^ 122.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
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Donnerstag, den 18. Oktober 1894.
LbonuemmtSpret» vierteljährlich tu der Stadt SO Pf,. u«H So Psg. Drägerlohn, durch di« Post b-zogeu Mk. I. Id, sonst t» »»», Württemberg Rr. I. »b.
Amtliche AeLarmLmachttuge«.
Bekanntmachung.
Nachdem in Martinsmoos die Maulund Klauenseuche ausgebrochen ist, werden nachstehende Maßnahmen zunächst auf die Zeitdauer Von L4 Tagen angeordnet.
Es ist verboten:
1) Das Treiben von Rindvieh, Schweinen und Schafen außerhalb der Feldmarkgrenzen in den Gemeinden Martinsmoos, Oberhaug- stett, Breitenberg, Neuweiler und Zwerenberg. Gestattet ist jedoch die Benützung von Vieh zur Feldarbeit auf angrenzenden Markungen.
2) Die Weggabe von Magermilch aus Sammelmolkereien in den genannten Gemeinden mit der Einschränkung, daß nur solche Milch weggegeben werden darf, welche zuvor auf mindestens 100° Celsius erhitzt worden ist.
Die Schultheißenämter haben vorstehende Maßregeln in den betr. Gemeinden in ortsüblicher Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringen und dabei darauf hinzuweisen, daß die Unterlassung oder Verspätung der Anzeige von Seuchenausbrüchen und die Zuwiderhandlung gegen die ergangenen Anordnungen nicht nur Bestrafung, sondern auch den Verlust der Entschädigung für an Maul- und Kauenseuche gefallenes Rindvieh nach sich zieht.
Calw, den 15. Oktober 1894.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung.
Zur Durchführung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung der Hausgewerbetreiben
den der Textilindustrie ist vom K. Ministerium des Innern in Gemäßheit der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 1. März 1894 (ReichSgesetz-Blatt S. 324) veröffentlichten Vorschriften und unter Bezugnahme auf Z 2 der Ministerial- Verfügung vom 11. Juni 1894 (Reg.-Bl. S. 149 ff.) und Z 112 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes vom 22. Juni 1889, für den Bezirk des Oberamts Calw Nachstehendes angeordnet worden.
1) Die Beiträge für die Jnvaliditäts- und
Altersversicherung der nach Ziffer 1 der Bekanntmachung des Reichskanzlers versicherungspflichtigen Hausgewerbetreibenden der Textilindustrie sind, soweit diese Personen regelmäßig nur für einen einzigen Fabrikanten arbeiten, von der Orts« (Bezirks-) Krankenkaffe, Gemeinde-Krankenversicherung oder Krankenpflegeversicherung, welcher sie angehören, und sofern sie keiner solchen Krankenkaffe angchören, von den Ortsbehörden für die Arbeiter Versicherung gemäß ZK 3 und 4 der Ministerialverfügung vom 11. Juni 1894 und gegen die ebendaselbst in Z 5 bezeichnet« Vergütung einzuziehen. *
2) Die versicherungspflichtigen Hausgewerbetreibenden haben den Beginn und die Beendigung der die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung und zwar auch im Fall einer die Beitragspflicht zeitweise unterbrechenden Einstellung der Beschäftigung spätestens binnen einer Woche bei der Krankenkaffe, beziehungsweise der Ortsbehörde für die Arbeiter- Versicherung, welche die Beiträge einzuziehen hat, zu melden.
Wenn die Fabrikanten, für welche die Hausgewerbetreibenden arbeiten, entweder freiwillig oder, auf Grund oberamtlicher Auflage (Ziff. 9 der Bekanntmachung des Reichskanzlers und Z 3 der Ministerialverfügung vom 11. Juni 1894) die Beiträgt
für die Hausgewerbetreibenden entrichten, so liegt die An- und Abmeldung der Beschäftigung derselben den Fabrikanten ob. Die An- und Abmeldung der zeitweisen vorübergehenden Beschäftigung für eigene Rechnung haben die Hausgewerbetreibenden übrigens auch in diesem Fall selbst zu besorgen.
Das Unterlassen dieser Meldungen kann mit Geldstrafen bis zu 100 ^ bestraft werden. Die Erlassung der polizeilichen Strafverfügung kommt zu» nächst dem Ortsvorsteher zu. (Art. 2 des Gesetzes vom 13. Mai 1890, Reg.-Bl. S. 86.)
3) Soweit nicht nach der in Ziffer 1 getroffenen Anordnung die Beiträge für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung der versicherungspflichtigen Hausgewerbetreibenden von den Krankenkaffen oder Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung eingezogen werden, sind diese Beiträge durch Einklebung der denselben entsprechenden Marken in die Quittungskarten von den Hausgewerbetreibenden selbst oder, wenn die sie beschäftigenden Fabrikanten freiwillig oder auf Grund oberamtlicher Anordnung die Verpflichtungen der Arbeitgeber übernommen haben, von diesen zu entrichten. (ZZ 7 und 9 der Ministerialverfügung vom 11. Juni 1894.)
4) Hinsichtlich des Einzugs der Beiträge für die Versicherung des von den Hausgewerbetreibenden beschäftigten versicherungspflichtigen Hilfspersonals gelten die allgemeinen Vorschriften der ZZ 44 ff. der Vollzugsverfügung vom 24. Oktober 1890 (Reg.-Bl. S. 261 ff.1
Die Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung werden nun beauftragt zu erheben, 1) ob und wie viel in ihren Gemeinden derartige versicherungspflichtige Hausgewerbetreibende der Textilindustrie vorhanden sind, 2) ob dieselben etwa bereits zur Jnvaliditäts«
^ N. jN-chdruck »erboten-I
Dcrs Lote Kcrus.
Roman von Carl Görlitz.
(Fortsetzung.)
.Unerhört!' — rief sie aus, zerknitterte den Brief in ihrer Hand und schritt dann mehrere Male hastig in ihrem Zimmer auf und nieder, als ob sie etwas Wichtiges überlegte und mit einem Entschlüsse nicht in's Reine kommen könnte. Plötzlich trat sie an das Fenster zurück, glättete den in der ersten Aufregung zerknitterten Brief und las denselben noch einmal durch; derselbe lautete:
.Gnädigste Frau!
Ich bin Vorsteherin eines großen Damen-Penfionats in der Residenz und sehe mich veranlaßt, Ihnen wegen einer meiner jungen Pflegbefohlenen zu schreiben. Ihr Neffe, Herr Baron Paul von Bartenstein, der nach dem Tode seiner Frau «or sechs Monaten nach Amerika gegangen ist, um sich dort, wie er mir sagte, eme neue Existenz zu gründen, hat mir vor seiner Abreise seine sechzehnjährige Tochter Angelika anvertraut. Er hat für dieselbe die Pension für das erste Vierteljahr bezahlt und zugleich versprochen, mir ferner das Geld für den Unterhalt des Fräuleins Angelika zu senden. Er hat aber nichts wieder von sich hören lassen, und da auch Angelika ohne jede Nachricht von ihrem Vater geblieben ist, so fürchten wir, daß dem Herrn Baron ein Unglück zugestoßen, daß er vielleicht gar nicht mehr am Leben ist. Ich habe das junge Mädchen aus Barmherzigkeit schon ein volle« Vierteljahr in meiner Pensionsanstalt behalten, sehe mich aber außer Stande, noch länger etwas für die junge Dame zu thun. Sie wollte eine dienende Stellung annehmen, um Niemandem lästig zu fallen; da ich aber jetzt erst gesprächsweise von ihr erfahre, Laß sie Ihnen nahe verwandt ist, so habe ich mich entschlossen, Fräulein Angelika
morgen mit dem ersten Zuge Ihnen zu übersenden. Ich kann mir nicht denken, daß Sie Ihre junge Verwandte als Bonne oder Gesellschafterin eine dienende Stellung einnehmen lasten, zumal Sie, wie ich höre, reich sein sollen. Ich werde auch noch das Reisegeld für daS Fräulein von Bartenstein bezahlen, da sie von alle» Mitteln entblößt ist, und überlasse eS Ihnen, für die Zukunft Ihrer jungen Verwandten nun weiter zu sorgen.
Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.
Friederike Sorau, Pensions-Vorsteherin."
So sehr Frau Dreßler auch seit langer Zeit ganz in ihren Gram versenkt ihre Jahr« hingebracht hatte, so machte dieser Brief doch einen sehr lebhaften und tiefen Eindruck auf sie und riß sie mit einem Male aus jener Apathie, welche durch die Absperrung von der Welt künstlich erhallen worden war. So oft sie in dem Briefe den Ausdruck .dienende Stellung" las, bebte sie jedesmal empört zusammen. Eine .Baroneß von Bartenstein", als welche sie selbst geboren war, sollte .dienen* müssen — der Gedanke war ihr geradezu unerträglich.
Aber rbmso unerträglich war ihr auch der Gedanke, ein junges Mädchen, dir Tochter einer Schauspielerin, in ihrer Nähe dulden zu müssen.
Endlich siegt» aber der Stolz auf den Namen, den Angelika trug, über ihren Widerwillen gegen das .Komödiantenblut", und sie zog den Klingelzug, der die Glocke in Dorothea'« Zimmer in Bewegung setzte.
Dann warf sie einen Blick auf die Uhr und ging wieder unruhig im Zimmer auf und ab.
Frau Dreßler hielt bei dem Erscheinen ihrer Kammerfrau mit ihrer Zimmerpromenade inne und mustert« Dorothea'L Anzug. „Du sollst sogleich nach dem Bahnhofe hinaus fahren. Ich weiß zwar nicht, wann der Morgenzug ankommt.