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Aktuar Staudenmeyer. Inzwischen war in die Gesellschaft eine heitere Stimmung gekommen und nur zu bald mahnte die Zeit zum Aufbruch, da viele der Teilnehmer die Bahn zu benützen hatten. Möge es dem Scheidenden mit seiner Familie auch in dem neuen Bezirk Rottenburg Wohlergehen.
Calw. Am letzten Samstag wurde auf dem hiesigen Bahnhof der erste Waggon hessischerMost- äpfel ausgewogen, der Ztr. zu 4 ^ 50 — Von
Hirsau meldet man einen Fall seltener Fruchtbarkeit. Aus einem Gartenland des Hrn. Haas, Gärtners daselbst, wurden aus einem wild gewachsenen Kartoffelstock 19 Pfd. Kartoffeln ausgegraben. Es waren meist große Exemplare, von denen das umfangreichste 2 Pfd. wog. — Blumenfreunde wollen wir auch an dieser Stelle aufmerksam machen auf eine selten schön blühende Pflanze, welche gegenwärtig bei Hrn. Gärtner Mayer hier ausgestellt ist; nemlich ein groß gediehenes Exemplar lälium auratnin, eine japanische Lilie. Auf einem 1'/, Meter hohen Stengel entfalten sich prächtige, rot bepunktete weiße Glocken, welche einen herrlichen Duft auSströmen. Da die Pflanze dem Verblühen zuneigt, empfiehlt sich, ein baldiger Besuch.
Neuenbürg, 30. Sept. Wie man hört, wird Fabrikant Commerell in Höfen a. E. die Kandidatur als Landtagsabgeordneter für unseren Bezirk wieder annehmen. Seitens der Volkspartei soll auch ein Kandidat aufgestellt werden.
Cannstatt, 28. Sept. Der gestrige Vieh- markt war sehr stark befahren und der Verkauf bei zurückgehenden Preisen ein äußerst lebhafter. Zugetrieben wurden 40 Paar Ochsen, Preis pr. Paar 900—1100 200 Kühe und Kalbeln, Preis 300
bis 560 120 St. Schmalvieh, Preis 200—250
150 St. Milchschweine, Preis ä 18—24 180 St.
Läuferschweine, Pr. 40—70 per. Stück. Der Verkauf auf dem Schweinemarkt war gleichfalls ein sehr reger. Auf dem Faß- und Küblermarkt ist bei steigenden Preisen fast alles verkauft. — Schafmarkt: zugeführt wurden 1105 St., verkauft nur 205 St. mit einem Gesammterlös von 4770 ^ Preis für 1 Paar Hämmel 61 °^, für ein Paar Schafe 55 °^, für 1 Paar Lämmer 40
Cannstatt, 29. Sept. Wie wir erfahren, werden vom nächsten Jahre ab sich bei dem Pferderennen (Bauernrennen) anläßlich des landwirtschaftl. Hauptfestes nur in Württemberg gezogene Pferde beteiligen können.
Eßlingen, 29. Sept. sObstmarkt.s Auf dem Marktplatz waren zugeführt etwa 480 Ztr. Obst, Birnen zu 3 50 bis 3 ^ 80 -A Aepfel zu
4 ^ 40 ^ bis 4 -^5 80 der Ztr. Auf dem Bahnhof stehen 20 Wagen hessisches, bayrisches, öst- reichisches und Schweizer Obst, durchweg Aepfel, der Zentner zu 4 20 bis 4 40 A
Schorndorf, 29. Sept. Gestern kamen am Bahnhof hessische Mostäpfel zum Verkauf, für den Ztr. wurden 4 50 ^ bezahlt. Dem heutigen
Ob st markt wurden gegen 800 Ztr. Mostobst zugeführt, meist Birnen. Aepfel kosteten 4 ^ 30 bis 4 ^ 50 --Z, gemischtes Obst 4 bis 4 ^ 20 -H, Birnen 3 ^ 60 bis 3 ^ 80 pr. Ztr. Der
Verkauf war ein lebhafter.
Essen, 28. Sept. Auf der Krupp'schen Gußstahlfabrik ist vor einiger Zeit ein« neue Zählung der Arbeiter und Beamten und der Familienangehörigen derselben vorgenommen worden. Das Ergebnis der Zählung war folgendes: Insgesamt wohnten in Krupp'schen Wohnhäusern 5731 Beamte und Arbeiter mit 15581 Familienangehörigen, also zusammen 21312 Personen, in eigenen Häusern 701 Beamte und Arbeiter mit 2404 Familienangehörigen, zusammen 3105 Personen, und in fremden Mietshäusern 10 744 Beamte und Arbeiter mit 25673 Familienangehörigen, zusammen 36 417 Personen. Im Ganzen sind auf der Fabrik rc. beschäftigt 17176 Beamte und Arbeiter, welche 43 658 Familienangehörige zählen, so daß sich die Gesamtzahl der Werkangehörigen mit den Familiengliedern auf 60834 Seelen beziffert.
Berlin, 28. Sept. Das „Berl. Tageblatt" dementiert seine gestrige Meldung über den Rücktritt des Direktors der Kolonialabteilung des auswärtigen Amts, Legationsrats Kayser. Das Blatt fügt hinzu, Kayser kehre dieser Tage von seinem Urlaub zurück und werde die Leitung der Kolonialabteilung wieder übernehmen.
Berlin, 28. Sept. Bei Besprechung der Erfolge der Sozialdemokraten bei den Wahlen zum Berliner Gewerbegericht, sagt die „Post", solange die bürgerliche Gesellschaft sich von der Sozialdemokratie in solcher Weise an Eifer und Thätigkeit übertreffen läßt, solange sie selbst, angesichts der Königsberger Kaiserworte, in Lässigkeit und Schlaffheit verharrt, kann das Fortschreiten der Sozialdemokratie freilich nicht wundern. Wer es ernst meint, mit der Wahrung unserer staatlichen und sozialen Existenz, muß nach Kräften dahinwirken, die bürgerlichen Elemente aus ihrem Quietismus aufzurütteln.
Berlin, 28. Sept. In der Redaktion und der Druckerei des „Sozialist" wurde am 25. Sept. nach einer anarchistischen Broschüre, deren Verfasser E. Henry ist, eine Haussuchung vorgenommen. Es wurde davon nichts gefunden, wohl aber wurden dreihundert andere anarchistische Broschüren mit Beschlag belegt, weil darauf die Druckfirma fehlte.
Berlin, 28. Sept. Die kürzlich gemeldete Aeußerung des Kaisers zu dem ersten Bürgermeister in Thorn lautete wörtlich: „Ich wünsche, daß das, was Ich heute Vormittag gesagt habe, allgemein bekannt wird. Ich habe nicht blos in den Wind gesprochen, Ich kann auch etwas unangenehm sein und werde es erforderlichen Falls auch werden.
Berlin, 30. Sept. Die „Post" berichtet unter Vorbehalt, daß gestern Abend etwa 183 Unteroffiziere von der Oberfeuerwerker-Schule in der Jn- validenstraße verhaftet worden und mittelst Sonderzugs heute früh 2 Uhr 50 nach Magdeburg transportirt worden sind. Begleitet wurden dieselben von den Mannschaften des 4. Garderegiments mit aufgepflanztem Seitengewehr. Als Grund für den sensationellen Vorfall wird aus angeblich sicherer Quelle angegeben, daß es sich um Teilnahme an politischen Umtrieben handeln soll. Genauere Einzelheiten sind noch nicht bekannt, da die Untersuchung militärischerseits streng geheim gehalten wird.
Ksoi»gvnZiuin.
NeueS in der Bibliothek.
1) Die Kriegsmarine, ihr Personal und ihr?
Organisation von B. von Werner.
2) Aus dem Lande des Zopfes. Plaudereien
eines alten Chinesen von M. von Brandt.
3) Die Geschwister. Eine Familiengeschichte von
H. Berthold.
4) Aus einem Kellnerleben. Von Emil
Fromme!.
s) Die Waldjungfer von Wildberg. Eine Erzählung aus dem Leben und für das Leben von L. Kreutzer.
Landwirtschaftl. Kezirks verein.
Abendschulen betreffend.
Laut hohen Erlasses der K. Centralstelle für die Landwirtschaft vom 13. Sept. d. I. ist der Verein in den Stand gesetzt, den bestehenden Abendschulen und landw. Abendversammlungen Erwachsener nach Maßgabe des ihm von obiger Behörde gewährten Wiederersatzes und je nach dem Grad ihrer Bedürftigkeit den betreffenden Gemeinden Unterstützungen zukommen zu lassen.
Wegen richtiger Zahlbestimmung der diesen Schulen zugedachten Freiexemplare des landwirtschaftlichen Wochenblatts, sowie im Interesse rechtzeitiger Einreichung der von der K. Centralstelle noch im Lauf dieses Monats gewünschten Liste, werden die verehrl. Schul- und Gemeindebehörden hiemit freundlich ersucht, die von dem Unterzeichneten noch auszugebenden speziellen Anfragen möglichste bald beantworten zu wollen.
Calw, den 1. Okt. 1894.
Der schultech. Vereinsbeirat A n s e l.
Landwirtschaftl. Kezirksverein.
In der
landwirtschaftl. Winterschule in Reutlingen wird anfangs Nov. d. I. der Lehrkurs eröffnet. (S^ landw. Wochenblatt Nroi 39.) In derselben wird Unterricht erteilt über: Deutsche Sprache, einschließlich Aufsatz und Schönschreiben, Rechnen, Geometrie, Feldmessen, Zeichnen, Physik, Tier- und Tierheilkunde, Landwirtschaft (Acker- und Pflanzenbau, einschließlich Chemie und Gesteinskunde.)
Wir können den Besuch dieser Schule durch Bauernsöhne» welche das 15. Lebensjahr zurückgelegt haben und im Besitz der gewöhnlichen Volksschulkenntnisse und einiger landwirtschaftl. Praxis sind, nur aufs angelegentlichste empfehlen und sind zur Vermittlung von Anmeldungen spätestens bis Ende Oktober bereit. Den Meldungen müssen beigelegt sein: ein Schulzeugnis, Geburtsschein und die Einwilligung des Vaters, bezw. des Pflegers, zum Besuch der Schule. Den Besuchern dieser Anstalt aus unserem Bezirk ist von Seiten des Vereins ein Bei-- trag von 25 ^ in Aussicht gestellt.
Calw, den 1. Okt. 1894.
Stellv. Vorstand: Sekretär:
L. Dingler. Ansel.
Sie drückte auf eine Klingel. Dorothea trat gleich darauf ein. Frau Dreß- ler gab ihr einen häuslichen Auftrag.
DaS war für Paul eine Entlassung, der er sich fügen mußte, wenn er nicht ein Aussehen hkrbeiführen wollte, durch welches er der Sachlage nach nichts ändern, sondern sich höchstens vor der Dienerschaft kompromittiren konnte.
Er beugte sich nahe zu Frau Dreßler und flüsterte: „Also Trennung für immer?"
„Du hast es nicht anders gewollt!" entgegnete sie kurz. .
Paul verneigte sich flüchtig und verschwand dann aus dem Salon. Als er die Treppe Hinabstieg, deren Stufen unter seinen Tritten knisterten, und den Hausflur durchschritt, wurde an dem kleinen, runden GlaSfenster in der Komptoirthür die grünseidene Gardine ein wenig bei Seite geschoben.
Zwei stechende Augen funkelten dahinter hervor. Es waren die Jordans, der aufgepaßt halte, um zu erspähen, welchen Besuch Frau Dreßler empfangen hatte, während ihr Gatte auf der Börse war.
„Teufel," murmelte Jordan vor sich, „ist das nicht Baron Paul? Ja. er ist'L! Was hat das zu bedeuten?" ^
Tie Falle der grünen Gardine schob sich vor daß Fenster, die raubthierartigen Augen Jordans waren wieder verschwunden.
Ewe Stunde später wurde in dem nach der Hofseite gelegenen Speisesaal im ersten S:ock das Diner seivut. Die Tafel war reich mit Silberzeug und Blumen besetzt. Dreßler liebte den Luxus in seinem Haufe und stimmte hierin, wie in Vielem, mit der Neigung seiner Frau überein, die in dem Hause ihres aristokratischen Vaters an großes Zeremoniell gewöhnt gewesen war.
Dreßler scherzte mit seinem harmlos plaudernden Knaben, und Leopold warf ab und iu, wenn auch st-tS mit einer gewissen Reserve, dir seine objektive Selbstbeherrschung veirut. eine Bemerkung in die heitere Unterhaltung seines Onkel» und Vetters.
Frau Dreßler sprach nicht, sie hatte sich in ihren Sessel zurückgelehnt, und in
glückliches Anschauen ihres gegenübersitzenden Gatten und Sohne» versunken, dachte sie mit Genugthuung daran, daß Niemand von den Ihrigen jenen Verwandten gesehen hätte, der durch seine Mßherrat. wenigstens in ihren Augen, entehrt war. In höchster Selbstzufriedenheit, daß sie jedes geringere Element, daS ihr nicht be- hagte, aus ihrem glänzenden Hause fern zu halten verstanden hatte, weidete sie ihre Augen an ihrem herrlichen Mann, an ihrem hoffnungsvollen Knaben. Ein Strahl warmer Zuneigung fiel aus ihrem schönen Auge auch auf den an ihrer Seite sitzenden Neffen, der in jeder Hinsicht sich ihren Anschauungen akkomodirte. Ihm war, d» er mit seinem älteren Bruder in derselben Residenz lebte, jede Verbindung mit Jenem verboten, doch hätte eS dieses Verbote» nicht bedurft; Leopold war trotz seiner Jugend viel zu hochmütig, um sich nicht seines Bruders direkt zu schämen, da er ihm eine Schwägerin gegeben hatte, die in gesellschaftlicher Hinsicht so tief unter ihm stand. Auch hütete er sich aus Eigennutz vor jeder Annäherung an seinen Bruder; wie leicht konnte eine solche diesen wieder in das Dreßler'sche HauS führen, und er hätte dann vielleicht di« reichen Zuschüsse mit Paul teilen müssen, die er jetzt allein von seinen Verwandten bezog.
Nach Tisch befahl Dreßler, daß angespannt werden sollte. Das herrliche Wetter lockte ihn, eine Spazierfahrt vor die Thore der Stadt zu machen.
Auf seine Frage, wer ihn begleiten wollte, war nur sein kleiner Sohn dazu bereit. Frau Dreßler war durch häusliche Geschäfte verhindert, deren Besorgung sie für heute Nachmittag an das HauS fesselte, und Leopold von Bartenstein zog es vor, in eine benachbarte Konditorei zu gehen, um daselbst die neuesten Zeitungen und Journale zu lesen.
Nach einer halben Stunde fuhr ein mit zwei feurigen Schimmelhengsten bespannter Land-uer aus dem breiten Thorwege deS Dreßler'sche» Hauses und hielt vor demselben a>, 11 -uILig stampften die herrlichen Tiere mit ihren Hufen das
Straßenpflasr-r, so datz der Kutscher Mühe hatte, dieselben zu zügeln.
(Fortsetzung folgt.)