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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

69. Jahrgang.

Erschein, Di in« tag, Donnerstag nnd Samstag. Die EinriickungSgebLhr delriigt im Bezirk nnd nächster Um­gebung S Psg. di, Zeile, sonst 12 Psg.

ams tag, den 28. Zuti 1894.

«b-nnemenISprei» oterteljSbrltch in der Stadt 20 Psg. »och 20 Psg. Drigerlohn, durch di« Post bezöge» Mk. I. Ui, sonst t» ganz Württemberg Mk. l. 3S.

Amtliche Aekanutmachunge«.

Hie Ortsbehörden für die Arbeiter- verstcherung

werden hiemit veranlaßt, die im Wege des Umtauschs im letzten Vierteljahr abgegebenen alten Quittungs­karten spätestens bis 6» k. M. hieher einzusenden.

Mit denselben ist ein Verzeichnis über die ab­gegebenen Karten, in welchem der Name des Arbeiters, Stand, Geburtstag und Ort desselben, sowie die Nummer der Karte angegeben ist, vorzulegen.

Calw, den 25. Juli 1894.

K. Oberamt.

Lang.

Calw.

Infolge großer Verbreitung der Maul- und Klauenseuche im Oberamtsbezirk Nagold ist der auf 31. d. Mts. fallende Viehmarkt in Alten steig ver­boten worden.

Den 25. Juli 1894.

K. Oberamt.

Süßet, A.-V.

Krkaimtrnirchuitg.

Am 24. d. Mts. ist der neugewählte Schult­heiß Maier in Hirsau in sein Amt eingesetzt worden.

K. Oberamt. Lang.

Tagesneuigkeilen.

Calw, 27. Juli. Gestern vormittag stürzte der Maurer Zeiler von Stammheim, welcher am Neubau von Hrn. H. Rau in der Lederstraße be­schäftigt war, aus zweiter Stockhöhe vom Gerüst. Bewußtlos wurde er in's Krankenhaus gebracht. Wie

man heute hört, hat Z. eine starke Quetschung in der Seite erlitten, die jedoch ungefährlich erscheint.

Zuffenhausen, 24. Juli. Gestern nacht 10'/. Uhr sprang aus dem Zug 329 ein Passagier aus Stuttgart, der, vom Schlafe erwacht, sich im falschen Zuge wähnte, so unglücklich heraus, daß er auf die Schienen zu liegen kam und die Räder ihm den Körper über die Brust entzweischnitten.

Stuttgart, 26. Juli. In der heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien bekämpfte das sozialdemokratische Bürgerausschußmitglied Kloß die Feier des Nationalfestes vom 1./2. September ins­besondere in dem Sinn, daß sie nicht eine bloße Toten­feier, sondern eine verletzende politische Parteidemon­stration sei. Kloß stellte den Antrag, daß die Feier bezw. der Beitrag zu den Kosten für dieselbe für Heuer gestrichen werden. Gemeinderat Payer ver- willigt den Beitrag, jedoch nur unter der Voraus­setzung, daß nichtTaktlosigkeiten" wie vergangenes Jahr Vorkommen. Die Kollegien beschließen, die Nationalfeier in der bisherigen Weise zu begehen und zu unterstützen.

Tübingen, 24. Juli. DieTüb. Chr." meldet: In der Nacht vom letzten Samstag auf den Sonntag wurven zwei ihres Weges gehende in Zivil gekleidete Schutzleute in der Nähe des Gasthauses zumKönig Wilhelm" dahier von 810 heimkehren­den Lustnauern, Maurer und Zimmerleute, ohne Veranlassung überfallen, wobei em Schutzmann mit einem steinernen Krug einen Schlag auf Kopf und Achsel erhielt, so daß er zusammenstürzte. Derselbe ist zur Zeit noch dienstunfähig. Am Montag in aller Frühe wurden sämtliche Thäter durch Landjäger und Schutzleute abgefaßt und hinter Schloß und Riegel gebracht.

Gmünd, 25. Juli. Gestern hielt Dr. Bruno Schönlank in öffentlicher Versammlung auch hier

einen Vortrag über sein bekanntes Thema. Der Redner kritisierte vor allem das Verhalten des Zen» trums, welches in dem katholischen Gmünd Anhänger habe, und der demokratischen Partei, welche gegen» wärtig im Besitze des Reichstagsmandats für den Bezirk sei. Schönlank suchte nachzuweisen, daß diese Parteien für das Wohl des Acbeiterstandes kein Herz haben, vielmehr der Bourgeoisie und dem Kapitalismus dienen. Die Stellung des Zentrums zur Militäroorlage, zur sozialen Gesetzgebung und zu den indirekten Steuern, beweist keine Arbeiterfreund» lichkeit. Die württembergische Demokratie sei wie die freisinnige Partei in Preußen vielfach im Dienste des Kapitalismus.

Heilbronn, 23. Juli. Dievereinigte» Gewerkschaften" begingen gestern nachmittag auf dem Hammelwasen ihr Kinder- und Sommerfest. Ein großer Skandal bilvete den Abschluß desselben. Man berichtet derNeckar-Ztg." hierüber: Zwischen einigen Teilnehmern bei dem Kinderfest auf dem Hammel» wasen gab es abends etwa um 7 Uhr Händel, so daß ein Schutzmann genötigt war, Ruhe zu gebieten. Der Schutzmann wurde gleich umringt und schließlich von einem Schlaffer, der als Hauptruhestörer de» zeichnet worden war, thätlich angegriffen. Mit Hilf« eines anderen Schutzmanns wurde der Mann fest» genommen und vom Festplatz entfernt. Dabei sträubt« sich der Verhaftete, legte sich auf den Boden, schlug mit Händen und Füßen um sich und suchte sich frei­zumachen. Das Publikum ergriff mit geringen AuS» nahmen Partei gegen die Schutzmänner und leistet« dem Verhafteten bei seinen Befreiungs-Versuchen da­durch Beistand, daß es mit Stöcken auf die Schutz­männer emschlug und sie mit Steinen bewarf. Me Menge schwoll allmählich zu einer ungeheuren an; aus derselben heraus wurde vielfach geschrieenHoch die Anarchie". Die Schutzmänner es waren in-

b 44 4 D 1 o 44 . sRachdruck verboten.I I

Wom Wauine der: Erkenntnis.

Roman von Georg Hoecker.

(Fortsetzung.)

Das Herz voll Weh und Kummer hatte SixtuS endlich einzuschlafen versucht, nachdem er mit zitternder Hand sich selbst die Schlaftropfen in den diesmal von Der Magd bereiteten Wein gegossen hatte. Aber trotz des Schlafmittels waren seine Augen wach geblieben und ruhelos hatte er sich, von allerhand Angst und Qual gepackt, auf seinem Lager hin und her gewälzt. Da war mit einem Mal lautes, schmerzliches, lang anhaltendes Weinen ,u seinen Ohren gedrungen.

Zitternd hatte sich Sixtus im Bett aufgerichtet und gelauscht. Je länger er gehorcht, um so weniger hatte er daran zweifeln können, daß eS sein eigenes Weib war, welches in so schmerzlicher Weise schluchzte, wie er noch niemals einen Menschen weinen gehört hatte, geschweige sein stolzes, selbstbewußtes Weib!

Da hatte es den Bauern plötzlich nimmer länger im Bett gelitten. Eine verzweifelte Angst hatte ihn überfallen und mit Aufgebot seiner schwachen Kraft hatte er es versucht, sich zu erheben. Das war freilich gar schlecht gegangen. Die langen Monate, welche er ausnahmslos im Bett zugebracht, hatten ihn das Lausen schier verlernen lassen, zudem schmerzte ihn bei der langentwöhnten Bewegung seine kranke, wunde Brust gewaltig und zugleich empfand er einen widerlich metallenen Geschmack auf der Zunge, als ob sich wieder Blut über seine L'ppen drängen wollte.

Zuerst brach Sixtus nieder; er kauerte auf den Kniern eine Weile und ein Fieberschauer kam ihn an. Aber das laute Weinen, welches mit ungeminderter Heftigkeit nach wie vor in sein stilles Kämmerlein klang, verlieh ihm die Kraft der Verzweiflung. Er taumelte in die Höhe und bewegte sich schwankend der AuS- gangsthür zu, das Licht in der einen Hand tragend und mit der andern sich von 'Stuhl zu Stuhl uud dann an den Wänden forttastend.

So kam er auf den Gang hinaus und ging der weinenden Stimme Eva» weiter nach.

Dann stieß er die Thür zum Wohnzimmer auf und blickte in dieses hinein.

Da freilich entrang sich seinen Lippen ein schwacher, zitternder Aufschrei, denn was er sah, war für sein Fühlen entsetzlich und unerträglich. Seine Eoa raufte sich die Haare, sie jammerte und schrie und süße Liebesworte, wie sie dieselben niemals für ihn übrig gehabt, stammelte sie unausgesetzt in solchem Tone, wie «r ihn nie von ihren Lippen vernommen ... sie galten aber jenem andern Mann, der bleich und bewegungslos in den Kiffen ruhte.

Da faßte den Bauern ein Schwindel an; er fuhr mit der Hand nach dem Herzen und stöhnte leise, während sich seine Augen schreckhaft vergrößerten. Thor, der er gewesen war, zu glauben, dem jungen üppigen Weibe hätte er m genügen vermocht! Art läßt nimmer von Art und der Jugend strebt die Jugend zu!

Er wußte nicht, ob der heftige körperliche Schmerz, welchen er empfand, rasender Eifersucht entsprang oder ob es tiefe W chmut war, welche ihn durchschauerte; ihm wars zu Mut, als ob ihm etwas drinnen im Herzen gesprungen sei. Ja, nun warS vorbei mit seinem Glück! Sein Weib, seine Eva, auf die er geschworen und um deren Treue er in den Tod gegangen wäre, sie hielts mit einem andern Mann!

SixtuS zitterte und schwankte; er schien im Begriffe, sich der nach wie vor fassungslos Schluchzenden zu nähern und dieser sich bemerkbar zu machen. Dann aber wich er plötzlich, ein zerrissenes, wehmütiges Lächeln auf den Lippen, aus dem Zimmer. Nein, seine trotz alledem seine Eoa sollte die Beschämung nicht erleiden, von ihm in ihrem Jammer entseckt zu werden, sie sollte nicht vor de« eigenen Mann zu erröten brauchen.

Tölzbacher schwankte zurück, mit zitternder Hand versuchend, die Thür wieder unhörbar zu schließen. Dann strich er die Wand entlang; der Weg bis zur Thür seiner Schlafkammer kam ihm so endlos vor . . . die Kraft ging ihm darüber au» und noch immer trennte ihn eine breite Spanne von der Thür. Vor dm Aug« begann es ihm zu tanzen, grelle Feuerfunken zerstoben vor seinem starrgewordenr»