S82

ging der rote brandenburgische Adler im weißen Felde auf der Fregatte Masten in die Höhe, salutiert von der gesamten z. Zt. im Hafen befindlichen Flotte. Die Farben Brandenburgs werden in Zukunft noch öfters auf der See erscheinen, denn der Kaiser hat schon vor einiger Zeit bestimmt, daß er bei gewissen Veranlassungen diese Flagge führen wird. Heute hat dieselbe zu ersten Male seit des großen Kurfürsten Zeiten wieder vom Mast eines deutschen Kriegsschiffs herabgeweht. Nach der Inspektion folgte ein Früh­stück an Bord der Fregatte, später eine Fahrt in See; heute Abend war ein größeres Essen im Schlosse.

Kiel, 24. Nov. Bei feiner heute Vormittag 8 Uhr erfolgten Abreise ließ der Kaiser den Polizei­chef und Bürgermeister Lorey in das Fürstenzimmer des Bahnhofs kommen und beglückwünschte die Kieler Polizei zu dem Erfolge in der bekannten Spion en­ge schichte. Die Verhafteten seien gefährliche französische Spione und active franzö­sische Offiziere.

Die russische Unversöhnlichkeit gegen den Grafen Hartenau hat sich auch bei dem Todes­fall gezeigt, da jegliche Kranzspende und dergleichen ver­mieden wurde. Das giebt demNeuen Wiener Tag­blatt" Anlaß, dieser russischen Unversöhnlichkeit ge­hörig den Text zu lesen: Unversöhnlich gegen das Europäertum, unnachgiebig gegenüber den Forderungen des Jahrhunderts und der Menschlichkeit, so schreitet es weiter seine rauhe Bahn. Es mag zurückgedrängt, es mag aufgehalten werden, aber es vergißt nichts, es vergibt nichts und strebt weiter nach dem Ziel. Sein eiserner Schritt hat die Polen zertreten, denen man nun neuestens auch im Verkehr mit ihrem Herr­gott den russischen Sprachzwang aufoktroiert hat; es ist rücksichtslos über die Rechte und verbrieften Privi­legien der Deutschen in den Ostseeprovinzen hinweg­gegangen und selbst dem eigenen Volke zeigten die Machthaber an der Newa ein ehernes, unerbittliches Antlitz, so oft in den Winterpalast die schmerzliche Klage drang: Schont unsere armen Menschenrechte! Ehern und unversöhnlich blieb Rußland gegenüber dem gesamten Europa, dem es seit Jahren die härteste aller Rüstungen aufzwingt. Von den Blumen, die den Sarkophag des ersten Bulgarenfürsten bedeckten, war keine, die eine russische Hand gepflückt hatte.

Tayes-Neuigkeiten.

** Calw, 27. Nov. Das gestern abend im Dreiß'schen Saale zur Feier des 25jährigen Bestehens der Vereinsfahne von der Kon­kordia gegebene Konzert erfreute sich eines zahl­reichen Besuchs. Das reichhaltige, geschickt zusammen­gesetzte Programm bot eine Reihe trefflich durchge­führter Männerchöre unter der umsichtigen Leitung von Hrn. Schullehrer Vin § on. Sämtliche Vorträge ernteten reichen Beifall. Unter den 14 Nummern seien hervorgehoben:Nimm deine schönsten Melodien" von Abt,Das deutsche Lied" von Kalliwoda,Hymne

an die Nacht" von Beethoven,Wenn der Schnee von den Alpen niedertaut" von Heim,Es lebt in jeder Schweizerbrust" von Weber und die Quartette Nichts gleicht der Heimat" von Burns undAbschied vom Liebchen" von Hädrich, welch letzteres auf all­gemeines Verlangen wiederholt werden mußte. Der Vorstand des Vereins, Hr. Kaufm. Din gl er, gab in einer Ansprache einiges aus den letzten 25 Jahren des Bestehens der Konkordia zum besten und mahnte zu eifrigem Weiterstreben in der Pflege des vier­stimmigen Männergesangs. Hr. Bäckermstr. Lutz gedachte der alten Mitglieder des Vereins und brachte auf das Wohl derselben ein Hoch aus. Hr. Wied­mann mahnte in einer Ansprache zu treuem Fest­halten an den Vereinsgrundsätzen und brachte ein Hoch auf den Dirigenten aus. So verliefen die Stunden in schöner gesanglicher und geselliger Unter­haltung aufs angenehmste. Möge der Gesangverein Konkordia auch in Zukunft wachsen, blühen und ge­deihen !

Sindelfingen, 21. Nov. Gestern Abend '/-8 Uhr wurde schon wieder Brandstiftung ver­sucht. Hinter dem Hause des Weber L. Schmidt in der Vaihingerstraße, steht ein Holzschuppen, in dem ein Reisachbüschel in Brand gesteckt wurde. Das Feuer wurde aber gleich entdeckt uno gelöscht. Nach­dem so diese Brandstiftung mißglückt war, wurde heute Abend '/?4 Uhr das Wohnhaus des Schmidt auf der Bühne angezündet; das Feuer teilte sich rasch der Scheuer und einem Hopfentrockenhaus mit. Das letztere brannte ganz ab, während das Wohnhaus so sehr beschädigt ist, daß ein Abbruch der stehen ge­bliebenen Reste unvermeidlich ist. Das ist nun inner­halb 2 Monaten der 7. Brandfall in unserer Stadt. Der Gesamtschaden beziffert sich auf rund 57 000 Die Aufregung über diese wiederholten Brandstiftungen ist allmählich sehr groß.

Herrenberg, 22. Nov. (König!. Spende.) Gestern ist ein von Sr. Maj. dem König der Stadt als Geschenk überlassener, schwerer Hirsch hier einge­troffen, und hat der Gemeinderat beschlossen, den­selben unter der Bedingung, daß das Fleisch hier aus­gehauen wird, an Viehhändler Fischer hier zu ver­kaufen und den Erlös in die Armenkasse fließen zu lassen.

Reutlingen, 23. Nov. Der erste Ge­winn der hiesigenKirchenbau-Lotteriemit 10 000 .A ist soviel man hört nach Heilbronn gefallen.

Göppingen, 23. Nov. Das ganze Wirt­schaftsanwesen zum Dreikönig wurde gestern Mittag von dem hies. Konsumverein um die Summe von 100000 ^ erworben. Der Verein will seine sämt­lichen Verkaufsräume in das erkaufte Anwesen ver­legen.

Backnang, 22. Novbr. Auf den gestrigen Viehmarkt waren verbracht 932 Stück (163 Paar Ochsen, 218 Kühe und 88 Stück Stiere und Rinder). Händler waren viele am Platze und es wurde, jedoch bei gedrückten Preisen, stark gehandelt. Mit der Bahn gingen 20 Wagen Vieh ab, während 14 Wagen an-

.Würden Sie sich entschließen können, mich als Ihren Schüler, Ihren Lehr­ling auftunehmrn, Herr Winterfeld?"

Mütterchen und Helene sahen sich in wortloser Überraschung an. Der Litho­graph aber war sichtlich nahe daran» einen Freudensprung zu thun. Er ergriff beide Hände de» jungen Manne» und hörte gar nicht auf, sie zu drücken und zu schütteln, während di« Hellen Thränen der Rührung in seine« Augen glänzten, und während er einmal über da» ander« rief:

O wie gern wie gern! mit tausend tausend Freuden!"

Und nun erhielten auch die Damen aus dem Munde Winterfelds die er­forderlichen Aufklärungen, wobei der aste Mann indessen selbstverständlich der Situation, in welcher er Martin getroffen, und des verzweifelten Vorhabens, an dessen Ausführung er ihn mit genauer Not verhindert hatte, mit keinem Worte Er­wähnung that. Mütterchen war trotz dieser bedeutsamen Auslassung di» zu Thränen gerührt. Sie setzte Martin» mutigen Entschluß au»schließlich auf die Rechnung seiner zärtlichen Kindesliebe und seine» Wunsche», nun endlich au» eigenen Kräften für seine Mutter sorgen zu könnm, und sie sparte nicht mit Worten der Anerkennung für einen so wackeren Sinn. Helene aber schien doch eine Ahnung von dem wirk­lichen Zusammenhang« zu haben. Sie sprach kein Wort, aber als sich Martin nach einer kleinen Weile nun wirklich verabschiedete, da traf ihn au» ihren schönen, sammetglänzenden Augm ein wundersam inniger, warm beredter Blick, und die leise Erwiderung» welche ihre schlanken, weichen Finger dem Druck seiner Hand zu Teil werden ließen, war trotz ihrer Zartheit fühlbar genug, um ihm das Blut heiß zum Herzen strömen zu lassen, und ihn mit einem unermeßlichen und unbeschreiblichen Gefühl der Glückseligkeit zu erfüllen.

Mit dem letzten Nachtzuge fuhr Martin Heise, nachdem er den Revision einem Trödler verkauft hatte, in der vierten Wagenklaffe nach seiner Vaterstadt, um der innen, asten Mutter, welche da in Kummer und Bangen der ersten Nachricht von

gekommen waren. Milchschweine kosteten pro Paar- 2434 Läuferschweine je nach Qualität 50 bis 100

Heilbronn, 24. Nov. Der Handels- und Gewerbeverein legte die Eingabe an den Reichs­tag, in der um Nichtgenehmigung der Quittungs- und > Frachtbriefsteuer ersucht und eine Erbschafts-, Wehr-. und Zeitungssteuer empfohlen wird, dem Gemeinderat i mit der Bitte um Unterstützung des Gesuchs vor.. Mit Recht wurde aber von verschiedenen Seiten be­tont, daß eine Zeitungssteuer ganz ungeeignet wäre,. und daß es auch nicht Aufgabe einer Gemeiude sein könne, dem Reiche Steuern vorzuschlagen. Der Ge- - meinderat beschloß daher, eine besondere Eingabe an den Reichstag zu richten, in der bloß um Ahlehnung, der Quittungs- und Frachtbriessteuer gebeten wird.

Ravensburg, 24. Nov. Der Weinertrag.» auf hiesiger Markung betrug Heuer rund 311 dl.. Da die hiesigen Rebleute ihren Wein selbst ausschenken.i und sie das Liter durchschnittlich zu 60 ^ verkauften,. so macht dies einen Erlös von 18 660 Vor 6 Jahren waren noch 47 da Weinberge im Anbau; da i jedoch in den letzten Fehljahren viel zu Wiesen, Gärten . und Ackerbau umgewandelt wurden, so ist das Wein­bergareal jetzt bedeutend kleiner.

Aus Baden, 22. Novbr. Die Gemeinde .. Oberlauda weiß ihre verdienten Männer zu schätzen und der Unsterblichkeit die Wege zu ebnen; sie hat bereits am Geburtshause des Pfarrers I. Martin- Schleyer, des Erfinders des Volapük (Weltsprache), , eine Gedenktafel anbringen lassen.

Freiburg, 22. November. Ueber den Fallt Schelldorf erfährt man noch weiter: Schelldorf- gab bei seinem Verhöre an, er und seine Frau hätten« beschlossen gehabt, gemeinsam miteinander zu sterben, und er habe deshalb aus einer Apotheke Gift (Blau­säure) mitgenommen. Zu dem Apotheker habe er ge­sagt, er wolle einen Hund damit töten, habe auch wirklich einen Hund damit getötet. Seine Frau habe- die Wirkung des Giftes gesehen und in jenem ver­hängnisvollen Augenblick habe sie zu dem Fläschchen« gegriffen und dasselbe ausgetrunken. Er sei deshalb aufgesprungen, habe mit dem Messer den Mund seiner. Frau aufgebrochen und ihr Gegengift (Kupfervitriol) geben wollen, allein in diesem Augenblick sei die- Mutter dazu gekommen und hätte ihm das Fläschchen aus der Hand genommen. Er selbst sei dann ver­hindert worden, gleichfalls durch Gift zu sterben. Die Untersuchung wird das Nähere ergeben. Schelldorf befindet sich gegenwärtig zur Beobachtung seines Geistes­zustandes in der Jrrenklinik dahier.

Frankfurt a. M., 24. Nov. Die Kaiserin« Friedrich ist aus Anlaß der Entbindung ihrer Tochter, der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, hier eingetroffen und hat in der landgräflichen Villa Wohnung genommen.

Bonn, 21. Nov. Das Dunkel über die Er­mordung eines siebzehnjährigen Mädchens ist gelichtet.

ihrem Sohne harrte, in schonender Weise mitzuteilen, welche entscheidende Wendung in seinem Dasein eingetreten sei.

V.

Seit jenem ereignisreichen Tage, der für Martin» Schicksal eine so große Bedeutung gewonen hatte, waren zwei Monate vergangen. In ängstlicher Zurück­gezogenheit lebend, hatte er di» dahin jede Berührung mit einem seiner ehemaligen Kunstgenossen zu vermeiden gewußt, und e» erfüllte ihn im ersten Augenblick mit einer Empfindung jähen Erschreckens, al» er auf einem einsamen abendlichen Spazier­gänge die wohlbekannte, frische Stimme Lorenz Verdinger» hinter seinem Rücken vernahm.

Giselher mein Junge! Ist e» denn möglich?" rief der Maler ihm halb freudig und halb vorwurfsvoll zu.Du bist hier in der Stadt und Dein bester Freund muß sich unterdessen die schwersten Sorgen machen, wa» in dieser langen Zeit au» Dir geworden sein könnte?"

ES war unmöglich, einer offenen Darlegung de» Geschehenen au» dem Wege zu gehen, und Martin erzählte denn auch in kurzen schlichten Worten, wa» sich inzwischen ereignet habe. Verdinger hörte ihm mit wachsendem Erstaunen zu und ließ seinen Blick dabei in einer Art von mitleidiger Verwunderung auf seinem Begleüer ruhen.

Und das alle» kannst Du mir mit einer solchen Gelassenheit erzählen, armer Giselher?" meinte er endlich.Welchen furchtbaren Kampf muß e» Dir gekostet haben, zu einem so heroischen Entschluß zu gelangen! Aber weißt Du auch, daß ich gar nicht mehr den Muth habe, Dich mit Deinem alten Nibelungennamen an- zurrden? Du hast Dich in diesen zwei Monaten erstaunlich verändert. Wenn «» die Beschäftigung mit Deinen graphischen Künsten gewesen ist, welche Dir in einer so- kurzen Zeit diese« männlich gereifte Aussehen gegeben hat, so darf man Dir vom ganzem Herzen Glück wünschen zu diesem veränderten Beruf." (Forts, folgt.).

§

j

(

o

L

<

<

r