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Der Totengräber Favre in Chateau d'Oex (Waadt) hat während eines 20jährigen Dienstes genau 1000 Tote beerdigt. Sein eigenes Grab er­hält nun die Nummer 1001.

Berlin, 12. Dez. Nach der Deutschen Warte wird die Reichsregierung keine Initiative zu inter­nationaler Bekämpfung der Anarchisten, wie russischerseits vorgeschlagen ist, ergreifen.

Paris, 9. Dez. Ein niederträchtiges Ver­brechen ist heute nachmittag um 4 Uhr in der Kammer der Deputierten verübt worden. Eine Höllen­maschine wurde von der Galerie aus in den Sitz­ungssaal geschleudert und zwar gegen die rechte Seite des Hauses. Von den Deputierten sind 25 verwundet, meistens Mitglieder der Rechten; es befinden sich darunter Baron Reille, Baron Girard, Montalembert, der Ralliierte Hubert und der Sozialist Charpentier. Auf den Galerien wurden 82 Personen verletzt. Der Abg. Lemire, ein Geistlicher, hat zwei Wunden er­halten, wovon eine durch einen Nagel am Hals. (Der Verbrecher hatte nemlich die Bombe mit Nägeln rc. gefüllt.) Die Blutung war sehr stark, man glaubte anfangs, die Pulsader sei verletzt, glücklicherweise er­holte er sich bald wieder. Auch Graf Lanjuinais ist verwundet; ebenso die Abgg. Dufaure, Le Clech, Cousin, de la Ferronays, Leffet. Der Senator Gene­ral Billot, der sich gerade in der Kammer befand, wurde leicht getroffen. Der Präsident Dupuy wurde an der Wange verwundet. Dem Lieut. Alles, wel­cher Dienst hatte, wurden zwei Finger der rechten Hand abgerissen. Der Huissier der Kammer, Schil­linge! ist sehr schwer durch einen Schädelbruch ver­wundet, der Redakteur Bertol vom »Echo de Paris" ist sehr schwer an der Stirn getroffen. Der rumän­ische Oberst Rasturel, der in der diplomat. Tribüne saß, wurde am Kopf durch einen Nagel schwer ge­troffen; ebenso erhielt Touly, Präfekt von Redon, Nägelverwundungen an Hand und Wange. Unter den Verletzten befindet sich eine Wienerin, Frau Rosa Mandl, geborene Wolfs. Am schwersten verwundet ist ein gewisser Guillotier, den man trepanieren mußte.

Paris, 10. Dez. Der Attentäter ist be­reits entdeckt. Es wurden sofort nach dem Atten­tat alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, daß niemand aus dem Palais Bourbon herauskam, ohne sich genau ausgewiesen zu haben. 28 Personen, verwundet oder nicht, deren Erklärungen nicht ausreichend klar schienen, wurden zurückgehalten und einem strengen Verhör unterworfen. Unter ihnen befand sich ein Indivi­duum, dem die ganze Nase von oben bis unten weg- gerissen war. Er erklärte, er heiße August Vail - laut und wohne in Choisy-Le-Roy. Einen Vaillant kannte die Polizei schon lange als wütenden Sozia­listen. Man transportierte den Mann in's Hotel Dieu (Spital), wo er heute morgen vor dem Staats­anwalt und dem Polizeipräfekten ein vollständiges Geständnis ablegte. Er hatte, als er im Hotel

Dieu ankam, angegeben, er heiße Marchal, aber seine Identität wurde sofort festgestellt. Wie die An­archisten zu thun pflegen, rühmte er sich seiner Hand­lung, er habe keine Mitschuldige und nehme alles auf sich. Der Verbrecher ist 1861 in Meziöres geboren, sein Aussehen hat schon an sich etwas vom Verbrecher; er ist ein übel berüchtigtes Subjekt, war früher in Buenos-Ayres, kam zurück, heiratete 1887, hat zwei Kinder, verließ aber Frau und Kinder und trieb sich als Vagabund herum. Fünf Verurteilungen stehen auf seinem Konto. Er politisierte und war Sozialist, dann Anarchist. Er gab eine vollständige Beschreib­ung seiner Höllenmaschine. Es ist eine eiserne Büchse, die er mit kleinen Nägeln anfüllte; in der Büchse war ein in der Mitte eingeengtes Rohr, das zwei Stoffe enthielt (Pikrinsäure und blausaures Natron), getrennt von einander durch einen mit Schwefelsäure getränkten Pfropfen. Da die Säure den Pfropfen durchfrißt, so mußten die beiden Stoffs in einer ge­wissen Zeit sich mischen und die Explosion verursachen. Wie man erfährt, ist durch die Ungeschicklichkeit Vaillants beim Werfen der Bombe er stieß mit dem Arm an eine Säule an diese in der Luft geborsten, daher wurden auch viel mehr Personen auf der Tribüne als im Saal verletzt.

Mlerarisches.

Der liebste Gast für den Weihnachtstisch, der fröhliche Humor hat seine Gabe für das kommende Fest gebracht, auf daß Alt und Jung sich erlabe an heiterem Scherz und lustigem Schwank. In schim­merndem Festgewand prangt das köstliche Weih­nachtsheft aus

L. Meggendorfers Humoristischen Blättern Verlag von I. F- Schreiber in Eßlingen, der gelungensten Einfälle und farbenprächtigsten Illu­strationen voll. Wer möchte sich nicht freuen über die köstlichen HumoreskenCarli's Nummern" und Eine Herzensgeschichte"; wer gedächte nicht mit inn­igem Behagen der seligen Jugendzeit über dem reizend gezeichneten BlattMärchenzauber" und der anmutigen Weihnachtsfee^ von Fritz Reiß, und wessen Zwerch­fell bliebe wohl unerschüttert, wenn er die köstliche Rache des Rekruten" in Bildern ohne Worte sieht? Wie der Dorfschulmeister den Mond vordemonstriert", die köstlich illustriertenimprovisierten Schildkröten" undDie Rauchkünstlerin" von Meggendorfer sind geradezu Kabinettstücke des zeichnerischen Humors, während die technische Ausstattung des ganzen Heftes ein glänzendes Zeugnis ablegt von der hohen Stufe, auf die sich die deutsche farbige Illustration ge­schwungen und damit Engländer und Franzosen mit ihren Weihnachtsnummern weit überflügelt hat. Wir möchten wünschen, daß Meggendorfer's Weih­nachtsheft, das für nur 50 Pfg. unglaublich viel schönes und lustiges bietet, auf keinem Weihnachts­tisch fehle. Dasselbe ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen.

Eingesandt.

Schwarzwaldverein. Nachdem mehrfach der Wunsch ausgesprochen worden ist, es möchten außer den seltenen Hauptversammlungen von Zeit zu Zeit gesellige Zusammenkünfte der Mitglieder des Schwarzwaldvereins stattfinden, hat der Ausschuß be­schlossen, eine solche am Samstag den 16. Dezember im badischen Hof zu veranstalten. Rektor Weizsäcker wird dabei über die neuesten Bestrebungen des Haupt­vereins, über die zu gründende Vereinsbibliothek und über verschiedene Einläufe für dieselbe sprechen, und eine Anzahl von vortrefflichen Karten vorzeigen. Gäste können eingeführk werden. Näheres im Anzeigenteil u nter 8.-1V.-V. _

Landwirtschaft!. Kezrrksverern.

Von dem so beliebten KalenderFritz Möhr­lins Schwäbischer Bauernfreund" sind noch einige Stücke um den für Mitglieder ermäßigten Preis von 25 ^ erhältlich bei Ädlerwirt Dingler und Vereinssekretär Ansel,

_Bahnhofstraße._

Warnung vor Täuschung.

Di- große Verbreitung der seit 18 V 8 beknnnten und in fast «llen FamUIen eingebürgerten Nol>t«i>

Brandes Schwetzcrpillen (erhältlich nur In schachteln ll I Mt in den Apotheke») hat zu verlchlcdcncn werthlosen Nachahmungen der­selben geführt. Es sei deshalb hiermit nochmals daraus auf­merksam gemacht, daß die ächten, von den Professoren I>i. iN.

Vtivlio«, I. von t-l«tI.

I>>. Ile'olitM. !>,. von ?e>i88ktt»ii>», I>>. IIoi-«-!, I>i. von ILoro-er »8ltl, I>>. Sirsnelt, I>v von tb'rei ik>>8, I»r.von 8«NI>- -i»»i. I>r. «. itt, I»i-. Ik!>I«eli»>ie I»r. 800,lor-

8t!i tt, I>i. I>v.

I>'oi-8tor, I»r. 8:>ttIoi-, I>r. Delir«, !>»' 8eIinr»ri>nn8on und lNr . von LloUr» erprobten und als vorzüglich bewährtes Abführmittel empfohlenen Apotheker Richard Brandt's Schweizcrpillen eine Etikette wie odcnstehend das weiße Kreuz mit dem Namenszug »roNnvS Brandt's in rothem Grund tragen müssen und daß alle anders anssehenden r'iil8«I»nn8«n der ächten Apotheker Richard Brandt's Schweizcrpillen sind. Das verehrliche Publikum möge sich nun vorsehe», daß es an seiner Gesundheit und an seinem Geldbeutel nicht zu Schaden komme.

OssoKsnkS verstim- men mehr den Beschenkten als sie ihn er- D W freuen; ein Gegenstand, der jederzeit ein W I Bedürfnis ist, ist das beste, das will- > > kommenste Geschenk. Als ein solcher er- weist sich ganz vorzugsweise die vortreff­liche vssring's Seils mit <ksr Suis. Dieselbe kommt für das diesjährige Weih­nachtsfest

in hochelegant ausgkstaiictrn, sarben- prächiigen Cnrtons,

je 3 Stücke Seife enthaltend, zum Verkauf, und empfiehlt sich in dieser Ausstattung als repräsen- tables Festgeschenk ganz besonders für die Damen­welt, weil Vvsring's Ssils mit <lsr Suis für die Damentoilette geradezu unentbehrlich ist. Eine praktischere Beigabe zu Weihnachtsgeschenken wird sich nicht finden. Die Weihnachts-Cartons sind ohne Preiserhöhung überall käuflich.

Es war mir, al» fühlte ich einen Stich in der Herzgegend.Also Fräulein Tochter ist verheiratet?" fragte ich so unbefangen als möglich.

Er lachte ein wenig.Ihnen gegenüber als verheiratetem Manne kann ich ja frei reden. Lassen Sie nur," sagte er gutmütig, als ich eine unwillkürlich ab­wehrende Gebärde machte,das Mädel hat damals mächtig viel von Ihnen gehalten und hat auf Sie gewartet, was wir auch sagten. Von dem Brief Ihrer Mutter hat sie nie erfahren. Aber als wir Ihr« VerlobungSanzeig« in der Zeitung fanden, da war für uns etwa» zu thun. Ich konnte Ihnen keine Schuld geben, denn Sie hatten sich in nichts gegen mein armes Kind versehen, als darin, daß sie freundlich gegen sie gewesm waren, nicht wahr? Aber e» war jetzt, wo wir den Dingen auf den Grund sahen, besser so. Doch jetzt, wo ich Sie wieder habe, freue ich mich von Herzen des guten Tage», der Sie zu uns zurückgesührt."

Und Frau Hedwig, wo wohnt sie jetzt?" fragte ich, ohne in meiner Erregung an die Erwähnung meiner Verlobung und Verheiratung zu denken.

Fräulein, immer noch Fräulein!" seufzte er.Sie ist seit zwei Jahren mit einem Aktuar verlobt, aber er wartet immer noch auf Beförderung und Gehalts­aufbesserung."

Und ist sie denn glücklich?" kam es über meine Lippen.

Wir hoffen e<," sagte er kurz;er ist ein braver Mensch! Aber nun," brach er ab,seien Sir mein Gast, wie Sie «S damals waren; ich Hab« ja Platz genug, um Sie aufzunehmen.'

Ich war aufgesprungen und hielt ihm beide Hände hin:Tausend Dank, mein lieber Herr Einnehmer; aber ich habe keine Zeit!"

Wo wollen Sie denn hin?" fragte er erstaunt.

Auf den Brocken! Zu Fuß! Am Nachmittag bin ich droben. Ich muß hinauf."

Wollen Sie wirklich?" lachte er vergnügt.DaS wird ja eine unglaubliche Überraschung werden. Als verlobte Braut hat sie überwunden und wird sich herzlich freuen. Aber warum ziehen Sie «S denn vor, allein zu wandern? Hätte eS Ihrer jungen Gattin nicht Freude gemacht, mit Ihnen auf di« Berge zu gehen?"

Meiner Gattin?" antwortete ich.Erst eine haben! Ich bin unvermählt und unverlobt. Das sind vergangene Zeiten, an die ich ohne Freude znrückoenke. Ich will Ihnen etwas sagen," fuhr ich fort, nach der Hand des erstaunten Mannes greifend,liebe Erinnerungen und undeutliche Hoffnungen haben mich zu Ihnen gebracht; nun gehe ich wie ich gekommen bin, aber sagen Sie ihr nichts davon. Einmal sehen will ich Ihre Tochter noch, und dann hat's ein Ende!"

ES ist wohl besser so," sagte er nachdenklich,wer mir das heute morgen geweiSsagt hätte!"

So nahmen wir Abschied. Meine Gedanken gingen schon vor mir auf der» Wege, den ich bald darauf wanderte. ES wäre mir nicht möglich gewesen, jetzt in irgend welcher Gesellschaft zu gehen. So stieg ich bergan, Stunde um Stunde. Rastlos, ohne auSzuruhen. Bei denSchnarchern" machte ich Halt und streckte mich zu Füßen der beiden Riesen ins Moos. Wo waren die dazwischen liegenden Jahre geblieben? Ich war innerlich wieder nichts Anderes als der warmherzige Student aus jenen Tagen. Nur daß ich vor acht Jahrm nichts Anderes vom Leben verlangte, als was eS mir damals gegeben hatte jetzt aber etwas, was eS mir genommen. Ich hatte ein Bild von ihr auf dem Schreibtisch stehen sehen: die liebliche Knospe war zum vollendet reizenden Mädchen erblüht, und der Zug stillen Ernstes um den weichen Mund der war'S, der hatte eS mir wieder angethan.. Ich mußte sie Wiedersehen und mußte noch einmal ihr ins Angesicht sehen und mit

ihr reden-was? Ja, was wußte ich! Um mich war'S kirchenstill. Nur der

Wind rauschte dann und wann durch die Tannen. Selten ein Vogrlruf; dai war daS Rechte für mich. So stieg ich weiter. Unter mir dar weite Thal, immer tiefer vor mir der Harz, immer steiler; Farne, Moos und Tannen und rieselnde Quellen durch wild hingeworfene» Gestein, zu seiten; über mir lichtblauer Himmel, von dem die Sommersonne sengend herabbrannte; in mir ein lockend Bild, etwas wie eine: übermächtige Freude auf ein Wiedersehen, an das ich nimmer gedacht.

(Fortsetzung folgt.)