Leitartikeln den Abschluß des Handelsvertrags, weil er für Rußland sehr vorteilhaft sei, ferner weil er als Ergebnis des vorausgegangenen Zollkrieges in moralischer Hinsicht als ein zweifelloser Sieg Rußlands erscheine und schließlich weil er notwendig gewesen und nunmehr eine sichere Friedensgewähr geboten sei. Der jetzige ehrenvolle wirtschaftliche Frieden beleidige keine der beiden Teile, sichere mithin die regelrechten wirtschaftlichen Beziehungen beider Nachbarstaaten und werde auch als eine Festigung des politischen Friedens von ganz Europa angesehen. Auch „Nowosti" erklärt heute abermals, zur Wahrung des Friedens habe die durch den Kaiser geleitete Regierung des Grafen Caprivi mehr gethan als der Dreibund. Jetzt gehöre das Verdienst vollständig den Politikern des neuen Kurses und verbleibe ihnen auch in der Geschichte.
Paris, 16. März. Die Polizeipräfrktur erklärte, es sei festgestellt, daß der Urheber der Explosion in der Madeleine-Kirche der Anarchist Pau- wel ist. Die durch das Attentatt entweihte Kirche wurde heute durch den Erzbischof von Paris neu geweiht.
Tagesneuigkeiten.
Calw, 19. März. Am Freitag abend hielt Herr Missionar Lärcher im Georgenäum einen Vortrag über „den Fremdenhaß der Chinesen, eine Folge ihrer ganzen Weltanschauung". Alles Chinesische, führte der Redner aus, sei vom Ausländischen sehr verschieden. Diese Eigenheit komme nicht blos uns Europäern, sondern den Chinesen selbst zum Bewußtsein, namentlich seit letztere in Berührung mit Ausländern kommen. Die Chinesen besitzen eine scharfe Beobachtungsgabe und sie nützen dieselbe in ihrem eigenen Interesse aus. In ihrer Sprache, Schrift und an Wahrnehmungsvermögen seien sie den Europäern überlegen. Diese stolze Nation sei aber in den Fortschritten zurückgeblieben und dieses Stillestehen rühre sowohl von der stolzen Selbstabschließung der Chinesen als auch von der göttlichen Prövidenz her. Die Chinesen haben sich seit beinahe 4000 Jahren von den übrigen Völkern abgeschlossen, wozu die Lage des Landes viel beigetragen habe. Di« Chinesen seien gewöhnt als Muster zu dienen, welche jedermann nachahme; von andern Völkern nehmen die Chinesen fast gar nichts an. In ihren Augen sind alle Völker Barbaren; sie glauben, da sie die zahlreichste und älteste Nation seien, ihre Religion und Gesittung stehe höher als die der andern Nationen. In den Ausländern sehen sie eine Gefahr für den Staat. Die chinesischen Patrioten sagen, die Ausländer zerstören die Grundlage der Unterordnung, indem die Missionare Gott als höchstes Wesen darstellen; die Ausländer seien verabscheuungswürdige Weibergeschlechter. Der Hang zur Auswanderung nehme aber in jedem Jahre zu. Die Einfuhr ausländischer Waren betrage in 1 Jahr 575 Mill. Mark, für Opium werden 145 Mill. Mark ausgegeben. Diesen Auswanderern werde es nun zum ärgsten Frevel angerechnet, daß sie die Sünde der Vernachlässigung der Anbetung der Ahnen begehen. In China seien etwa 50 Tausend ev. Christen und etwa lOmal soviel kath. Christen. Die Patrioten meinen nun, wenn mit jedem Jahr mehr Christen werden
und je mehr Ausländer in das Land kommen, desto mehr werde der Göttersegen weichen und auf die Ausländer übergehen. So sei es nicht zu verwundern, daß die Ausbreitung des Christentums verhindert und die Austreibung aller Ausländer anaestrebt werde. Der Redner gab hierauf interessante Einblicke in die chinesische Weltanschauung und Religion. Nach der Lehre des Konfucius seien die Ausländer wie die Tiere, die nicht das Gefühl besitzen, ihren Erzeugern Anbetung und Verehrung zu bezeigen. Auf dieser Würdigung der Ahnengötter beruhe aber der Respekt der Kinder vor den Eltern. Würde die Anbetung der Ahnen aufhören, so fürchten die Patrioten, würde jede Auctorität begraben. Nur durch Anbetung am Ahnengrab könne Segen erlangt werden. Die Ahnengötter würden sich sonst rächen und Landplagen senden, weshalb die Christen als Landesverwüster angesehen werden. Besonders seien eS 4 Punkte, welche die Patrioten als ganz unverträglich mit der chinesischen Weltanschauung betrachten, daß nämlich nach den Vorträgen der chines. Kaiser die Verehrung der ausländischen Götter bei seinen Unter- thanen schützen, daß in neuerer Zeit die Gesandten der ausländischen Fürsten als Gesandte von unabhängigen Fürsten empfangen werden, daß bei solchen Audienzen der Gesandte sich nur 3 mal, der Chinese aber 9 mal verneigen müsse und daß ein Ausländer Schutz und sein gutes Recht vermittelst des ausländischen Konsuls in China erlangen könne, der Chinese aber schutzlos sei. Die Patrioten suchen auf alle Weise zu verhindern, daß Ausländer in China Wohnung nehmen. Der Haß der Chinesen gegen alle Ausländer könne nur, so schloß der Redner den interessanten und fesselnden Vortrag, durch ihre Bekehrung zum Christentum aufgehoben werden.
(Eingesandt.)
Die Zohannespasfion von I. S. Dach.
Es ist eine unnötige Frage, welcher der beiden Passionsmusikrn von I. S. Bach der Vorzug gebührt. Eingedenk des bekannten Ausspruchs Goethes von den „beiden Kerlen" lassen wir die zwei Werke neben einander stehen und freuen uns ihres Daseins. Die gangbare Meinung erteilt zwar ohne Bedenken der Matthäuspassion die erste, der Johannespassion die zweite Stelle. Dieses Urteil in seiner Allgemeinheit ist zu absolut. Lach ist viel zu groß, als daß er über denselben Gegenstand zwei Werke componiert hätte, die sich einfach mit einander vergleichen ließen. Jedem hat er den Stempel eines Kunstwerks ausgeprägt. Als Ganzes mutet uns die spätere Matthäuspassion großartiger an; sie arbeitet schon mit ganz anderen Mitteln, indem sie Chor und Orchester in 2 Lager teilt und durch Achtstimmigkeit, ausgiebige Polyphon« und Dramatisierung der Volksscenen imponiert. Solche überwältigende Massenwirkungen wie: „Kommt, ihr Töchter" oder „Sind Blitze, sind Donner", weist nur die Matthäuspassion auf. So erschüttern denn auch die meist kurzen Volkschöre durch ihre Wucht und dramatische Schlagkraft.
Ueber der Johannispassion dagegen lagert — mit Ausnahme des dunkeln schwermütigen Ein- gangschors der in unserer Aufführung durch einen Chor aus der Matthäuspassion ersetzt wird — eine
gedämpfte, weiche harmonische Stimmung, ein Zug von milder Versöhnung und friedlicher Ruhe. Um so greller und einschneidender treten die Volkschöre dazwischen, bis nach ihrem Verstummen jene Grundstimmung wieder ausschließlich zur Herrschaft gelangt. Der Ausdruck sanfter Grabesruhe, wie er über dem Schlußchor der Johannispassion schwebt, wird vom entsprechenden Stück der Matthäuspassion nicht wieder erreicht. Es ist natürlich, daß diese Stimmung am reinsten in den Chorälen und Arien hervortritt. ES sind diese denn auch Perlen, welche allein schon dem Werk einen bleibenden Wert sichern. Die beiden Baßarien: „Betrachte meine Seel'" und gar die zweite: „Mein teurer Heiland, laß dich fragen", mit dem leise dazu intonierten Choral, ferner die Altarien : „Von den Stricken meiner Sünden", und „Es ist vollbracht" enthalten solche Schönheiten wie sie keine Arie der Matthäuspassion offenbart — mit Ausnahme des Bußgesangs: „Erbarme dich." Die eingestreuten Choräle zählen zu den schönsten und erhabensten; es scheint, daß Bach sie mit ganz besonderer Sorgfalt ausgearbeitet hat, indem die Harmonisierung den Textesworten ganz angepaßt ist. Dem aufmerksamen Zuhörer werden in jedem Vers 4, 5 Stellen auffallen bei denen er sich sagen wird, das Wort konnte nicht besser illustriert werden als gerade durch diese hier angewendete Tonstellung.
Der größte Unterschied der beiden Passionen besteht in der Behandlung der Volkschöre, sowie der Christuspartie.
In der Musik nach Matthäus sind diese Chöre sämtlich mit realistischer Kürze hingeworfene leidenschaftliche Schreie, in der Johannispassion dagegen erfahren dieselben eine breitere mehr oratorienhafte Behandlung (wie sie z. B. auch Händel anwendet). Die 4 Stimmen setzen nacheinander mit dem Thema ein, dieses wird regelrecht durchgeführt und eine Schlußwendung von bewußter Kraft und Festigkeit schließt den Satz ab. Was Gehalt, Energie des Ausdrucks und kunstreiche Arbeit betrifft, so stehen diese. Chöre denen der Matthäuspassion nicht nach.
Nicht dasselbe gilt von der Christuspartie. Diese ist erst in der Matthäuspassion zu voller Schönheit und Reife gediehen. Hier einfach, würdig gehalten und nur von der Orgel begleitet, erscheint sie in der späteren Passion als lichter, milder Gesang von den Akkorden der Violinen wie von einem Heiligenschein überstrahlt. Auch fehlen dem Johannesbericht Partieen die zum Ergreifendsten gehören, nämlich die Einsetzung des Abendmahls und di« ganze Gethsemanescene.
In das Recitativ des Evangelisten, das im Ganzen dem der Matthäuspassion ähnlich ist, hat Bach manche feine Züge hineingelegt.
Was nun noch den Eingangschor betrifft, der nach Spitta: „von einer finstern, unnahbaren Größe und in dieser Eigenschaft unter Bachs Werken einzig dasteht" — so haben wir denselben, da er dazuhm einem kleineren Verein fast unüberwindliche Schwierigkeiten darbietet, durch einen Chor aus der Matthäuspassion ersetzt. Der figurierte Choral: „O Mensch bewein dein Sünde groß" bildete ursprünglich (in der ersten Aufführung 1724 unter Bachs eigener Leitung) den Eingang zur Johannespassion und wurde erst später der Musik nach Matthäus einverleibt.
K. Karneralarnl Hirsau.
Derdirrgung von Aauaröeiten.
Für den Umbau des Pfarrhauses in Tachtel werden nachstehende Arbeiten zu schriftlicher Bewerbung ausgeschrieben:
1) Maurer- und Steinhauerarbeit mit 1 466 ^ 60 --Z,
2) Zimmerarbeit
3) Gipserarbeit .
4) Schreinerarbeit
5) Glaserarbeit .
6) Schlofferarbeit
7) Flaschnerarbeit
8) Tapezierarbeit
9) Anstricharbeit . 10) Pflasterarbeit
957
345
712
88
540
283
83
434
249
11
38
51 62 40
52 30 15 99
Kostenvoranschlag, Zeichnungen und Akkordsbedingungen sind bei dem Be- zirksbauamt in Calw bis 27. März d. I., abends 6 Uhr, zur Einsicht aufgelegt.
Die Angebote sind in Prozenten der Ueberschlagssumme ausgedrückt, versiegelt und portofrei, mit der Aufschrift
»Angebot auf den Pfarrhausumbau in Dachtel" versehen, längstens bis 28. März d. I., vormittags 10 Uhr, beim Bezirksbauamt Calw einzureichen. Zu dieser Stunde findet die Eröffnung der Angebote statt, welcher die Bietenden anwohnen können.
Für den Zuschlag wird sich eine Frist von 8 Tagen Vorbehalten.
den 15. März 1894.
K. Kameralamt. K. Desirksbauamt.
Kemmel. Gekeler.
Revier Hofstett.
Stammholz-Verkauf
am Donnerstag, den SS. März, vormittags 11'/- Uhr, auf dem Rathaus in Wildbad, aus I. Frohmvald (Durchs.) 17 Kreuzstein, 18 Hirschteich, 19 Gaisberg, 20 Jägertanne,
(Schlag): 33 Teufelsberg,
II. Bergwald (Durchs.) 3 Mergelsberg, 19 Hühnerbrunnen, 40 Kapelle, 62 Schachenkopf, 63 Breitenwald, 64 Husaren-- weg, 65 Kälberbrunnen,
(Schläge): 12 Hühnerbach, 34 Schachenmoos, 50 Wolfsäckerle,
Schindelhardt (Schläge): 7 Rehplatte, 9 Mühlloch:
I.
II.
III.
IV.
V.
1751 Stück Tannen, Langholz,
64.
101.
164.
438.
32.
82 „ „ Sägholz,
8.
11.
15.
1775 „ Forchen, Langholz,
103.
712.
785.
235.
10.
104 „ „ Sägholz,
26.
21.
17.
MM
Zavelstein.
Abbitte
Ich bedaure, gegen die Ehefrau des Bauers Johannes Pfromm er hier beleidigende Ausdrücke gebraucht zu haben und bitte sie deswegen hiemit öffentlich um Verzeihung.
t. Peter Ga».
Z- B.
Stadtschultheißenamt.
Wiedenmayer.
Hornberg.
Jagd-Verpachtung.
Die hiesige Gemeindejagd wird am Dienstag, den S7. d. M., nachmittags 1 Uhr, auf hiesigem Rathaus im öffentlichen Aufstreich auf 6 Jahre verpachtet.
Liebhaber sind eingeladen.
Den 16. März 1894.
Gemeinderat.