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so viele, so unvorsichtig, keine Legitimationspapiere bei sich zu führen. Da zufälligerweise rin Adolf Fleischmann steckbrieflich verfolgt wurde, so verhaftete man ihn. In Rottweil hatte er keinen Bekannten, und so kam er auf den Gedanken, hierher nach Ebingen an einen von ihm schon mehrfach besuchten Gasthof zu telegraphieren mit der Bitte, man möge von dort aus seine Personalien feststellen. Der Sohn des Hauses reiste kurz entschlossen nach Rottweil. Aber o Jammer! Als er dort ankam, entdeckte auch er, daß er seine Papiere zu Hause gelaffen hatte, und so mußte er nun seinerseits nach Bekannten in Rottweil fahnden, die ihm bezeugten, daß er der Gasthofsohn sei, für den er sich ausgab. Es gelang ihm das und Herr Adolf Fleischmann wurde in Freiheit gesetzt. _
München, 24. Aug. Heute früh 7 Uhr wurde bei dem gefechtsmäßigen Schießen mit scharfen Patronen des 2. Bataillons des 2. Infanterieregiments bei Simbach ein sechsjähriger Knabe erschaffen. Die Uebung wurde sofort abgebrochen.
München, 24. August. Von den bayer. Manöverfeldern in Griesbach, Eggenfelden und Vilsbi- burg war die Nachricht verbreitet, daß im Bereich bäuerlicher Wohnsitze scharf geschaffen werde und die Besitzer gezwungen würden, ihre Häuser zu verlassen. Nunmehr sind die „N. Nachr." ermächtigt, folgenden Sachverhalt zu veröffentlichen: „Zunächst sind die Nachrichten, die bisher über diese Angelegenheit in der Presse verbreitet wurden, arge Entstellungen. Es wird überhaupt nicht im Bereich menschlicher Wohnungen geschossen. Da aber die Möglichkeit gegeben ist, daß durch die Streuung der entladenen Sprenggeschosse die außerhalb des Schußbereichs liegenden Anwesen von Splittern getroffen werden könnten, wurden die betreffenden Besitzer ersucht, ihre Häuser für die Dauer der Schießübungen, immer nur wenige Stunden, zu verlassen, und ihnen dafür eine Entschädigung angeboten. Da einige Besitzer erklärten, sie würden nur der Gewalt weichen, wurden durch eine Aenderung der Zielaufstellung die Anwesen der Betreffenden vollständig unberührt gelaffen. Von einer gewaltsamen Vertreibung der Bewohner von ihrem Besitztum ist keine Rede. Die Militärverwaltung ist bemüht, ihre Einrichtungen mit möglichster Schonung privater Interessen zu treffen."
Erfurt, 21. Aug. Ein entsetzliches Unglück hat sich gestern Abend hier ereignet. Ein Offiziersbursche führte das Reitpferd seines Herrn spazieren, das, wie es heißt, mehrere Tage nicht aus dem Stalle gekommen sein soll. Mit einem Male warf sich das Tier auf den Burschen und biß ihm den rechten Arm samt dem Knochen durch; sodann warf das rasende Tier sein Opfer nieder und schlug und biß den Unglücklichen so lange, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Auch als Leute hinzueilten und mit Stöcken auf das Pferd einhieben, war es nicht von dem bedauernswerten Burschen wegzubringen. Der Körper des Unglücklichen war furchtbar zugerichtet. Bald darauf starb der Arme.
Berlin, 24. Aug. Ahlwardt hat nunmehr die Aufforderung erhalten, am 28. August seine dreimonatliche Gefängisstrafe wegen Beleidigung des preußischen Beamtentums in Plötzensee anzutreten.
Berlin, 25. August. Die von der sozialdemokratischen Partei auf gestern Abend einberufenen 37 Versammlungen mit der Tagesordnung „Der gegenwärtige Stand des Bierboykotts" waren von zusammen circa 15—20,000 Personen besucht. In der von allen Versammlungen gleichlautend angenommenen Resolution, erklären sich die Versammelten mit der Fortführung des Bierboykotts einverstanden und verpflichten sich, denselben nach Kräften weiter auszudehnen, bis die Arbeiter und Arbeiterinnen Berlins kein Ringbier mehr trinken.
Varzin, 24. Aug. Für die auf den 16. Sept. angekündigte Huldigungsfahrt von Deutschen aus der Provinz Posen zum Fürsten Bismarck werden schon jetzt Dispositionen getroffen. Bei regnerischem Wetter wird Fürst Bismarck die geplante Huldigung in der Hammermühle entgegennehmen. Der Gesundheitszustand der Fürstin bessert sich andauernd.
Jnterlaken, 26. Aug. Das Hotel Viktoria steht in Flammen. Das Feuer brach während der Tadle d'höte aus, an welcher 180 Personen teilnahmen.
Wien, 26. Aug. Die Czernowitzer Landesregierung beschlagnahmte eine große Sendung russischer Gebetbücher, welche zur Verteilung an die österreichischen Ruthenen bestimmt waren. Die in den Gebetbüchern befindlichen Gebete für die Familie des Zaren werden als hochverräterisch angesehen.
Brüssel, 24. Aug. In einem Haferfeld bei La Louviere fanden Arbeiter in Zeitungen gehüllte Dynamitpatronen.
Petersburg, 24. Aug. Professor Sacharin von Moskau wurde zum Zaren berufen. Der Zar leidet hauptsächlich an den Nachwehen der s. Z. aufgetretenen Lungenentzündung. Die Aerzte drängen auf Luftveränderung, deshalb tritt der Zar die Reise nach Kopenhagen früher als ursprünglich beabsichtigt an.
London, 25. Aug. Die „Times" meldet aus Shanghai, daß mehrere japanische Transportschiffe Truppen an der Mündung des Tatanflusses abgesetzt haben. — Aus Jokohama meldet die „Times", daß die japanische Flotte augenblicklich die feindliche Flotte suche, 35000 Japaner seien bereits in Korea ans Land gesetzt worden und Verstärkungen folgten nach.
London, 25. Aug. Aus Tokio wird gemeldet: Das Kriegsministerium empfing bis zum SO. ds. Mts. Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Bis dahin hat keine Schlacht stattgefunden, aber die feindlichen Heere nähern sich. Am 17. ds. Mts. fand nur ein Zusammenstoß zwischen japanischen Vorposten und der chinesischen Vorhut statt, welche sich der Telegraphen in Tschunzhwa bemächtigt hatte. Nach lebhaftem Gefecht zogen sich die Japaner nach Pongsan zurück. Ein japanischer Lieutenant fiel, fünf Gemeine wurden verwundet. Der Verlust chinesischer- seits ist auch unerheblich.
New-Dork, 24. Aug. Infolge Unruhen in» der Weberei-Industrie des Staates Nsw-Aork sind 25000 Arbeiter entlassen worden.
Shanghai, 24. Aug. Auf kaiserlichen Ver fehl ist der Eingang zum Arsenal von Kiangnan jedem: Fremden verboten worden, welcher nicht im Besitze einer speziellen Erlaubnis ist. Der Befehl trifft auch die Schiffahrt. Die Schiffe müssen mitten durch den Fluß fahren und dürfen sich dem Arsenal nicht näheren,, unter der Gefahr angegriffen zu werden. Ein weiteres Dekret befiehlt die Ausbildung und Ausrüstung von 10000 Mann aus der Mandschurei und der Provinz , Peking, welche die Garnisonen der Provinz Petschili verstärken sollen. Die Kaiserin hat 12 Millionen Tasl zur Verfügung gestellt. 40 Residenten haben Shanghai verlassen. Eine große Anzahl Chinesen, kommt mit jedem Schiffe von Japan nach Hongkongs
Kermischtes.
— Aus Frankfurt wird geschrieben: Ein, hiesiger Heiratsvermittler klagte auf Zahlung seiner Provision von 60 die ein Handwerker ihm versprochen hatte. Dieser gab das zu, erklärte jedoch,^ der Verpflichtung enthoben zu sein, weil seine Frau,,, die der Vermittler als sanft und gut empfohlen habe,, zanksüchtig und böse sei. Die so geschilderte „bessere Hälfte" war zugegen und verließ empört den Gerichtssaal mit den geflügelten Worten: „Na wart'! Komm' Du nur heim!" Er aber that nicht dergleichen, ist vielmehr seither verschwunden.
— Einem falschen Dowe-Panzer will, der Mannheimer Schneidermeister auf die Spur gekommen sein. Wie er einem Korrespondenten mitteilte, ist er dem Urheber der Nachricht, daß sein Panzer in Spandau der Infanterie-Patrone nicht Stand gehalten habe, nachgegangen, und will dabei die überraschende Entdeckung gemacht haben, daß eine Nachahmung seiner Erfindung in Spandau hinter seinem Rücken zur Probe vorgelegt worden sei, diese aber nicht bestanden habe. Des Verrats beschuldigt er den Kunstschützen Martin, mit dem er bisher zusammen aufgetreten ist. Martin soll dies auch in Zwickau einem Offizier gegenüber zugestanden haben. Dome hat inzwischen seinen Panzer in Aachen und in Mannheim wiederum von Offizieren prüfen lassen und wiederum das Ergebnis gehabt, daß die Patrone des Armee-Jnfanterie-Gewehrs nicht durchzuschlagen vermochte. Von Martin hat sich Dome getrennt, er reist jetzt in Begleitung des Kunstschützen Western, dem er seine bepanzerte Brust darbietet.
DasRecht aufArbeit in derSchweiz. Die Volksabstimmung über die Anerkennung des. Rechtes auf Arbeit in der eidgenössischen Verfassung hat die Verwerfung des dahin gerichteten sozialistischen Antrags mit großer Mehrheit ergeben. Die Mehrheit wäre noch bedeutender gewesen, wenn nicht ungefähr die Hälfte der Stimmberechtigten sich von der Abstimmung fern gehalten hätte; im Gegensätze hierzu war die sozialdemokratische Partei nahezu vollzählig, zur Abstimmung geschritten. Von den Kantonen hatte
Übel Vorbeugen, weil ich über Sie unterrichtet war. Nun ist'S doch geschehen. Der Kapitän hatte mir gesagt, er würde gegen Sonnenuntergang mit Ihnen zu Wasser kommen. Sonst wäre ich nicht fortgeritten, — das unglückselige Pferd! Es ist an allem schuld!" Er stützte den Kopf in beide Hände.
Ich trat zu ihm. Da sprang er auf und legte mir eine Hand auf die Schulter: „Nein, ich will nicht schwach werden. Sie sollen und dürfen meine Tochter nicht haben! Und von dem Herumzerren mit Briefen von Europa nach Westindier» und zurück, mit den jahrelangen, verzehrenden, nutzlosen Redensarten von ewiger Treue, die keine Früchte tragen kann, ist'S auch nichts! Also, mein Freund, banäs okk! Briefe werden Stück um Stück zurückgeschickt, und daß Sie in den nächsten Jahren sich nicht auf ein Schiff kommandieren lassen, das nach Westindien geht, dafür dürfte Ihre eigene Ehre mir bürgen. Gott befohlen!"
Er nahm meine Hand und schüttelte sie, daß eS mir weh that. — Dann ging er mit großen, schnellen Schritten auf das Haus zu.
Ich legte die Hände an die Stirn. Ich war betäubt. Der Sturz war zu jäh und furchtbar. Ich fiel nieder auf die Bank. Vor mir lag dar Meer, das schon anfing, den Glutglanz der untergehenden Sonne prächtig zu spiegeln. Es that mir in den Augen weh. Ich wandte das Gesicht. Dort lag das Haus, still, grenzenlos einsam, leblos. Regungslos neigten die Palmen ihre Kronen darüber. Da mochte sie jetzt, Carmen, in Thränen liegen und im Schmerz sich winden, vor ihr der Unerbittliche, Furchtbare, — so furchtbar, weil er recht hatte —!
Die Sonne sank — ich mußte fort! Der Dienst! Aber am Hause vorbei? Nicht umS Sterben. Die Rinne dort im Gestein, die nach unten führte — da war ja ein Weg. Einer freilich, auf dem man den Hals brechen konnte. Was that'S? — Ich trat an den Rand, slbnollte den Säbel ab und warf ihn voran hinunter auf den Sand. Noch ein Blick zurück — ja: „Sein Engel behüte dich!" — und
ich stieg ab; hier gleitend, dort mich abstützend, hier festhaltend, mit der Fußspitze suchend — instinktiv, ohne rechten Willen und ohne Überlegung — meine Gedanken waren verworren, waren bei ihr, bei unserm furchtbaren Leid. — Nun war die Rinne zu Ende, unter mir Lust, wohl an fünfzehn Fuß, unten weißer Sand und Strand; hinab in Gottes Namen; zurück führte kein Weg; ich setzte an zum Sprung; da ertönte über mir ein Schrei. Ich stürzte herab auf den Sand in die Knie und schaute aufwärts; ganz da oben über dem Felsen zeigte sich ein unsäglich holdes, verweintes Gesicht, um welches feffelloS das dunkle Gelock des Haares wallte, und eine Hand hebt sich, und weiß flattert'S herab — „I'ai'ervell, karsvell!" höre ich'S schollen — zu meinen Füßen liegt das Tuch und blutrot aus ihm hervorlugend eine Hybiskusblüte. Ich schaue immer noch empor, aber das holde Traumgesicht ist verschwunden. —
Nein, ein Traum war's nicht. ES war kein Traum, daß ich sie einst in den Armen hielt; kein Traum, daß sie zum Abschied so mich grüßte mit ihrem ^srevell! Kein Traum, daß ich sie geliebt und noch liebe wie mein Leben, jetzt nach drei Jahren draußen auf weiten Meeren in Sturm und Sonnenschein, fern und immer ferner von ihr — wie in jener Stunde des Abschieds; aber traumhaft ist rnir'S nur, daß ich das alles habe durchmachen können, ohne mich dabei innerlich zu verbluten! Keine Nachricht, kein Ton, ob sie meiner gedenkt, ob sie lebt oder gestorben, ob sie in Wonne blüht oder in Leid verwelkt ist, ob sie allein, oder eines andern geworden. —
Schrecklicher Gedanke! —karevsll! ES heißt nicht wieder: „Llaeta wnaana!" Hat's manche draußen geflüstert: ich habe eS nicht gehört! Vor mir auf meinem Tisch da steht ein Glaskästchen. In dem liegt das weiße Tuch und die welke Blüte. Dies sind mir Zeugen, daß es kein Traum war. — Warum durfte es keiner seinl
Nein, Gott sei Dank, daß es keiner war!
(Fortsetzung folgt.)