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und Altersversicherung beigezogen werden, und 3) ob sie irgend einer Krankenversicherung angehören.

Bis 23. Okt. haben diese Berichte unfehlbar hier einzukommen, eventuell ist Fehlanzeige zu er­statten.

Calw, den 17. Oktober 1894.

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesneuigkeilen.

* Calw. Am letzten Sonntag nachmittag hielt der Nagold-Turngau den jährlich statt­findenden Gau tag ab, wobei sämtliche 10 zu dem Gau gehörenden Vereine Altensteig, Birken­feld, Calmbach, Calw, Hirsau, Nagold, Neuenbürg, Waldrennach, Wildbad und Wildberg durch 25 Abgeordnete vertreten waren. Der Gau besteht laut dem auf 1. Januar d. I. er­statteten Bericht aus den oben genannten 10 Vereinen und hat einschließlich 142 Zöglingen 734 Mitglieder, wovon 487 an den Turnübungen teilnehmen. Die vormittags in der Turnhalle unter der Leitung des Gauturnwarts Pfrommer abgehaltene Vorturner­schule war von 20 Vorturnern besucht. Vorturner­stunden fanden im letzten Jahr zwei in Calw und je eine in Birkenfeld und Nagold statt. Die im August v. I. in Altensteig beratenen und angenommenen Gaugesetze wurden in der vorgelegten Fassung ange­nommen und deren Druck beschlossen. Das für das Jahr 1895 beschlossene Gauturnfest in Calmbach fällt wegen Ablehnung des dortigen noch zu jungen Vereins aus, dagegen soll am Himmelfahrtsfest eine Gauturn­fahrt ausgeführt werden. Das nächste im Jahr 1896 stattfindende Gauturnfest hat der hiesige Turnverein übernommen, womit dann die Feier des 50jährigen Bestehens des Vereins verbunden werden soll.

(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Se. König!. Mafestät haben am 15. Okt. d. I. allergnädigst geruht die erledigte Amtmannsstelle bei dem Oberamt Calw dem stellvertretenden Amtmann Gottert in Heilbronn zu übertragen.

Laut Bekanntmachung des Ev. Konsistoriums hat sich durch Fleiß und Leistung in der Winter­abendschule ausgezeichnet und ist mit einer Prämie be­dacht worden: Schullehrer Müller in Althengstett, Bez. Calw.

Nagold, 13. Okt. Unser Kirchturm, der ein Jahr lang als Ruine über die Stadt hingeschaut hatte, wurde gestern seiner Bestimmung zurückgegeben. Aus diesem Anlaß fand nachmittags auf dem alten Kirchplatz ein Gottesdienst statt, dem ein großer Teil der Einwohnerschaft anwohnte. Abends versammelte sich die Bürgerschaft im Gasthof zum Hirsch, wo die Freude über das neu aufgerichteteWahrzeichen der Stadt" in Rede und Gesang zum Ausdruck kam. Der Turm trägt die Jahreszahl 1401.

Freuden st adt, 15. Okt. Heute früh zeigte sich unsere Stadt im Winterkleid: die Dächer waren

mit Schnee bedeckt, doch gingen die fallenden Schnee­flocken bei 2" R. Vorm, in Regen über. Auf der östlichen Hochfläche unseres Schwarzwalds sind viel­fach die Feldfrüchte, wie Erbsen, Ackerbohnen, teil­weise auch Haber und Oehmd, noch nicht abgeerntet, so daß eine gelinde, trockene Witterung noch sehr er­wünscht wäre.

Am 15. Okt. Nachm, ist von dem Güter- zug 1132 Rottweil-Horb ein mit Obst beladener Wagen der schweizerischen Nordostbahn in Folge Radreifbruchs auf der Strecke Thalhause n- Epfendorf entgleist. Der Wagen und das Bahngleis wurden stark beschädigt. Personen wurden nicht verletzt. Bei dem Schnellzuge 277 Stuttgart- Zürich und den Personenzügen 280, 281 und 282 mußte an der Unfallstelle umgestiegen werden. Abends 9'/, Uhr war das Gleis wieder fahrbar.

Eßlingen, 15. Oktbr. Die trockene, meist heitere Witterung der letzten Woche erleichterte das Ausgraben und Einbringen der Kartoffeln. Die bis jetzt beliebten Sorten unserer Gegend, die Hol­länder und Eberspächer, schlugen Heuer fehl, die elfteren lieferten wenig und kleine Knollen, die letz­teren waren zwar großknollig, aber ein Drittel der­selben erwies sich als krank. Einen reichen Ertrag ergaben die Richters und die Schlesier, besonders die letzteren, von denen schöne, mehlreiche und schmackhafte Knollen eingekellert wurden. Auch die Angersen sind teilweise eingeführt; der Stoppelklee steht recht schön, von der Luzerne kann der 4. Schnitt genommen wer­den, und die Wiesen, auf denen zeitig geöhmdet wurde, liefern ein schönes drittes Gras, so daß es an Vieh- futter nicht gebricht, ohne den Heustock anzugreifen.

Göppingen, 15. Oktbr. Auf der Straße zwischen Groß-Eislingen und Salach wurde in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag der 50jähr. Jos. Keller von Donzdorf von einem unbekannten Manne rücklings angefallen, zu Boden geworfen, gewürgt und ihm seine Baarschaft, gegen 10 ab­genommen. Auf die Anzeige des Beraubten wurde nach dem Thäter geforscht. Dem beauftragten Land­jäger gelang es auch bald, denselben zu ermitteln. Der Thäter war dabei gewesen, als Keller im Gast­haus z. Löwen daselbst zur Bezahlung seiner kleinen Zeche ein Zehnmarkstück hergab und darauf heraus­bekam. Der größte Teil des Geldes wurde bei dem Thäter noch gefunden; derselbe wurde an das hiesige Amtsgericht eingeliefert. Er soll der That geständig sein.

Mannheim, 15. Okt. Heute Mittag fand unter Teilnahme des Großherzogspaar, des Erb­großherzogspaar und des schwedischen Kronprinzen eine Rheinfahrt statt, welche ein großartiges Schau­spiel bot. Die Ufer waren von einer großen Menschen­menge besetzt, die den Herrschaften entgegen jubelte. Nachträglich wurde ein Festdiner im Schlosse ab­gehalten.

Darm st adt, 15. Okt. Nach der Rückkehr vom Mausoleum frühstückte der Kaiser im neuen

Palais mit der Großherzoglichen Familie. Um 5 Uhr fand im Residenzschlosse Galatafel statt, wobei der Großherzog auf den Kaiser einen Toast ausbrachte, den der Kaiser sofort mit einem Hoch auf den Groß­herzog und das Heffenland erwiderte.. Abends fand Festvorstellung im Hoftheatsr statt, woMadame Sans Gene" gegeben wurde. Der Oberbürgermeister brachte ein Hoch auf den Kaiser aus.

Dortmund, 15. Okt. Durch eine Explosion- auf der ZecheMonopol" wurden fünf Bergleute- schwer verletzt.

Halle a. d. S., 15. Oktbr. Der Frauen-- mörder Wetzest ein ist heute vom hiesigen Schwur­gericht zweimal zum Tode und zu 15 Jahren Zucht­haus verurteilt worden.

Berlin, 15. Okt. Wie verlautet sollen die Verhandlungen des Staatsministeriums in der Sonn­abendsitzung sehr kritisch gewesen sein. Während der Beratung kämpften zwei Strömungen, die eine er­klärte sich für schärfere, die andere für mildere Fassung, der Vorlage zur Bekämpfung der Umsturzbestrebungen.- Caprivi vertrat die mildere Form. Eine grundsätz­liche Einigung ist noch nicht erzielt worden.

Berlin, 15. Oktbr. Bankdirektor August Sternberg ist gegen Stellung einer Eaution vom 320000 ^ aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Sternberg kehrte unlängst aus dem Aus­lande zurück und stellte sich der Staatsanwaltschaft. Gegen ihn schweben zwei Anklagen.

Berlin, 15. Okt. Major Leutwein tele­graphiert aus dem Lager Witbois den 14. Septem­ber, daß Hendrick Witboi sich, nachdem er wieder­holt geschlagen worden, der deutschen Schutzherrschaft- bedingungslos unterworfen habe.

Berlin, 16. Okt. Das Berl. Tageblatt er­fährt, daß bis jetzt insgesamt 8 von den verhafteten Unteroffizieren in Magdeburg auf freien Fuß gesetzt­worden sind und zwar solche, welche bei der Maffen- verhaftung in der Anstalt nicht anwesend waren.- Außer den in Magdeburg internierten Unteroffizieren befinden sich acht im hiesigen Militärgefängnis, da­runter die meist belasteten Brand und Lange. Brand bestreitet, den RufHoch lebe die Anarchie!" aus­gestoßen zu haben.

Berlin, 16. Okt. Nach einer Meldung des Lokalanz." aus Budapest wurden dort mehrere Jnfanterieoffiziere, weil sie ihre Stellung gegenüber den Rekruten mißbrauchten und sie brandschatzten,, teils versetzt, teils degradiert, teils verhaftet.

Berlin, 16. Oktbr. Das Preisgericht der Antwerpener Weltausstellung hat dem Ver­bände der deutschen Berufsgenoffenschaften, welche die Wirksamkeit der Arbeiterversicherung zur Darstellung, gebracht hatten, dengroßen Preis" zuerkannt.

Berlin, 17. Okt. Wie der Lokalanzeiger aus Varzin erfährt, werden die Pommern aus der ganzen Provinz noch diesen Herbst dem Fürsten Bis­marck ein Ovation bereiten.

aber Du kannst lieber draußen warten, denn Du darfst seine Ankunft um keinen Preis versäumen."

Diese im kräftigen, befehlenden Tone gesprochenen Worte überraschten Doro­thea derart, daß sie wie versteinert stehen blieb und ihre Herrin, die ihr ganz ver­ändert vorkam, stumm anstarrte.

Dir Stube, die neben Deinem Zimmer liegt und die zum Plätten gebraucht wird, ist doch noch möblirt?" fragte Frau Dreßler weiter.

Ja wohl," antwortete Dorothea, deren Erstaunen von Minute zu Minute größer wurde.

Du wirst ein junges Mädchen vom Bahnhofe abholen," fuhr Frau Dreßler fort,das in der an Dein Zimmer grenzendm Plättstube wohnen soll."

Ein junges Mädchen?' stotterte Dorothea, die den Boden unter ihren Füßen weichen fühlte.

Ja, Baroneß Angelika von Battenstein, die Tochter meines älteren Neffen

Paul."

Dorothea konnte einen leisen Schrei nicht unterdrücken. Sie wankte und wäre beinahe in den Lehnsessel ihrer Gebieterin gesunken, mit welcher sie vollständig die Rolle getauscht zu haben schien, denn während Frau Dreßler kräftig und befehlend vor chr stand, wurde ihr so schwach, daß sie mit einer Anwandlung von Ohnmacht zu kämpfen hatte.

Ich übertrage Dir die Aussicht und die Sorge für die junge Dame; Du hast es aber so einzurichten, daß sie mir nie vor Augen kommt, denn um keinen Preis in der Wett möchte ich jemals mit der Tochter einer Schauspielerin in per­sönliche Berührung treten."

Frau Dreßler sprach diese letzten Worte mit einem solchen Ausdruck von Ver­achtung, daß der unangenehme Eindruck, den die unerhörte Neuigkeit auf Dorothea machte, ein wenig dadurch gemildert wurde und sie es wagte, eine Frage an ihre Gebieterin zu richten, die gewissermaßen auch einen guten Rath enthielt.

Sind denn die gnädige Frau durchaus verpflichtet, das Fräulein zu sich in'L» Haus zu nehmen?" fragte sie mit einer Miene, die es deutlich verriet, wie wenig der erhaltene Auftrag ihren Wünschen entsprach.

Was soll ich denn dieser Überrumpelung gegenüber machen?" entgegnete Frau Dreßler sehr verdrießlich.Sie hat keine Ettern mehr, ist ganz verlassen und trägt doch nun einmal den Namen meiner Familie, und ihre nahe Verwandtschaft mit mir ist ja nicht wegzuleugnen! Auch ist sie bereits nach hier unterwegs und müssen wir für den Augenblick gute Miene zum bösen Spiel machen. Später wird sich schon Gelegenheit finden, sie irgendwo paffend unterzubringen. Vor Allem sorge, daß diese unangenehme Sache ohne jedes Aufsehen geordnet wird. Du wirst sie gleich erk nnen, denn ein sechzehnjähriges Mädchen, das allein auf der Eisenbahn ankommt, ist ja etwas so Auffallendes, daß Du nicht irren kannst. Also beeile Dich, daß Du nach dem Bahnhofe kommst, und verschone mich mit allen weiteren Fragen- und späteren Mitteilungen; ich gebe Dir in Bezug auf Angelika von Bartenstein unumschränkte Vollmacht, damit ich nur nichts mehr von ihr zu hören brauche. Unser Haus ist zum Glück groß genug, daß wenn auch ein halbes Dutzend mir mißliebiger Personen darin Ausnahme finden sollte ich in meinen Gewohnheiten nicht genirt zu werden brauche."

Dorothea wollte noch etwas sagen, aber ein kurzes Adieu ihrer Herrin schnitt ihr jede weitere Rede ab. Ihr blieb nichts übrig, als das Zimmer zu verlassen. Zunächst durchlief sie das ganze Haus, um Jordan zu finden und ihn von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen. Aber Jordan war noch immer nicht vom Justiz­rat Löbell zurückgekehtt, und so blieb Dorothea nichts übrig, als Hut und Tuch zu holen und nach dem Bahnhofe hinaus zu fahren, ohne von ihrem Berater und Freunde Jordan Anweisung erhalten zu haben, wie sie sich bei einer so wichtigen Gelegenheit betragen solle.

(Fortsetzung folgt.)