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Jahren durch seine leidende Gesundheit viel gehindert war. Im Nov. starb der Abg. Untersee von Laupheim, ein Mitglied, dessen Hingang ein großer Verlust für das hohe Haus ist mit Rücksicht auf die verdienstvolle Thätigkeit, die er dank seines umfassenden Wissens, seiner reichen Erfahrung auf dem Gebiet des staatlichen wie des Gemeindelebens, dank seines klaren, maßhaltenden Wortes entfaltet hat. Bald darauf starb am 6. Dezember der Abgeordnete von Ehingen v. Schmid, ein Mitglied, das 19 Jahre lang, von 1868 bis 1882 und wieder 1689 bis 1893 dem Hause angehört und namentlich in der ersten Periode seiner landständischen Wirksamkeit vermöge seiner reichen Erfahrung auf dem Gebiet des Gemeindelebens an der Erledigung der großen Aufgaben, welche jene bewegte Zeit an die Kammer stellte, vor allem an der Neuregelung des Steuersystems hervorragenden Anteil nahm. — Sodann beklagt das Haus den Tod des Seniors der Prälatenbank Dr. v. Merz, der dem Hause 20 Jahre angehörte und dank seines klaren Urteils ein verdienstvoller Mitarbeiter auf dem ständischen Arbeitsfeld war durch seine große Tüchtigkeit auf dem ihm beschiedenen Berufsgebiet und auf dem Gebiet der Kunst. Am 15. Januar d. I. starb der Abg. Ebner von Ulm, welcher der Kammer 17 Jahre lang angehörte und teils in den Kommissionen teils in der Vollberatung durch seine Erfahrung, sein freies aber maßvolles Wort eine äußerst verdienstliche Wirksamkeit ausübte. Noch wenige Tage vor seiner Erkrankung hat er einen gründlichen Bericht über eines der wichtigsten der vorliegenden Gesetze erstattet. Wir erheben uns zum Andenken an diese sechs dahingeschiedenen Männer von unseren Sitzen (geschieht), v. Göz erstattet Bericht über die vorliegenden fünf Legitimationsfälle: 1) Frhr. v. Gült! in gen, der als riiterschaftl. Abgeordneter des Schwarzwaldkreises wieder gewählt wurde. 2) Für die Stadt Reutlingen wurde R.-A. Fr. Payer gewählt. 3) Im Bezirk Laupheim wurde am 9. Februar Stadtschultheiß Schick (geb. 1854) gewählt. 4) Im Bezirk Ehingen wurde Landrichter Dr. Kiene (geb. 1852) gewählt. Die Kommission beantragt diese 4 Wahlen für giltig zu erklären. Angenommen. 5) Im Oberamtsbezierk Neckarsulm wurde Oekonomierat Rudolf Schmid in Maysenhälden gewählt. Gegen diese Wahl ist eine Anfechtungsschrift eingelangt. Die Kommission hat die Anfechtungsgründe geprüft und beantragt, nach konstanter Uebung die Wahl vorläufig anzuerkennen, die Anfechtungsschrift aber der Kommission zu übergeben. Angenommen. Die neugewählten Herren werden eingeführt und legen den Ständecid in die Hände des Präsidenten ab. Abg. Frhr. v. Gültlingen wird auf den früher geleisteten Eid hingewiesen.
Berlin, 5. März. (Deutscher Reichstag.) Militäretat. Kapitel Militärjustizverwaltung. Kriegsminister Bronsartv. Schellendorf geht nochmals auf den Fall Kirchhofs ein und dessen Begnadigung durch den Kaiser. Ein erbärmlicher Mensch
habe jene Verleumdung über Kirchhofs erfunden; dann sei die erlogene und erstunkene Notiz vom Berliner Tageblatt in seinem Leserkreis verbreitet worden. (Heiterkeit.) Wäre Kirchhofs vor ein bürgerliches Schwurgericht gekommen, dann wäre er freigesprochen worden, zumal wenn ihn Träger oder Munkel verteidigt hätte. (Heiterkeit.) Bezüglich der Soldatenmißhandlungen erklärt der Minister, die Mißhandelnden verlieren einen partiellen Anspruch auf Civil- versorgung. Lieber (Centr.) billigt die hart« Verurteilung d»S Falles Kirchhoffs durch Bebel nicht, kann aber auch dem Kriegsminister nicht ganz zustimmen. Lenzmann wiederholt nochmals das Verlangen nach einer Reform des Militärstrafprozesses und geht ebenfalls auf die Kirchhoffaffaire ein. Nach weiteren Ausführungen Manteuffels und des Kriegsministers zu diesem Falle verbreitet sich Bebel über die Soldatenmißhandlungen und Militärstrafprozesse. Der Kriegsminister sucht betreffs der Soldatenmißhandlungen einige Aeußerungen des Vorredners zu widerlegen. Bennigsen (ntl.) weist auf die Mißhandlung ruhiger Arbeiter in den Fabriken durch die Sozialdemokraten hin. Nach einigen Worten Barth's (fr. V.1 zu dem Falle Kirchhoff bespricht Schall (kons.) das Duellwesen. Er bezeichnet das Duell als einen Akt der Notwehr. Lieber (Centr.) verurteilt das Duell als einen groben unsittlichen Unfug. Die Resolution betreffend die Statistik über militärische Strafsachen wird angenommen.
Berlin, 5. März. Die Handelsvertragskommission hat heute den Artikel 19 des russischen Handelsvertrags mit 16 gegen 8 Stimmen angenommen.
Tagesneuigkeiten.
2 . Calw, 7. März. Freunde kirchlicher Musik machen wir hierdurch auf das nächsten Sonntag, den 11. März, nachmittags '/-4 Uhr in Nagold stattsindende Kirchenkonzert aufmerksam. Unter der Leitung von Hrn. Musikoberlerlehrer Hegels wird vom dortigen Kirchenchor unter Mitwirkung des Seminarchors der II. Teil des Oratoriums „Elias* von Mendelssohn in der Stadtkirche zur Aufführung gebracht werden.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Am 2. März ist von der evangelischen Oberschul- brhörde die Schulstelle in Büchelberg, Bez. Oehr- ingen, dem Schulamtsverweser Wolf in Oberreichenbach, Bez. Calw, die Schulstelle in Röthenbach, Bez. Calw, dem Unterlehrer Zimmermann in Aalen übertragen worden.
Se. Majestät der König haben am 27. Februar dem Schullehrer Beutelspacher in Liebenzell, Bezirksschulinspektorats Calw, mit gleichzeitiger Versetzung in den Ruhestand, die Verdienstmedaille des Friedrichsordens verliehen.
Se. Majestät der König haben am 5. März die erledigte Stelle eines Generalsuperintendenten von
Heilbronn und zumaligen Frühpredigers daselbst dem Dekan Berg in Heilbronn übertragen.
Ebingen, 3. März. Ein schwerer Unfall ereignete sich gestern nachmittag. Frau Tierarzt A. wurde mit ihrem noch nicht 1 Jahr alten Kind, das sie in einem Kinderwagen fuhr und mit noch einem andern 3jährigen Kind von einem Fuhrwerk, dessen Pferde scheu geworden waren, überfahren. Alle drei trugen zum Teil schwere Verletzungen davon.
Berlin, 6. März. Die Morgenblätter berichten: Im Zentralhotel verunglückten durch Platzen eines Dampfrohres in der Maschinenanlage drei Arbeiter, wovon zwei für unrettbar angesehen werden. — Im Vorwärts erläßt der sozialdemokratische Parteivorstand einen Aufruf zur Feier des 1. Mai als Arbeiterweltfeiertag.
LeongsnSum.
Neues in der Bibliothek.
1) Aus Kaiser Wilhelms des Siegreichen Jugendzeit
von M. H. Gärtner.
2) In Kamerun. Zugvogels Reise- und Jagdabenteuer
von C. Falkenhorst.
3) Die Goldgräber von Angra Pequena von O. Elster.
4) Am Viktoria Njansa. Eine ostafnkanische Kolonial
geschichte von C. Falkenhorst.
5) Allgemeine deutsche Biographie. 36. Band. Stein
metz bis Stürenburg.
6) Aus dem Schwarzwald. Februar 1894.
Ka«-rv. Kezirksverein Cairrr.
Der Verein beabsichtigt auch in diesem Frühjahr wieder den Bezug von Obstbäumen zu vermitteln. Bestellungen bittet man
bis IS. März 18S4
an Hrn. O.-A.-Baumwart Müllerin Calw zu richten.
Die Abnehmer haben sich zu verpflichten, dm Bäumen einen angemessenen Satz angedeihen und insbesondere genügend große Baumgruben fertigen zu lassen.
In einer größeren Anzahl vo» Gemeinden wird die Baumpflanzung vom Oberamtsbaumwart persönlich geleitet und hiebei Belehrung über das Setzen und Zurückschneiden der Bäume erteilt werden.
Die Herren Ortsvorsteher der Landgemeinden werden ersucht, dies in ihren Gemeinden öffentlich bekannt zu machen.
Calw, den 2. März 1894.
Vereinsvorstand: Lang.
Kandm. Gonsum-Verein Calw.
Freitag, den 16. März, nachmittag 2 Uhr„ findet die jährliche
Kenerctl-Wersarnrntung
in der Brauerei von Jul. Dreiß statt.
Tagesordnung:
Rechenschaftsbericht.
Der Ausschuß.
„Geben Sie mir das Ding einstweilen zur Aufbewahrung, Herr Harmening! ^ — Sie werden zurächst ja doch keinen Gebrauch davon wachen können.'
Der Revolver war seinen Fingern entwunden, noch ehe er an «inen Widerstand hätte denken können, und mit fest zufammengepreßten, blutlosen Lippen ergab sich Ludolf Harmening jetzt in sein unabwendbares Geschick.
Schluß.
Es wer für den scharfsinnigen Landrichter Martius, der sich zu rühmen pflegte, daß ihm in seiner vieljähriyen Praxis als Untersuchungsrichter noch niemals ein ernstliches Malheur passiert sei, sicherlich nicht die angenehmste Stunde seine» Lebens, als er genötigt war, Erna unter angemessenen Entschuldigungen für den begangenen Mißgriff ihre Freilassung anzukündigen. Aber die überraschende Wendung, welche die Affaire Harmening genommen, zwang ihn, wohl oder übel in den säuern Apfel zu beißen. Der auf die Denunciation der Schauspielerin Leonore Berger in Wiesbaden verhaftete Ludolf Harmening hatte nach einigem Sträuben ein unumwundenes Geständnis abgelegt, als ihm der kompromittierende Brief seine» Vater» vorgelegt worden war, und als er erkannte, daß der alte Mann in seiner unbegreiflichen Schwäche bereits alles verraten habe.
Der junge Geheimsekretär war von dem schweren Verdacht des Vater- landSvenalS vollständig entlastet und als sein Vergehen blieb nur noch die Übertretung übrig, deren er sich durch di« unbefugte Mitnahme de» Aktenstücke» schuldig gemacht hatte. Aber wenn er dafür überhaupt eine Bestrafung zu erwarten hatte, so mußte dieselbe jedenjallS viel zu gering auifallen, als daß sich eine Fortdauer der über ihn verhängten Untersuchungshaft dadurch hätte rechtfertigen lassen. Kaum zehn Minuten, nachdem er die Erzieherin unter vielen sauersüßen Artigkeiten in höchsteigener Person bis zur Thür begleitet hatte, ließ der Landrichter Martius dann auch Günther Harmening vorfühcen und teilt« ihm mit, daß er frei sei, sich aber bis auf Weitere» noch zur Verfügung des Gerichtes zu halten habe.
Mit einem tiefen Aufatmen trat der junge Mann bald danach in den Thorweg de» Justizgebäude» hinaus, in welchem ihm zum ersten Mal nach namenlos schweren Wochen wieder der Odem der Freiheit entgegen schlug. Da legt« sich eine leichte, kleine Hand schüchtern auf seinen Arm, und eine süße Frauenstimme, deren Klang er nur zu gut kannte, sagte:
„Lassen Sie mich die Erste sei», die Sie beglückwünscht, Herr Harmening, und lassen Sie mich Ihnen recht aus tiefste» Seele für Ihr« Großmut danken!"
Günther hatte sich nach ihr umqewendet, und die großen, strahlenden, in Thränen schwimmenden Augen des geliebten Mädchen» waren mit leuchtendem Blich dem seinigen begegnet. Da wußte er mit einem Mal, daß all' sein kleinmütige» Zweifeln und stille» Verzichten nichts als eitel Kurzsichtigkeit und Thorheit gewesen sei; da dachte er nicht mehr daran, daß sie ihn schon einmal zurückgewiesen habe,, und da vergaß er den Ort, an dem sie sich befanden.
Mit einem halb erstickten : „Erna! — Meine geliebte Erna!' zog er die holde Gestalt in seine Arme und die widerstandslose, hingebende Zärtlichkeit, mit der sie sich seiner Kühnheit fügte, gab ihm die Gewißheit, daß er sich diesmal nicht getäuschst habe, daß er nun endlich, endlich nach schweren Kümmernissen und Prüfungen da» Glück gefunden. —
Draußen auf einer der Bänke vor dem Justizgebäude saß ein kleiner, verwachsener Mann mit einer langen Künstlermähne und einem genialischen Schlapphut auf dem Haupte. Schon seit nahezu anderthalb Stunden war sein Blick unverwandt auf das hohe Portal gerichtet, und das Warten verdroß ihn nicht, wie lange es auch währte. Er wußte ja von dem bestochenen Kanzlisten, daß heute die Freilassung der beiden Untersuchungsgefangenen erfolgen müsse, und er würde nicht von seinem Platze gewichen sein, wenn es darüber auch Mittag und Abend geworden wäre.
Und seine treue Geduld wurde rechtschaffen belohnt. Ein Wiedersehen gleich dem, das jetzt zwischen den drei glücklichen Menschen gefeiert wurde, konnte wohl größere Opfer aufwiegen als ein paar Stunden gespannten Warten», und al» sie beieinander in dem Wagen saßen, den Fritz Heimerdinger fürsorglich mitgebracht, da durfte der klein» Musiker sich wohl ein Herz fassen zu der Frage:
„Und nun, Harmening — werden Sie nun den Vorschlag ««nehmen, den ich Ihnen machte, als mir meine groß» Erbschaft vom Himmel fiel?'
Der Gefragt» drückte ihm lächelnd die Hand und erwiderte mit einem zärtlichen Blick auf Erna:
„Wir wollen später davon reden, mein Freund ! Denn die Entscheidung darüber liegt jetzt ja nicht mehr bei mir.'
E» wurde nicht viel mehr zwischen ihnen gesprochen auf dieser Fahrt; in den jungen Herzen der endlich Vereinten aber jauchzte und jubelte e» wie in den ketzten- Akkorden von Siegmund» überseligem Sang:
„Vereint find Lieb« und Lenz!'
(End e.)