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Berlin, 10. April. (Deutscher Reichs» lag.) Zweite Lesung des Gesetzentwurfes betreffend Abzahlungsgeschäfte. Nach den 1 und 3 ist beim Rücktritt des Verkäufers vom Vertrage jeder Teil verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leist­ungen zurückzugewähren. Der Verkäufer muß die empfangenen Raten zurückgeben, wogegen ihm feine gemachten Aufwendungen und etwaigen Beschädig» ungen der Ware zu ersetzen sind, sowie für die Be­nützung der Waren, deren Wert zu vergüten ist. Abgeordneter Enneccerus (natl.) beantragt, hinter vergüten" einzufügen:wobei auf die inzwischen eingetretene Wertminderung der Sache Rücksicht zu nehmen ist." Die beiden SZ werden mit dem Zusatz­antrag angenommen, ebenso die ZZ 3 bis 6. 6 a, wird mit dem Zusatzantrag Tutzauer, ferner 7 bis 8 a angenommen. Nachdem noch verschiedene Abänderungs­anträge abgelehnt worden, wird der Rest des Gesetzes erledigt. Morgen Antrag Schröder, Wahlprüfungen und Conkursordnung.

Berlin, 10. April. Wie verlautet, soll in nächster Session eine Erhöhung der Biersteuer dem Reichstage vorgelegt werden, obgleich Caprivi beim Militärgesetz darauf verzichtete.

Berlin, 9. April. In der heutigen Sitzung des Seniorenkonvents des Reichstags erklärte Präsi­dent v. Levetzow, der Reichstag werde vermutlich Ende der nächsten Woche geschloffen werden (nach der Kreuz- ztg. würde der Schluß am 18. April erfolgen). Dem­nach sollen nur die Vorlagen erledigt werden, welche bereits die Kommission bezw. die 2. Lesung passiert haben; außerdem noch Initiativanträge des Reichstags.

Berlin, 9. April. DerReichsanzeiger" publiziert die Verleihung des Großkomthurkreuzes des königl. Hausordens von Hohenzollern an den Reichs­kanzler Grafen Caprivi.

Berlin, 9. April. Das Berliner Tageblatt erfährt, der Bericht des Regierungsrats Rose, der bekanntlich nach Kamerun gereist war, um die Leist­affäre zu untersuchen, über die Vorgänge in Kamerun werde nicht eher publiziert werden, bis die oberste Disziplinarbehörde ihren Spruch gefällt habe. Die Ent­scheidung hierüber werde erst nach Eintreffen des Kanzlers Leist, der hierher zurückberufen ist, erfolgen.

Berlin, 9. April. Wie berichtet wird, hat der Kaiser den Vorschlag zur Errichtung des Bis­marck - D e n k m a l s vor der Säulenhalle des Reichs- tagsgebäudes auf dem Königsplatz genehmigt.

Berlin, 9. April. Die von Kissingen aus verbreitete Nachricht, der Zar werde eines Magen- und Darmleidens wegen diesen oder einen anderen deutschen Kurort aufsuchen, bestätigt sich nicht. Auf der russischen Botschaft wenigstens ist hiervon nichts bekannt, die offiziellen Meldungen lauten vielmehr dahin, daß Kaiser Alexander sich demnächst nach der Krim begeben werde.

Berlin, 10. April. Die Antisemiten brachten im Reichstage einen Antrag ein, der die Veranstaltung

von Ausverkäufen von der Genehmigung der OrtS- polizei abhängig machen will, sowie einen Antrag, der die Gewährleistung beim Viehverkauf durch Reichs­gesetz statuirt haben will.

Berlin, 11. April. Auf Befehl des Kaisers begibt sich Sonntag Morgen «ine kombinierte Schwadron des ersten Gardedragoner-Regiments nach Koburg, um der bei den Feierlichkeiten anwesenden Königin Viktoria die militärischen Ehrungen zu erweisen. Das Trompeterkorps und die Standarte begleiten die Schwadron.

Ausland.

Abbazia, 10. April. Um 8 Uhr 45 Min. gestern Abend warfen das SchulschiffMoltke" sowie die DachtChristable" hier Anker. Die Prinzen begrüßten die Schiffe durch abgefeuerte Raketen. Der Kaiser begab sich sofort an's Land und wurde von den zahlreich angesammelten Kurgästen mit stürmischen Hochrufen begrüßt. Die Feuerwehr bildete mit brennenden Fackeln Spalier.

Paris, 10. April. Die Morgenblätter bringen in Anknüpfung an die Unterredung des Korrespon­denten desFigaro" mit König Humbert weitere heftige und erbitterte Artikel über die Begegnung König Humberts mit Kaiser Wilhelm. Was in den Artikeln gesagt wird, läßt sich dahin zusammenfassen, daß Italien, wenn es durch die Dreibundspolitik bis auf den letzten Sou erschöpft sei, von Frankreich keine Hilfe zu erwarten habe. Italien brauche sich nicht zu wundern, wenn Frank­reich an der Grenze beständig die Hand am Degen habe.

Venedig, 9. April. Kaiser Wilhelm hat gestern wiederholt dem König Humbert gegenüber seine Bewunderung über die Schönheiten Venedigs ausgesprochen und ferner seiner Befriedigung über die herzliche Begrüßung seitens der Bevölkerung Aus­druck gegeben. Gestern Abend fand im Dogenpalast ein Diner statt, wobei jedoch keine offiziellen Toaste ausgebracht wurden. Heute früh um 8 Uhr ist Kaiser Wilhelm abgereist.

Rom, 9. April. In Siena platzten vor der Wohnung des Obersten Bertelli zwei mit Eisenstücken gefüllte Bomben, welche das Haus unbedeutend beschädigten. Fünf Anarchisten wurden verhaftet.

Tagesneuigkeiten.

Calw, 11. April. (Viehmarkt.) Zufuhr 157 Stück Rindvieh, 20 Körbe Milchschweine und 51 Stück Läufer. Handel in Rindvieh flau; höchst erlöster Preis für 1 Paar Ochsen 1093 Von 9 Stück, angeblich Berliner Ochsen, wurden 3 an hiesige Metzger verkauft. Auf dem Schweinemarkt zeigte sich reger Handel, es wurden Läufer mit 2050 per Stück und Milchschweine mit 2634 ^ per Paar bezahlt. Zufuhr an Pferden 14 Stück. Handel flau.

* Teinach, 9. April. Frau Witwe Bronn

dahier hat nach der Bestimmung ihres Gatten, des. verstorbenen Besitzers desKöniglichen Bades", die Summe von 5000 ^ zu allgemeinen Verschönerungs­zwecken an die mit der Verfügung darüber Betrauten, Hofrat vr. Wurm und Notar Schmid in Teinach, ausbezahlt. Ein rührender Beweis von liebevoller Fürsorge für das Bad, das der treffliche Mann nur vier Jahre lang besitzen sollte, und für welches der­selbe schon bei Lebzeiten so Vieles aufgewendet!

Stuttgart, 9. April. Eine unangenehme Erinnerung dürfte ein zu dem hiesigen Radfahrerfest aus Ulm eingetroffener Radler von hier mitnehmen. Demselben wurde nämlich, während er im Europäischen Hof frühstückte, sein neues wertvolles Rad gestohlen. Bis jetzt ist selbiges nicht beigebracht.

Cannstatt, 8. April. Das Verlangen nach Regen wird bei unseren Landwirten immer lauter; die Trockenheit erschwert die Felderbestellung. Der Wasserstand des Neckar ist sehr nieder; das Wehr bei der Wilhelmsbrücke liegt beinahe trocken. Der Bau der Verbindungsbahn hat hierzwi­schen der Schmiedener- und Münsterstraße im Flur, wohin die Eisenbahnbrücke über den Neckar kommt, ein reges Leben erzeugt. Interessant ist das Leben und Treiben der italienischen Arbeiter, die im Freien. abkochen und ihre Mahlzeiten einnehmen, wobei ge­wöhnlich abends viele Zuschauer sich einfinden. Dem­nächst wird auch die Wirtschaft unweit der Arbeits­stelle eröffnet und ein neuer Zuzug von Arbeitern startfinden, so daß gegen 100 Arbeiter beschäftigt sein werden. Bis jetzt ist mit den Grabarbeiten (an 4 von 13 Pfeilern) beim Neckar begonnen worden.

Eßlingen, 8. April. Für das auf der Maille unterhalb der Brückenkapelle zu errichtende Denkmal für den langjährigen Vorstand der deutschen Turnerschaft Georg ii sind bis jetzt 4117 ^ ein­gegangen.

Eßlingen, 10. April. Oberpostmeister H., ein allgemeiner geachteter und beliebter Beamter, wurde heute in der Morgenfrühe tot im Neckarkanal an der Maille aufgefunden. Derselbe ist wohl beim Nachhausegehen durch einen Fehltritt unweit seiner Wohnung in den ziemlich tiefgelegenen Kanal gestürzt. Der Jammer seiner Familie ist groß, die Teilnahme eine allgemeine.

Winnenden, 9. April. Der Frühling ist ins Land gezogen, und hat uns den ersten Blüten­schmuck gebracht. Die Pflaumenbäume stehen in einer solchen Blütenfülle da, wie noch selten, und von den Höhen sieht man überall die weißen Blüten der Kirschbäume herabwinken. Auch die Birnbäume werden in den nächsten Tagen blühen.

Bietigheim, 9. April. Auf Anregung seiner hiesigen Freunde hielt Prof. Zemann aus Stuttgart auch hier einen Vortrag über die Welt­ausstellung in Chicago. Mit ihm kam Fotogr. Lieb­hardt aus Eßlingen, der gleichzeitig in Chicago war, und unterstützte den Vortrag durch etwa 100 sehr

Aber eS war jemand bei Dir!" sagte er in etwas schärferer Weise.

Ei ja, zum Aufräumen braucht man nicht gern die eigenen Hände, dazu rufe ich mir gern die Hülfe eines Arbeiters/

.Evelme Du wirst mich täuschen!" rief er aus.Die Thür jenes Häuschens war verschlossen."

Ein jäher Schreck durchfuhr sie, unter dem ihre Wangen bleich wurden.

Hast Du gehorcht, Edmund?" fragte sie und trat einen Schritt auf ihn zu.

DaS Horchen ist nicht meine Sache, Eveline," sagte er kalt;aber von Dir selbst möchte ich eS erfahren, was jene Heimlichkeit zu bedeuten hat."

Und wenn Dir das nicht gelingt, wenn ich Dir keine Rechenschaft gebe?" Sie hotte noch einmal versucht, einen leichteren Ton anzuschlagen, doch wirkte der­selbe nicht mehr auf den Ernst ein, der sich seiner in jeder Sekunde tiefer und strenger bemächtigte.

Eveline." sagte er,ich weiß jetzt, daß eS mehr als ein« Heimlichkeit, daß eS ein Geheimnis ist, welches zwischen un» liegt, und ich verlange seine Lösung!"

Sie fuhr zurück:Vergiß nicht, Edmund, daß auch ich ein Recht habe: das Recht, Dir diese Lösung zu verweigern!"

Sie standen sich gegenüber Aug' in Auge, aber keine Spur jener weichen Regung, die sonst die Blicke d»S einen in den Zügen des andern hervorgerufrn halte, lag jetzt auf ihren Gesichtern.

Eveline," begann er wieder,noch ist «» Zeit, ein einzige» Wart kann alle» gut machen zwischen uns, jeden Zweifel an Dir in meiner Brust tilgen!"

Ihr Haupt richtete sich hoch und stolz auf:Du zweifelst an mir, Edmund? Da» ist ein Wort, dessen Sinn ich nicht verstehe."

Vielleicht hatte er dies halb« Wort zuerst absichtslos gebraucht; «S hatte nicht der Pfeil sein sollen der nach einem bestimmten Ziel abgesandt wurde, in diesem Augenblick aber, bei ihrer Antwort, die im herben Ton des Vorwurf» gesprochen ward, flammte plötzlich rin Gedanke, »in« Erinnerung an etwa», da» er erst var

kurzem gehört hatte, in ihm auf, und indem er sich zu ihr niederbeugte, um ihr fest in die Augen zu sehen, sagte er:Zwinge mich nicht zu einem Argwohn, der Deine und meine Ehre tötlich treffen könnte! Rede wer war bei Dir, mit wem flüstertest Du in jenem Häuschen?"

Er hatte ihre Hand ergriffen und preßte sie krampfhaft, al» wollte er damit ein Geständnis aus ihrer Seele pressen.

Edmund!' schrie sie auf, und fast beängstigend war es anzusehen, wie sich dunkle Glut und leichenhafte Bläffe in einer Sekunde auf ihrem Antlitz jagten, sprichst Du im Wahnsinn?"

In seiner Brust wogte, in seinem Gehirn siedete es. Mit verzweifelnder Angst kämpfte er gegen die Vorstellung, die ihn ergreifen wollte, von den Besuchen eine« jüngeren Manne», die in Lüge und Dunkel gehüllt werden mußten, klammerte er sich an ihre Reinheit, die jeden Verdacht er suchte sich das in seine Seele einzugraben zum Verbrechen machen mußte. Aber Licht! Licht! schrie es dennoch- in ihm auf.

Er ließ ihre Hände lo», preßte die srinigen gegen die Stirn und sagte:Ja, eS könnte mir begegnen, daß ich den Verstand verlöre, darum sprich, wenn auch nur aus Barmherzigkeit, Eveline : was verbirgst Du mir?"

Die Kehle war ihr wie zusammengeschnürt, daß sie kein Wort hervorzubringen vermochte; sie schüttelte nur mit dem Kopfe.

Ihr Schweigen reizte ihn zu tiefer Bitterkeit.

Eveline," sagte er,denke daran, daß Du in wenigen Wochen mein Weib werden wirst, wie soll ich Deine Hand fassen, wie kannst Du sie mir reichen-"

Die Sprache, ihre ganze Festigkett und ihr Stolz waren ihr wiedergegeben. Wohl," fiel sie ihm in» Wort,gerade weil ich Dein Weib werden soll und eine Lüge Dich und mich erniedrigen würde, verweigere ich Dir die Erklärung und fordere da» Vertrauen von Dir, welches mir gebührt."

(Fortsetzung folgt.)