416

Kalkstaub über die Gesichter der beiden Knaben, welche solch schwere Verletzungen davontrugen, daß ihre sofortige Verbringung in eine Augenklinik nach Stutt­gart nötig wurde.

Ebingen, 31. Aug. Letzter Tage ging durch die Zeitungen, die auch von uns gebrachte Nachricht, Direktor Gilly vom Bad Jmnau habe sich nach einem in Jmnau eingetroffenen Telegramm am letzten Montag in Baden-Baden erschossen. Von Jmnau wird nun geschrieben, daß man dort von der Existenz des fraglichen Telegramms erst aus den Zeitungen erfuhr. Wie weiter verlautet, soll Gilly in Baden-Baden leben und an einem schon bestimmten Tage sich in Hechingen.zu einer Verhandlung stellen.

Karlsruhe, 22. Aug. Der Mangel an Schlachtvieh in Folge der vorjährigen Futter­not macht sich von Tag zu Tag fühlbarer. Die Metzger in den Ortschaften und in den kleineren Städten sind nicht mehr in der Lage, ihren Fleisch- ^ bedarf zu decken, da bei uns selbst zu den höchsten Preisen kein Vieh mehr aufzutreiben ist. Der ganze Schlachtviehhandel konzentrirt sich daher auf die großen Schlachthöfe, nach welchen jetzt eine enorme Zufuhr ausländischen Viehes stattfindet. So gelangen jetzt im Karlsruher Schlachthof jeden Montag gegen 300 Stück Großvieh vom Budapest«! Weltmarkt zum Auftrieb und kann man hierbei die interessantesten Rassenstudien machen; Kärntner, Grazer, Mährisches, Montasuner, Pinzgauer, Ungarisches Steppenvieh rc., sind hier vertreten, neuerdings sogar Büffel, die in der Jugend ein ganz gutes Fleisch liefern. Der Zu­drang auswärtiger Metzger ist daher auch sehr stark und schlachten hier nicht nur Metzger von Durlach, Ettlingen und vielen andern umliegenden Orten, sondern auch bereits Metzger aus der Pfalz.

Aus Baden, 21. Aug. In Schlierbach bei Heidelberg wären beinahe drei Personen erstickt. Auf der Pumpstation II mußte ein Arbeiter in einen Schacht steigen um irgend eine Arbeit zu verrichten. Er gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Darauf stieg ein zweiter Arbeiter in den Schacht, auch er gab kein Zeichen mehr. Nunmehr entschloß sich der Brunnenmeister Fritz, in den Schacht zu steigen, um nach den Arbeitern zu sehen. Ihm erging es ebenso wie jenen. Der Sohn des letzteren goß nun, die Situation erkennend, Wasser in den Schacht, wodurch die drei Besinnungslosen wieder zum Bewußtsein gelangten, die nun so schnell als möglich zu Tage gefördert und mit Droschken in ihre Wohnungen gebracht wurden.

Mannheim, 22. Aug. Heinrich Dome, der nach gestern in den Zeitungen kursierenden Ge­rüchten in Aachen erschaffen worden sein sollte, erfreut sich besten Wohlseins, und hat bereits seine Reise nach Belgien angetreten. So erfuhren wir auf tele­graphische Anfrage von Aachen, meldet die N. B. Ldztg. Der Ursprung des Gerüchtes ist nicht kon- trolierbar und ist die Annahme nicht ausgeschloffen, daß dasselbe, wie wohl zu vermuten, irgend einem zufälligen Wirtshausgerede zu verdanken ist.

Dresden, 22. Aug. Die Sozialdemokraten Eichhorn und Findeisen, in der bekaünten Boykottangelegenheit wegen Erpressung angeklagt, sind heute nach dreimonatlicher Untersuchungshaft vom Landgericht freigesprochen worden.

Berlin, 22. Aug. Zwei hiesige Offiziere von den Gardedragonern unternehmen auf Veran­lassung des Kaisers am nächsten Donnerstag einen Distanzritt. Begleitet werden dieselben von zwei Radfahrern, welche Schrittmacherdienste leisten und Quartier bestellen. Die Distanz wurde auf 500 Kilo­meter festgesetzt und Köln als Ziel gewählt. Die Strecke soll innerhalb 4 Tagen zurückgelegt werden.

Berlin, 23. Aug. Das Tageblatt meldet aus London: Auf der japanischen Gesandtschaft ist von der blutigen Schlacht von Pingyan, wo die Japaner geschlagen worden sein sollen, nichts bekannt. Man nimmt an, daß es dieselbe Geschichte ist wie bei Asan, wo die Chinesen auch anfänglich behaupteten, gesiegt zu haben, nachdem sie thatsächlich eine große Niederlage erlitten haben. Nach der strategischen Lage könne es sich höchstens um Vorpostengefechte handeln.

Berlin, 23. Aug. Auf der Radfahrerbahn in Hallensee 'ist der gestrige zweite Wettkampf zwischen dem Berliner Radfahrer Spitzig und dem Prairie»

reiter Texas Jack zugunsten des letzter» ausgefallen. Spitzig konnte die dem Amerikaner gewährte Vor­gabe von 5 Kilometern bei 30 Kilometern nicht be­haupten und wurde von Texas Jack um 40"/« Se­kunden geschlagen.

Berlin, 23. Aug. Zur Meldung der Blätter über Ende Juli in Kamerun unter den Sudanesen der Schutztruppe ausgebrochene Unruhen erklärt dieNordd. Allg. Ztg.", daß nach den amtlichen Berichten die Sudanesen, welche trotz des Verbotes dem Branntweingenuß fröhnen, in ihrer Trunkenheit verschiedene Excesse und Schlägereien verübt hätten. Infolgedessen verfügte der Gouverneur die Heim­schickung der unverbesserlichsten Trunkenbolde, während mehrere andere auf den inneren Stationen verwendet werden sollen, wo ihnen der Branntwein entzogen wird.

Berlin, 23. Aug. DerVoss. Ztg." wird aus Konstantinopel gemeldet, der zweite Chef des türkischen Generalstabes von der Goltz-Pascha, welcher auf 6 Wochen nach Deutschland geht, nehme auf Einladung des Kaisers an den Kaisermanövern teil, v. d. Goltz-Pascha soll noch mit einer besonderen Mission vom Sultan betraut sein. Gleichzeitig mit v. d. Goltz reisen siebzehn türkische Offiziere behufs militärischer Ausbildung nach Deutschland.

Amsterdam, 23. Aug. Aus Vlissingen wird eine Explosion auf einem der dort wegen des Besuches der Königinnen liegenden holländischen Kriegsschiffe gemeldet, bei der 7 Soldaten schwer verwundet wurden, davon einer tötlich.

Bozen, 18. Aug. Von einem eigentümlichen Verhängnis wurde in der Nacht zum Freitag eine Bauernfamilie in Uttenheim, Bezirks Täufers, be­troffen. Während eines Hochgewitters wurden die Eheleute Joseph und Cäcilia Eder, 42 und 28 Jahre alt, beim Unterklapfer in Uttenheim durch einen Blitzstrahl gleichzeitig getötet. Das Ehepaar begab sich beim Ausbruche des Gewitters vom ersten Stock­werke in die untern Räume; während der Mann im Stalle nach dem Vieh sah, ging die Frau zu den drei Kindern, um sie zu beruhigen. Nach der Rück­kehr des Mannes in die Stube beteten sie noch zu­sammen, worauf der erstere sich wieder in seine Kammer begab, während die Frau noch bei den Kindern blieb. Plötzlich krachte ein gewaltiger Donner­schlag durch das Haus und streckte die in der Stube befindliche, mit einem drei Wochen alten Kinde be­schäftigte Hausmagd zu Boden. Als sich dieselbe wieder erholte, sah sie zu ihrem Schrecken, daß neben ihr die Frau tot auf dem Boden lag. Sie wollte nun die Schreckensbotschaft dem Herrn oben in der Kammer mitteilen. Allein auch dort hatte der Blitz Unheil angerichtet, und starr vor Schrecken fand die Magd auch dort eine Leiche. Merkwürdigerweise waren beide Eheleute, am Kopfe von demselben Blitz­schlag getroffen, sofort tot, während die übrigen Haus­bewohner und die drei Kinder mit dem Schrecken davonkamen.

Mailand, 20. Aug. Gestern wurden -zahl­reiche kleine rote Ballons mit anarchistischen Auf­schriften losgelafsen. Heute früh stieg von der Porta Fia ein großer Ballon auf, welcher eine schwarze Fahne mit der Aufschrift trug:Hoch Caserio, hoch die Anarchie!" Die gesamte Mailänder Presse hat gestern Reporter nach Motta Visconti gesandt, um das angekündigte letzte Schreiben Caserios an seine Mutter zu kopieren. Dasselbe ist jedoch bisher nicht angelangt.

Vermischtes.

Eine recht schlechte Angewohnheit derLade »Verkäufer ist das Aufblasen der Düten. DasBerliner Jntelligenzblatt" schreibt darüber: Tritt ein Käufer in ein Geschäft und verlangt irgend einen Artikel, den er in einer Düte verabfolgt be­kommt, so greift der Geschäftsinhaber, Gehilfe oder Lehrling, nach den papiernen Hüllen, bläst eine der­selben kunstgerecht auf, wobei er womöglich seinen Mund noch mit dem Papier in Berührung bringt, und gibt in die so präparierte Düte das Gewünschte. Will man sich einmal überzeugen, welche Spuren ein derartiges Aufblasen hinterläßt, so braucht man nur in einer solchen Weise in ein reines Glas hinein­zuhauchen, man wird sofort an den Wänden des ' Glases den Niederschlag sehen. Was würde der Gast sagen, wenn der Kellner oder Zapfer im Wirtshaus ihm derartig in sein Bierglas Hineinblasen würde?

In den Läden aber läßt sich das Publikum die Blaserei ruhig gefallen, jedenfalls weil es die Spuren bei den Papierdüten nicht bemerkt. Wer aber bedenkt, wie oft geblasen wird, ganz abgesehen von den Krankheits­stoffen, die auf solche Weise übertragen werden können,., der wird die Forderung berechtigt finden.

Die Erbin eines unermeßlichen Vermögens, Miß Helene Carol aus Boston, hält sich gegenwärtig zum Besuch der Festspiele in Bayreuth auf. Sie zählt neunzehn Jahre und ent­faltet einen mehr als fürstlichen Luxus. Sie ist die Tochter des kalifornischen Eisenbahnkömgs Mr. Carol, der mehr Millionen Dollars besitzen soll, als der Frankfurter Rothschild Millionen Mark. Miß Helene hat sich auf ihrer Reise nach Bayreuth von einigen Freundinnen begleiten lassen, die einem amerikanischen Millionärinnenpensionat angehörten, in dem sie selbst ihre Erziehung genossen hat. Die -Kosten des Unter­haltes ihrer Freundinnen bestreitet sie aus eigenen Mitteln. Für jede Vorstellung im Festspielhaus, nimmt sie acht Logenbillets zu je 40 Hierzu kommt eine gleiche Anzahl von Parquettbillets zu je 20 für dasGefolge". Da sich in der kleinen Mainstadt selbst kein geeigneter Wohnsitz für die An­sprüche der höheren Tochter Amerikas fand, hat Miß Carol das eine Stunde von Bayreuth entfernteSchloß Fantasie" für wöchentlich tausend Mark auf die Dauer von sechs Wochen gepachtet. Dieses romantich gelegene Schloßgut ist eine ehemalige Besitzung des Herzogs Alexander von Württemberg, das Schloßgebäude zählt etwa sechzig möblierte Zimmer. Im Musikzimmer befindet sich ein Flügel, den Miß Carol eigens aus Amerika mitgebracht hat und der zu den kostbarsten gehört, die je gebaut worden sind. Aus Berlin hat die junge Amerikanerin für sich und ihre Freundinnen eine Anzahl Equipagen mit den nötigen Kutschern kommen lassen und ein Reitinstitut wurde beauftragt, einige Reitpferde in Begleitung tüchtiger Reitknechte nachSchloß Fantasie" zu schicken. Die Gespanne dienen auch dazu, den Amerikanerinnen die aufSchloß Fantasie" vom eigenen Küchenpersonal bereiteten Speisen nach dem Festspielhaus zu überbringen, wo sie in den Zwischenpausen serviert werden.

Litterarisches.

Der Lahrer Hinkende Bote für 1883,

der soeben erschienen ist, verdient wiederum die höchste Beachtung. Man bestrebt sich in manchen Kreisen, dem Volke volkstümliche Litteratur zu schaffen, und übersieht dabei, daß unsere besten Kalender, zu denen der Hinkende in erster Reihe gehört, immer noch echt volkstümlich sind. Da ist auch kein einziger Beitrag in dem neuen Jahrgange des Hinkenden, der nicht als vortreffliche Kost für die weitesten Kreise gelten, müßte, bekannte und unbekannte Verfasser wetteifern, das Herz der Leser zu packen, sie zu rühren, zu er­holen/ zu erfreuen. Namen wie Hermine Villinger, E. Mentzel (von ihm die wirklich vortreffliche Erzählung Der Waldhanncs"), Hermann Heiberg, August Silber­stein usw. sprechen für sich selbst, aber auch die un­genannten Verfasser erweisen sich als tüchtige Schrift­steller; die Erzählung aus dem Orient z. B.Was ein guter Rat wert sein kann" könnte in jederklassischen" Märchensammlung stehn. Groß ist diesmal die An­zahl köstlich erzählter Anekdoten. Die Darstellung der Weltbegebenheiten verrät wie immer vaterländisches Gemüt und klaren Blick wie reichen Humor. Der Große Volkskalender bringt noch eine weitere Anzahl trefflicher Beiträge und kann den höchsten Ansprüchen genügen, bleibt aber dabei immer Kalen- 'der, wird nicht eine beliebige belletristische Sammlung, die sich, wie so manche, Kalender nennt.

Standesamt ßalm.

Geborene:

15. Aug. Julie, Tochter des Christian Zahn, Schuh­machermeisters hier.

Gestorbene:

18. Aug. Anna Luise Wagner, 10 Wochen alt, Toch­

ter des Jakob Wagner, Kaufmanns in Stuttgart.

19. Josef Anton Weiß, Strumpfweber hier, 51

Jahre alt.

19. , Gustav Staudenmeyer, Malers Witwe,

Luise geb. Enslin hier, 52 Jahre alt.

20. Karl Otto Ebner, 7 Wochen alt, Sohn des

Joses Otto Ebner, Schneidermeisters hier. 23. . Jakob Bitzer, Fabrikarbeiter hier, 48"/«

Jahre alt.

Gottesdienste

am 14. Sonntag nach Hrinitatls.

Vom Turm: 377. Predigtlied: 412.

9 Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibel­stunde im Vereinshans: H. Stadtpfarrer Schmid.

Mittwoch früh 7 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.

I-reitag, den 81. August. Vorbereitungspredigt und Beichte: H. Stadt­pfarrer Schmid.