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des Marktes herumtummelte, wurde von einem Hühnerhunde in seinem harmlosen Vergnügen gestört und verfolgt. Er nahm den Weg direkt unter einem mit duftendem Inhalt gefüllten Wurstkessel hindurch; als aber der größere Verfolger denselben beschrieb, kippte die ganze Anstalt um und die Würste rollten auf dem Boden herum. Der Hase war natürlich mittlerweile entkommen.
Genkingen, 25. März. Ein hiesiger Mann verunglückte vor einigen Tagen auf eigentümliche Weise. Derselbe wollte auf seinem Hühnerhof nach einem erkrankten Huhn sehen, als er dasselbe fing, wurde er von dem Hahnen der Hühner angegriffen und am Auge so schwer verletzt, daß ihm in Tübingen, wohin sich der Schwerverletzte begab, das Auge herausgenommen werden mußte.
Hall, 24. März. Die vom Reichsgericht an die hiesige Strafkammer verwiesene Verhandlung gegen den Oberbürgermeister Hegelmaier findet am 17. April vorm. 9 Uhr statt.
— Zur Mahnung und Warnung für Hutbesitzer und Wirtshausbesucher sei nachstehendes erzählt. In Mainz setzte sich kürzlich in einer Restauration ein junger Mann aus Versehen auf einen neuen Hut, der auf einem Stuhle lag. Der Eigentümer des durch dieses „Attentat" völlig unbrauchbar gewordenen Hutes klagte auf Schadenersatz, wurde aber vom Gericht abgewiesen und in die Kosten verurteilt unter Hinweis darauf, daß ein Stuhl kein Aufbewahrungsort für Hüte sei; wer ihn als solchen benütze, müsse dies natürlich stets auf seine Gefahr thun.
Nürnberg, 23. März. Die Strafkammer hatte sich mit einem bemerkenswerten Erpressungsversuch zu beschäftigen. Der Schneider Singer in Stein hatte an die verwittwete Freifrau v. Faber einen anonymen Brief gerichtet, worin das Niederlegen von 5000 ^ bei einem bestimmten Orte verlangt wurde, da sonst das Schloß in die Luft gesprengt werde. Der von Unflätigkeiten strozende Brief war mit „Hauptmann der italienischen Anarchisten" unterzeichnet. Da kein Geld hinterlegt wurde, kam ein zweiter Brief, worin nunmehr 20 000 verlangt wurden. In dem zweiten Briefe war bemerkt, daß in den seit Absendung des ersten Briefes verflossenen 8 Tagen Zeit genug gewesen sei, um 2 Zentner Dynamit zu legen, die genügen, um das Schloß in die Luft zu sprengen. Dieser zweite Brief war mit: „Das Anarchistenkomite" unterzeichnet. Der Behörde gelang es bald, den Schneider Singer als Urheber der Briefe, welche die Freifrau v. Faber stark beunruhigt hatten, auszukundschaften. Die Strafkammer verurteilte Singer zu 1 '/-jähriger Zuchthausstrafe unter Aberkennung der Ehrenrechte auf 5 Jahre.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet: Bei Tübingen wurde vor etwa drei Jahren ein Handwerksgeselle auf der Landstraße ermordet aufgefunden,
dessen Papiere auf den Klempner Julius Schmidt aus Spremberg lauteten. Den Eltern zu Spremberg ging der Totenschein mit einem Begleitschreiben des Pfarrers zu Dettenhaus en zu, wo der Ermordete beerdigt ward. Am 8. März d. I. überbrachte der Postbote denselben einen Brief mit dem Poststempel Angermünde, worin der seit damals betrauerte Sohn der Mutter seine Glückwünsche zum Geburtstage darbringt. Dem Gesellen Schmidt waren vor mehr als drei Jahren auf der Reise seine Papiere gestohlen worden. Der bei Tübingen Ermordete war der Dieb der Papiere.
Berlin, 26. März. Aufsehen erregte heute früh 5'/, Uhr eine blutrote Fahne, welche in weißen Buchstaben die Inschriften: „Hoch lebe die Anarchie" und „Hoch lebe die Revolution" trug und an der Schillingsbrücke an einem über die Spree laufenden Telephondraht befestigt war. Da man die Fahne von keiner Seite erreichen konnte, mußte dieselbe durch die Feuerwehr mit Hilfe einer mechanischen Leiter beseitigt werden.
Berlin, 27. März. Gestern stürzte in Velten bei Oranienburg der 18jährige Luftschiffer Otto Merkel aus Leipzig herab. Derselbe verletzte sich schwer. Der Luftballon ist bei der Auffahrt auseinandergeborsten.
Berlin, 27. März. Nach dem „Reichsanzeiger" hat der Reichskanzler heute das neue Reichstagsgebäude einer längeren Besichtigung unterzogen.
— Die Annahme des deutsch-russischen Handelsvertrags wird von den russischen Blättern mit dem Ausdruck lebhafter Befriedigung in einer Reihe von Artikeln besprochen, in denen durchklingt, daß die erheblichen Vorteile für die russ. Ausfuhr freilich nicht ohne entsprechende Zugeständnisse erlangt worden seien, daß aber diese Zugeständnisse keine erheblichen Opfer den wichtigsten Zweigen der russischen Produktion auferlegen. Dabei werden sowohl dem Finanzminister Witte als dem „Neuen Kurs" in Berlin große Lobsprüche gespendet.
Hamburg, 24. März. Der Personenzug 56 Berlin-Hamburg stieß in Hagenow mit einem Rangierzug zusammen. Der Zugführer des Personenzuges ist getötet, Packmeister und Heizer schwer verletzt. Von den Reisenden ist keiner beschädigt. Die Untersuchung hat bisher ergeben, daß kein Verschulden des Personals, sondern ein unglücklicher Zufall die Ursache des Zusammenstoßes ist.
Posen, 22. März. Nach hier eingegangenen zuverlässigen Nachrichten ist unter den Pferden des ruffischen Dragoner-Regiments in Czenstochau, nahe der preuß. Grenze, die sibirische Beulenpest ausgebrochen. 40 Pferde sind der Seuche bereits zum Opfer gefallen. Die preuß. Grenzbehörden haben umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen.
Fiume., 24. März. Heute nacht fuhr bei einer Weichenverstellung em aus 18 Waggons be
stehender Postzug in den deutschen kaiserlichen Zug, der auf den Seitenschienen steht. Der Anprall war furchtbar. Am ersten Waggon wurde ein Puffer mit armdicker Stahlstange wie Glas abgebrochen, der zweite Puffer stark nach unten gebogen und halb abgebrochen. Durch die starke Erschütterung wurde auch alles Glas- und Porzellangeschirr im Küchen- und Speisewagen samt den Spiegeln zertrümmert.
Abbazia, 26. März. Das Kaiserpaar wohnte gestern mit den Prinzen dem Gottesdienst auf dem „Moltke" bei; später fand im Garten der Villa das heimatliche Ostereiersuchen statt. Heute Mittag machte der Kaiser eine Fahrt auf der „Christable" nach der istrischen Küste zu. — Kaiser Franz Joseph hat seine Ankunft um 24 Stunden verschoben. Er trifft Donnerstag Morgen über Mattuglie ein.
Abbazia, 27. März. Der Kaiser beabsichtigt seinen Aufenthalt bis Milte April zu verlängern und von hier direkt nach Koburg zur Hochzeit des Großherzogs von Hessen reisen.
Petersburg, 24. März. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß, dem Kaiser den aller- unterthänigsten Dank zu unterbreiten für seine Sorge um die Wohlfahrt des Volkes durch Abschluß des deutsch-russischen Handelsvertrags.
Calw.
Kandrvirlschaftl. Kezirks verein.
In der Haushaltungsschule in Herrenberg, in welcher Mädchen aus bäuerlichen und bürgerlichen Kreisen in denjenigen Fächern unterrichtet werden, deren Kenntnis zur Führung einer einfachen Haushaltung nötig ist, beginnt der Sommerkurs am 16. April d. I. Anmeldungen zur Aufnahme, für welche das zurückgelegte 16. Lebensjahr die Voraussetzung ist, und mit welcher das Geburts-, Jmpf- und Schulzeugnis vorzuleaen ist, werden bis zum 7. April von dem Unterzeichneten, bei welchem auch die Statuten zu haben sind, besorgt. Dabei wirb bemerkt, daß die Kasse des landw. Vereins das Lehrgeld mit 25 übernimmt.
Den 26. März 1894.
Vereins-Sekretär A n s e l.
Reklametett.
Tetegririiiiir.
Das weltberühmte Zahnschmerzmittel
Geo Dötzer's DentiLcr
wird nachgeahmt. Vorsicht ist geboten. Jedk Fl. muß den Namen Geo Dötzer tragen, wenn es von Zahnschmerz befreien soll. Aecht zu haben per Fl. 50 Pfg. bei Wieland H Pfleiderer.
man schon etwas nach! Und dann, — allzu große Zahmheit paßt nicht für mich: ich muß immer etwas zu brechen und zu besiegen haben!"
„L. I» bvllns bsurs!" lachte Herr von Milten; Edmund aber sagte zu seinem Schwager: „Wenn Du fahren möchtest, Eugen, so könnte der Kutscher da» Pferd zurückbringen, und ich führte dann Evelinr zu Fuß nach Hause, denn natürlich dürfen wir sie nicht allein zurückreiten lassen."
Der zustimmenden Antwort, die Herr von Milten geben wollte, kam Eveline mit der entschiedenen Erklärung zuvor, daß sie gegen das Arrangement Protest einlege, zu welchem nicht der geringste Grund vorhanden sei; sie fühle sich vollkommen sicher auf dem Rücken ihres Pferde»; .und Sie, lieber Edmund," fügte sie gegen Dernburg gewandt hinzu, „wögen sich morgen überzeugen, daß Zemire mich heil und ganz heimgebracht hat!"
„Aber ich bitte Sie, Eveline, wegen meiner Beruhigung!" sagte Dernburg eindringlich, und Klara erklärte zu gleicher Zeit, sie würde die Nacht kein Auge schließen können, wenn Eveline auf ihrem Sinn beharre.
Diese aber hatte mit den lachenden Worten: „Ängstigen Sie sich lieber um ein Erdbeben, was uns einmal alle verschlingen könne!" ihr Pferd herumgeworfen, und indem sie der Gesellschaft noch einen Gruß zuwinkte, sprengte sie von dannen.
„Verblüfft und abgesührt!" rief Herr von Milten, vermochte aber mit seinem Scherz die Verstimmung nicht zu zerstreuen, welche EvelinenS Verfahren bei den beiden andern erregt hatte, und die sich vorläufig durch Schweigen äußerte. Dernburg hatte dem Kutscher die Zügel nicht wieder abgenommen, sondern sich zu den übrigen in den Wagen gesetzt, blickt« aber ziemlich finster vor sich hin, während Klara sich verdrießlich in ihren Shawl wickelte.
Ward die Fahrt indessen still zurückgelegt, in Wertfeld öffneten sich wieder die Lippen, und in fast heftiger Weise machte sich zunächst Klara über Eveline Luft. Der letzte Vorfall hatte die mildere Beurteilung, welche sie eine Weile in sich gehegt, völlig wieder aufgehoben, und auf» neue erschien ihr di« Braut des Bruder» im
ungünstigsten Lichte. Sie nannte sie halsstarria, unweiblich, und der Gedanke, daß Edmund sein Glück in die Hände eines solchen Wesen gelegt habe, brachte sie wieder dem Weinen nahe. Es tröstete sie wenig, daß ihr Gatte Eveline verteidigte, daß er ihre Vorzüge lebhaft pries, ja sie ward geradezu ungeduldig, als er noch einmal auf ihre Tüchtigkeit zurückkam und sie mit einer klugen Monarchin verglich, die ihren Staat bestens regieren könne.
„Nenne sie lieber ohne weiteres eine Despotin!" rief Klara mit Bitterkeit. „Den Namen verdient sie schon für die Rücksichtslosigkeit, mit der sie den alten Vater — denke nur an die Geschichte mit dem fortgeschickten Diener! — behandelt."
„Nun," meinte Herr von Milten, „ich möchte ihr schon das Recht zugestehen, daß sie auch den alten Oberst ab und an etwas straff im Zügel hält, denn eS möchte sonst schwer mit dem alten verdrehten Herrn auszukommen sein; in diesem Fall aber war es doppelt gerechtfertigt, wie ich zufällig aus dem Munde der Dienstleute, mit denen ich sprach, erfahren habe; jener Bursch« hatte sich in schmählicher Weise an einer ihrer Mägde vergangen, was freilich dem Oberst, der in xunelo der Moral nicht immer sehr streng gewesen sein soll, nicht allzu strafwürdig erschienen! sein mag."
Klara wußte auf diese Beweisführung nicht viel zu erwiedern, spielte aber dafür ihren letzten Trumpf aus. indem sie das Reiten tadelte, das an sich schon unpaffend genug sei, durch die Art aber, wie Eveline es treibe, geradezu unverzeihlich werde.
„Ach, so schweigt doch endlich einmal mit Euren Vorwürfen und Bedenken!" rief Herr von Milten jetzt wirklich etwas ungeduldig. „Auch Edmund kaut offenbar an seinem Verdruß über EvelinenS srlbfiändige Haltung, die sich der Bevormundung widersetzte, und doch sage ich, sie hatte ein Recht, sich so sicher zu fühlen, denn der kleine Akt bewies, daß sie ihre Zemire vollkommen zu meistern versteht. Es war ja ein wahrer Prachtanblick, sie als richtige Amazone ihr Roß zügeln zu sehen!"
(Fortsetzung folgt.)