zu fallen, nachdem einige ihrer nächsten Verwandten an dieser Krankheit gestorben waren. Sie war oft von Melancholie befallen, in welchem Zustand man sie öfters weinend traf. Auch äußerte sie, sie wolle, wenn sie sterbe, ihre Kinder nicht zurücklassen, damit sie nicht in schlechte Hände fallen. Nach einem an­deren Bericht trug die junge Frau seit einer Tracheo­tomie eine Kanüle. Durch die vielen Störungen, Schmerzen, Unbequemlichkeiten, die damit verbunden waren, mochte sie in einem Zustand besonderer Reiz­barkeit versetzt sein und sie glaubte sich vernachlässigt. Ihr Mann hatte eine Nachtfahrt; als er abends das Haus verließ, ging ihm seine eifersüchtige Frau nach und will ihn nnt einer Geliebten imCafe Kaiser­hof" bemerkt haben. Im Bette fand die Totenfrau einen Brief, in dem Frau Tänzer Aufschlüsse über die Beweggründe zur That in dem oben angeführten Sinne gegeben haben soll.

Berlin, 17. Januar. (Reichstag.) Die mündlichen Berichte der Wahlprüfungs - Kommission werden für gültig erklärt. Sodann schreitet man zur ersten Beratung des Antrages Groeber und Ge­nossen vom Centrum betr. Abänderung des Gesetzes über Erwerbs - und Wirtschafts - Genossenschaften. Wattendorf (Centr.) plaidirt für die Annahme des Antrags. Klemm (ntl.) stimmt gegen die Straf­bestimmung bei Verkauf der Konsums an Nichtmit­glieder. Kropatschek spricht für den Centrums­antrag. Der Geschäftsbetrieb der Konsumvereine werde bei jener Strafbestimmung nicht aufhören. Schneider (d.-freis.) ist der Ansicht, die Androhung strenger Strafen erwecke Vermutung, das Gesetz wolle die Consumvereine unterdrücken. Stumm (Reichsp.) tritt für den Antrag ein. Bock (Soz.) wünscht die Beibehaltung der bisherigen Bestimmungen. Klemm (Dresden) stellt die Consumvereine als kapitalistische Unternehmen dar. Nach Bemerkungen von Osann (ntl.) und Hammacher (ntl.) wird eine Kommissions­beratung abgelehnt.

Berlin, 17. Jan. Die Budgetkommission des Reichstages hat bei der Beratung des Etats im Reichsamt des Innern den Beschluß über die Be­willigung der Mittel für das Denkmal Kaiser Wil­helms in den außerordentlichen Ausgaben vertagt.

Berlin, 17. Jan. In der heutigen Herren­haussitzung erklärte Minister von Heyden, er werde morgen die Interpellation Manteuffels betr. den Not­stand der Landwirtschaft beantworten.

Berln, 17. Jan. DerReichsanzeiger" be­zeichnet als jeder Begründung entbehrend die Pariser Meldung derFrkf. Ztg." über den Rücktritt! des Grafen Münster und seine Ersetzung durch Graf Alvensleben, des Gesandten in Brüssel.

Hamburg, 18. Jan. Die Bürgerschaft be­willigte 6 600 000 für die Regulierung des Fahr­wassers der Unterelbe und die Anlage von Lösch­plätzen unterhalb Altonas.

Rom, 17. Jan. Unter den bereits zahlreich eingctroffenen Deputaten wiegt die Zustimmung zum Vorgehen der Regierung vor. Rudini dementirt eine angebliche Unterredung mit einem Berichterstatter des Figaro. Truppen gingen ebenfalls nach Calabrien und verschiedenen Ortschaften der Romagna vor. In den Marmorbrüchen in Calabrien dauert der Aus­stand fort.

Letzte Nachrichten.

Berlin (Deutscher Reichstag.) Erste Lesung der Weinsteuer. Staatssekr. von Posa- dowsky empfiehlt die Annahme der Vorlage, da die Weinsteuer eine Luxussteuer ist und durch sie der kleine Mann als Consument nicht getroffen werde. Schmidt (freis.) polemisirt gegen die ganze Steuer­politik der Regierung, welche eine ausgleichende Ge­rechtigkeit vernachlässige. Die Steuer werde, wie er nachweist, hauptsächlich den Winzer treffen. Da­durch, daß man den Weingenuß in den unteren Klassen unterdrücke, begünstige man den Schnapskonsum. Die württembergische Landessteuer sei eine Ausschanks­steuer und werde daher nur vom Wrrt getragen. Die Großhändler werden die Steuer zahlen, wenn sie vom Winzer Most kauften. Das Großkapital wird da­durch keinen Schaden leiden, sondern nur die Preise drücken. Redner läßt sich alsdann über die unzweck­mäßigen und vexatorischen Controllmaßregeln aus und spricht dafür, die Vorlage im Plenum abzulehnen. Nach einer weiteren nicht wesentlichen Debatte, in welcher u. A. Bürklin (natl.) gegen die Weinsteuer sprach, wird die Beratung der Vorlage auf morgen vertagt.

Belgrad, 18. Jan. Die Lage der Regier­ung wird von Tag zu Tag kritischer. Die Beamten­gehälter sind seit einigen Monaten nicht mehr gezahlt worden. Der Körig ist ratlos.

Berlin, 18. Jan. Die in der Brauerei Friedrichshain angesagte Versammlung der Arbeitslosen konnte nicht abgehalten werden, weil der Einberufer heute morgen verhaftet wurde. In Friedrichshain war ein sehr zahlreiches Aufgebot von Schutzleuten erschienen.

Reklamenteil.

Hausfrauen wollen spuren

aber wie ist das bei den teuren Zeiten möglich? Wenn sie halb Bohnenkaffee und halb Kathreiner's Kneipp Malzkaffee kochen, ersparen sie in jeder Woche 12

Standesamt ßalw.

Getraute.

14. Jan. Karl Engen Eduard Dingler, Maschinen­stricker hier und Barbara Maisenb a cher von Altburg.

Gestorbene.

14. Jan. Fanny Jüdler, ledig hier, 55 Jahre alt.

16. Jmanuel kostend ad er. Seifensieder hier,

68 Jahre alt.

18. Ferdinand Eberhardt, Kaminfeger hier,

50 Jahre alt.

Gottesdienste

am Sonntag SeptuagestmS.

Vom Turm: 427. Predigtlied: 423.

Kirchliche Feier des Geburtsfestes S. Majestät des Kaisers.

9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 5 Uhr Bibel­stunde im Vereinshaus: Hr. Stadtpfarrverweser vr. Hory.

Mittwoch 10 Uhr Betstunde.

gangenen Samstag fiel der Oberbrauer der Bier­brauerei zum Waldhorn beim Biersieden in die Brau­pfanne und zog sich dabei solch schwere Brandwunden zu, daß er noch in derselben Nacht verschied.

Die durch alle Blätter gegangene Notiz, daß die bei Neckarrems aufgefundene Leiche er­kannt worden sei, hat sich als nicht richtig heraus- gestcllt; die Leiche ist bis jetzt nicht erkannt und alle gegenteiligen Nachrichten beruhen auf Irrtum.

Ulm, 16. Jan. Der Landtagsabgeord­nete Rechtsanwalt Robert Ebner, der in letzter Zeit etwas leidend war, in den letzten Tagen aber auf seinem Bureau seinen Berufsgeschäften wieder obliegen konnte, ist heute abend 'gegen '/-10 Uhr gestorben. Er erreichte ein Alter von 63 Jahren. Bei der letzten Gemeinderatswahl im Dezember, vorigen Jahres berief ihn das Vertrauen seiner Mitbürger zum sechstenmal auf das Rathaus.

K Eutingen (A. Pforzh.), 18. Jan. Ver­gangene Nacht gegen 12 Uhr brach in der Scheuer des Metzgermeisters Ch. Steudle dahier Feuer aus. Rasch wurde auch das Wohnhaus vom Feuer er­griffen. Der Vater des Steudle wurde zum Fenster heraus gerettet. Im Hause wohnte noch die Familie Kälber. Die Abgebrannten sind versichert.

München, 16. Jan. In vergangener Nacht ermordete in einem Hause in der Hirtenstraße eine verheiratete Kleidermacherin ihre zwei Kinder, indem sie denselben den Hals aufschnitt. Hierauf gab sie sich selbst in der gleichen Weise den Tod. Die Leichen wurden heute Vormittag gefunden. Der Thatbestand unterliegt z. Z. der polizeilichen Erhebung. Die Münchner N. Nr." berichten weiter: Die Unglückliche war die 28 Jahre alte Gattin des Lokomotivführers Tänzer, welche nebenbei ein Nähgeschäft betrieb. Die Eheleute, welche zwei liebliche Kinder, die 3'/-jährige Emma und den 2'/-jährigen Otto besaßen, denen beide Eltern aufs zärtlichste zugethan waren, lebten nach der Aussage der Nachbarn und Hausleute in glücklicher Ehe mit einander. Gestern Abend nun kam Tänzer nach Hause, ging noch einmal aus und kehrte erst spät in der Nacht zurück. Er begab sich, da seine Frau, wie er annahm, fest schlief, in seinem Zimmer zur Ruhe. Am Morgen kam ein bei Frau Tänzer beschäftigtes Nähmädchen und wollte in das Zimmer, das sie aber oerschloffen fand; als sie mehrere- male vergeblich gepocht hatte, weckte sie Tänzer, der nach einem ebenfalls vergeblichen Oeffnungsversuch einen Stuhl herbeiholte und durch das Oberlicht in das Zimmer sah: seine Frau und die beiden Kinder lagen in ihrem Blute schwimmend im Bett. Sprach­los vor Schrecken taumelte er vom Stuhle herab; das Nähmädchen holte einen Gendarmen, dieser stieg in das Zimmer und riegelte von innen auf. Der ebenfalls sofort herbeigerufene Arzt konnte nur mehr den Tod der Mutter und der Kinder konstatieren. Beide Kinder hatten so wie die Mutter weit klaffende Schnittwunden am Halse, die mit einem Brotmesser, das auf dem Boden lag, zugefügt waren. Man ver­mutet, den Kindern sei vor der That ein Schlaf­mittel gegeben worden. Die Familie war in guten finanziellen Verhältnissen. Die Frau befürchtete, wie sie des öftern äußerte, der Tuberkulose zum Opfer

hatte wohl einmal den Versuch gemacht, seine Gattin zu unterbrechen; aber aus ihren heißen, dunklen Augm hatte ihn ein so vernichtender Blick getroffen, daß er sogleich wieder verstummte. Jetzt sah er bittend zu Erna hinüber, als wolle er sie anflehen, e» vorläufig bei der Entscheidung seiner Gattin bewenden zu lassen. Doch die stumme Sprache machte keinen Eindruck auf das erregte junge Mädchen.

Ich wiederhole, daß ich mich einem solchen Befehl nicht unterwerfe. I ch bin «S, die man beschimpft und der man Unrecht gethan hat; darum werde ich nicht dulden, daß man mich obendrein wir eine Verworfene behandelt. Mit ihrer Zu­stimmung oder ohne sie bin ich unwiderruflich entschlossen, da» Haus auf der Stelle zu verlaffen."

Um dann vor aller Welt da» unglückliche Opfer zu spielen und zu Ihrer eigenen Rechtfertigung einen lügenhaften Roman zu ersinnen nicht wahr?'

Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig über da», was ich künftig thun werde," erwiderte Erna stolz.Und ich brauche jedenfalls keine Lüge zu ersinnen, um mich zu rechtfertigen, denn nicht ich habe mich dieser schmachvollen Scene zw schämen."

In der That, liebe Zoö, Du solltest nicht in Deiner augenblicklichen Er­regung" mischte sich der Oberst ein; seine Gattin jedoch that noch immer, wie wenn da, wo er stand, nur leere Luft gewesen wäre.

Genug de» Gerede»!" sagte sie.Wa» Sie jetzt thun, Mademoiselle, thun Sie aus ihre eigene Gefahr! Ich werde Sie nicht mit Gewalt zurückhalten, aber ich werde Sie erkennen lehren, wer von un» stärker ist. Man hat glücklicherweise noch Mittel genug, sich gegen die Verleumdungen von Personen Ihre» Schlage» zu schützen."

Als nähme sie überhaupt erst jetzt seine Anwesenheit war, legte sie ihre Hand auf den Arm de» Obersten zum Zeichen, daß er sie hinausführrn solle. Und d'Harnovcourt hatte nicht den Mut, sich dessen zu weigern. Von der Thür aus warf er noch eine» letzten Blick auf Erna zurück. Er sah, daß sie totenbleich auf

der Schwelle ihres Zimmers stand, beide Hände auf die wogende Brust gepreßt und eine heiße Regung der Scham über sein unritterliches Verhalten stieg in ihm auf. Aber er fühlte in diesem Moment einen Druck von den schlanken, spitzen Fingern seiner Frau, und er ging an ihrer Seite hinaus, ohne das mannhafte Wort auszu­sprechen, das ihm soeben auf den Lippen geschwebt hatte.

Am Ende war doch auch diese deutsche Erzieherin durch ihr thörichte» Be­nehmen selber an allem schuld.

IV.

Es war an einem schneidend kalten, stürmischen Abend im Februar, al» sich Gottfried Harmening hustend und atemlos gegen den eisigen Wind vorwärts kämpfte, der ihn bis ins Mark hinein vor Frost erschauern machte. Er war recht alt und hinfällig geworden in dieser letzten Zeit. Der Wirtshausbesuch, dem er sich seit jener nächtlichen Unterredung mit seinem Sohne immer eifriger ergeben hatte, war seiner Gesundheit offenbar sehr wenig zuträglich, denn seine Wangen waren hager geworden und seine Augen lagen tief in ihren Höhlen.

Er mußte es an'diesem Abend ganz besonders eilig haben; denn er mäßigte trotz des ungeberdigen Wetters seine Schritte nicht, und er kümmerte sich sehr wenig um die ärgerlichen Zurufe einiger Vorübergehenden, mit denen er in unsanfte Be­rührung gekommen war.

Aber es war nicht seine vertraute Stammkneipe, der er zustrebte. Er ging an ihren hell erleuchteten Fenstern vorüber, ohne in seinem raschen Laufe inne zn halten, und erst vor einem recht elegant aussehenden Hause in einer stillen Seiten­straße blieb er nach langer Wanderung Atem schöpfend stehen. Es hatte fast den Anschein, al» ob ihm mit einem Mal der Mut abhanden gekommen sei, weiter zu gehen. Ein Ausdruck eigentümlicher hochgradiger Spannung war auf seinem Gesicht und trotz der grimmigen Winterkälte mußte er sich ein paar Schweißtropfen von der Stirne trocknen, al» er endlich langsam die mit einem Teppichläufer belegt» Treppe emporfiieg. (Forts, folgt.)