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haß in den derbsten Ausdrücken das Wort geredet. Wohin das führt, wenn der Arbeiter gegen den Arbeitgeber, der Untergebene gegen den Vorgesetzten, der Laie gegen den Beamten, der Süddeutsche gegen den Norddeutschen, der Arme gegen den Reichen und der Bürger gegen die Regierung förmlich auf­gehetzt wird, ist nur unschwer zu erraten und wird die Zeit noch lehren. (Albbote.)

Ulm, 13. Juni. Es wird von zuständiger Seite bezweifelt, daß von Tübingen schon Nachricht über eine Entscheidung bezüglich der Bernheim'schen Instrumente hierher gelangt sein könne. Dagegen können wir heute die gut verbürgte Mitteilung machen, daß neuerdings eine Spur des Mörders der Selma Reuß gefunden worden ist und daß die Nachforschungen nach demselben wieder energisch ausgenommen sind. (Pforzh. B.)

Friedrichshafen, 12. Juni. Die Witter­ung von gestern brachte eine ganz abnorme Temperatur, die in der Nacht auf 6° Reaumur fiel. Die Trauben­blüte vor uns und solch ein Wetter! Ein altes Sprich­wort sagt, wie die Trauben blühen, so reifen sie; das wären schöne Aussichten. Die Heuernte stockt, viel liegt auf dem Boden und wird schlecht, anderes steht auf dem Halm ab. Die Alpen liegen voll mit Neuschnee bis tief herab. Die Seewärme ist 10° Reaumur. An Fremden sieht man beinahe nur Passanten, und diese in Haveloks und Ueberzieher eingewickelt.

Isny, 13. Juni. Seit einigen Tagen tragen die benachbarten Staufener Berge Stuiben, Danach Schnee; allenthalben trifft man, Mitte Juni, ge­heizte Zimmer.

Augsburg, 12. Juni. An der neulich ab­gebrannten Zieglerbrauerei im benachbarten Friedberg sind die Mauern eingestürzt, 6 Personen wurden ver­schüttet. Baumeister Jlg und ein Braumeister sind tot; die vier anderen tötlich verletzt.

Frankfurt a. M., 13. Juni. Die Leiche des seit dem 7. d. M. vermißten Knaben Büschler, den, wie auch die Polizei zuletzt überzeugt war, Zigeuner geraubt haben sollten, wurde gestern Abend in einem Wasserlache nahe dem Gutleuthofe auf­gefunden. Die Leiche war vollständig bekleidet, nur der Hut fehlte. Spuren von Gewaltthätigkeit fan­den sich nicht vor.

Aus der Pfalz, 13. Juni. Ein gräßliches Unglück erreignete sich vergangene Nacht in dem Orte Mundenheim. Daselbst wollte der Fuhrmann Franz Fries von Mundenheim mit seiner 16jährigen Tochter auf seinem Wagen über einen Bahnübergang fahren. In demselben Augenblicke brauste ein Güter­zug heran, ergriff das Fuhrwerk, zertrümmerte es und zermalmte den Fuhrmann Fries vollständig. Der Tochter des Fries wurden beide Arme abgefahren, so daß die Unglückliche bald darauf ebenfalls den Geist aufgab. Die Schuld an dem Vorkommnis trägt der Bahnwart, der vergessen hatte, die Barriere zu schließen. Derselbe wurde verhaftet.

Berlin, 13. Juni. Der Minister der öffent­lichen Arbeiten hat aus Anlaß der Cholerafälle auf preußischem Gebiete an die Eisenbahndirektionen einen Erlaß gerichtet, in dem angeordnet wird, daß gegen ein etwaiges weiteres Vorschreiten der Seuche schon jetzt Abwehr- und Bekämpfungsmaßregeln getroffen werden.

Berlin, 13. Juni, Abends. Die Vorarbeiten zum Kaiser-Wilhelmdenkmal an der Schloß­freiheit haben heute ihren Anfang genommen. Man hat zunächst den nach der Schloßbrücke zu belegenen Teil des provisorischen Bretterzauns entfernt, um mit der Aufstellung eines neuen, der Nähe des kgl. Schlaffes würdigen Bauzauns zu beginnen. Der erste Spatenstich dürfte in den nächsten Tagen geschehen. Die bekannte Firma Rudolf Hertzog hat für den Garantiefonds der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 150000 ^ gezeichnet. Nach einer Meldung der Voss. Z. aus Hamburg hat sich dort in der Bevölkerung ein wahrer Entrüstungssturm über die Anbringung eines 1'/» Meter hohen goldigen Reichsadlers in der Bekrönung des jetzt frei­gelegten Turmes des neuen Rathauses erhoben. Auch in der Presse weht darüber ein scharfer Wind ; so hat z. B. das Fremdenbl. gestern Abend nicht weniger als 15Eingesandt", in denen die Verfasser ihrem Unwillen darüber Luft machen, daß das alte Hamburger Wappen dem Reichsadler hat Platz machen müssen, und mehr oder weniger erregt die Entfernung des Reichsadlers verlangen.

Berlin, 14. Juni. Es verlautet, v. Kiderlen- Wächter werde den Kaiser auf der diesjährigen Nord­landreise wieder begleiten.

Berlin, 14. Juni. DieNordd. Allg. Ztg." bringt einen Artikel über die Sicherung der Brannt­weinbrennerei als eines landwirtschaftlichen Neben­gewerbes, welche sie im Interesse der östlichen Pro­vinzen für unbedingt notwendig erachtet. Das Blatt sagt zu den systematischen Bemühungen einzelner Blätter, nachzuweisen, daß das preuß. Finanzministerium einseitig die zur Verbesserung des jetzigen Brannt­weinsteuergesetzes gemachten Vorschläge begünstige, das Schwergewicht in dieser Beziehung liege beim Reiche, nicht beim preuß. Finanzministerium.

Berlin, 14. Juni. DieKreuzztg." erfährt zu der Meldung, daß die Feldwebel und Unteroffiziere der Bezirkskommandos künftig alljährlich eine 14tägige Uebung bei den aktiven Truppen durchmachen sollten, in militärischen Kreisen sei davon nichts bekannt. Die Nachricht, daß Bajonette anstatt der Seiten­gewehre eingeführt werden sollen, gewinne an Wahr­scheinlichkeit.

Rom, 13. Juni. Das Gerücht geht, es be­ständen gespannte Beziehungen zwischen dem König und Crispi. Die lange Dauer der Krisis habe hierin ihren Grund.

Granada, 13. Juni. Ein Erdbeben zer­störte gestern zahlreiche Häuser und mehrere Kirchen.

Die unbewohnbar gewordenen Häuser wurden durch» die Polizei geräumt. Die Panik war groß. Die Zahl der Opfer ist noch unbekannt.

Madrid, 13. Juni. Nach derCorrespon» dencia de Espana" macht nunmehr auch ein Onkel, des zum Sultan von Marokko ausgerufenen Abdul. Aziz Ansprüche auf den Thron geltend. Der Aus» bruch eines Bürgerkrieges wird immer wahr», scheinlicher.

London, 12. Juni. Einer einigen hiesigen-! Bankfirmen aus Tanger zugegangenen Depesche zu­folge wäre der Tod des Sultans von Marokko auf Mord zurückzuführen.

Vermischtes.

Der Südd. Bekleidungs-Akademie- in Stuttgart wurde ein neues Zuschneide-System. mittelst beweglicher Modelle für Herren- und Damen­bekleidung patentiert, welches nicht nur in Fach-,, sondern auch in RcgierungSkreisen hohes Interesse erregte. Bei der öffentlichen Prüfung der Eleven der genannten Lehranstalt wurden so günstige Resultate erzielt, daß der Akademie ein glänzendes Gutachten der Korporation, sowie die Protektion der Regierung, zu Teil wurde. Die Südd. Bekleidungs-Akademie hat schon sehr viel zur Hebung und Förderung des Schneidergewerbes beigetragen und verdient deshalb,, allen Interessenten bestens empfohlen zu werden.

Gurken ziehen ohne Garten. Wer ein Höschen, eine offene Holzlage oder eine ähnliche Loka­lität besitzt, die etwas Sonne hat, kann auf folgende einfache Weise schöne, wohlschmeckende Gurken ziehen: Ein altes Faß von beliebiger Größe wird etwa ein Drittel mit Steinen gefüllt, auf die eine dicke Lage Mist und dann eine Lage guter Erde kommt, in welche die Keime gelegt werden. Zum Begießen der Erde wird das Waschwasser verwendet. Die Pflanzen entwickeln sich in der Regel sehr gut. Die Reben fallen an den Seiten des Fasses herab und liefern, reiche Erträge. Man kann sie auch auf einen Zaun oder auf eingeschlagene Pfosten leiten.

Standesamt Kakn».

Geborene:

4. Juni. Mathilde, T. d. Ernst Friedrich Kirchherr Zimmermcisters hier.

8. Wilhelm, Sohn des Michael Hoferer,.

Fabrikarbeiters hier.

12. . Friedrich Gustav, Sohn des Johann Martin

Lauer, Schuhmachers hier. Gestorbene:

13. Juni. Gottlob August Schaad, 4 Wochen alt.

Sohn des Gottlob Schaad, Wagen­revidenten hier.

Gottesdienste

am 4. Sonntag nach Trinitatis.

Vom Turm: 45. Predigtlied: 29.

9 Uhr Vorm.-Predigt: H. Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Nachm.- Predigt: Herr Stadtpfarrer Schmid.

Mittwoch früh 7 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.

überlassend. Dieser war rot im Gesicht geworden und ein gewaltiger Zorn regte sich in seinem Innern. Er konnte an den Worten der Bäuerin, so selbstbewußt und bestimmt dieselben auch klangen, nichts autzusetzen haben; es war ihr gutes Recht, ihn mit der im Hofe herrschenden Hausordnung bekannt zu machen und ihm deren pünktliche Befolgung anzudefehlen. Aber dennoch fühlte sich Adam in seiner Ehre gekränkt; das Herrische, Hochfahrende in Evas Umgangsweise war eS, was ihm das Blut in die Wangen trieb. Der Sägmüller hatte Recht; man wurde nicht warm bei dieser seltsamen hochmütigen Frau, welche mit soviel ausgesprochener Gering­schätzung zu ihm sprach, bei jedem Worte ihn den zwischen Ihnen bestehenden Unterschied nur zu deutlich fühlen lassend.

Adam biß ingrimmig die Zähne aufeinander und folgte der Bäuerin dann auf den Gang hinaus.

Eva öffnete die Thür, aus welcher vorhin bei AdamS Eintritt die Magd ge­kommen war. Sie traten in einen langgestreckten Raum ein, dessen Gesammtein- richtung im schroffen Gegensatz zu dem schier herrschaftlichen Mobilar in der Wohn­stube stand. Hier war allerorts der bäuerliche Grundcharakter vollauf gewahrt. Rings an den Wänden standen große, tiefe Schränke mit schier unerschöpflichem Inhalt. Die Mitte der länglich sich streckenden Stube nahm ein ungeheurer Eichen- tisch ein. Ewige mächtige, bauchige Zinnnäpfe, angefüllt mit dampfender Suppe, in welcher große Speckstückr umhcrschwammrn, standen auf der Platte; außerdem be­fanden sich etwa zwanzig Gedecke, aus Blechmulden, Löffeln und Messern bestehend, auf dem Tiscb. Mächtige Brotlaibe harrten ihrer Verzehrung entgegen und neben jedem Gedeck stand ein irden' Krüglein, je einen SchoppenHauStrunk" enthaltend; es war dies ein selbstgezogener, leichler Wein, der mehr erfrischend als berauschend wirkte.

Das Gesinde harrte schon vollzählig deS Eintritts der Bäuerin.

Auf der einen Sette die Knechte, auf der andern die Mägde, je zehn an der Zahl. Eva führte den Neuangekommenen, auf welchen sich naturgemäß die neu­

gierigen Blicke de» Versammelten richteten, an die eine Schmalsette des Tisches vor ein Gedeck, welches statt der Blechmulde einen tiefen Porzellannapf aufwieS.

Hier ist Euer Platz, Adam!" sagte sie. Dann ließ sie den brennenden Blick mit hochmütigem Ausdrucke in der Runde schweifen.

.Hier ist der neue Oberknecht!' sagt« sie mit lauter, gleichmütig klingender Stimme.Der Bauer ist verunglückt, wie Ihr wißt. An seiner Statt gehorcht Ihr nun dem Adam-ohne Widerrede, ich bitt' mir's aus. Er ist mir ver­

antwortlich für Euern Gehorsam und gilt als Euer Herr! . . nun eßt und macht Euch bekannt!"

Sie nickte nur leicht mit dem Kopfe, wendete sich und ging mit ihrem Knaben wieder des Weges, welchen sie gekommen war, ohne der Mahlzeit beizuwohnen.

Adam empfand ein immer peinigenderes, demütigendes Fühlen. Am aller­liebsten hätte er der hochmütigen Bäuerin Knall und Fall den Gehorsam aufgesagt und wäre jetzt gleich schon gegangen. Er war gewiß es gewöhnt, ohne mit der Wimper zu zucken, Gehorsam zu üben; man hatte es ihm sechs lange Jahre beim

Militär beigebracht-aber so umgesprungen waren selbst die barschen Vorgesetzten

nicht mit ihm, wie jetzt die Tölzbacherbäuerin eS zu thun beliebte. DaS Gesinde aber schien solche Behandlungsweise bereits gewöhnt zu sein, denn mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht hatte es der Rede seiner Herrin gelauscht.

Die Obermagd sprach einen langen Segen; dann begannen dir Löffel und Messer ihre Vertilgungsaufgabe. Da» Gesinde wurde schwatzlustig; ein Jeder unter ihnen suchte mit dem neuen Oberknecht bekannt zu werden und dessen Gunst sich zu versichern.

Aber Adam gab nur kurzen Bescheid; er beteiligte sich nicht bei der Mahl­zett und suchte, da sein Dienst erst nächsten Morgen beginnen sollte, unmittelbar nach dem Schlußgebet der Obermagd, sein gar freundlich und bequem eingerichtetes Schlaflämmerlein auf, in welchem sich bereits sein Koffer befand.

(Fortsetzung folgt.)