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^ 145. Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Samstag, den 9. Dezember 1893.

AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt SO Pkg. rqch 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, scknst t» ganz Württemberg Mk. 1. 35.

Deutsches Reich.

Berlin, 5. Dez. Reichstag. Erste Lesung des Gesetzentwurfs über die Stempelsteuer. Der Reichstag begann heute die Beratung über die neuen Steuervorlagen mit einer Debatte über die Stempel­steuer. Bayer. Finanzminister von Riedel: Die verbündeten Regierungen legten das größte Gewicht auf die Annahme der Steuerentwürfe. Die finan­ziellen Verhältnisse zwischen dem Reich und den Einzel­staaten bedürften der ernstesten Aufmerksamkeit. Die Matrikularbeiträge überstiegen die Ueberweisungen jährlich um 53 '/z Mill. Mark und die Reichsaus­gaben seien fortwährend im Wachsen, ebenso die Reichsschuld. Gegen den Gedanken einer Reichs­einkommensteuer müsse er sich ebenso entschieden er­klären, wie dies der preußische Finanzminister bereits gethan habe. Dieselbe würde tief in die Finanz­verhältnisse der Einzelstaaten eingreifen und es würden sich nicht nur die Negierungen, sondern auch die Be­völkerungen der einzelnen Staaten dagegen wehren. Die Regierungen haben es vermieden, die unentbehr­lichsten Lebensmittel als Steuerquellen heranzuziehen. Sie seien auch bestrebt gewesen, die Landwirtschaft zu schonen. Die Bedenken gegen die Quittungssteuer seien nicht begründet. Es sei falsch, daß dieselbe den kleinen Mann treffen werde. Es brauche sie ja nur derjenige zu bezahlen, welcher sich eine Quittung aus­stellen lasse. (Heiterkeit.) Unter den kleinen Leuten sei das gar nicht üblich, auch zum Rauchen sei nie­mand gezwungen. (Heiterkeit.) Uebrigens glaube er nicht, daß durch die Tabakfabrikatsteuer der Konsum in erheblichem Maße zurückgehen werde. Die ganze große Agitation gegen die Tabakfabrikatsteuer beruhe auf der Annahme eines solchen Rückgangs, dagegen spreche aber die Erfahrung und damit falle die Be­fürchtung weg, daß eine Verminderung der Zahl der Arbeitskräfte eintreten werde. Auch die Weinsteuer bedeute keine Belastung des armen Mannes. Hätten die Regierungen die Weinsteuer nicht vorgeschlagen, so würde man ihnen aus dem Hause das vorgeworfen haben. (Zustimmung rechts.) Alle vorgeschlagenen Steuern seien der direkten Besteuerung der Einzel­staaten, die sonst notwendig wäre, weit vorzuziehen. Alle verbündeten Regierungen stimmen darin über­ein, daß die finanziellen Beziehungen zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten dringend der vorge­schlagenen Reform bedürfen. Ohne dies könne kein Einzelstaat ein einwandfreies Budget aufstellen. For­mell und sachlich haben nach der Entwicklung der Zoll- und der Steuergesetzgebung die Einzelstaaten ein Recht auf finanzielle Beihilfe des Reichs. Die laute Agitation gegen die Steuerentwürfe und die reine Negation führen nur zu einer dauernden Be­unruhigung des Erwerbslebens; denn diese Finanz­fragen müssen gelöst werden und jede abgelehnte Steuer werde wiederkehren. Richter: Wenn die Quittungs-, Frachtbrief- und Weinsteuer so wunder­schön seien, warum führe sie Hr. v. Riedel nicht in Bayern ein. "Der bayrische Landtag würde freilich solchen Projekten sein Votum nicht geben. Die Stempelsteuer werde eine Verringerung des Handels und Verkehrs bewirken. Durch die Tabakfabrikat- steuer würde auch der Konsum sich verringern. Im

übrigen sei die Tabaksteuervorlage nur die Einleitung zur Einführung des Monopols. Staatssekretär v. Posadowsky: Die Befürchtungen Richters halte er nicht für begründet. Er weise auf Frankreich, das auch Stempelsteuern besitze. Die Besteuerung der gewiß nützlichen Aktiengesellschaften sei dadurch gerecht­fertigt, daß dieselben einen erheblich höheren Zinsen­ertrag abwerfen als Staatspapiere und andere Renten. Graf Kanitz befürwortet ebenfalls die Vorlage.

Berlin, 6. Dezbr. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Beratung der Stempel­steuergesetznovelle. Abg. Frhr. v. B u o l (Centr.) er­klärt, das Centrum verhalte sich nicht prinzipiell ab­lehnend gegen den Gesetzentwurf, bedauert aber, daß die reinen Differenzgeschäfte nicht höher besteuert und das wirtschaftlich notwendige Arbitragegeschäft nicht noch mehr geschont wird. Das Centrum stimme auch der Erhöhung des Lotteriestempels zu. Der Widerspruch von Seite der Partei richte sich eigent­lich nur gegen die Quittungssteuer. Abg. Singer (Soz.) bekämpft die gestrigen Ausführungen des bayerischen Finanzministers. Die allein richtige Steuer sei die Einkommensteuer. Die Sozialdemokraten stimmen gegen die Börsensteuer, weil der Ertrag der­selben für die Deckung der Kosten der Militärvorlage bestimmt ist. An sich verdiene die Börsensteuer den Vorzug vor anderen Steuern. Finanzminister v. Riedel betont, daß das bayerische Volk und die bayerische Kammer mit wenigen Ausnahmen mit ihm darin übereinstimme, 1) daß für die Deckung der Kosten der Militärvorlage gesorgt werden müsse, einer­lei ob Jemand für die Militärvorlage war oder nicht; 2) daß das Reich unter den gegenwärtigen Umständen den Einzelstaaten zu Hilfe kommen müsse, 3) daß es Aufgabe der Regierung sei, dahin zu wirken, daß eine Erhöhung der direkten Steuern vermieden werde. Abg. Meyer (freis. Ver.) fordert die Aufhebung der sog. Liebesgabe für die Branntweinbrenner. Die Stempelsteuer sei nicht a limine zurückzuweisen. Die Mehrheit seiner Partei lehne den Fracht-, Quittungs­und Checkstempel ab. Eine Zuschlagssteuer für das Einkommen aus Börsengeschäften sei wert zu erwägen. Finanzminister Dr. Miquel hebt gegenüber dem Vorwurf, in Preußen würden die indirekten Steuern auf Kosten der direkten und mit Belastung der schwächeren Kräfte begünstigt, hervor, daß gerade Preußen sein Finanzwesen auf direkten Steuern aufgebaut habe. Die oberen Klassen werden in Preußen mehr belastet, als überall sonst. Der Minister spricht sich gegen die Aufhebung der sog. Liebesgabe, die für die kleinen und mittleren Brennereien nötig sei, aus. Die Re­gierung werde im Reichstage wahrscheinlich eine Vor­lage über einige Erleichterungen bezüglich der Brannt­weinsteuer einbringen. Dann könne die Liebesgabe weiter erörtert werden. In Preußen haben die Städte durch Ueberweisung von Grund- und Gebäudesteuer mehr Vorteile gehabt als die Landwirtschaft. Der Minister spricht seine Freude darüber aus, daß Buol und Meyer im Ganzen die Stempelsteuer acceptieren

Berlin, 7. Dez. Die Stempelsteuer­vorlage wurde einer Commission überwiesen.

In der Sitzung des Reichstags am 4. ds. Mts. nahm zur Novelle zum Unterstützungs­wohnsitzgesetz der Abg. Frhr. v. Gültlingen das

Wort. Er sagte: Es ist ein Irrtum, daß die Vor­lage im vorigen Reichstage auf allen Seiten Anklang gefunden hat; der leider verstorbene Abg. v. Horn­stein hat lebhaften Widerspruch dagegen erhoben. Di« Vorlage bringt manche Verbesserungen, aber sie wer­den alle aufgehoben durch die Herabsetzung der Alters­grenze für die Erwerbung des Unterstützungswohn­sitzes. Eine solche Herabsetzung widerstrebt den An­schauungen Süddeutschlands schnurstracks. Diese Herabsetzung vermehrt die Zahl der Landarmen ganz erheblich; denn um das 18. Lebensjahr herum befinden sich die jungen Leute vielfach auf der Wanderschaft, sie halten sich nirgends so lange auf, um sich einen neuen Unterstützungswohnsitz zu erwerben, verlieren aber ihren ursprünglichen Unterstützungswohnsitz durch mehr als zweijährige Abwesenheit. Wer auf diese Weise vom Gesetze für wirtschaftlich selbständig erklärt wird, wird auch anderweitig selbständig erscheinen wollen und wird sich nicht mehr um die Familie und deren Autoritäten kümmern. Für die Süddeutschen ist das Gesetz unannehmbar.

Tayes-Neuigkeiten.

Calw, 8. Dezember. Bei , der gestern statt» gefundenen Gemeinderatswahl haben von 523 wahlberechtigten Bürgern 378 Wähler, also 72"/» ab­gestimmt. Zu der Wahl hatte der Bürgerverein und der Volksverein Wahlvorschläge ausgegeben. Der Wahlzettel des Bürgervereins ging vollständig durch, der volksparteiliche unterlag. Von den Ge­wählten erhielten die drei bisherigen Gemeinderäte, die Herren Bäckermeister Schwarzmaier 251, Weinhändler Giebenrath 248, Metzger Pfrom­mer 238 und der neu in das Kollegium eintretend« Herr Konditor Haager 201 Stimmen. Die Kan» vidaten des Volksvereins erhielten von, 164131 Stimmen. Unabgeänderte Stimmzettel des Bürger­vereins wurden 168, abgeänderte 92, unabgeänderte des Volksvereins 92, abgeänderte 24 abgegeben; Bürgervereinszettel wurden im ganzen 260, Volks- vereinszettel nur 116 abgegeben. Die Sozialdemo­kraten scheinen sich an der Wahl nur sehr schwach be­teiligt zu haben.

Für den gesteigerten Postpäckerei» verkehr vor Weihnachten, welcher in nächster Zeit zu erwarten steht, sind nach demStaats-Anz.* auch dieses Jahr besondere Vorkehrungen durch Ver­mehrung der Beförderungsgelegenheiten und der Arbeits­kräfte rc. getroffen worden. Im Zusammenhang da­mit muß den Auftraggebern von Postpacketsendungen, wenn sie auf rechtzeitige und unversehrte Ankunft d«r letzteren rechnen wollen, dringend empfohlen werden, die Einlieferung zur Post nicht erst in den letzten Tagen vor dem Christfest, sondern möglichst frühzeitig zu bewirken, auch die Sendungen fest und dauerhaft zu verpacken und mit einer deutlichen, vollständige» und haltbar befestigten Aufschrift zu versehen.

Stuttgart, 6. Dezember, abends 6'/, Uhr. Der Staatsminister des Innern K. I. v. Schmiß ist heute abend 6 Uhr gestorben. Er war erst seit einigen Tagen an einer Unterleibsentzündun^ welche zu nervöser Influenza hinzutrat, erkrankt ur^ die Krankheit, welche sofort sehr ernst austrat, führte