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der Herzog Alb recht von Württemberg, Lord Lons- dale, General der Infanterie Golz, Oberpräsident Graf zu Stolberg, der Kabinettschef Geh.-Rat Dr. Frhr. v. Griesinger, die General-Lieutenants Frhr. v. Fal­kenstein und v. Plessen, der Oberstallmeister Frhr. Geyr v. Schweppenburg, die Obersten v. Schott, v. Grävenitz, Frhr. v. Walter, Oberstlieutenant v. Arnim, Kammerherr Graf Eulenburg-Gallingen und mehrere als Ordonnanzoffiziere kommandierte Offiziere. Zum Empfange hatte sich Landstallmeister v. Frankenberg und Proschlitz auf dem Bahnhofe eingefunden. Die in Trakehnen kommandierten Offiziere und einige Be­amte, welche die Führung des Gefolges übernehmen sollten, wurden Seiner Majestät vorgestellt. Nachdem Höchstderselbe den Landstallmeister aufs huldvollste begrüßt und den Rapport des Königlichen Hauptgestüts entgegengenommen hatte, wurden unter lebhafter Be­grüßung seitens des Publikums die bereitgehaltenen Equipagen bestiegen. An der Tete vor dem König­lichen Wagen sprengten zwei Oberstutmeister auf blen­dend schönen Rappen in ihrer malerischen Uniform mit dem Dreimaster als Vorreiter einher. Den Wagen Seiner Majestät zogen 4 prächtige Schwarze, die edel­sten aus Trakehnens edler Schaar. Wie Pfeile flogen sie dahin, kaum mit den Hufen die Erde berührend. Die 4 feurigen Tiere wurden vom Bock gefahren. Der zweite Wagen, ebenfalls mit flotten schönen Rappen bespannt, führte Se. Kgl. Hoheit den Herzog, dann folgten wiederum 2 Vierspänner, edle Braune L 1a vamnont gefahren, und den Schluß bildete die statt­liche Kavalkade der übrigen Wagen. So ging es durch das Trakehner Gebiet, alle Häuser hatten Schmuck angelegt und mit brausendem Hurrah begrüßte die zahlreiche Menge den fremden Monarchen. Am Schlosse angelangt, empfing Frau v. Frankenberg Seine Majestät, überreichte einen Strauß von Trakehner Rosen mit littauischen Bändern und geleitete die hohen Gäste in die Gemächer, die schon so oft hohe und höchste Gäste beherbergt haben. Nach beendetem Diner, bei welchem dre Gattin des Landstallmeisters zwischen dem König und dem Herzog Albrecht Platz genommen hatte, unternahm Seine Majestät eine Rundfahrt durch das Gestüt. Zunächst galt der Besuch den Haupt­beschälern, die sich in prächtigster Parade zeigten, 17 an der Zahl, darunter 8 Vollbluthengste und 9 Tra­kehner, Sie erweckten die Bewunderung des Monarchen, ganz besonders gefiel der 4jährige Rapphengst Edeling vom Anarch a. d. Editha. Dann ging die Fahrt weiter zu den fünf Mutterherden, sowie zu einer Herde junger Stuten und Hengste. Ganz besonderes Ver­

gnügen erregte die Art und Weise, wie die Hirten im langen Galopp um ihre Herden herumsprengten, dabei mit der langen Peitsche knallend, um die mutigen Tiere zusammen zu halten. Auch all diesen Herden galt das höchste Lob des für die edle Pferdezucht so passionierten Königs. Um 5 Uhr Min. erfolgte bereits die Rückfahrt wiederum mittels Extrazugs. Seine Majestät verabschiedete sich vom Landstallmeister in der herzlichsten Weise und äußerten das Bedauern, nicht länger und eingehender dem Studium dieser größten und vornehmsten Zuchtstätte des Halbblut­pferdes haben obliegen zu können.

London, 12. Sept. Heute fand von Stowe House aus die Beisetzung des Grafen von Paris in der vorgeschriebenen Weise statt. Vorher wurde in der Schloßkapelle eine Trauermesse abgehalten, der nur die Familienmitglieder beiwohnten. Die Trikolore wehte auf Halbmast. Am Schloßthor erwarteten den Leichenzug der Stadtrat mit dem Korps der freiwilligen Schützen; die Verwandten folgten im Wagen. Nach der Ankunft des Sargs in Weybridge begab sich der Herzog von Orleans mit den Verwandten nach der Station und wohnte der Uebertragung des Sargs in den Leichenwagen bei. Der mit wehenden Feder­büschen gezierte Totenwagen wurde von sechs Rappen mit schwarzen Federbüschen auf der Stirn gezogen. Nachdem der Sarg aus dem Waggon in den Toten­wagen von zehn Franzosen übergetragen war, wurde der Totenwagen mit schwarzen Sammetbehängen um­hüllt, die je zwei blaue mit je drei Goldlinien ver­zierte und mit schwarzen und weißen Rändern um­gebene Wappenschilder trugen. Als der Zug sich in Bewegung setzte, schloffen sich die französischen Komites an. Ein Traueramt fand sodann in der Borromäus- kirche statt. Der feierlichste Augenblick war der, als General Charette die Flagge der päpstlichen Zuaven über dem Sarg entfaltete. Die Prinzessinnen nahmen rechts Platz. Links saßen die Prinzen, die Herzoge von Jork und von Oporto und Prinz Philipp von Coburg, sowie der belgische, der portugiesische und der spanische Gesandte. In Weybridge waren sämt­liche Häupter der royalistffchen Partei versammelt. Ungeheure Kränze und Kreuze wurden von den fran­zösischen Komites nach der Kirche gebracht. Heute fand im Grosvenor-Hotel eine Versammlung von Royalisten statt, um dem Herzog von Orleans zu huldigen. Um 5 Uhr, als die Abgesandten der fran­zösischen royalistffchen Vereine sich versammelt hatten, erschien der Herzog von Orleans und las eine Rede folgenden Inhalts ab:Ihr Erscheinen verbürgt mir

Ihre Sympathie für meinen Vater und Fortdauer- Ihrer Treue. Ich kenne die Rechte und Pflichten», die mir meine Stellung auferlegen. Gestärkt durch Ihre Hilfe werde ich versuchen, das Beispiel, das mein Vater mir gegeben hat, zu befolgen. Ich bin noch jung, aber ich liebe mein Vaterland und werde mit Hilfe Gottes meine Aufgabe erfüllen." Lang­andauernder Beifall begrüßte diese Ansprache. Dar­auf ließ der Herzog sich einzelne Abgesandte vorstellen.

New-Jork, 13. Sept. In Memphis wurde- durch einen Wirbelsturm der ganze nördliche Stadt­teil zerstört. Der Schaden beträgt mehrere Mil-, lionen Dollars.

New-Jork, 13. Sept. Aus den Staaten. Wisconsin und Minnesota wird gemeldet, daß das Feuer aufs neue in anderen Waldteilen ausgebrochen. Bereits sind mehrere Ortschaften verbrannt und eine- Anzahl anderer stehen in großer Gefahr.

Standesamt Kakw.

Ge b or e n e :

4. Sept. Emma Julie, Tochter des Jakob Schneider». Bäckers hier.

8. Franz Xaver, Sohn des Ambros Sailer,.

Weichenwärters hier.

9. . Emma Luise, Tochter des Franz Albert

Hauser, Mechanikers hier.

11. Wilhelm Gottlob, Sohn des Wilhelm Friedr..

Schaub, Schuhmachers hier.

11. , Hermann Heinrich, Sohn des Hermann

Dierlamm, Bäckermeisters hier. Getraute:

13. Sept. Christian Ohngemach, Stationswärter auf Station Teinach und Friedrike Mag- dalene Nutz von hier.

Gestorbene:

7. Sept. Hans Hippelein, 3 Monate alt, Sohn des Ernst Hipp klein, Fabrikanten hier. 9. Johann Georg Hammann, 6 Wochen alt,..

Sohn des Michael Hammann, Ma-. schinenstrickers hier.

Gottesdienste

am 17. Sonntag nach Hrinitatis, 16. September. Vom Turm: 283. Der Kirchenchor singt:Herr, , zu Dir will ich mich retten" von Mendelssohn. Predigt­lied: 641. 9 Uhr Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr. Nachm.-Predigt: Herr Dekan Braun.

Mittwoch, 10 Uhr, Betstunde im Vereinshaus. Krektag, 21. September. Aeiertag Matthäi.

9 Uhr Predigt: H. Stadtpfarrer Schmid.

Von weiteren Ereignissen aus dem Zeitraum entzieht sich das Meiste dem allgemeinen Interesse. Hervorgehoben sei nur noch die Schenkung des Oelgemäldes eines früheren Schüzenmeisters (Sattlermeister Gentsch) vom Jahr 1724 an die Schüzengesellschaft durch den Schüzenmeister Dr. Müller im Februar 1859. Das Bild wurde reparirt und erregte allgemeine Freude. Es wurde unter Glas und Rahmen gebracht und schmückt noch heute das inzwischen ins Wurstbrunnenthal verlegte Schießhaus.

V.

Im Jahre 1860 legte, wie schon bemerkt, der um die Gesellschaft hoch­verdiente vr. Müller das Schüzenmeisteramt nach 15jähriger Amtsführung nieder. Ihm folgten als Schüzenmeister Müller Reichert bis 1862, Rechtskonsulent Klinger 18621870; Müller Reichert (nachdem Lorenz Staudenmayer und E. Horlacher die Wahl abgelehnt) 18701874. Dieser starb am 14. März 1874, und an seine Stelle wurde am 28. März Eugen Horlacher gewählt, der das Amt bis 1887 bekleidete, seit 1880 unter der Bedingung, daß ihm ein Viceschützenmeister beigegeben werde. Seit 1887 ist Schüzenmeister Hr. Fabrikant H. F. Baumann, der der Gesellschaft seit 1867 und dem Ausschuß seit 1869 angehörte. Ueber diesen letzten Zeitraum kann ich, da seine Geschichte gewiß vielen noch in lebhafter Erinnerung steht, im Ganzen kurz hinweggehen.

Im April 1863 wurden die Schießübungen am Sonntag vor dem Vor­mittagsgottesdienst erlaubt. Um dieselbe Zeit stiftete Herr Hutten einen laufen­den weißen Hirsch und einen Zuaven als bewegliche Scheibe. Das Jahr 1866 brachte wieder eine politische Bewegung. Es bildete sich ein Wehrverein und im Juni wurde beschlossen, dessen Mitgliedern, aber nur diesen, das Schützenhaus zur Verfügung zu stellen. Im April 1875 erfuhr das Schützenhaus eine wesent­liche Vergrößerung. Infolge der Benützung weitertragender Gewehre (im Jahre 1868 wurde der erste Hinterlader zur Schießstätte gebracht) mußte mehrfach auf Herstellung besserer Sicherheitswände und Anbringung von Warnungstafeln Be­dacht genommen werden. Auch an Sorgen und Zerwürfnissen fehlte es nicht; doch wurden diese immer glücklich überwunden. Der Mitgliederstand betrug 1862: 44, 1863: 40; während des Eisenbahnbaues fand durch den Eintritt vieler Bau­techniker eine beträchtliche Zunahme statt, nachher wieder, namentlich durch den Austritt einiger Weilderstädter infolge der Gründung einer eigenen Schützengesellschaft daselbst, eine allmähliche Abnahme. 1892 waren es noch 34, 1894 wieder 42 Mitglieder. Im wesentlichen ist also die Mitgliederzahl, von außerordentlichen Verhältnissen abgesehen, ziemlich konstant geblieben.

Einem Zug der Zeit folgte die Schützengesellschaft, indem sie den Bestre­bungen zu einem engeren Zusammenschluß der bedeutenderen Schützengesellschaften des Landes ihre volle Teilnahme zuwandte. Schon 1849/50 war der Gedanke eines Württembergischen Schützenvereins angeregt worden, bei der vorberatenden Versammlung in Stuttgart und auf dem Schützenkongreß in Ulm war Calw ver­treten gewesen, aber erst im Mai 1866 lesen wir wieder von einer vom Schützen­meister ergangenen Aufforderung zum Beitritt zum Württembergischen Schützen­verein, welche zahlreiche Beitrittserklärungen zur Folge hatte. Schon vorher war die im Frühjahr 1863 angeregte Gründung eines Schwarzwald-Schützen­vereins zustande gekommen: zu dem am 29.31. Mai 1864 in Rottenburg statt­findenden Festschießen des Kreis-Schützenbundes erging auch an die Calwer Ge­

sellschaft eine Einladung, und auch der am 7. August d. I. in Göppingen abge­haltene Schützentag wurde von ihr beschickt. Endlich ist in diesem Zusammen­hang zu erwähnen, daß sie auch den seit 1861 ins Leben getretenen allge­meinen deutschen Schützentagen von Anfang an ein großes Interesse entgegen­brachte, wenn auch an dem ersten Bundesschießen in Gotha kein Calwer Schütze sich beteiligte. Zum V. deutschen Bundesschießen in Stuttgart 1875 wurde ein Schützenfestfond gegründet, eine Ehrengabe gestiftet und den Teilnehmern am Feste je ein Beitrag von 20 gewährt. Dieses in solcher Nähe stattfindende Schützen­fest übte überhaupt einr besonders belebende und anregende Wirkung auf die Gesellschaft aus. Es ist jedoch hier nicht möglich, über die neuere Geschichte der Gesellschaft noch weitere Mitteilungen zu machen, sondern, da Heuer zugleich das 25jährige Jubiläum der Eröffnung des neuen Schießhauses ist, so soll nur noch kurz die Feier dieser Eröffnung am Sonntag den 6. Juni 1869 beschrieben werden. Es bewegte sich ein Festzug, zu dem auch der Turnverein eingeladen war, mit Musik von der alten Schießstätte zur neuen. Bel Ankunft des Zugs wurden auf dem Schloß 25 Böllerschüffe abgebrannt. Mittags fand ein Preis- schießen statt und abends 7 Uhr begab sich der Zug in den badischen Hof, wo ein Bankett stattfand und Freunde der Schützengesellschaft eingeladen waren.

In ähnlicher Weise ist dieser Tage das hundertjährige Jubiläum der Ge­sellschaft gefeiert»worden. Solche Höhepunkte im Leben eines Vereins pflegen zur Folge zu haben, daß das Interesse für denselben wieder weitere Kreise er­greift. Möge auch dieses Jubiläum der Schüzengesellschaft recht viele zur Er­wägung des Gedankens anregen, ob es nicht auch ihnen wohl anstünde, einem Bunde anzugehören, der dem Grundsatz huldigt:

Ueb Aug' und Hand

Fürs Vaterland.

Immer in Tagen der Gefahr hat sich eine größere Anzahl von Bürgern als sonst um den Kern der Schüzengesellschaft geschart. Heutzutage, in der Zeit der allgemeinen Wehrpflicht, halten es viele für überflüssig, sich noch privatim in der Handhabung der Feuerwaffen zu üben. Aber Uebung macht den Meister, und wer in der Uebung bleibt, hat gewiß, wenn er wieder einberufen wird, keinen Nachteil davon. Waffenübung war von Urzeit an der Stolz der Germanen; an den Waffen hatten sie zu allen Zeiten ihre Freude, und daß das beim deutschen Manne im Blut liegt, sehen wir ja an unfern kleinen Kindern und Heranwachsenden Knaben. Von den Erwachsenen werden auch nicht alle Wehrpflichtige wirklich Soldaten. Aber wir haben das Landsturmgesetz, und wer weiß, wann es ein­mal mit dem Landsturm Ernst wird. Es können immer wieder Zeiten wie 1794 und 1848 kommen. Ist es da nicht besser, wenn der Landstürmer mit dem Gewehr schon umzugehen weiß, als wenn er es erst lernen muß? Ja, die Schüzen- gesellschaften haben heute noch nicht bloß eine geschichtliche Bedeutung, sondern auch eine geschichtliche und patriotische Berechtigung. Immer sind es patriotische Männer gewesen, die die Schüzensache hoch gehalten haben. Möchte es auch in unfern Tagen noch recht viele Männer geben, die ihren Patriotismus durch die Pflege der Schießkunst, nicht bloß zum Vergnügen, sondern zur Erhaltung ihrer Wehrhaftigkeit und zur Erhöhung der Wehrhaftigkeit des Vaterlandes bethätigen! Das wäre für die Calwer Schüzengesellschaft die schönste Frucht ihres hundert­jährigen Jubiläums!