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Weste, und von einem dritten einen dunklen Rock und einen schwarzen ovalen Hut — aber per Droschke ging es auf's Standesamt.
Prag, 28. Dezbr. Das Gerücht verbreitet sich, der Abgeordnete Herold habe einen Selbstmord begangen, da die Mörder des Rudolf Mrvas Herolds Reichsratsrede als Ursache ihrer That bezeichneten.
Hannover, 28. Dez. Wie verlautet, hat der Regierungspräsident Graf Wilhelm Bismarck einen Drohbrief erhalten, in welchem ein Dynamitattentat auf sein Haus angekündigt wird. Die Wohnung des Grafen wird infolge dessen polizeilich überwacht.
— In Reichstagskreisen ist die Ansicht vorherrschend, daß wenig Aussicht vorhanden ist, die Marineforderungen durchzubringen, besonders wird wegen der Schiffsneubauten ein heftiger Streit erwartet.
Berlin, 26. Dezbr. Das große Loos der Roten Kreuz - Lotterie soll sich, wie vorige Woche die Blätter meldeten, in dem Besitz des Dienstmädchens Sophie Jahnke befunden haben, von diesem aber achtlos in den Müllkasten geworfen worden sein. Nach seiner Angabe hat sich das Mädchen die Nummer 350812, auf die der Hauptgewinn von 100000^ fiel, alSAie Nummer ihres Looses notiert, und mittelst Immediatgesuches hat es sich an den Kaiser mit der Bitte gewandt, daß die Auszahlung des Gewinnes auch ohne Präsentation des weggeworfenen Looses an sie erfolgen solle. Die Auszahlung des Geldes ist aber, wie jetzt ein Berichterstatter meldet, am 18. Dezbr. an einen Mann, der das Gewinnloos vorzeigte, erfolgt, und das Loos befindet sich im Besitz der Lotterie- Kommission. Es war weder zerknittert» noch zeigte es sonst irgend welche Spuren, die darauf schließen ließen, daß es mit einem Müllkasten in Berührung gekommen sei. Das präsentierte Loos ist zweifellos echt. Die Kriminalpolizei beschäftigt sich nunmehr mit der Untersuchung der Angelegenheit.
Berlin, 27. Dez. Indem in voriger Woche gegen den Banquier Hugo Loewy wegen Betrugs zur Verhandlung gekommenen Prozeß wurde heute das Urteil gefällt. Es lautet auf 5 Jahre Zuchthaus und 6 Jahre Ehrverlust. In der Motivierung des Urteils heißt es, die volle Strenge des Gesetzes müsse einen Menschen treffen, welcher solcherart dem Handelsstande zur Unehre gereiche und die sittliche Basis des Handelsstandes untergrabe.
Wien, 27. Dez. Auf der Raxalpe sind zwei Alpenvereinsmitglieder bei ungewöhnlich starkem Schneefall verunglückt. Der eine, Hans Deinzer, ein Jurist, ist erfroren; der andere, Litschke, konnte wieder
ins Leben zurückgerufen werden, doch ist sein Zustand sehr schlimm, da die Gliedmaßen erfroren sind.
Amsterdam, 28. Dezbr. Gestern Abend sammelte sich eine Menge Arbeitsloser vor dem königlichen Schlosse an. Die Polizei forderte zum Weitergehen auf, wurde aber mit Steinen beworfen. Etwa 100 Polizisten griffen die Menge wiederholt mit gezogenem Säbel an und verwundeten mehrere. Um Mitternacht war die Ruhe wieder hergestellt.
Paris, 28. Dezbr. Die Nachricht, daß der Verbrecher AugusteVaillant im Gefängnis Geldspenden zur Erleichterung seiner Lage erhalten habe, ist von der „Autoritee" stark übertrieben worden; die genannte Summe muß etwa durch 20 dividirt werden, denn nicht 3000, sondern wenig mehr als 150 Franken sind für ihn eingetroffen, immerhin eine ganz achtbare Summe, wenn man bedenkt, daß sie von armen Teufeln aufgebracht wurde. Auch sonst scheinen die Genossen für Vaillant sehr thätig zu sein. Selbst der „objektivste Mann in Frankreich", der Scharfrichter Deibler, erhält Drohbriefe, die Schreckliches verheißen für den Fall, daß Deibler den Vaillant köpfen werde. Nebenbei bemerkt, soll »Äon- Äour äk8 karis« die Absicht haben, sich zur Ruhe zu setzen; die Köpferei ist etwas stark im Gange, und für die nächste Zeit stehen allein sieben Fälle bevor. Man kann es dem alten Herrn nicht verdenken, wenn er allmählich genug hat; Nachfolger hat er ja reichlich.
Letzte Nachrichten.
— Die „Kölnische Zeitung" meldet: Wir erhalten aus Berlin die Nachricht, daß das Gouvernementshaus in Kamerun durch meuternde Polizeisoldaten ausgeplündert, sodann aber von der Besatzung des deutschen Kriegsschiffes „Hyäne" zurückerobert worden ist. Man zählte mehrere Tote. Die telegraphische Meldung ist verstümmelt eingetroffen, sodaß genauere Mitteilungen erst durch neue Depeschen zu erwarten sind.
Berlin, 28. Dezbr. Am 12. Januar wird im Grunewald unter Teilnahme des Kaisers eine große Holjagd abgehalten werden. Das Elisabeth- Regiment wird zur Absperrung in den Grunewald besohlen werden.
Wien, 28. Dezbr. Das neuerdings auftretende Gerücht von einer bevorstehenden Vermählung der Kronprinzessin Wittwe Stephanie mit dem Erzherzog Franz Ferdinand wird von kompetenter Seite als erfunden bezeichnet. Nächster Tage erfolgt ein officielles Dementi.
Wien, 28. Dezbr. Gestern wurde von einem
geschloffenen österreich. Gew rkschaftskongreß festgesetzt, daß künftig Arbeitseinstellungen nur dann eintreten dürfen und unterstützt werden, wenn dieselben vorher der Zentral-Leitung angezeigt und von letzterer gebilligt worden sind. Schließlich wurde eine Resolution gegen die Prager Ausnahmezustände angenommen.
Paris, 28. Dezbr. Die „Lanterne" meldet von einem verunglückten Attentat in der hiesigen Oper. Nach dem allerdings nicht ganz glaubwürdigen Blatte waren am Sonntag abend die Tragketten des großen Kronleuchters angesägt worden. Ein Herabstürzen des Lustres hätte ein furchtbares Blutbad im Parterre anrichten müssen.
Petersburg, 28. Dez. In Moskau und Kiew fanden neuerdings Verhaftungen von Studenten wegen angeblicher anarchistischer Umtriebe statt.
London, 28. Dez. Telegramme aus Südafrika berichten, Major Wilson, sowie die zur Hilfe abgeschickten 40 Mann unter Hauptmann Borrow seien von den Matabeles niedergemacht worden.
London, 28. Dez. Die Bedingungen für Abtretung des Leuchtturms von Helgoland an Preußen sind nunmehr geregelt. Mehrere Beamte des betreffenden Ressorts sind gestern an Bord der „Irene" nach Helgoland abgegangen, um die Uebergabe am 1. Januar auszuführen.
Standesamt Kakm.
Getraute:
26. Dez. Jakob Friedrich Lörcher, Fabrikarbeiter
hier und Karoline Regine Fink hier. Gestorbene:
21. Dez. Karl Störr, Schneidermeisters Witwe, Karo
line geb. Niedhammer hier, 66 I. a.
22. . Georg Wolf, Maurers Witwe, Katharine
geb. Schäfer hier. 60 Jahre alt.
25. „ Heinrich Hutten, Fabrikanten Witwe, Marie
geb. Kößler hier, 67 Jahre alt.
27. „ Johannes Fechter, Oberamtspfleger hier,
67 Jahre alt.
27. „ Johannes Keller, Privatier und Gemeinderat hier. 76 Jahre alt.
Gottesdienste
am Sonntag, den 31. Dezember 1893.
Vom Turm: 530. Predigtlied -. 414.
9'/r Uhr Vorm.-Predigt: Hr. Stadtpfarrverweser vr. Hory. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr Feier des Jahresschlusses mit anschließender Beichte: Herr Dekan Braun. Das Opfer ist zur Heizung der Kirche bestimmt.
Am Neujahrsfest, den 1. Jannar 1894.
Vom Turm: 381. Predigtlied.- 533.
9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun- SUHrNachm.-Predigt: Hr. Stadtpfarrverweser vr. Hory- Dienstag, 2. Januar.
Vorm. 10 Uhr Anmeldung der Knaben, vorm. 11 Uhr Anmeldung der Mädchen zum Konfirmandenunterricht.
Drei Sylvester-Aöende.
Von E. K.
Seht ihr des Knaben frohe Miene, — Gerichtet auf '-!die Punschterine, — Die auf dem runden Tische prangt? — Doch nur ein Gläschen darf er nippen, — Mit seinen roten, frischen Lippen, — So sehr er auch noch mehr verlangt, — So starker Trank ist nicht für Kinder, — Wie di« Erfahrung lehrt und spricht, — Und mehr erlaubt der Vater nicht; — Der Jugend meint er, sei gesünder — Das Wasser einzig und allein; — Auch stimmt darein — die Mutter ein. — Ein Gläschen, ja das läßt man gelten. — Der Doktor wird darum nicht schelten, — Man feiert heute ja zu Haus — Den fröhlichen Sylvesterschmaus, — Und denket mit bewegtem Herzen — An dieses Jahre- Lust und Schmerzen. — Wie Manchem ward de« Kummers Loos — In dem nunmehr gewichenen Jahr«; — Wie Manchen bracht' es auf die Bahre — Und in der Erde kühlen Schooß; — Wie mancher Freund ruht schon in Frieden, — Der g'radr heut' vor einem Jahr — Mit uns noch froh und glücklich war — Und ist für immer nun geschieden! — Wie wird es über'« Jahr wohl sein — Am heiligen Sylvestertage? — Wird man de« Lebens noch sich frrun, — Wird Eins in unserm Zirkel fehlen? — Das war der Mutter ernste Frage, — Da fiel der Vater tröstendem: — „Warum sich mit der Zukunft quälen, — Mit ew'ger Furcht und Unverstand; — Es ist ja Gottes Vaterhand — Die uns auf unsrer LebenSreise — So sorgsam führt, bald zart und leise — Bald scheinbar hart. Doch zag' ich nie. — Was uns als Mißton hier erscheinet. — Wa« unsre Augen hier beweinet, — Gehört zur großen Harmonie!" — Seht, wie der Eltern Augen glänzen. — Wie sie dm liebevollen Blick, — Nun wenden auf ihr rinz'ges Glück, — Ihr Söhnlein, das dort munter spielt, — Und nichts von Leid und Sorgen fühlt, — DaS Knäblein hört wohl dir Sentenzen. — Doch, war der Vater da so spricht, — Versteht sein junge« Herz« nicht; — Es sieht die vollen Gläser blinkm, — Und möchte wohl noch eine» trinken, — Da tritt, o seht, der Wächter ein — Bei seiner Handlaternen Schein — Und bringt, o hört, mit heißem, Munde, — Vom neuerlebten Jahre Kunde, — Und wünschet Glück zum neuen Jahr — Für ein Geschenke blank und baar. — Ja Glück, d«S möge uns im Leben — Der lieb« Himmel gnädig gebe«; — Da« Knäblein aber weiß von
Glück — Und Unglück nichts und geht zu Bette, — O wer doch jeden Augenblick — Ein solch' Gefühl des Knaben hätte!
Und wieder beim Syloesterfchmause, — Doch fern, ach fern vom Vaterhause,
— Seht ihr den rüst'gen Knaben jetzt, — Wie er beim Becher sich ergötzt! — Ein Knabe aber ist's nicht mehr, — Er hat zum Jüngling sich gestaltet — Und hoch und herrlich sich entfaltet, — Und tritt gar keck und stolz einher; — Er möchte mutig Welten stürmen — Und kräftig FelS auf Felsen türmen. — Jetzt schwingt er hoch den Festpokal — Und jauchzt dem neuen Jahr entgegen. — Er findet auf des Lebens Wegen — Nur Glück und Freude überall. — Kein Vater leitet seine Schritte, — Um ihn sorgt keine Mutter mehr. — Und Leidenschaft auf jedem. Schritte. — Verfolget ihn, wer weiß, wie sehr. — Begeist'rung trägt auf ihren Schwingen — Ihn zu den Sternen hoch hinauf, — Den höchsten Preis will er erringen, — Gefahren sucht er freudig auf; — So spricht er beim Sylvester- schmause — Bei Saus und Braus — Sich heute aus; — Der Freunde Chor stimmt fröhlich ein — Ach, wird nach kurzer Lebenspause — Sein Mut wohl noch der heut'gr sein?
Und wieder einmal tritt in'SLeben — Nach Jahren der Sylvestertag-
— Bei manchem fröhlichen Gelag — Fließt heut der edle Saft der Reben. — Doch seht ganz einsam, — ganz allein, — Sitzt dort ein Mann mit weißem Haare; — ES scheint, als drückten ihn die Jahre. — Wer mag's wohl sein? — Es ist der frohe muntre Knabe, — Der einst auch beim Sylvesterschmaus — Den Punsch genippt im Vaterhaus, — Der Jüngling ist es, dessen Hoffen, — Manche fehlgrschlagner Wunsch getroffen, — Im Hafen ist er angelangt — Nach einem sturmbewegten Leben. — Jetzt geht nach Ruhe nur sein Streben. — was er als Jüngling heiß verlangt, — Liegt hinter ihm in weiter Feme — Mit Allem, was er einst geliebt. — WaS ihn ergötzt, wa» ihn bettübt So sehr auf diesem Erden- sterne, — Ihm ist'S entschwunden, wie im Traum, — Nun giebt er der Betrachtung Raum—Am heutigen Sylvestertag e; — Denkt mancher Freude, mancher Plage, — Und deutlich ist's ihm jetzt und klar, — Daß auch das längste Menschenleben
— Ein Schritt nur sei in jenes Land, — DaS freilich uns noch unbekannt,
— Wonach wir aber Alle streben. — Ganz einsam ruht der Greis zu HauS — Fern jeglichem Sylvesterschmaus.