineswegs politische Bedeutung zu-

WaS stets des Nachmittags geschehen wird." fügte Dorothea hinzu,d,e Morgenstunden hat sich die gnädige Frau reservirt."

Angelika war in ihrer Resignation, alle ihre Erwartungen hier so getäuscht zu sehen, so lieblich und so fügsam, daß es für Dorothea der ganzen Gewalt be­durfte. welche das Andenken an Jordan und dessen Pläne über sie hatte, um nicht durch den Zauber erweicht zu werden, der in jeder Miene und jeder Bewegung des jungen Mädchen? lag.

Der Thee und die ihr Vorgesetzten Speisen wurden von Angelika kaum berührt. Sie stand bald auf und bat, sich in ihr Zimmer zurückziehen zu dürfen. So finster dasselbe auch war, schien es ihr doch ein Paradies zu sein im Vergleich zu dem Aufenthalt am Theetisch, der ihr durch Jordans Gegenwart unheimlich wurde.

Sobald sie hinausgegangen war, machte Dorothea Jordan Vorwürfe, daß er gegen das arme Kind zu hart gewesen war.

Glauben Sie?"

Wenn Sie wüßten, was bereits geschehen ist, würden Sie anders sprechen, ich vergesse keinen Augenblick, was durch die schwarze Kreatur für uns auf dem Spule steht."

Was meinen Sie?"

Der Marder schleicht bereits um den Taubenschlag," antwortete er grinsend, aber wir wollen ihm schon so scharfe Fuchseisen legen, daß er draußen bleiben soll."

Ängstigen Sie mich nicht durch rätselhafte Worte," bat Dorothea und legte ihre Hand auf seinen Arm, um ihn auf seinem Platz sestzuhalten, von dem er sich erheben wollte.

Er stieß ihre Hand ziemlich unsanft zurück und stand nun wirklich auf.

Lassen sie mich." faxte er dabei.S.e sollen zugleich erfahren, weshalb ich eigentlich zu Ihnen gekommen bin."

Dorothra blickte ihn neugierig an.

Er ging nach der Thür, trat hinaus und kam sogleich wieder in das Zimmer

zurück.

Deswegen kam ich."

Bei diesen Worten hielt er ihr ein prachtvolles Tellerbouquet von weißen Azaleen entgegen, m dessen Mitte ein Tuff dunkelroter Rosen eingefügt war.

Dorothea sprang mit verklärtem Gesicht auf und wollte das schöne Bouquet nehmen.

O, mein Freund, wie galant und liebenswürdig sind Sie."

Er lächelte höhnisch und zog den Blumenstrauß zurück.

Ich behalte mir vor, teure Freundin, sobald die Verhältnisse es gestatten. Sie mit Myrtenblüten zu schmücken, aber diese Blumen sind nicht für Sie."

Nicht?!' kam es enttäuscht und sehr gedehnt über ihre Lippen,für wen haben Sie diese Blumen denn besorgt?"

Er zuckte die Achseln.Ich/ belehrte er sie.habe diese Blumen nicht be­sorgt, sondern sie vorher an der Hausthür nur in Empfang genommen. Ein Gärtner­bursche zog die Hausglocke, und ich habe, wie Sie wissen, die Gewohnheit zu öffnen. Da erhielt ich das Bouquet nebst diesem beifolgenden Zettel."

Er hielt ihr ein kleines Papier hin, das er aus seiner Westentasche zog. Dorothea las:

Willkommen in unserer Stadt!

Der Reisegefährte."

Dann kehrte Jordan das Papier um. Sie las auf der anderen Seite: Der Baroneß Angelika von Bartenstein."

Dorothea stieß einen Ruf zorniger Überraschung aus und streckte drohend die Hand nach der Thür, durch welche Angelika vorher hinausgegangen war.

Als ich Sie mit dem Mädchen sprechen hörte," fuhr er fort,hatte ich das Bouquet vorläufig draußen verborgen, da sie natürlich niemals erfahren darf, daß dieser galante Ritter wettere Annäherungen an sie zu suchen wagte." (Frts. fgt.)