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Tagesneuigkeiten.

2 . C a I w, 6. April. Die K. Staatsanwaltschaft Tübingen macht, mit dem Ersuchen um sachdienliche Mitteilungen, bekannt, daß in der Zeit vom 18. bis 82. März d. I. in der hies. kathol. Kirche ein« an einen Kirchenstuhl angeschraubte Opferbüchse samt' Inhalt gestohlen worden ist. Der Behälter wurde in dem Walde zwischen Calw und Kenntheim unweit der Straße erbrochen aufgefunden. (Der Thäter dürfte wohl ein alter Sammler dieser Art sein.)

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Infolge der vom 8. bis 15. d. Mts. mit 161 evange­lischen Schulaspiranten abgehaltenen Vorprüfung sind u. a. nachstehende Schüler zur Vorbildung für den Volks- schullchrerberuf mit Aussicht auf Staatsunterstützung ermächtigt worden:

Gin ad er, Friedrich, von Gechingen,

Quinzler, Gottfried, von Gechingen.

Stuttgart, 5. April. Nach vorangegangener standesamtlicher Trauung durch den Ministerpräsiden­ten von Mittnacht fand um 11 Uhr 30 Min. im Festsaal des Kronprinzenpalais die kirchliche Trauung der Herzogin Maria Jsabella von Würt­temberg mit dem Prinzen Johann Georg von Sachsen statt. Bischof Reiser von Rottenburg im großen Ornat mit Mitra und Hirtenstab, nahm unter Assistenz von vier Geistlichen die Einsegnung vor, welcher die Könige von Württemberg und Sachsen, die Familien des Bräutigams und der Braut, Erz­herzog Albrecht von Oesterreich, sowie sämtliche Gäste des Hofes, die Staatsminister und die Hofchargen beiwohnten. Nach der Einsegnung erfolgte der Ring­wechsel ; der Akt wurde vom Cäcilienverein durch den Vortrag von Witt'sle äsuw lauännus" verherr­licht. Der nunmehrige Hofdienst der Frau Prinzessin Johann Georg nahm alsbald seine Stellen ein. Auf dem Schloß weht die württembergische und die sächsische Fahne. Um 4 Uhr reist das Neuvermählte Paar nach der Schweiz ab.

Franfurt, 4. April. Ueber das furcht­bare Brandunglück, welches seit heute früh unsere Stadt in Aufregung hält, fasten wir die Ein- zelnheiten in Folgendem zusammen: Um '/-5 Uhr Morgens wurde die Pflichtfeuerwehr durch das Signal Kleinfeuer" in die Gutleutstraße gerufen, woselbst in dem an der Ecke der Scharnhorststraße belegenen früherenHotel Britannia", welches seit einiger Zeit als Privatwohnhaus benutzt wird, Brand ausgebrochen war. Der abgesandte Löschzug fand jedoch bei seinem Eintreffen auf der Brandstelle kein Kleinfeuer sondern eine schreckliche Feuersbrunst vor, die bereits das ganze große fünfstöckige Haus erfaßt und mehrere Opfer an Menschenleben gefordert hatte. Im vierten Stock­werke des Hauses wohnte eine Frau Weck, die In­haberin eines Eiergeschäfts am Taunusthor, mit ihren Töchtern Sophie Wilhelmine und Pauline sowie mit ihrem Sohne, dessen Frau und einem ein­jährigen Kinde. Der Sohn ist augenblicklich auf Reisen. Die junge Frau muß nun durch das Feuer zuerst geweckt worden sein und sich sogleich von Flammen umgeben befunden haben, so daß ihr kein Ausweg mehr blieb, als sich und ihr Kind durch einen Sprung auf die Straße zu retten. Bei der enormen Höhe, aus der der Sprung erfolgte, war es kaum anders zu erwarten, als daß beide, Mutter und Kind, den Tod fanden. Sie starben beide auf dem

benachbarten Polizeirevier. Mit etwas mehr Glück versuchte den Sprung eine der beiden Töchter. Sie trug beim Sprunge so schwere Verletzungen davon, daß man ihre Identität noch nicht feststellen konnte, und die beiden übrigen Familienmitglieder, die alte Frau Weck und die zweite Tochter wurden als gänzlich verkohlte Leichen aufgefunden. Da bis jetzt noch niemand zur Stelle war, der die Identität der einen oder der anderen Tochter hätte feststellen können, so weiß man noch nicht, ob es die Sophie Wilhelmine Weck oder die Pauline ist, welche noch am Leben ist. In einer verzweifelten Lage befanden sich auch zwei im fünften Stockwerke (Man­sarde) schlafende Dienstmädchen Elisabeth Schwerdt und die 21jährige Marie Kullmann aus Nieder­wöllstadt. Elftere rettete sich mit Brandwunden be­deckt über die Brandmauer auf das Dach des Nach­barhauses, letztere aber, die sich durch Herabklettern am Blitzableiter zu retten suchte, verlor auf der Hälfte des Weges die Kraft, stürzte ab und brach das Genick. Dies alles war, als die Feuerwehr mit unzureichendem Rettungsmaterial am Platze erschien, bereits geschehen. Die ersten Rettungsmannschaften, Soldaten, kamen in Begleitung des Regiments­kommandeurs, des Obersten v. Kehler, und mehrerer Offiziere aus der nahe gelegenen Jnfanteriekaserne. Wie wir hören, waren es auch diese, die zuerst Sprung­tücher zur Stelle brachten. Durch Abspringen in die Falltücher retteten sich der im zweiten Stockwerke wohnende Uhrmacher Schlesicky und dessen Sohn; beide trugen jedoch Verletzungen davon. Der Vater erlitt einen Rippenbruch und innere Ver­letzungen, der Sohn innere Verletzungen, welche sehr ernstlicher Natur sein sollen. Ver­letzt ist ferner der Hausmeister Michael Trunk, in dessen unter der Treppe gelegener Loge das Feuer ausgebrochen sein soll. Die übrigen Hauseinwohner, darunter der Wildprethändler Geyer mit Familie und der Eigentümer des Hauses Müller wurden von der Feuerwehr durch Leitern gerettet. Letzteres war not­wendig, da das ganze Treppenhaus in Flam­men stand und vollständig ausbrannte. Vermißt wird schließlich noch eine alte Köchin, die bei Schlesicky in Diensten stand und jedenfalls auch ihren Tod in den Flammen gefunden hat. Die Leiche des Dienst­mädchens Elise Schwerdt, geboren 1877 zu Kiedrich, wurde heute Nachmittag 1 Uhr. unter den Trümmern der Mansarde gefunden. Die Leiche war nur noch an den roten Haaren zu erkennen. So hat denn dieses furchtbare Unglück sechs Menschenleben zum Opfer gefordert. Wer das Verschulden daran trägt, daß dasselbe so schreckliche Ausdehnung an­genommen hat, kann vorläufig noch nicht übersehen werden. Unbegreiflich bleibt jedenfalls manches an der Sache, in die erst die Untersuchung das nötige Licht bringen wird. Von verschiedenen Seiten wird der Verdacht der Brandstiftung ausgesprochen, doch geben wir dieses Gerücht vorläufig mit allem Vor­behalt wieder. Die Brandstätte, die beständig von Tausenden umlagert ist, bietet einen schrecklichen An­blick. Der Dachstuhl, der vierte und der dritte Stock und wie bereits gemeldet wurde auch das Treppenhaus sind völlig ausgebrannt. Der zweite Stock ist schwer beschädigt, während die unteren Etagen scheinbar unverletzt blieben.

Berlin, 5. April. Der Kaiser reist am 12. April nach Wien, am 14. nach Karlsruhe, von da nach dreitägigem Aufenthalt nach Coburg und am 20. nach der Wartburg.

einen Grund für ihr Zuhausebleiben: die Sorge für die Wirtschaft, die Pflege des Vaters, der nach dem Fall fortwährend kränkelte, oder was es sonst war. Daß sie dabei ängstlich und verlegen ward, durste Eveline dann nicht auffallen, da sie ja wußte, daß Hannchen immer in Angst schwebte, sie könne es an irgendeiner Auf­merksamkeit und Rücksicht fehlen lasten, daß sie sich wie gegen einen bitteren Vor­wurf verteidigen zu müssen glaubte, wenn ihre Beschützerin dann und wann ein­mal hinwarf:Es kommt noch einmal jemand, Hannchen, dem ich mein Regiment in Deinem Herzen wohl oder übel abtreten muß!" Und so war es auch jetzt das regelmäßige Ende, wenn Eveline Hannchen einmal traf und ihr jene Vorstellungen machte, daß letztere das Köpfchen senkte und leise seufzt«:Ich darf ja nicht!" und daß dann Eveline dasselbe Köpfchen mit der Hand emporrichtete, über die Thränen, die in Hannchens blauen Augen standen, lachte und ihr sagte:Nun, so geh' nur Deines Wegs; ich weiß ja doch, daß ich Dich am Bande halte und Dich an mich ziehen kann, wenn es mir einfällt!"

Einmal indessen es war in der Zeit des vorrückenden Herbstes und an einem Nachmittag kam Hannchen in das Gutshaus und verlangte Eveline zu sprechen. Da man das Verhältnis drS jungen Mädchens zu der Herrin kannte, wurde sie ohne weitere Anmeldung in daS Zimmer derselben geführt. Kaum aber hatte Eveline die Eintretende erblickt, so sprang sie von ihrem Sitz auf und rief aus:Dir ist etwas begegnet, Kind, Du siehst bleich und verstört aus! Sprich schnell, was ist Dir?"

Züternd bat Hannchen, ob sie die Thür schließen dürfe, und als Eveline selbst den Riegel vorgeschoben hatte und zu ihrem Schützling zurückkehrte, begann Hannchen flüsternd, als ob sie fürchte, daß sogar die Wände zu Lauschern und Verrätern werden möchten, ihre Beichte.

Es mußten ernste und schwere Dinge sein, die Hannchen in dieser Stunde

Hamburg, 5. April. Die Kriminal-Polizei verhaftete eine 8 Personen zählende Bande, welche systematisch die auf den Hamburger Quais lagernden Kaufmannsgüter beraubt und schwunghaften Handel mir denseben betrieben haben.

Paris, 5. April. Im Restaurant Foyot, Rue Vaugirard gegenüber dem Senatspalast, fand abends 9'/, Uhr eine Bombenexplosion statt mit einer ungeheueren Detonation. Die Fensterscheiben und das Material ist zertrümmert; zahlreiche Personen sind verwundet, darunter zwei Gäste schwer. Eine ungeheuere Aufregung bemächtigte sich der Menge, welche glaubte, daß das Palais Luxembourg in die Luft gesprengt sei. Zwei Leute sind verhaftet.

Paris, 5. April. Die Bombe bei dem Atten­tat im Restaurant Foyot war eine mit Dynamit und großen Nägeln gefüllte Konservenbüchse. Der Schaden im Restaurant ist beträchtlich, auch die Häuser auf der anderen Seite der Straße sind beschädigt. Außer dem Kellner Tomazo sind der sozialistische Schrift­steller Laurent Tail lade und Frln. Julia, die im Restaurant diniert hatten, verwundet; Taillade, dem das linke Auge herausgerissen wurde, protestierte beim Verbinden im Krankenhaus gegen die anarchistischen Theorien, die man ihm vorwarf. Der Assistenzarzt erinnerte Taillade daran, daß er bei dem Attentat, gegen die Deputiertenkammer gesagt habe:Was liegt an den Opfern, wenn nur die That schön ist?" Der Urheber des Attentats soll ein 30jähriger Mann in Arbeiterkleidung sein, der nach Angabe eines jungen Menschen die Bombe im Blumenbehälter am Fenster des Restaurants niederlegte und dann floh. (Es verlautet, ein Individuum sei verhaftet, welches dem Signalement des angeblichen Attentäters entspricht).

London, 4. April. DieTimes" veröffent­licht ein Telegramm ihres Wiener Korrespondenten, wonach die Meldung, daß der Kaiser von Ruß­land bei den russisch-österreichischen Handelsvertrags­verhandlungen persönlich eine Rolle gespielt habe und daß eine Verständigung der drei Kaiser von Deutsch­land, Oesterreich und Rußland hinsichtlich einer teil­weisen Abrüstung wahrscheinlich sei, in höheren Wiener Kreisen große Befriedigung hervorgerufen hat. (?)

London, 5. April. Der französische Anarchist Me uni er, der Urheber der Explosion im Cafe Very in Paris, wurde gestern abend im Viktoria­bahnhofe verhaftet, als er nach Antwerpen abreisen wollte. Meunier leistete verzweifelten Widerstand, ein geladener Revolver und mehrere Patronen wur­den bei ihm gefunden. Ein Begleiter Meuniers, Anarchist, wurde ebenfalls verhaftet.

Standesamt Kalm.

Geborene.

1. April. Ernst Friedrich, S. d. Jakob Hennefarth,

Tunellwärters hier.

2. . Theodor Friedrich Wilhelm, S- d. Johann

Keller, Eisenbahnschaffners hier. Gestorbene.

3. April. Magdalene Schumacher, ledig hier, 75

Jahre alt.

Gottesdienste

am Sonntag Wiserlcordias I>omini, den 8. April. Vom Turm: 342. Predigtlied: 651.

9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr: Nachm.- Predigt: Herr Stadtpfarrverweser Or. Hory.

Mittwoch 10 Uhr Betstunde.

der jungen Herrin vertraute, denn auch Evelinens Wangen wurden blaß; sie trat sogar einen Schritt zurück, wie in heftigem Schrecken und legte dann die Hände an die Stirn, als müsse sie ihr eigenes Denken und Überlegen zusammenhalten.

Unterwegs, beim Transport, sagst Du?" rief sie.Der unselige Mensch! aber hier darf er nicht gesunden werden!"

Hannchen hatte Evelinens Hände ergriffen und preßte sie krampfhaft an Herz und Lippen.

Helfen Sie, geben Sie einen Rat, um Gottes willen! Der arme Vater er ist heute wieder recht krank und weiß noch nichts-"

Er soll auch nichts wissen, sagte Eveline, und entschlossen setzte sie dann hinzu:Halte ihn bis zur Dunkelheit auf, in Eurem Hause darf er keine Stunde länger, als nötig ist, bleiben; dann schleicht Euch durch den Sternbusch nach der Parkseite, wo das Gartenhäuschen ist; dort ist er eine kurze Weile sicher, und bis dahin werde ich wissen, wie Rat zu schaffen ist. Ich brauche nur eine kleine Zeit zur Überlegung!"

Sie tröstete dann das Mädchen, so gut sie es vermochte, wechselte noch einige Reden mit ihr, in denen sie ihr wiederholt Vorsicht einschärfte, und geleitete sie dann, um sie keinem Zusammentreffen mit jemandem von ihren Leuten auszusetzen, selbst über den Hof hinaus. Dann aber kehrte sie rasch ins Haus zurück, blieb noch eine Weile ganz still in ihrem Zimmer, als sinne sie hier einem Plan, einem Unter­nehmen nach, und ging dann eifrig ans Werk. Sie war geschäftig, Kleidungsstücke zusammenzutragen, die einen Anzug ausmachen konnten, und dann überzählte sie Papiere, die sie sorgfältig ineinander legte. Der Abend war schon vollständig her­eingebrochen, als sie ihre Vorbereitungen beendigt hatte.

(Fortsetzung folgt.)