^ 43.

Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

69. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Samstag» den 14. April 1894.

Abonnementspreis vierteljährlich in der bto So Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. ganz Württemberg Mk. L. SS.

Stobt S0 Pfg. v«K 1. IS, sonst t»

Amtliche Aeka««tmachimgev

Aufruf.

Ein schwerer Druck lastet noch immer auf der bäuerlichen Bevölkerung derjenigen Landesteile, welche von der Futternot am meisten betroffen sind; die ^Folgen derselben machen sich jetzt um so empfindlicher geltend, als auch der heurige Jahrgang bis jetzt den "Charakter der Trockenheit an sich trägt.

Bekanntlich hat schon im vorigen Jahre der Gesamtrindviehstand im Lande durchschnittlich um 20,13°/°, in einzelnen Gemeinden aber um 50 und mehr °/° abgenommen; in vielen Fällen mußte von ärmeren Leuten die einzige Kuh aus Mangel an Futter verkauft werden, so daß sie keine Milch für ihren Haushalt, keinen Dünger für ihre Felder haben, bei anderen fehlt es am nötigsten Spannvieh und am Dünger zur Feldbestellung.

Zwar sind durch die von der K. Staatsregierung eingebrachte und von den Ständen genehmigte Not­standsvorlage Hilfsquellen erschlossen worden, die sehr dankenswert sind; aber für die ganz armen und be­sonders bedürftigen Biehbesitzer wird die verwilligte Summe von 100000 ^ für Beihilfen zur An­schaffung des nötigsten Viehs bei den sehr gesteigerten 'Preisen desselben voraussichtlich nicht ausreichen; überdies können diese Leute ohne Beihilfe die er­forderlichen Futter- und Dungmittel nicht beschaffen. 'Es bleibt also für die Privatwohlthätigkeit neben jener staatlichen Hilfe noch sehr viel zu thun. Bis­her hat derVerein zur Hilfe in außer­ordentlichen Notstandsfällen auf dem Lande" in umfassender Weise der Linderung des Futternotstandes sich gewidmet; bei dem Umfang aber, <den der Notstand axgenommen, und bei der Er­

schöpfung seiner Mittel hat er sich veranlaßt gesehen, seine seitherige Thätigkeit auf diesem Gebiet einzu st eilen und sich künftig auf Hilfe­leistung in einzelnen außerordentlichen Notstandsfällen, soweit sie nicht unmittelbar mit der Futternot Zu­sammenhängen, zu beschränken. Infolge davon hat die Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins auf Er­suchen des K. Ministeriums des Innern die Ver­teilung der landständisch verabschiedeten Summe von 100000 ^ übernommen und sich weiterhin ver­pflichtet erachtet, die Fürsorge für die durch die Futternot hartbedrängte arme Land­bevölkerung in ihre Hand zu nehmen.

Der Notstand dauert an und nimmt täglich zu; weitere Hilfe ist dringend nötig, wenn nicht zahl­reiche Existenzen zu Grunde gehen sollen.

Darum richten wir an alle, die ein Herz haben für die Not des kleinen Mannes, besonders an die­jenigen, welche von der Futternot verschont geblieben sind, die herzliche Bitte, durch Gaben der Liebe uns die Mittel darzureichen, um in Ergänzung dessen, was seitens der Behörden und der Privatwohlthätig­keit schon geschehen ist, die Not unserer schwergeprüften Mitbürger zu lindern.

Für eine sachgemäße, zweckentsprechende Ver­wendung der Beiträge sind ausreichende Vorkehrungen getroffen.

Beiträge erbitten wir an unser Kassenamt (Alter Postplatz 4).

Stuttgart, 7. April 1894.

Die Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins:

K ö st I i n.

Indem wir vorstehenden Aufruf der Zentral­leitung des Wohlthätigkeitsvereins zur Kenntnis der

Bezirksangehörigen bringen, unterstützen wir denselben aufs wärmste.

Die gemeinschaftlichen Aemter werden ersucht, Beiträge entgegenzunehmen und binnen 14 Tagen der Oberamtspflege hier zuzusenden.

Bezüglich der Sammlung in der Oberamts» stadt wird noch besondere Bekanntmachung erfolgen.

Calw, den 12. April 1894.

K. gem. Oberamt.

Lang. Braun.

De« Gernriirberiite«

gehen mit heutiger Post die berichtigten Kataster» nachweisungen (vgl. Calwer Wochenblatt Nro. 37) wieder zu.

Calw, den 12. April 1894.

K. Oberamt.

Lang.

Deutsches Reich.

Berlin, 11. April. (Deutscher Reichs» t a g.) Zunächst wird eine Reihe von Wahlprüfungen erledigt. Sodann wird die 2. Lesung des Antrages Schröder, betreffend die Kündigungsfrist der Hand» lungsgehilfen, fortgesetzt. Eine Debatte entspinnt sich über die s. Z. eingebrachten Anträge Singer, Buchka, Spahn und noch nachträglich über den be­reits in der 55. Sitzung angenommenen Antrag Lenzmann. Der Antrag Singer wird abgelehnt, der Antrag Buchka, welcher kürzere als 4wöchige KündigungS» frist verbieten will, falls nicht von vornherein ein be­stimmter Zeitpunkt vereinbart ist, angenommen, des» gleichen der Antrag Spahn betreffend die Kosten, die stempelfreie Beglaubigung des Zeugnisses Seitens der Ortspolizeibehörde u. s. w. Ein neueingebrachter

^ ^Nachdruck verboten.!

Auf eigenen Iüßen.

Novelle von F. L. Reimar.

(Fortsetzung.)

«Du forderst das ?" rief er, und seine Augen nahmen einen finster drohenden Ausdruck an.Und weißt Du, Eveline, was ich fordern darf? Daß all' Deine Wege klar vor mir liegen, auf daß ich Richter bleiben kann über Dein Thun!"

Mein Richter?" fuhr sie auf!Nimmermehr. Hier an dieser Stelle sage ich es Dir, Edmund, ich erkenne die Gewalt nicht an, unter die Du mich beugen willst!"

Er atmete schwer.Eveline," rief »r,besinne Dich! Diese Stunde könnte entscheidend für uns werden."

Sie soll entscheidend werden, Edmund, sie soll Dir sagen, daß ich die Fesseln nicht länger tragen werde, in die Du mich schlagen willst; noch bin ich frei und stark genug, sie zu zerreißen!"

Ihr Gesicht flammte, und der Ton, in welchem sie sprach, war ein leiden­schaftlicher ; dagegen waren seine Wangen bleich und klangen seine Worte kalt, als er entgegnete:Du kannst also den Gedanken fassen, Eveline, daß es zu Ende kommen könne zwischen uns?"

Ja, Edmund," stieß sie fast rauh hervor,ich kann das! Ich weiß jetzt, daß eine Ahnung in mir gewesen ist, eine Stunde wie diese könnte für mich kommen. darum, wcnn's das Verhängnis will, mag sie sich erfüllen!"

Verhängnis nennst Du, was uns trennt?" rief er mit tiefer Bitterkeit. Nenne eS vielmehr die stolze Hartnäckigkeit, die in Dir ist, den unbeugsamen Stolz Deiner Natur! Eveline, wir stehen vor dem Äußersten, willst Du die Hand zum Ausgleich bieten und mir jene Erklärung geben?"

Nein, Edmund!" klang ihre Stimme klar und scharf zurück.

Einige Sekunden lang war es still zwischen ihm und ihr; beide wußten eS, was jenes Nein zu bedeuten hatte; doch war eS auch, als harrte jedes noch einen kurzen, verschwindenden Moment auf Rettung, die ihm durch ein versöhnliches Wort des andern kommen sollte. Umsonst, das Wort ward nicht gesprochen, und so begann Dernburg:Das also war das letzte, die Schranke zwischen uns fft aufgerichtet!"

Sie neigte nur das Haupt.

Die Blicke kehrten sich von einander ab; er ergriff seinen Hut und verließ das Zimmer.

Draußen fand er das Pferd, welches inzwischen von dem Tagelöhner her» beigebracht und da man seine Befehle nicht wußte noch nicht abgesattelt worden war; so konnte er es ohne Verzögerung besteigen, um nach Wertfrld zurückzureiten.

Den Dienern fiel sein baldiges Fortgehen nicht auf, und ebensowenig dachte» sie darüber nach, weshalb Eoelme nach demselben i och eine lange Weile in ihre« Zimmer blieb; der Oberst aber, der wieder krank lag und in dieser Zeit gerade "schlief, halte nicht einmal Dernburgs Ankunft erfahren, so ahnte niemand im Hause, daß in dieser Stunde etwas Besonderes vorgefallen war, daß sie über das Schicksal von zwei Menschenleben entschieden hatte.

Etwa eine Stunde, nachdem Dernburg Garkau verlassen hatte, trat ei» Fremder in das GutShaus, der nach Eveline sragte und, während er bei dem Fräulein angemeldet wurde, gegen das Gesinde einige Worte fallen ließ, die sein« Absicht verrieten, sich um die ausgebotene Stelle des Verwalters zu bewerben. ES schlug ihn sichtlich nieder, als er hören mußte, daß dieselbe bereits vergeben sei, und vielleicht hätte er sich daraufhin gleich zurückgezogen, er lüt offenbar an großer Schüchternheit, wenn Eveline ihn in diesem Augenblick nicht hätte rufen lasse».

Etwas spöttisch sahen ihm die Diener nach, und nach Art solcher Leute sparte»