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Porto und Gebühren im

Gegenstand

Verkehr innerhalb des Ortsbestell- dezirks der Aufgabepost­anstalt

(Post Orts­verkehr)

Verkehr zwischen verschiedenen

Orten des Bestellbezirks der Aufs gabrpostanstalt iLandbezirks- verkehr) zwischen Postanstal­ten, welche bis zu 10 Kilometer von einander entfernt sind -Zehnkilometerverkehr), sowiezwischen verschiedenen Orten desselben Oberamtsbezirks (Oberamtsverkehr)

11) Wertpackete und Wertbriefe außer dem Porto unter Ziff. 9 u. 10 die Bersicherungsgebühr und zwar bei einer Wertangabe

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a) bis 100 .

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b) über 100 bis 600 ^ .

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o) über 600 ^ für je 300 ^ .

12) Einschreibsendungen (Briefe, Postkarten, Drucksachen. Warenproben und Packete ohne Wertangabe ohne und mit Nachnahme sowie Briefe mit Zustellungsurkunde) außer dem Porto in Ziffer 14, 8 und

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9 noch eine Einschreibgebühr von ..

13) Rückscheinsendungen. Falls der Aufgeber einer Packetsendung ohne Wertangabe, einer Einschreib- oder Wertsendung eine Empfangsbescheinig­ung, d. h. einen AiiLschein wünscht, außer dem Porto für die betreffende Sendung noch emc Rückscheingebühr.

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14) Nachnahmesendungen (Briefe ohne und mit Wertangabe, Waren­proben, und Drucksachen bis zum Gewicht von 250 sowie Postkarten und Packete) außer dem Porto in Ziff. 14, 9 und 10 und bezw. der Versicherungs- (Ziff. 11) oder Einschreibgebühr (Ziff. 12) eine Vorzcig-

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gebühr von .... .......

außerdem im Falle der Einlösung die vom eingezogenen Nachnahme­bettag in Abzug kommende Postanwersnngsgebühr (Ziff. 5), welche sich

für Nachnahmen bis 5 ^ ermäßigt auf.

15) Umschläge zu Briefen an Soldaten, Formulare zu Postanweisungen, Post- aufttägen, Zustellungsurkunden, Postpacketadressen, gummierten Packet- aufschriften von Papier werden zum Preis von 1 H für 2 Stück, Packet- ausschriften mit Leinwandeinlage zum Preis von 1 H für 1 Stück von den Postanstaltcn verabfolgt.

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Exemplare der von der K. Generaldirektion der Posten u. Telegr. gefertigten Zusammenstellung der neuen Taxen sind bei den Postanstalten zum Preis von 3 iZ zu haben.

Calw, den 30. Dezember 1893. K. Oberamt.

Lang.

Bekanntmachung

Zum stellvertretenden Oberamtstirrarzt ist für die Dauer der derzeitigen Dienst-Erledigung

Herr Stadttierarzt Kleinbub in Calw bestellt worden.

Calw, den 2. Januar 1894.

K. Oberamt.

Lang.

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 2. Jan. Der Tod hat in den letzten Wochen des alten Jahres noch gestrenge Umschau ge­halten und in mancher Familie eine schmerzliche Lücke hinterlafsen. So wurde am letzten Freitag die irdi­sche Hülle des allgemein geachteten Hrn. Oberamts­pflegers Fechter zur letzten Ruhe bestattet. Der ungewöhnlich große Leichenzug legte Zeugnis ab von der Liebe und Verehrung, welche sich der Verstorbene im Leben erworben. Nach der ergreifenden Rede des Herrn Dekans Braun, worin der gewissenhaften

Amtsführung des Verstorbenen gedacht wurde, trat der älteste Sohn des Entseelten an das offene Grab, um dem geliebten Vater noch die letzten Grüße nach­zurufen. Der Ausschuß der Amtscorporation ehrte den Verstorbenen durch Niederlegung eines Kranzes an seinem Grabe. Auch ein langjähriges, verdientes Mitglied des hiesigen Gemeinderats, Hr. Privatier Joh. Keller, wurde in vergangener Woche zu Grabe getragen und heute am 2. Januar bewegte sich wieder­holt ein langer Leichcnzug zum Friedhof. Hr. Ober­amtstierarzt Leytze war vor wenigen Tagen nach kurzem, aber schweren Leiden seines arbeitsvollen Amtes durch den Tod enthoben worden. Als ehrende Anerkennung für seine Pflichttreue wurden an seinem Grab Kränze niedergelegt von der Amtscorporation, von dem landw. Bez.-Verein und dem Verein Schwarz­wälder Tierärzte.

*Cal<v, 3. Jan. Die Sylvesternacht ist in unserer Stadt ziemlich geräuschvoll verlaufen; an manchen Orten wurde sehr stark geschaffen, ja sogar Fensterscheiben zertrümmert. Als der zwölfte Glocken­schlag den Anbruch des neuen Jahres verkündete, da erscholl namentlich auf dem Marktplatz ein wüstes

Geschrei von demProsits-Rufen, wie es feit Jahren^ nicht mehr gehört worden war. Seltsam war der Kontrast zwischen dem feierlichen Choral vom Stadt­kirchenturm herab und dem Lärm der jungen Leute. Ohne Unglücksfall sollte das Neujahrsschießen auch diesmal nicht abgehen. In Ern stmühl wurde der 17jährige Fabrikarbeiter Min Hardt von seinem Ka­meraden Morgenäuer aus Unvorsichtigkeit in die rechte Bauchseite geschossen. Der junge Mensch schwebt in augenscheinlicher Lebensgefahr. Wann wird endlich der grobe Unfug, mit scharfen Patronen zu schießen, aufhören? Ueberhaupt hätten die jungen Leute auf die vielen Kranken, die durch das Schießen sehr be­unruhigt wurden, mehr Rücksicht nehmen dürfen. Das neue Jahr hat mit seinem Einzug größere Kälte und stärkeren Schneefall gebracht. Thal und Höhen haben nun ein weißes Kleid angezogen; auf der Höhe ist nicht mehr Schnee gefallen als im Thal. Eine prächtige Schlittschuhbahn bietet die Nagold, und Alt und Jung tummeln sich auf der spiegelglatten Decke.

In Altburg brach am Johannesfeiertag, abends 6 Uhr Feuer aus, das die Häuser von Küfer Proß, Schneider Jrion, Taglöhner Krauß zerstörte. Die Altburger und die benachbarten Feuerwehren hatten bis Mitternacht vollauf zu thun, bis die Gefahr für die sehr bedrohten Nachbargebäude abgewendet war. Wie man hört, sollen nur wenige Bewohner versichert sein. Die Entstehungsursache ist- noch unbekannt.

Leonberg, 1. Jan. Am gestrigen Abend wurde hier wieder alter Sitte gemäß auf dem Markt­platz unter strahlender Beleuchtung aller ihn um­gebenden Häuser in Anwesenheit der meisten Ein­wohner mit Choral- und Chorgesang, teilweise mit Musikbegleitung der Jahresschluß gefeiert, was, besonders auf anwesende Fremde einen ergreifenden Eindruck machte.

Stuttgart, 2. Jan. Am letzten Tag des. dahingegangenen Jahres früh 6V- Uhr ist Prälat. Dr. v. Merz, Generalsuperintendent von Reutlingen und außerordentliches Mitglied des Evang. Kon­sistoriums aus dem Leben abgerufen worden. Bis Mitte des vorigen Monats war er noch in gewohnter geistiger Frische in seinem Beruf thätig gewesen, da. ergriff ihn eine Lungenentzündung, der er im 78. Lebensjahr erlag. Geboren am 8. August 1816, vollendete er das theologische Studium mit Aus­zeichnung und erhielt seine erste definitive Anstellung im Jahr 1846 als Helfer in Neuenstadt. Von hier kam er im Jahr 1850 als Stadtpfarrer zu St. Katharina nach Hall und wurde 1863 zum Dekan in Marbach ernannt. Im Jahr 1869 trat er als Rat hauptsächlich zur Besorgung von Schulsachen in das Evang. Konsistorium ein, in welchem er auch als außerordentliches Mitglied verblieb, nachdem ihm im, Jahr 1873 die Generalsuperintendenz Reutlingen übertragen worden war. Zugleich war er Mitglied-

^ INachbruck verioten.I

Vaterlandsverrat,

Novelle von Lothar Brenkendorf.

I.

»Geben Sie Acht, Harmening! So muß das gesungen werden mit Leidenschaft und Feuer, und doch zugleich voll Zartheit und Innigkeit. Der ganze Zauber der liebewrckendrn Frühlingsnacht muß darin klingen und weben. Hören Sie nur so!*

Mit einer Bewegung, die mehr drollig als großartig aussah, warf der kleine verwachsene Mann di« Ueberfülle seines mähnenartig bis auf die Schultern nieder- wallende», rotblonden Haupthaares nach hinten, griff auf eine höchst energische Art in die Tasten und begann nach einem tiefen Atemzuge zu singen:

»Winterstürme wichen dem Wonnemond,

In milden Lüften leuchtet der Lmz*

Seine Stimme war dünn und hoch; fast wie die Stimme eines Kindes, und die Töne kämm nichts weniger als wohllautend über seine Lippen. Man konnte sich wohl kaum «inen lächerlicheren Gegensatz denken als den zwischen seiner wenig anmutendrn Erscheinung und dem Inhalt der liebestrunkrnen Vers«, di» er da so viel seelischer Anteilnahme und so übertriebenem Pathos sang.

Ader so mangelhaft sein Vortrag sein mochte, seine musikalische Sicherheit und vor allem sein Klavierspiel waren geradezu bewundernswürdig. Es wäre «in Genuß gewesen, ihm zuzuhörm, wm» nicht seine krähende Stimme den Eindruck so empfindlich gestört hätte.

Die beiden Personen jedoch, welche in diesem Augenblick das gesamte Pub- lcku« des etwa dreißigjährigen Musikers ausmachten» schienen das Wunderliche in seinem Gebühren nicht zu empfinden.

In einem Lehnstuhl von wahrhaft vorweltlicher Form saß an dem einzigen Fenster des etwas ärmlichen Stübchen» eine kleine schmächtige Frau von leidendem Aussehen. Unverwandt hing ihr Blick an dem Vortragenden, in dem man bei der

-chkeit der Züge unschwer ihren Sohn hätte erkennen können; leisen Be­rt, mgen des Kopfes begleitete sie seinen Gesang, und langsam rollten zuletzt ein paar große Thränen über ihre runzligen Wangen.

Der andere Zuhörer lehnte am Klavier. Er war hoch und stattlich gebaut und zählte vielleicht fünfundzwanzig Jahre. Seine Augen blickten in's Leere, und in seinem hübschen, männlichen Antlitz spiegelte sich etwas ganz anderes als Belustigung über den schlechten Gesang des kleinen Mannes. Vielleicht hörte er nur die herr­lichen Töne, welche die hageren Finger de» Verwachsenen aus den Saiten des In­strument« hervorzauberten, nur die wundersame Musik in diesem schönsten aller Liebeslieder. Sonst hätte er doch wohl ein kleines, überlegenes Lächeln gehabt, als sich der Andere, nachdem er die perlenden Schweißtropfen von der Stirne getrocknet, triumphirend gegen ihn wandte:

»Das greift ans Herz nicht wahr? Ja, ja, wenn ich nur eine andere Figur hätte, man würde sein Wunder erleben. Aber nun müssen Sie eS noch ein­mal singen, Harmening. Ich bin sicher, daß es jetzt schon viel besser geht«?

Der Angeredete trat hinter den Stuhl deS Kleinen und that, wie ihm jener geheißen. Sein etwas dunkel gefärbter Ton war von schönem, metallischem Wohl­laut, aber der Mangel an musikalischer Schulung machte sich doch vielfach recht merklich fühlbar. Er hatte eben di« ersten Verse gesungen, als leise die Thür des Zimmers geöffnet wurde. Ohne von den Beiden am Klavier sogleich bemerkt zu werden, erschien ein junges Mädchen in einfachem dunklem Kleide auf der Schwelle. Sie konnte höchstens zwanzig Jahre zählen; ihre schlanke, mehr als mittelgroße Ge­stalt war von tadelloser Schönheit, und große, dunkle, charaktervolle Augen leuchteten aus dem feinen, anmutigen Grsichtchen.

Ein paar Sekunden lang stand sie zaudernd; dann als ihr die Matrone am Fenster zunickte, kam sie geräuschlos näher, um neben dem altmodischen Lehnstuhl stehen zu bleiben, bis der Gesang zu Ende war.

»Vereint sind Liebe und Lenz*

I« «eichen Akkorden klang es durch das bescheidene Stübchen, und während der verwachsene Musiker den Orchesterpart weüer spielte, wandte Günther Harmening den Kopf nach dem Fenster hin. Eine Mischung von Freude und Verlegenheit zeigte sich auf seinem Gesicht. (Fortsetzung folgt.)