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69. Zahrga«-.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
Erich-int Di ««»las, «»»»-riliz »»d Samstag. Die EinrüekuagSgebühr beträgt i« Bezirk und nächster Umgebung » Pig. bi, Zeile, sonst Ist Bsg.
Samstag, den 6. Oktober 1894.
AbLMlnnentSPrei« vterteljLhrttch t« der Stadt S0 Pf-, mch HS Pfg. TrLgerlshn, durch die Post bezöge« VÜ. 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. 8L.
Tagesneuigkeiten.
T Langenbrand. Von den 7 jungen '. Leuten von hier, welche anläßlich der Schlägerei beim hiesigen Orte, die wie früher berichtet, zur Folge hatte, daß der 27 Jahre alte Metzger Heinrich Noth- . acker von Schömberg seinen Verletzungen erlag, verhaftet wurden, sind 4 wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Die noch Verhafteten sind die Waldarbeiter Maisen- Lacher, Fischer und Schroth.
W Feldrennach (OA. Neuenbürg). Dieser Tage wurden dahier 4 junge Burschen durch die .Landjägermannschaft nach Neuenbürg gefänglich ein» geliefert. Dieselben haben am vergangenen Sonntag vormittag den Mechanikerlehrling Kaspar aus dem benachbarten bad. Orte Ittersbach mit Stockschlägen derart behandelt, daß nach ärztlichem Befinden dessen 'Aufkommen nicht mehr zu erwarten sein soll.
Stuttgart, 4. Okt. Gestern Nachmittag wurde ein Dienstmädchen wegen mehrfachen Diebstahls und Betrugs hier festgenommen, desgleichen eine frühere Ladnerin wegen wiederholter Betrügereien.
Cannstatt, 1. Okt. In der Polizeistation auf dem Volks-Festplatz wurden gegen 20 verlaufene Kinder angemeldet, die aber alle wieder abgeholt wurden. Mehreren Besuchern wurden die Uhren von der Kette abgerissen; ein 16jähriger Bursche hat ein Portemonnaie mit Geld gestohlen, er wurde jedoch Dom Bestohlenen festgehalten. Bei seiner Visitation fanden sich noch verschiedene auf dem Festplatz gestohlene Gegenstände vor.
Eßlingen, 4. Okt. (Obstbericht.) Güterbahnhof. Zugeführt: 8 Wagen bayerisches, 6 Wagen hessisches, 5 Wagen österreichisches Obst. Preis per Ztr. 4 Mk. 20 bis 4 Mk. 40 Pf. — 1 Wagen Filderkraut von Scharnhausen nach Lonsee, Preis pro 100 St. 6 Mk.
Tübingen, 3. Okt. (Obst.) Auf dem Güterbahnhof ist ein Waggon Aepfel zum Preis von Mk. 4.60 per Zentner aufgestellt.
Tübingen, 3. Okt. Im städtischen Waaghaus sind am 1. Okt. 27 Ballen und am 2. Okt. 58 Ballen Hopfen abgewogen worden. Die Preise bewegen sich von 25—30 Mk. per Ztr.
Winnenden, 4. Okt. Beim heutigen Obstmarkte, der wiederum eine Zufuhr von gegen 900 Zentner, darunter etwa '/-> Aepfel, aufzuweisen hatte, gestalteten sich die Preise per Zentner: Aepfel 4,20 bis 4,60 «46; gemischtes Obst 8,60—4,10 «46; Birnen 3—3,60 «46; Tafelobst 6—7,50 «A; Dornbirnen 4,50 «46; Zwetschgen 5 «46; Nüsse 12 «46. Bei gestiegenen Preisen wurde alles verkauft. Fremdes Obst kostete auf dem Bahnhofe 4,50 «46 per Zentner.
Rottweil, 4. Okt. Gestern Abend machte der verwittwete Bauer Kelterer in Hausen OA. Rottweil, seinem Leben durch Erhängen ein Ende! Ein Sohn des sich in guten Vermögensverhältnissen befindenden Bauern beging dieses Frühjahr ebenfalls Selbstmord. Man nimmt an, daß der Vater aus Schwermut hierüber den Tod suchte. Er wurde an derselben Stelle aufgefunden, an welcher auch sein Sohn Hand an sich gelegt hatte.
Mengen, 4. Okt. Das Sägewerk von I. Haberbosch hier ist heute Nacht total abgebrannt.
Biber ach, 3. Okt. In Rottum schlachtete ein Metzger eine Kuh, deren Fleisch auf der Freibank verkauft werden mußte. Die Eingeweide wollte derselbe gerade seinen Schweinen füttern, als ihn eine eben hinzukommend« Frau bat, ihr dieselben zu schenken. Der Metzger überließ ihr dieselben und die Frau bereitete nun auf den folgenden Sonntag ein Essen. Doch bald nach demselben stellten sich bei allen Teilnehmern, worunter auch Gäste von auswärts waren, gefährliche Krankheitserscheinungen ein, die nach wenigen Tagen den Tod des Mannes herbeiführten. Die übrigen Personen liegen zurzeit schwer krank darnieder. Die Leich« wurde ärztlich geöffnet. Gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet.
W Pforzheim, 4. Oktbr. Der gestrig« Monatsviehmarkt, bei welchem anfangs flauer Handel obwaltete, der sich aber nach 10 Uhr lebhafter gestaltete, waren zugetrieben: 1 Farren, 27 Ochsen, 151 Kühe, 31 Kalbinnen, 125 Stück Jungvieh und 18 Kälber. Der Pferdemarkt hatte 109 Pferde aufzuweisen, von denen nur 26 Stück Absatz fanden. Als verkauft sind notiert 11 Ochsen per Paar 990—1200 «46, 50 Kühe per Stück zu 260 bis 470 «46, 11 Kalbinnen zu 240—265 «46, 40 Stück Jungvieh 130—210 «46 per Stück und 15 Kälber per Stück zu 46—56 «46. Es ist so gegen den früheren Markt wieder eine, wenn auch klein« Erhöhung zu konstatieren. Nach Zugvieh war ganz geringe Nachfrage. Für eine Kalbin wurde ein ausnahmshoher Preis von 540 «46 erzielt.
Mannheim, 3. Oktbr. Am Grabe gestorben. Während der Beerdigung der Frau
^1» (Nachdruck »rrtotm.I
Das tote Kaus.
Roman von Carl Görlitz.
(Fortsetzung.)
' Im Volksmunde hieß der Dreßler'sche Giebelbau nur noch .das tote Haus*.
Niemand hatte Kunde davon, wie eS in demselben aussah; ei hatte auch Keiner ein Interesse daran, denn seitdem eS vor einem Jahrzehnt, nach dem Be- gräbniß der beiden Dreßler seine Thüren vor der Außenwelt für immer geschlossen, war eine neue Generation herangewachsen, die mit ihren Kindermärchen auch die Unglücksgeschichte vergessen hatte, dir sich einst rm .toten Hause* zugetragen hatte, und über die nun längst GraS gewachsen war.
In dem Hause selbst vernahm man niemals einen Laut, eS schien entweder gar nicht oder nur von Geistern bewohnt zu sein, und doch war es noch immer eine Stätte, die einzelnen Lebenden zum Aufenthalt diente, freilich schlichen sie wie unheimliche Geister durch di« dunklen Räume des alten Hauses.
Draußen war ein hellerer Frühlingstag, und voller Sonnenschein traf das Giebeldach des .toten Hauses* gerade so wie vor zehn Jahren, als die finstere Schicksalsgöttin das glänzende Kaufmannshaus zu einer Stätte des Tode- geweiht hatte. Doch kein Strahl der Frühlingssonne fand Eingang in das kleine Zimmer, in welchem ein Diener den Tisch deckte. Nur ein Couvert befand sich auf demselben.
Ein ältlicher Mann, in dem wir sogleich den äußerlich nur wenig veränderten Zordan wiedrrerkennen, beobachtete den Diener bei seiner Beschäftigung. Als derselbe mit dem Aufträgen eines einzigen Gerichts fertig war, gab ihm Jordan ein stilles Zeichen mit der Hand, das Gemach zu verlassen.
Als der Diener hinausgegangen war, öffnete der ehemalig« Buchhalter, der unter dem Namen und im Amte eines Haushofmeisters der verwittwete» kinderlosen .Frau Dreßler jetzt der eigentliche Herr deS Hause- war, ein« Thür, durchschritt einen
langen Korridor und trat nun in ein Zimmer, dessen Fenstervorhänge dicht zugezogen waren, und verkündete dann mit leiser und ehrfurchtsvoller Stimme der in dem Zimmer befindlichen Frau Dreßler, daß für sie das Mlltagsessen aufgetragen sei.
Jordan verrichtete bei der reichen KausmannSwittwe fast alle Dienste, soweit diese von einem Manne ausgeführt werden konnten, nicht etwa aus Anhänglichkeit und treuer Fürsorge für seine verwittwete Gebieterin, sondern nur, um so wenig wie möglich einen Andern in ihre Nähe kommen zu lassen, der ihm möglicherweise die Herrschaft über die durch Gram und Kummer gänzlich gebrochene Frau hätte entreißen können. Nur Dorothea bediente und beeinflußte außer chm die schwach gewordene Wlltwe, und die alle Kammerjungfer war seine intimste Verbündete; das Netz, das der schlaue Mann um sie geschlungen hatte, war mit den Jahren unzerreißbar geworden.
Bei Jordan« meldenden Motten stand Frau Dreßler au» ihrem Lehnsessel auf, in dem sie mit gesenktem Kopfe und niederhängenden Armen theilnahmslos für Alles, was sie umgab, gesessen hatte. Von ihrem Irrsinn war sie zwar genesen, aber eine tiefe Melancholie hielt noch immer ihren Geist umfangen.
Sie war ganz schwarz gekleidet, ihr beinahe weiß gewordenes Haar drängte sich in einzelnen dünnen Löckchen unter der schwarzen Krrpphaube hervor, die ihrer» Schelle! bedeckte. Wenn auch das Feuer ihrer Augen erloschen schien, ihre früher so imponirende Gestalt abgemagett und gebeugt war, so zeigte ihr bleiche», abgezehrtes Gesicht doch noch Spuren früherer Schönheit, und einzelnen ihrer Bewegungen sah man noch heute die ehemalige Gewohnheit des BefehlenS an. Sie lächelte nie, sprach auch nur die allernötigsten Worte.
Langsam ging sie über dm Korridor nach dem Speisezimmer und nahm dort an dem gedeckten Tische Platz. Jordan war ihr gefolgt und hatte sich an ein Fenster zurückgezogen, wie eS stet« geschah, wenn auch Frau Dreßler bei Tische saß.
Nach ihrem ausdrücklichen Befehl wurde stets nur ein Gericht für sie servirt. So auch heute. Nachdem sie wie gewöhnlich nm wenig davon gegessen hatte, erhob sie sich wieder und wollte, ohne ein Wort zu sprechen, in ihr Zimmer zurückkehren. Jordan trat ihr in den Weg.