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Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

ßS. Zahrgauz.

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Samstag» Len 29. September 1894.

Ab-nnemem-prets viert W Pfg. LrLgerlohn, durch di« >»«, Württemberg Mr. I. Sb.

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Tagerneuigkeiten.

Nagold, 25. Sept. Heute nachmittag 3 Uhr wurden die 5 neuen Turmglocken, welche für den alten im vorigen Jahr ausgebrannten jetzt wieder in seiner alten Gestalt aufgebauten Kirchturm bestimmt find, unter dem Jubel der Jugend in die Stadt her­eingeführt.

Schön buch, 26. Sept. Die gegenwärtige Brunstzeit der Hirsche, die in den mondhellen Nächten der vergangenen Woche mit ihrem Geschrei den Wald belebten, hat außer dem Jagdherrn, dem König, der auf seiner Jagdhütte auf dem Stungart weilt, auch andere Jagdfreunde und Jagdgäste des Königs in den Schönbuch geführt. Einem derselben, Maler Reck, wurde eine seltene Jagdbeute zuteil, ein Werundzwanzigendrr mit prachtvollem Geweih, den «r gestern früh am Bromberg zur Strecke brachte.

Stuttgart, 27. Sept. DaS I. und 7. Regiment sind gestern Abend aus dem Manöver hierher zurückgekehrt. Die Heimkehr des Dragoner­regiments erfolgt erst am Montag.

Stuttgart, 27. Sept. Gestern abend 6'/- llhr ist an dem Kasernenneubau bei Ostheim ein Standenbaum durch das Regenwetter los geworden. Derselbe siel um und traf den 19 Jahre alten Maurer August Weinmann von Bonlanden so unglücklich, i> er sofort tot war. Der Leichnam wurde in das Leichenhaus des Pragfriedhofs verbracht.

Stuttgart, 27. Sept. Kartoffelmarkt: Zufuhr 500 Ztr. Kartoffeln, Preis 2 ^ 30 ^ bis .2 80 per Zentner. Filderkrautmarkt:

Zufuhr 2000 Stück Filderkraut, Preis 12 ^ bis 15 ^ per 100 Stück. Mostobstmarkt: (Wil­helmsplatz) Zufuhr 800 Ztr. Mostobst. Preis 3 ^ 80 bis 4 ^ --Z per Zentner.

Metzingen, 24. Sept. Unsere schöne, vor 25 Jahren mit großem Kostenaufwand renovierte Stadt« kirche kann nun elektrisch beleuchtet werden, und be­reits ist am vorigen Donnerstag der erste AbendgotteS- dienst bei elektrischer Beleuchtung abgehalten worden, wobei die zahlreich versammelte Gemeinde über das schöne und wohlthuende Licht sehr erfreut war. Der provisorisch verwendete Kronleuchter mit 10 Glühlichtern von je 16 Kerzenstärken wird durch einen schon be­stellten größeren mit 12 Glühlichtern von je 25 Kerzen­stärken ersetzt werden. Auch Orgel, Kanzel und Sakristei erhalten elektrische Beleuchtung. (N. T.)

Urach, 26. Sept. Eine Benzinexplosion in einem Anwesen nicht fern vom Marktplatz, in der früheren Lohmühle, woselbst ein Motor aufgestellt ist, bedrohte heute Morgen etwas nach 6 Uhr einen ziemlich eng gebauten Stadtteil mit Feuersgefahr. Die Fensterscheiben des betr. Gelasses wurden hinaus­gedrückt. Die rasch herbeigeeilte Feuerwehr konnte den Brand löschen, ehe Sturm geläutet wurde.

Winnenden, 28. Septbr. Obstmarkt. Aepfel wurden heute zu 3,804,20 gemischtes Obst zu 3,30-3,70 Birnen zu 2,203,30 ^ per Centner verkauft.

Göppingen, 25. Septbr. Der heutige Schafmarkt wurde befahren mit 3314 Stück. Fette Ware war gesucht. Es wurden verkauft 268

Schafe und 1228 Hämmel, im Ganzen 1496 Stück. Die Zahl der abgeschlossenen Käufe betrug 31 und der Gesamterlös 33893 ^ 50 A Die Preise für Schafe schwankten zwischen 38 und 52 ^ pro Paar und für 1 Paar Hämmel bezahlte man 37 bis 62

Welzheim, 24. Sept. Vor einer sehr zahl­reichen Zuhörerschaft hielt gestern Nachm. Prof. vr. Sieglin aus Hohenheim einen Vortrag über Fisch­zucht. Er führte aus, daß auch in unserem Bezirk, wie sonst im Lande, die Fischzucht sehr zurückgegangen sei. Viele Dämme und verlassene Weiher in der nächsten Umgebung erinnern daran, daß in früherer Zeit dieser Zweig der Landwirtschaft hier besonders geblüht haben muß. Um so erfreulicher sei es daher, wenn der hies. Fischzuchtverein, das jüngste Kind des württ. Landesfischereivereins, die Fischzucht durch Be­setzung der Bachwafser und Anlegung von Weihern zu heben sich bemühe. Aus seiner reichen Erfahrung, die er sich durch seine vielen Reisen im In- und Auslande gesammelt, konnte er den Anwesenden manche praktische Winke über Anlegen von Teichen, künstliche Befruchtung, Brutapparate, Fütterung, Aus­wahl der Fischsorten u. s. w. geben. Tags zuvor hatte der Redner in Begleitung einiger hiesiger Herren die Fischzuchtanlagen am Ebnisee und Röthel­see, sowie die Gewässer der Lein und Roth angesehen und sämtliche Wasser für eine rationelle Fischzucht als sehr geeignet gefunden.

Heildronn, 25. Sept. sSchafmarkt.s Der Markt am Samstag war mit 3754 Stück befahren, verkauft 1886 Stück. Preise: Jährlinge 4855^, Lämmer 3642 Brackschafe 36 ^ für das Paar.

Vk. ^Nachdruck vertöten.I

Das tote Kaus.

Roman von Carl Görlitz.

(Fortsetzung.)

»Wer ist eS ?" fragte die Dame halblaut, als sie die Karte in Empfang nahm. Aber kaum hatte sie einen Blick auf dieselbe geworfen, als sie erbleichte und zusammen- -fuhr. Sie schleuderte den Strauß Maiblumen, den sie soeben gepflückt hatte, hastig zu Boden und preßte die Lippen fest auf einander, dann warf sie einen scheuen Blick nach ihrem Sohn und ihrem Neffen, als hätte sie ein gefährliches Geheimniß vor denselben zu verbergen. Erst als sie die beiden jungen Leute nach wie vor mit ihrem Ballspiel beschäftigt sah, wandte sie sich, indem sie die erhaltene Visiten­karte zerknitterte, mit der halblauten Frage an Dorothea:

»Wo ist er?"

»Im roten Salon," lautete die Antwort der Dienerin.

»Hat ihn sonst Jemand von der Dienerschaft gesehen?"

Nein, ich stand auf dem Korridor, als ich den Herrn die Treppe hinaufsteigen

sah."

Niemand darf seine Anwesenheit hier ahnen, verstehst Du, Dora?"

Die Kammerjungfer nickte verständnißvoll; sie war zu sehr in die Familien- geheimnisie des Dreßler'schen Hauses eingeweiht, um nicht vollständig zu begreifen, wie sehr der durch die Visitenkarte angemeldete Besuch ihre Herrin erschrecken mußte.

»Folge mir," sagte Frau Dreßler kurz und begab sich rasch in'S HauS.

II.

Frau Dreßler trat im Salon einem schönem, jungen Manne von sieben- bis achtundzwanzig Jahren gegenüber, auf dessen Gesicht der Ausdruck unverkennbaren Leidens lag. Dieser scharf ausgeprägte Zug von Schwermut machte seine äußere -Erscheinung zwar noch interessanter, kontrastirte aber merkwürdig mit seiner Jugind, ta di« scharfen Linie schon von sehr frühen Enttäuschungen und bitterem Kampf

um das Dasein deutlich Kunde gaben. Seine Kleidung war zwar anständig, ent­behrte aber jeder Eleganz, wie sie zu seiner Persönlichkeit eigentlich gepaßt hätte.

Als der Fremde Frau Dreßler eintreten sah, streckte er ihr die Hand entgegen. Stolz trat die Dame zurück und maß ihn streng mit den Augen, als ob seine An­näherung sie verletzte, »Du wagst es, Dich vor mir blicken zu lassen?'

Der Fremde wollte sprechen, aber innere Aufregung verhinderte ihn daran. Er konnte nur die gesafteten Hände ihr bittend entgegenstrecken. Aber sie trat noch mehr von ihm zurück.

Duweißt," zürnte sie weiter, »daßDujedeBrückezwischen uns abgebrochen hast."

»Tante!"

»Nenne mich nicht so, Du hast durch Deine wahnsinnige Handlungsweise Dich von uns losgesagt, unfern Namen befleckt, indem Du ihn einer Unwürdigen gegeben!"

Eine dunkle Röte des Zorns flog über sein Gesicht, seine bis jetzt demütige Haftung verwandefte sich in eine stolze, und seine Stimme bebte, als er ihr erwiderte: »Haft ein, Tante, mich kannst Du schmähen, so viel Du willst, aber ich dulde nicht, daß Du meine Frau beschimpfst, die an Tugend und Seelenadel Dir ebenbürtig ist!"

Frau Dreßler preßte die Hand auf die Brust und rang nach Athem; nichts empörte sie mehr, als daß ihr Neffe es war der ältere Bruder Leopolds sie, dir geborene Baroneß von Bartenstein, die Tochter eines Generals und jetzige Ge­mahlin eines Millionärs, mit seiner Frau vergleichen konnte. Diese unselige Ver­wandtschaft war der einzige dunkle Punkt in dem sonst so glänzenden Leben der reichen und angesehenen KaufmannSfrau, der ersten Dame einer alten freien Reichs­stadt. in der jeder reiche Handelsherr ein Fürst in seinem Besitztum war. Der Major von Bartenstein, der Bruder der Frau Dreßler, hatte zwei Söhne. Während Leopold ganz nach den Wünschen seiner Tante, gleich ihrem Vater und Bruder, die Milstär- laufbahn erwählt hatte, hatte Paul sich von Anfang an oft ihr Mißfallen zugezogen. West entfernt, irgendwie seinem jüngeren Bruder zu gleichen, war Paul durchaus offenherzig und freimütig; er sagte Jedermann die Wahrheit und stieß damit nur zu häufig bei seiner auf ihre Geburt und ihren Reichtum stolzen Tante an.

(Fortsetzung folgt.)