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von Vorübergehenden aufgehoben und in ärztliche Behandlung genommen.

Heidelberg, l7. Sept. Welches Unglück durch die üble Gewohnheit, Nähnadeln anzustecken, entstehen kann, zeigte sich jüngst in einer hiesigen Familie. Zum Glück kam man diesmal noch mit dem bloßen Schrecken davon; aber als warnendes Beispiel mag es manchen Hausfrauen gesagt sein. Die Tochter des Hauses nämlich ging von der Näh­stube weg, ihre Bluse mit Nadeln bespickt, nach der Küche, um sich dort bei der Zubereitung von Speisen zu schaffen zu machen. Dabei fiel, ohne daß sie es merkte, eine Nadel in das Rotkraut. Ahnungslos setzte man sich zu Tische; plötzlich schrie die kleine Tochter schmerzvoll auf, die Mutter eilte erschreckt hinzu: das Mädchen hatte in eine Nadel gebissen, die ihm von unten tief in die Zunge eingedrungen war. Man entfernte sofort mit großer Mühe und unter vielen Schmerzen die Nadel und gab das Mädchen in ärzrliche Behandlung, um weitere schlimme Folgen zu verhüten.

Mannheim, 18. Sept. Ein schweres Un­glück ereignete sich heute dahier an der Rheinschachtel. Daselbst war ein Fuhrknecht des Fuhrunternehmers Gräf mit dem Ausladen von Backsteinen beschäftigt. Hierbei geriet der etwas zu nahe am Rheinufer stehende Wagen ins Rollen und lief in das Wasser, die zwei Pferde nach sich ziehend. Der auf dem Wagen stehende Fuhrmann, sowie die beiden Pferde verschwanden in den Fluten des Rheins und ertranken.

Baden, 19. Sept. (Badener Lotterie.) Der zweite Haupttreffer im Betrage von 8000 ^ fiel einem Säger in Baden (Schweiz) zu.

Frankfurt a. M., 20. Sept. Dr. Heinrich Hoffmann, der Verfasser desStruwwelpeter", ist heute an einem Schlaganfall, 85 Jahre alt, hier gestorben.

Leipzig, 20. Sept. In Büttner's Aethe- rischer Oelfabrik platzte ein Kessel mit 45 Centnern Firniß. Bei dem dadurch entstandenen Feuer wurden 3 Feuerwehrleute schwer, 6 leicht verletzt.

Magdeburg, 18. Sept. Major v. Wiß- mann hat sich, wie derMagdeb. Ztg." aus Lauter­burg gemeldet wird, in Elsdorf bei Bergheim mit einer Tochter des Geh. Kommerzienrats Eugen Langen in Köln verlobt.

Berlin, 19. Sept. DieKreuzztg." äußert anläßlich der Verlobung Wißmann's, daß dir Ueberzeugung nunmehr immer mehr Raum gewinne, Wißmann kehre nicht nach Afrika zurück und werde seine Stellung als kaiserlicher Kommissar für Ostafrika in naheliegender Zeit aufgeben.

Berlin, 20. Sept. Reichskanzler Graf C a - privi wird am 25. d. M. abends aus Karlsbad wieder hier eintreffen.

Berlin, 20. Sept. DiePost" erklärt, an zuständiger Stelle sei von einer Aendenmg in der Besetzung des Gouverneurpostens von Deutschostafrika nichts bekannt. Es werde vielmehr geglaubt, daß sich

Freiherr v. Schele auf dem Zuge gegen die Wahehe neue Lorbeeren erringen werde.

Berlin. Nach derStaatsbürger Ztg." ist derGeldvermittler" Albert Spiegel in der Git- schinerstr. verhaftet worden. Das gleiche Schicksal ist dem Inhaber der Uhren-, Goldwaren- und Juwelen­handlung in der Novalisstr. Mendel Treuherz be- schieden worden. Hoffentlich, so sagt das genannte Blatt, langt diesmal die Strafbehörde noch weiter aus unb legt auch anderenedlen Menschenfreunden" das Handwerk.

Bern, 18. Sept. Der Bundesrat erhielt eine Adresse aus Zürich mit 27 577 Unterschriften, worin um energische Maßregeln gegen die Anarchie ersucht wird. Der Empfang der Adresse wurde mit dem Bemerken bescheinigt, daß die Bundesbehörden wie bisher die Ausschreitungen, welche die guten Be­ziehungen zu den Nachbarstaaten oder den inneren Frieden stören, nicht dulden und gegen die Schuldigen die bestehenden Gesetze mit allem Ernst anwenden werden.

Wien, 19. Septbr. Die Blätter melden, Herzog Philipp von Württemberg, der Chef der katholischen Linie des Hauses Württemberg, beab­sichtige feine Wiener Hofhaltung aufzulösen und dauernd nach Württemberg überzusiedeln.

Wien, 20. Sept. Das Palais des Herzogs Philipp von Württemberg, der, wie gemeldet, demnächst nach Württemberg übersiedelt, wurde um drei Millionen Gulden von der französischen Negierung angekauft, die dasselbe zu einem Botschafterpalais umbauen lasten will.

Bozen, 16. Sept. Heute nach halb 8 Uhr abends wurde auf den Schnellzug in der Nähe des Kalvarienberges bei Bozen geschossen. Die Kugel flog durch das Fenster eines Salonwaggons, in dem Marchese Lavaggi saß. Dieser blieb aber unversehrt.

London, 19. Sept. Aus Shanghai wird gemeldet, der Kaiser von China hat auf die Nachricht von der blutigen Niederlage seiner Truppen und von der Gefangennahme seiner besten Offiziere mehrere Mitglieder der Hofgesellschaft sowie Gefangene hin­richten lasten. Ferner richtete der Kaiser einen dringen­den Aufruf an die Vertreter in Ostchina, damit diese fortfahren, Truppen heranzuziehen.

Shanghai, 19. Sept. Ein großes See­gefecht hat zwischen den Chinesen und Japanern im nördlichen Teil der Korea-Bai stattgefunden. Ver­schiedene chinesische Transportschiffe, von Kriegsschiffen gedeckt, setzten Truppen ans Land. Die japanische Flotte konnte dies nicht hindern, griff aber sofort die chinesische Flotte an, worauf ein verzweifelter Kampf entstand, dessen Ausgang für die Chinesen günstig war. Die japanische Flotte mußte sich nach Verlust von vier Kriegsschiffen und einer bedeutenden Änzahl von Toten und Verwundeten zurückziehen. Ein chine­sisches Kriegsschiff, der King-Aueng, wurde in den Grund gebohrt. Der chinesische Avmiral Ting und der (deutsche) Major Hanneken wurden verwundet. Die chinesische Flotte zog sich nach Wei-Hai-Wei zurück.

Nach den Berichten derCentral News"' aus Söul haben die Japaner ihren Sieg mit un­glaublicher Schnelligkeit ausgenützt. Sie stellten inner­halb 10 Stunden die Verbindungen zwischen Pingyang, Pongson und Söul durch Feldtelegraphen her und durchsuchten die Häuser nach chinesischen Flüchtlingen. Sie sandten eine fliegende Heersäule nordwärts, um. die Paste zu besetzen, ohne welche chinesische Truppen­durchzüge unmöglich sind, und erließen eine Bekannt­machung, worin sie die Koreaner aufforderten, ihren friedlichen Beschäftigungen nachzugehen und aller Feindseligkeiten und Verhandlungen mit dem Feinde sich zu enthalten, unter der Androhung kriegsgericht­licher Ahndung. Die Chinesen wurden geradezu in einer Falle gefangen. Der japanische Feldmarschall Jamagata ließ in der festen Voraussetzung, daß die Chinesen innerhalb der Befestigungen verbleiben wür­den, alle vorgeschobenen chinesischen Posten wie in ein Netz zurücktreiben, so daß die Chinesen thatsächlich bei dem letzten Angriff schon umzingelt waren. Viele Tausende flohen dem Thale nach nordwärts, fanden den Rückzug abgeschnitten und ergaben sich regimenter­weise. Die japanischen Verluste sind leicht, da die Chinesen nur wenige Augenblicke Stand hielten. Die Zahl der getöteten Chinesen wird auf 2300 angegeben, die Mauern der Stadt wurden durch die Kanonade beschädigt, die Stadt selbst blieb unbehelligt. Der Feldmarschall Aamagata hat schon aus Hiroschima. die Glückwünsche des Kaisers erhalten und durch Tagesbefehl die Truppen wegen ihrer ausgezeichnetem Tapferkeit gelobt. Thatsächlich rechtfertigte die Ge­nauigkeit, mit der die verschiedenen Heeressäulen bei den Angriffen mitwirkten, dieses Lob. Die Japaner waren den Chinesen dreifach an Zahl überlegen, ebenso an Artillerie und nicht minder an Intelligenz. In Tokio herrscht ungeheurer Jubel. Die Glocken werden den ganzen Tag über geläutet und Salutschüsse abgefeuert. In Shanghai verbreitete die Niederlage großes Entsetzen, da die chinesische Armee in Korea aus ausgesuchten Truppen bestand. Alan, fürchtet, daß auf den Sieg ein Einmarsch in China erfolge. Dre Niederlage gilt für ein chinesisches- Sedan. Es ist aber unwahrscheinlich, daß dis Japaner in jetziger Jahreszeit einen Marsch auf Peking versuchen.

Standesamt Kaka».

Geborene:

13. Sept. Christian Ludwig, Sohn des Christian. Ayasse, Fabrikarbeiters hier.

Gestorbene:

17. Sept. Eugen Leidner, 6H- Jahre alt, Sohn des ch Christof Friedrich Eugen Leidner,. gew. Kaufmanns in Heilbronn.

Gottesdienste

am 18. Sonntag nach Hrinitatts, 23. Sept.

Vom Turm: 272. Predigtlied: 353.

9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun.

1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr im Vcr- einshaus Missionsstunde Herr Missionar Hesse.

Mittwoch, 10 Uhr, Betstunde im Vereinshaus. Kreitag, 10 Uhr, Vorbereitungspredigt und- Beichte: H. Stadtpfarrer Schmid.

td. flkochdruck oerdolen.>

ItiLLevwochen.

Skizzenblatt von F. Storck.

(Schluß.)

Was die kleine Frau in der Tiefe des Gemaches entgrgnete, verstand ich nicht. Er aber brauste aus:

Mein Gott ja I Was ist da weiter? Ich Hab« eben nichts mehr! Wollte mir vom Oberkellner hundert Mark lechen, damit wir morgen fort können, da macht der Kerl ein Geschrei, als ob ich ein Betrüger wäre. Ich muß nun Deiner Mutter telegrophiren, daß sie per Draht Geld sendet. Ei ist ja eine reine Bagatelle. Nun sei geichttdt. Liebchen, nimm die Affair« nicht gleich tragisch. Komm her, setze Dich auf meine Knree, ich muß diese kindischen Thränen von deinen zarten Wangen küssen." Sein Ton war tändelnd, schmeichelnd geworden.

Wiüxr eine Pause. Schluchzende Laut« trafen mein Ohr. Ich wollte mich zurückziehn. Es war indiskret hier zu stehen und doch hielt mich «in seltsames Ge­fühl, halb Mitleid, halb unbestimmte Bangigkett, -«bannt.So? Deine Mutter schickt nichts?" scharf, höhnend, klang seine Frag«.Nun, das wäre einfach infam, uns hier in der Patsch« sitzen zu lasten! Sie ist ja reich. Solche Lumperei ist ihr «ine Kleinigkeit!"

Weder unverständlich«, thränenerstickte Laut«.

.Gut. Wenn Mama es über'» Herz dringt, nichts für uns zu thun, so wäre da» Einfachste, «ch «nacht« «in schnelle« End«. Denn daß Du es weißt, ich brauche mehr, ich brauch« Tausend« für unser Geschäft." sagte er heiser. ^8s ist ja eine Illeinigiett. ein Druck und Alles ist vaedei."

Ein Schrei, herzzerreißend, tönte herauf. Dann sie mußten nahe am Balkon stehen schluchzte sie:Ich beschwöre Dich, Ernst, gehe nicht von mir! ' Ich ertrüge das Leben nicht ohne Dich. Fort, wirf es fort jenes häßliche Ding! Du willst mich nur schrecken! Mama soll AlleS geben, ich, ich werde ihr schreiben,

und sprich nie wieder solche grausame Worte, nie wieder."-

So halte ich Dich denn, mein süße» Weib! Halte Dich fest an meinem Herzen, ich könnte diese lebenden Lippen zu Tode küssen. Verzeih, waS ich in Verzweiflung habe thun wollen. Wie thöricht, diese köstlichen Tage reinen Glückes durch elende Geldsorzen zu verbittern."

Bebende, unverständliche Laute antworteten auf diese Worte des Leichtsinns, die mich schaudern machten. Warum war er nicht Schauspieler geworden? Und es war empörend er konnte schon wieder lachen.

Du meinst. Schatz, daheim solle es noch schöner werden? O Närrchen! Flitterwochen halten keine Ewigkeiten vor. Eben darum wär'S Wahnsinn. Sünde, sie zu kürzen. Morgen lelegraphirst Du an Mama, und übermorgen wiegen uns die Wellen deS Bodensee'S. Ist das nicht ein kleines Opfer wert, wenn wir so Herz an Herz im Gefühl unserer Liebe selig, über die klaren Fluten getragen werden?" Warum treten mir brennende Thränen in'S Auge? War'« Mitleid mit dem leichtgläubigen, jungen Weide? War'S Zorn über diesen kecken, redegewandten Mann?

Ich habe Beide nicht wieder gesehen. Rheinische Zeitungen brachten nach wenigen Monden die Konkursanzeige über das Vermögen Ernst Weigels.

Arme, junge Frau! Ob sie ihn noch nicht durchschaut Heck? Ob sie ihn noch immer anbetet? Wohin ist er geflogen der gleißende Flitter dieser Flitterwochen?'