England und Amerika

Rene Frcnndschastserklärunge«.

TU. London, 10. Aug. Nach einer Meldung aus Toronto wurde die den Niagara zwischen Fort Eric und Buffalo über- auerende Friedensbrücke durch den Prinzen von Wa­les dem Verkehr übergeben. In Anwesenheit des englischen Premierministers Baldwin, des kanadischen Premiermini­sters Mackenzie King, des amerikanischen Vizepräsidenten General Dawes und des Staatssekretärs Kellogg durchschnitt der Prinz von Wales, der von mehreren tausend Kanadiern und Amerikanern mit Hurrarufen begrüßt wurde, das in der Mitte der Brücke als Symbol der Grenze gespannte Band. Er drückte dabei den Wunsch aus, daß die denkwürdige Brücke denjenigen, die sich ihr heute und in Zukunft bedien­ten, stets eine Mahnung sein möge und daß die Wahrung des Friedens die größte Pflicht aller sein muffe.

Ansprachen Kelloggs und Baldwins.

Staatssekretär Kellogg führte in seiner Rede u. a. aus: Die Brücke bedeute ein weiteres Bindeglied zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten. Sie sei symbolisch für die vielen Berührungspunkte, die dank gemeinsamer Sympa­thien und Interessen zwischen Großbritannien und den Ver­einigten Staaten bestehe und eine gesunde Rivalität auf den Gebieten der Industrie, der Wirtschaft, der wissenschaftlichen Entwicklung und der Erschließung des Landes, aber beide achteten einander als gute Nachbarn und Freunde. Die Brücke werde beide Länder noch enger zusammenbringen.

Der englische Premierminister Baldwin sagte in seiner Ansprache etwa: Alle Brücken sind Zeichen der Freundschaft, aber diese Brücke ist nicht persönlicher Art. Sie steht da, als ein Wahrzeichen dafür, baß seit über einem Jahrhundert zwischen den Bereinigten Staaten und Kanada sowie den anderen Nationen des britischen Reiches Frieden geherrscht hat. Probleme sind entstanden und werden entstehen. Die Ansichten darüber, wie sie behandelt werben müssen, werden sich ändern. Gerade in letzter Zeit haben mir einen Augen­blick lang eine Meinungsverschiedenheit gehabt, aber wir wissen in unseren Herzen, daß sie nicht unsere Freundschaft berührt. Die Feier schloß mit dem Absingen der National­hymnen beider Länder.

Englisch-amerikanische Besprechungen.

Wie aus Newyork gemeldet wird, verbrachten der Prinz von Wales, Baldwin, Kellogg und DawcS einige Stunden an de» Niagarasällen. Später fuhren sie nach Toronto. Kel­logg blieb zurück, während Dawes mit Baldwin auf der Ueberfahrt über den Ontario-See eine längere AnFsprache hatte. Nach kurzem Aufenthalt in Toronto begaben sich die Ltaatsmänner nach dem westlichen Kanada.-

Dawes Präsidentschaftskandidat?

TU. Berlin, 10. Äug. Nach einer Meldung des ^Lpkal- Auz." aus Neny.rk werden in Amerika die außenpolitischen Aeußerungen des Vizepräsidenten Dawcs bei der Euiwci- hungsseier der N.agara-Friedensbrücke als eine Art Selüst- nominierung des Redners für die kommende Präsidenten­wahl betrachtet Dian empfindet seine Kritik an der auieri- tunischen Regierung als einen Angriff gegen den eventuell aussichtsreichsten Nebcnkandidatcn Hoover. Wahrscheinlich wird die gcp'oute mehrwöchige Europareise Dawes zu W'hl- reklamezwrcken mm seinen Anhängern augenntzt werden.

krn Komvn tür jung unck alt von ^manck« !

llrksdvr-klvobtseebutr ävrrli Vsrlsg OsIc»r Kleister, ZVe-cian ä». (45. Fortsetzung.)

Ach, liebes Kind, möchten Sie «ich mal zum Orksvor- iand oder Schulzen oder Bürgermeister oder wie sonst ! ier die oberste Persönlichkeit heißt, hinlaufen und ihm be- ! i eilen: er möcht doch die Jute haben und inal'n Polizei- j orjan schicken, es säb' 'neu kleenen Streit zu schlichten." i Der Biermaster is mei Dienstherr, ich will's ihm sage »ehe."

Jawohl, sowohl, Bürgermeister steht ja hier auf dem Lauvert, den Herrn muß ich überhaupt sprechen, ihm den leisten Willen von dem Fräulein überbringen."

stabette ging und wenige Minuten später erschien der sk - stern cister selbst.

Wie sehr sich auch die Bäuerin kampfdürstig dagegen- stemmte, sie mußte dem Heizer den Koffer samt der Lein- and überlasten, schimpfte aber wenigstens noch bis zum Hcfftör hinter dem abziehenden Sieger her.

Der Bürgermeister, ein sehr ehrenhafter Mann, erfüllte Ai'alols Willen auf das Gewissenhafteste.

Im ganzen Orte herrschte größte Betrübnis über den vermeintlichen Tod des edlen Mädchens. Dos vor ihrem f schrecklichen Ende noch an die Notleidenden gedacht.

Im Rntensteiner Volksmund aber blieb das Andenken an sie wach, und sobald ein Fremder sich dort aufhielt, wurde ihm die Geschichte von Kathrin, der unglücklichen Grasen- locher, erzählt.

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Am anderen Abend nach seiner Flucht aus Rutenstein langte Anatol, obgleich er rastlos gewandert, endlich in Aschaffenburg an.

Um soviel wie möglich Geld zu sparen, war er weiter­gegangen, als es erst seine Absicht gewesen, von hier aus wollte nr nun mit der Bahn nach Mainz fahren.

Auf dem Bahnhof wurde ihm die Nachricht, daß der nächste Zug erst um drei Uhr nacht» durchkäme, er kehrte deshalb in di« Stadt zurück, kaufte lick, kür einia« Kreuzer

Das neue amerikanische Flottenprogramm.

TU. Renyork, 10. Aug. Wie aus Rapid City gemeldet wird, hat Coolidge einer Vermehrung der Kreuzer, Unter- keeboote und Seekricgsflugzeuge zugestimmt. Der Marine- sekretär WUber berät zurzeit mit Coolidge über die Aus­führung der Einzelheiten dieses Programms Es wird er­wartet, daß Wilbur noch vor Ende der Wiche eine offizielle Erklärung über die künftige Marinepolitik der Vereinigten Traten abgebcn wird.

Das Schicksal Saceo und Vanzettis

Hinausschiebung der Hinrichtung Saccos und Vanzettis?

TU. Berlin, 11. Aug. Wie dasAchtuhr-Abendblatt" aus Boston meldet, besteht die Möglichkeit, daß Gouverneur Kuller vielleicht doch noch tu letzter Stunde die Hinrichtung von Sacco und Banzcttt verhindern wird, um dem Vertet- diguiigsiomitee die Möglichkeit zu geben, alles zu versuchen, um eine neue Verhandlung herbeiznführen. Man erwartet, daß Gouverneur Füller in der Sitzung des Staatsrates von Massachusetts einen Antrag auf Aufschub der Hinrichtung einbringen wird. Vei Genehmigung des Antrags wird vor­aussichtlich eine Verschiebung von wenigstens 30 Tagen ge­währt werden.

Die gesamte Welt demonstriert siir Sacco und Vanzetti.

Gestern nachmittag fanden in B r ü ssel vor dem ameri­kanischen Konsulat kommunistische Demonstrationen für Sacco und Vanzetti statt. Die Polizei mußte mit Gummi- knnpepln die Dcmvnstranien anseinandertreiben. In den Bergwerken von Toqnervillc legten die italienischen Ar­beiter ans Protest gegen die beabsichtigte Hinrichtung Sacco und Vanzettis die Arbeit nieder.

Zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten des hollän­dischen Kulturlebens, n. a. Dirigent Mengelberg, haben Protesttelcgramine nach Washington geschickt. In Rotter­dam soll ein Proteststreik ausgernscn werden.

Auch iu Lux ein bürg fanden große Arbeiterdcmon- stratloncn für Sacco und Vanzetti statt. In den Reden wurde die amerikanische Justiz und der italienische Faschis­mus scharf augegrisscn. Zur Aufrerhtcrhaltnng der Ord­nung wurde Militär hernngezogen. linier den Demonstran­ten sah man viele französische, italienische und deutsche Ar­beiter.

Aus allen Teilen der Welt treffen Nachrichten von Protest­demonstrationen für Sacco und Vanzetti ein. Besonders stark setzt sich die Bevölkerung der Hauptstadt von Uru­guay, Montevideo, für die Verurteilten ein. Militär mußte die amerikanischen Vertretungen dieser Stadt vor Ausschrei­tungen der Demonstranten schützen. Die Massendemonstra­tionen in Ncnyork sollen 500 000 Personen umfaßt haben.

Vombenattentat in Basel.

TU: Bafel, 11. Aug. Vorgestern abend ereignete sich auf dem Barfüßer-Platz zu Basel, einen der belebtesten Knoten­punkte Basels, im Zusammenhang mit den Demonstrationen für Sacco und Vanzetti eine Bombenexplosion, und zwar in dem am Barfüßer-Paltz ausgestellten Wartehans der Base­ler Straßenbahn. Durch die Explosion wurden 1620 Per­sonen verletzt. Unter ihnen befanden sich mehrere Straßen­bahnangestellte. Die Polizei nahm sofort eine Absperrung des Platzes vor. Das Stationsgebäude der Straßenbahn ist vollständig demoliert.

Intervention Mussolinis für Gaeco «nd Vanzetti.

Wie die Morgenblätter aus Rom melden, hatte der Va­ter Saccos Mussolini um Intervention zugunsten seines Sohnes gebeten. Mussolini antwortete, daß er sich sehr eifrig mit dem Fall befaßt und, soweit dies die internationalen For­meln znließen, die nötigen Schritte getan habe, nm die bei­den vor der Hinrichtung zu retten. > >.

Kleine politische Nachrichten

Z« den Beschuldigungen gegen das Neichswehrministerium Wie die T.-U. erfährt, hat der Ehef der Martneleitnug in Vertretung des abwesenden Neichswehrministers den Reichs­kanzler gebeten, durch einen Beamten des Reichsfinanz- ministerinms die in der Presse behaupteten Beziehungen deS Neichswehrministerinms mit der Phöbns Film AG. in fi­nanzieller Hinsicht nachprüfen zu lassen. Kapitän Lohmann hat wegen der gegen ihn in diesem Zusammenhang erhobenen Beschuldigungen Strafantrag gestellt. Er hat gebeten, bis zur völligen Aufklärung der Angelegenheit vom Dienste sus­pendiert zu werden. Das Reichswehrmintsterium hat diesem Antrag stattgegeben.

Der amerikanische Gcschwadsrchef bei Hindenburg. Reichs­präsident von Hindenburg empfing den von dem amerika­nischen Botschafter eingeführten Chef des amerikanischen Europa-Geschwaders, Vizcadmiral Durrage, der auf dem zurzeit iu Hamburg weilenden amerikanischen Kriegsschiff Detroit" nach Deutschland gekommen ist.

Wieder ein Vombenattentat in Nybnik. Wie die Blätter berichten, wurde am Sonntag während eines Sommerfelles der Feuerwehr in Birkenau bei Nybnik von Unbekannten nach Eintritt der Dunkelheit eine Dynamitbombe zur Ex­plosion gebracht. Die Gäste verließen panikartig den Saal. Glücklicherweise wurde kein großer Schaden angerichtet und keine Personen verletzt.

Der schweizerisch-italienische Grenzzwischenfall. Die amt­liche Untersuchung des schweizerisch-italienischen Zwischen­falls im Tessin hat ergeben, daß die Verhaftung der sechs Schweizer durch italienische Faschisten tatsächlich auf Schwei­zer Boden erfolgt ist. Auf die Intervention der schweizeri­schen Gesandtschaft in Nom sind jetzt auch die in Como noch zurückgehaltenen 4 Schweizer wieder auf freien Fuß ge­setzt worden.

Cholera-Epidemie in Persien. Die Zahl der in den Abadan-Petroleum-Nafsinerien und in Basra durch die Cholera verursachten Todesfälle beläuft sich auf 320. In Basra haben sich 64 000 Personen einer Schutzimpfung unter­zogen. _

Der Berliner Lotterie-Skandal

TU. Berlin, 10. Aug. Wie dieB. Z." meldet, haben die beiden ungetreuen Lotteriebeamten vor dem UntersuchungS- richcer eingestanden, daß sie sich mit dem Betrug bei der vorigen Lotterie nicht begnügt haben, sondern daß sie auch vei der gegenwärtig laufenden Lotterie »och einmal dv.. gleichen Schritt inszenieren wollten. AiU Grund dieses Ge- llänüuisses hat die Generaldirektivn -rug-wrdicer, daß das große Losrad, das noch die Nummern der zurückgebliebenen Lose enthält, geleert wurde. Die Zählung ergab, daß ein Rachen fehlte. Daraufhin ist mit der Kontrolle begonnen worden, um festzustellen, ob es richtig ist, d,ß das fehlende Los die von Böhm angegebene Nr. 360 072 trägt.

Drot und ein Stückchen' Blutwurst und verzehrte beides auf einer Bank im Freien.

Hierauf trank er an einem Stadtbrunnen ein größeres Quantum Wasser nach und begab sich dann wieder nach dem Bahnhof, um im Wartesaal die sechs Stunden, welche bis zur Abfahrt vor ihm lagen, unter Dach und Fach zu verbringen.

Anatol erbat sich am Büfett Tinte und Feder Papier hatte er sich aus der Stadt mitgebrocht, und benützte einen Teil der überreichen Zeit, um an die ferne Freundin einen langen Brief zu schreiben.

Er teilte ihr darin mit, daß er zu seiner weiteren Aus­bildung wieder von hier fort müsse, wohin, wisse er selbst noch nicht, sobald er könne, würde er ihr wieder schreiben.

Nachdem der Jüngling den Brief der Bahnhofspoft über­geben, tegte er sein kleines Bündelchen hinter sich und ver­suchte zu schlummern. Wie fehlte ihm setzt das rotwollene Tuch, welches ihm in der Duukelheit am Mainufer ent­glitten sein mußte. Schließlich schlief er, trotz des Frost» gefühls, doch fest ein, und erwachte erst wieder, als die Bahn­hofsglocke erdröhnte und die Stationen bis Mainz ausgerufen wurden.

Ein blauer, sonniger Himmel glänzte über der alten Gutenbergstadt, welche Anatol am anderen Morgen mit Interesse betrat. Er suchte sich ein« schlichte Herberge, in der er ein wenig Toilette machen und für wenige Kreuzer frühstücken konnte.

Vor allen Dingen mußte er sich nun einen Hut und einen Mantel kaufen, ebenso ein Reisetäschchen zur Unterbringung seiner Habseligkeiten: wie er jetzt dastand, mit dem Bündel in der Hand, im bloßen Kleide und mit einem buntkar- rierten Kattuntuch um den Kopf, konnte er nicht viel besser als eine Landstreicherin ausfehen.

In einem engen Gähchen sah er außen an der Ladentür einen zwar recht altmodischen, aber äußerst praktischen, wasserdichte», mit einer Kapuze und vielen schönen Taschen versehenen, grauen Gummimantel hängen. Preis vier Gulden.

Er erhandelte ihn von der korpulenten Inhaberin des Geschäfts für drei Gulden fünfzig Kreuzer; hier fand sich auch eine kleine, lederne Reisetasche, noch wohl erhalten und praktisch eingerichtet, für «inen Gulden. Die Trödlerin ge­stattete Anatol, im Hintergrund« des Geschäfts sich seine» guten» schwarzen Kleide» zu entledigen» um e» mit dem Kat­

tunkleide zu vertauschen: über das Ganze den Mantel an- ^ legend, der seine Gestalt bis zu den Fußknöcheln einhüllte, ^ ging er, mit seinem Einkauf zufrieden davon. i

Nun war die Hutfrage noch zu erledigen» aber auch hier kam sein denkender Kopf bald auf das Richtige.

In vielen Geschäften nachfragend, erstand er endlich in einem der größten Hutmagazine von Mainz ein zurück» ^ gesetztes, ungarniertes Jägerhütchen von schwarzem Stroh ^ für zehn Kreuzer, kaufte eine Elle grauseidenes Band dazu» e welches man ihm, da es bereits verschossen war, für sechs k Kreuzer abtrat, ließ sich einige Stecknadeln zuschenken und » suchte sich einen stillen Hausflur, in dem er ungeniert - während einiger Minuten dem Putzmacherhandwerk obliegen konnte.

Sich schmückend mit dem von dem hellblonden Haar­knoten interessant sich abhebenden und ihn bildhübsch klei­denden schwarzen Iägerhütchen, schritt er nun verhältnis­mäßig stolz die Straße hinab. In einem Schaufenster be- ^ trachtete Anatol sich vom Kopf bis zu den Füßen. A

Wie aus dem Modejournal herausgeschnitten," flüsterte er etwas spöttisch,alles Uebereinstimmung, alles Har- § monie. Grauer Mantel, graues Hutband, schwarzer Hut» x schwarze Stiefel, schwarze Tasche. Reiche Engländerin, den ^ Kontinent bereisend. In diesem schneidigen Kostüm will ^ ich einmal mein Glück in der guten Stadt Mainz versuchen." ^ Zwei ältere Damen mit angenehmen Gesichtern kamen ihm entgegen. Der junge Fremdling redete sie mit beschei­dener Höflichkeit an.

Würden Sie vielleicht die Freundlichkeit haben, mir ein . Stellenvermittlungsbureau nachzuweisen?" ^

O, sehr gern. Gleich hier in der Frkedrichstraße befindet sich eins, und ein anderes in der Frankfurter Straße; es . springen an den Häusern große Schilder hervor. Sie sehen " sie schon von weitem."

Anatol wollte sich empfehlen, immer aufpaffend, daß er nicht in alter Gewohnheit nach dem Hut griff, ihn zum Gruße abzuheben: ein einziges Versehen dieser Art. und selbst vor iS dem oberflächlichsten Menschenauge war er demaskiert. Dl« 2 » ältere der beiden Damen hielt indessen das schöne, sie au fesselnde Mädchen mit einer Frage zurück: rg

Was für ein« Stellung suchen Sie, liebes Fräulein, vielleicht die einer Gouvernante?." ,. n»

^(Fortsetzung folgt.)