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Nathan Steiner Wtw., die gestern Nachmittag stattfand, wurde ein Anverwandter der Verstorbenen, ein Herr Oppenheimer aus Frankfurt, vor dem offenen Grabe vom Schlage gerührt und sank leblos zusammen. Ein anwesender, ebenfalls verwandter Arzt konnte nur den Tod konstatieren.
Hamburg, 29. Sept. In dem Prozeß gegen den Hausmakler Peters und Genossen, welche beschuldigt waren, gegen völlig wertlose Hypotheken vertrauensvollen Leuten gute Grundstücke abgelockt zu haben, ist heute nach sechstägiger Verhandlung das Urteil gefällt worden. Peters jun. wurde zu 6 Jahren Gefängnis und 6000 Geldstrafe verurteilt, Peters sen. zu 3 Jahren Gefängnis und 4000 Hohmann und Hansen zu je 2 Jahren Gefängnis, Schmidt zu 18 Monaten, Neunheuser zu 4, Liebenow und Pagels zu je 2 Monaten Gefängnis.
Hamburg, 4. Okt. Die Polizei verbot die öffentlichen Versammlungen der Freidenker wegen Gefährdung des öffentlichen Friedens.
Berlin, 3. Okt. Am 18. Oktober soll vor dem Denkmal Friedrichs des Großen eine Fahnenweihe abgehalten werden, an der voraussichtlich sämtliche regierenden deutschen Fürsten teilnehmen werden. ES handelt sich hierbei um 132 neue Fahnen für die vierten Bataillone.
Berlin, 3. Okt. Zu der Wucheraffäre wird gemeldet, daß einem Teile der wegen Wuchers verhafteten Personen jetzt die Anklageschrift zugestellt worden ist. Die Anklage lautet auf Ausbeutung der Notlage durch Wucher, resp. durch Beihilfe dazu.
Berlin, 3. Okt. Die „Nordd. Allg. Ztg." bezeichnet die Auslassungen der „Kreuzztg." über die Vorgänge in der Oberfeuerwerkerschule als rein subjektive und spricht ihnen jede Objektivität ab.
Berlin, 3. Okt. Die „Kreuzztg." antwortet auf die Angriffe der Blätter hinsichtlich ihrer Mitteilungen über die Vorgänge in der Oberfeuerwerkerschule, indem sie ihren Bericht in allen Einzelheiten als durchaus zutreffend und sachlich bezeichnet.
Berlin, 4. Okt. Der „Reichsanzeiger" sagt zu der von verschiedenen Blättern geführten Klage über seine kurzen Mitteilungen betr. die Vorgänge in der Oberfcuerwerkerschule, daß bis zum 30. September kein klares Bild über die Entstehung, den Umfang und die Urheber der Ausschreitungen gewonnen werden konnte; aus diesem Grunde konnte er auch nichts anderes mitteilen, als was er am 1. Oktober gebracht hat. Nachdem die Untersuchung beendet sein wird, wird er Weiteres melden. Es darf erwartet werden, daß die Ermittelung der Urheber sowie des ganzen Thatbestandes baldigst erfolgt.
Berlin, 4. Okt. Von gutinformierter Seite wird gemeldet, daß der russische Thronfolger im strengsten Jncognito Berlin passieren und zum Besuche seiner Braut nach Darmstadt fahren wird.
Berlin, 4. Okt. Die „Kreuzztg." meldet aus Sofia: Die Wahl ZankowS wurde von der Regierung annulliert. Statt seiner wurde Tonischem für gewählt erklärt:
Berlin, 4. Okt. Nach der „Nordd. Allg. Ztg." haben lkmt einer telegraphischen Meldung aus Dokohama die dort seit einigen Tagen versammelten deutschen Kriegsschiffe Befehl erhalten, sich nach den nordchinesischen Häfen zu begeben.
Amsterdam, 3. Okt. Die Typographen mehrerer großer Druckereien haben den Ausstand erklärt, unter anderem mußten sechs Blätter ihr Erscheinen einstellen. Die Streikenden verlangen Lohnerhöhung. Die Eingänge zu den Druckereien sind besetzt, um fremde Typographen von denselben fernzuhalten. Die Setzer aus Haag und Rotterdam haben ebenfalls die Arbeit eingestellt und unterstützen ihre Kollegen.
Paris, 4. Okt. Die „France" meldet unter der Ueberschrift „Ein neuer Grenzzwischenfall" aus Epinal, daß die Brüder Paul und Constanz Lutz, französische Staatsangehörige, von deutschen Forstbeamten bei Ausübung einer Jagd in der Nähe von Grand'fontaine auf elsäßischem Gebiet ergriffen und ins Gefängnis von Schirmeck abgeliefert worden seien.
London, 3. Okt. Die Versuche mit dem für die französische Marine gebauten Torpedoboot aus Aluminium sollen sehr zufriedenstellend gewesen sein. Dasselbe soll bei der Probefahrt 20'/- Knoten zurücklegen.
London, 3. Okt. China soll England und Frankreich um Vermittlung angerufen haben.
London, 4. Okt. Aus Washington läuft die noch unbestätigte, sensationelle Nachricht ein, daß das russische Geschwader in den chinesischen Gewässern ein ihm folgendes britisches Kriegsschiff bedroht habe.
Petersburg,^ Okt. Die kaiserliche Familie ist in Jalta eingetroffen.
Landwirtschaft!. Kezirksoereirr.
Haushaltungsschule in Herrenberg betreffend.
Die Interessenten unseres Bezirks werden daran erinnert, daß laut Wochenblatt für die Landwirtschaft Nro. 35 der Winterkurs in dieser Anstalt mit dem 15. Okt. d. I. beginnt, und daß den Anmeldungen, die an den „Vorstand der Haushaltungsschule" in Herrenberg zu richten sind, beigeschlossen werden sollen: ein Geburtsschein, ein Impfschein und ein vom Ortsschulinspekror beglaubigtes Schulzeugnis. Die Behändigung eines Vereinsbeitrags von 25 ^ erfolgt für die Betreffenden nach Vorweis ihres Abgangszeugnisses.
Calw, den 4. Okt. 1894.
Stellv. Vorstand: Sekretär:
L. Dingler. Ansel.
Landwirtschaft!. Sezirksverem.
Einem an uns ergangenen Ersuchen entsprechend - geben wir bekannt, daß in Rottweil am 12.. Nov. d. I. eine landwirtsch. Winterschule eröffnet werden wird.
In derselben können junge Leute von mindestens 15 Jahren, welche sich der Landwirtschaft wid- - men wollen, ausgenommen werden.
Der Unterricht erstreckt sich auf folgende Gegenstände: Deutsche Sprache, Schönschreiben, Rechnen, . Geometrie und Feldmessen, Zeichnen, Physik, Trer- und Tierheilkunde, allgemeiner Acker- und Pflanzenbau einschließlich Chemie in Bezug auf Landwirtschaft und Gesteinskunde.
Anmeldungen wollen unter Anlage der Schulzeugnisse, eines Geburtsscheins und Einwilligung des Vaters, bezw. des Vormunds zum Besuch der Schule an den Vorstand der Anstalt, Landwirt- schaftsinspektor Hornberger in Rottweil schriftlich eingereicht werden, und können auch die Prospekte der Anstalt, die über alles Weitere Auskunft geben, von diesem unentgeltlich bezogen werden.
Bezirksangehörigen Besuchern dieser Anstalt ist vom Verein aus ein einmaliger Beitrag von 25 ^ zugesichert.
Die verehrlichen Schultheißenämter werden um weitere Verbreitung dieser Anzeige hiemit freundlich - ersucht.
Calw, den 4. Okt. 1894.
Stellv. Vorstand: Sekretär:
L.-Dingler. Ansel.
Standesamt Kaku».
Geborene:
29. Sept. Georg Christian, Sohn des Georg Christian - Koch, Maschinenstrickers hier.
29. „ Luise Christine, Tochter des Samuel Bauer,
Schreiners hier.
Getraute:
29. Sept. Immanuel Gotthilf Metzger, Maschinen-' stricker hier und Wilhelmine Luise Linden-' maier hier.
4. Okt. Christian Heinrich Layer, Hilfsgerichtsschreiber in Neresheim und Charlotte - Christiane Pfromm er von hier. Gestorbene:
28. Sept. Otto Friedrich Ruf, 15 Wochen alt, Sohn. > des Gottlieb Ruf, Hilfswärters hier.
1. Okt. Michael Harsch, Maschinenstricker hier,.
34 Jahre alt.
2. . August Graser, Kaufmann hier, 37 I. a.
Gottesdienste
am 20. Sonntag nach Hrinktatis, 7. Oktober. Kirchliche Feier des Geburtsfestcs Ihrer Maj. der Königin. Vom Turm: 7. Der Kirchenchor singt: Ps. 94 v. Abel. Predigtlird: 527. 9'/- Uhr Vorm.- Predigt: H. Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibelstunde im Vereins-" Haus: H. Stadtpfarrer Schmid.
.Gnädige Frau!" —
Auf seine Anrede blieb sie stehen, wandte sich zu ihm und fragte mit schwacher Stimme, wat er wünsche.
„Ich möchte mir nur erlauben," fuhr er fort, .untrrthänigst daran zu erinnern, daß morgen der Urlaub de- Herrn Baron beginnt."
„Ist schon wieder ein halbes Jahr vorbei?" sagte Frau Dreßler halblaut, als ob sie mit sich selber spräche.
Jordan bejahte die Frage der Dame und fügte hinzu, daß der Herr Baron morgen zu erwarten sei.
„Sorgen Sie für die Aufnahme meines Neffen," sprach sie matt weiter, „und daß er gut logirt wird; Sie wissen, daß ich mich nicht gern um dergleichen Äußerlichkeiten bekümmere, ich habe ja genug zu denken."
„Seine Zimmer im zweiten Stock sind schon in Ordnung gebracht," versicherte Jordan.
„Gut!"
Frau Dreßer, von Jordan begleitet, ging nach ihrem Zimmer zurück, dessen Thür er sorgsam wieder hinter sich schloß.
Leopold von Bartenstein, der bald nach jener furchtbaren Katastrophe, die seine Tante zur Wittwe gemacht hatte, Offizier geworden war und als solcher in der Residenz garnisonnte, benutzte seinen Urlaub, den er jährlich zwei Mal erhielt, stets, um seine Tante für einige Tage zu besuchen.
Am nächsten Vormittage erregte eS am Fenster eines gegenüberliegenden, neu eingerichteten Wiener Cafes großes Aussehen, daß vor dem ^oten Hause" eine Droschke hielt. Der große Thorweg öffnete sich und Jordan trat heraus. Er empfing den aus der Droschke steigenden jungen Offizier mit ebenso ehrfurchtsvoller als vergnügter Miene. Beide traten in den Hausflur und blieben dort stehen, bis ein Diener in dunkelgrauer srtworz besetzter Lvrse dem Kutscher die Fahrt vom Bahnhof biS vor das Haus bezahlt, einen Koffer empfangen hatte und dann ihnen nachgekommen war. Darauf wurde der Thorwegflügel wieder geschloffen, und das ^tote HauS" lag für jeden Beobachter in der Außenwelt in gewohnter Grabesruhe da.
Der Diener trug den Koffer in das zweite Stockwerk hinauf, wo zwei nach dem Hofe zu gelegene Zimmer für Leopold eingerichtet waren. Er selbst folgte mit dem zum Haushofmeister, Sekretär und Kassirer avancirten ehemaligen Buchhalter langsam nach.
Leopold war rin recht stattlicher Offizier geworden, die glänzende Garde-Uniform hob sein Äußeres vorteilhaft hervor. Er wäre hübsch zu nennen gewesen, wenn sein Gesicht nicht «inen matten und blasirten Ausdruck, sein Auge nicht einen unstäten Blick gehabt hätte.
Im Zimmer angelangt, warf er sich auf das Sopha und zog eine Cigayren- tasche hervor. Jordan präsentirte ihm dienstfertig ein Feuerzeug. Kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt, der noch anwesende Dimer hinderte sie an einer vertraulichen Unterhaltung. Erst als dieser den Koffer des jungen Barons auf ein Gestell gesetzt und sich wieder entfernt hatte, brach Leopold das bis jetzt beobachtete Schweigen.
„Nun, mein guter Jordan," begann er mit ironischem Lächeln, „war giebt eS denn in diesem Tempel der Freude Neues?"
„Dem Himmel sei Dank," antwortete Jordan, „daß noch Alles beim Alte« ist! Weit entfernt, sich in irgend einer Art zu zerstreuen, fällt es Ihrer Frau Tante nicht ein, das Haus zu verlassen oder gar irgend einen Besuch annehmen zu wollen;, sie führt ein einsameres und traurigeres Leben denn je."
„Das ist mir gerade recht," erwiderte Leopold, indem er den Rauch seiner Havanna behaglich durch die Lippen blies, .und ich wünschte meiner Treu nicht, daß sie noch eine andere Stimme als die Ihrige und die der Erdigen Mamsel Dore hören möchte. Vorzüglich jetzt," setzte er mit leiserer Stimme hinzu. indem er sich aus dem Sophakissen aufrichtete und Jordan näher zu sich heran winkte, „wo alle Umstände unsere Pläne auf das Vorteilhafteste zu begünstigen scheinen; . mein letzter Brief hat Ihnen mitgeteilt, daß mein Herr Bruder die Residenz »erlassen hat, wo ihm seine Gläubiger nicht mehr Ruhe und Rast ließen, die Kunst hat ihn . dem Hungertode nahe gebracht."
(Fortsetzung folgt.)