127
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 69. Iahrgav-.
Erscheint Di-»«!»», D»»ner«t»> »»d D«»>rt»z. vi- Einrü>t»»,i,-dühr »e,ri,t i» »e,irk »»» nichster Um. »i, Zeile, s.»» IS
Dienstag» den 3V. Oktober 1894
LbonnementSpreir vterteljLhrltch in der Stadt SV Pfg. «ch Sv Pfg. TrLgerlohn. durch die Post bezogen SU. 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. »L.
Amtliche ISekauntmachunge«.
Die Ortsvarstrher
-werden hiemit beauftragt, bis 5. Nov. d. I. zu berichten, ob und wieviel Formulare von den in Z 102 Z. 3 der Wehrordnung bezeichnet«» Landsturmrollen (Titel- und Einlagebogen) in der Ortsregistratur vorhanden sind.
Calw, 27. Okt. 1894.
K. Oberamt. Voelter.
Bekanntmachung.
Die wegen Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche in Martinsmoos am 15. ds. Mts. verfügten Sperrmaßregeln über die Markungen Martins- moos, Oberhaugstett, Breitenbeg, Neuweiler und Zwerenberg (Wochenblatt Nro. 122) werden hiemit aufgehoben, was in den betr. Gemeinden bekannt zu machen ist.
Calw, 29. Oktober 1894.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung.
Die über die Gemeinde Unterreichenbach am 12. ds. Mts. verfügten Sperrmaßregeln wegen Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche in Kapfenhardt (Wochenblatt Nr. 120) werden hiemit aufgehoben.
Calw, 29. Oktober 1894.
K. Oberamt.
Voelter.
Tagesneuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Am 26. Oktober hat die Evangelische Oberschulbehörde die Schulstelle in Hornberg, Bez. Calw, dem Schulamtsverweser Schüle in Hoheneck, Bez. Ludwigs- burg-Zuffenhausen übertragen.
Oberkollwangen. Am Samstag den 27. ds. Mts. schoß Jagdpächter Jakob Lörcher einen kapitalen Hirsch. Derselbe war ein ungerader Acht- Ender, und wog, wie er gefallen, 280 Pfund.
Alten steig, 25. Okt. Ein Treibjagen in den Staatswaldungen bei Spielberg durch Schützen aus Stuttgart ergab ein günstiges Resultat, indem 11 Rehböcke, 9 Hasen und 1 Fuchs zur Strecke kamen.
Stuttgart, 25. Okt. Fortsetzung der Verhandlung der Angeklagesache gegen W. Eich ho ff und A. Agster wegen Beleidigung des Oberlandes- gerichtSrats v. Bücher. Nachdem gestern die Bucher- 'schen Untersuchungsprotokolle gegen Eckstein verlesen worden sind, wurden heute diejenigen gegen Schaber verlesen. Aus diesem sind folgende Aufzeichnungen hervorzuheben, welche Schaber im Untersuchungsgefängnis mit einem Nagel in das in seiner Zelle aufliegende neue Testament einkratzte und die einen sehr günstigen Eindruck hervorgerufen haben. „Liebe Eltern! Eckstein hat ihm das Hirn eingeschlagen, das hat niemand gesehen. Nachher ist er hinaus und hat ihn hineingetragen und gestochen, damit man meinen soll, ich habe ihn gestochen. Er hat nun angegeben, wie er draußen gezeigt hat, man hat ihm nun alles geglaubt und mir gar nichts. Ich wurde scheußlich behandelt, weil ich nichts davon weiß, so habe ich nichts gestehen können. Ich wäre nun an die Wand hingeschlossen worden, dann Hab' ich gesagt, das ist
wahr, was Eckstein gesagt hat, ob ich gleich kein Wort davon weiß. Ich werde jetzt besser behandelt. Vor dem Schwurgericht widerrufe ich mein Geständnis. Machet die Zeugen darauf aufmerksam, sie sollen nicht bezeugen, was er (Eckstein) sagt, sondern was sie gesehen haben. Endlich habe ich gedacht, jetzt schon so lange hier und sich immer noch peinigen lassen, ich bin lebenssatt. Fest entschlossen kniete ich nieder und Hab' mein letztes Gebet verrichtet; dann habe ich mir in Gottes Namen den Strick um den Hals gemacht. Wie ich so beschäftigt bin, klapperts an der Thür und ich werde ins Verhör abgeführt. Da ist aber wieder die alte Forderung! Ich bestand immer noch auf der Wahrheit. Der Amtsdiener meldete es Bücher, ich habe mich hängen wollen. Ich wurde verhört und sagte, ja es sei wahr. Dann hat der Aktuar Bücher gesagt, er lasse mich an die Wand schließen, ich solle gestehen, da kriege ich es besser. Dann habe ich gesagt, wenn ich gestehen soll, kann ich nicht aHars sagen, als daß das wahr ist, was der Eckstein sagt. Jetzt habe ich das Nämliche gesagt. Ich hoffe, Gott werde mich schon in Gnaden annehmen. Wenn ich wüßte, daß ich gerichtet würde, so würde ich meine Zeit erwarten, aber ins Zuchthaus mag ich nicht unschuldig. Lebet wohl. Den 26. August 1859. — Ich bin schon 2 Monate hier und habe immer die Wahrheit gesagt, ich wurde aber scheußlich behandelt, weil man diesem alles glaubt und mir gar nichts. Trotz diesem war ich immer freudig, weil sie mir aber keine Ruhe ließen und ich imlger schlechter behandelt wurde, so ist mir endlich das Leben entleibet worden. Dann habe ich gesagt, es ist alles wahr, ob ich gleich kein Wort davon weiß. Vorher hatte ich immer guten Mut, aber jetzt, da ich die That auf I mich genommen habe und in Wahrheit so unschuldig
Dcrs Lote Kccus.
Roman von Carl Görlitz.
(Fortsetzung.)
Heftig schritt sie im Zimmer auf und ab. Die unangenehme Begebenheit, welche die jahrelange Einförmigkeit ihres Daseins so ganz unerwartet unterbrochen hatte, alterirte sie bei Dorothea'« Mitteilung immer mehr.
Endlich stand sie vor ihrer Kammerfrau wieder still. „Wie sieht denn diese* — Frau Dreßler konnte sich nicht überwinden, AngelikaS Namen auSzusprechen — „diese junge Person aus?*
„Ich glaube,* sagte Dorothea hämisch, „daß sie ganz das Porträt ihrer Mutter ist, sie sieht sehr gewöhnlich aus und hat nicht einen Zug von ihrem Vater, ber, wie ich mich erinnere, groß und blond war, Baronrß Angelika aber-'
„Wie nennst Du sie?* fuhr Frau Dreßler auf, drückte aber sogleich di« Hand auf'S Herz, als ob sie dessen heftigen Schlag unterdrücken wollte, und setzte dann leiser, fast unverständlich hinzu: „Ja, ja, sie ist trotz alledem eine Baroneß von Bartenstein!*
„Baroneß Angelika,* wiederholte Dorothea mit geheimem Triumph, da sie bemerkte, welch' ein Widerwille ihre Herrin gegen die Trägerin ihres früheren eigenen stolzen Namens erfüllte, „Baroneß Angelika ist sehr klein und so schwarz von Haaren und Hautfarbe, daß sie wie ei» wahres Mohrrnkind aussieht. Auch hat sie-"
„Nun weiß ich genug von diesem Mädchen,* unterbrach Frau Dreßler mit abwehrender Hand den Bericht ihrer Kammerfrau, ich mußte allerdings von Allem unterrichtet sein, aber eS war das erste und letzte Mal, daß wir von — von dieser jungen Person sprachen. Erwähne sie nicht mehr gegen mich, ich will nicht» mehr
von ihr hören. Da das Unglück nun einmal gewollt, daß sie die Schwelle meines Hauses betreten hat, so muß sie in demselben vorläufig anständig behandelt und verpflegt werden. Es darf ihr an nichts fehlen, aber,* fuhr sie mit steigender Heftigkeit fort, „ich mache e» Dir zur Pflicht, dafür zu sorgen, daß sie mir nicht vor Augen kommt. Sie darf nie in den Vormittagsstunden im Park spazieren gehen, da ich ihr nicht begegnen will. Ihr Anblick würde mir unbeschreiblich wehe thun; Du glaubst nicht, Dorothea, wie qualvoll das Andenken an alle diese Leute für mich ist, es macht mich noch unglücklicher, als ich schon bin, denn es ruft mir in meiner Erinnerung jenen Tag zurück, an welchem ich Vaul zum letzten Male sah und an dem, wenige Stunden nachher, das schreckliche Unglück geschah.*
Der Ton, mit dem sie diese letzten Worte sprach, war voll Wehmut, und ihr Gesicht mit dem Taschentuch verhüllend, vergoß sie Thräncn.
VIll.
Angelcka hatte inzwischen ihren Koffer auSgepackt und sich in dem ihr angewiesenen Zimmer, so gut e« ging, eingerichtet.
Dies Zimmer war. wenn auch gediegen möblirt, doch finster und unfreundlich wie alle Räume im „toten Hause*. Trotzdem seine beiden Fenster nach dem Gartm hinaus lagen, hatte man aus denselben doch keine freie Aussicht, da eine uralte Linde mit mächtigem Geäst hier so nahe am Hause stand, daß ihre dichtbelaubten Zweige die Fenster vollständig beschatteten. Außerdem sprang seitwärts die Mauerwand de» Speicher» noch mehrere Fuß vor, wodurch Angelika'» Zimmer, das letzt« im ganzen Hause, wie in einer Nische lag, in welche Lust und Licht nur wenig Eingang finden konnten. Angelika saß hier wirklich wie in einem Gefängnis.
Zu Mittag hatte sie mit der alten Kammerjungfer gespeist und dabei war ihr angekündigt worden, daß sie überhaupt alle Mahlzeiten mit derselben zusammen einnehmen werde.
Sir brachte den Rest dm ersten Tage» ihres Aufenthalts im „toten Hause* in völliger Einsanckrit und rechter Betrübnis hin. Durch die kalte Strenge der