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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

68. Iahr-au-.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Psg. di- A-il-, sonst 12 Psg.

Samstag, den 25. November 1893.

ÄbonnementSpreLS vierteljährlich in der Stadt S0 Psg. »«t 20 Pfg. TrSgerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst t» ganz Württemberg Mr. 1..

Tages-Neuigkeiten.

(Amtliches aus dem Staats anzeiger.s Se. Majestät der König haben dem Pfarrer Storz in Neuweiler die Pfarrei in Affaltrach OA. Weinsberg übertragen.

Tein ach, 22. Nov. Im November 1891 wurde von Seiner Majestät dem König die Lostrenn­ung der Gemeinden Teinach, Emberg und Schmieh von der Pfarrgemeinde Zaüelstein und die Neubildung einer Kirchengemrinde aus diesen 3 Orten genehmigt, wodurch ein längst gehegter Wunsch genannter Ge­meinden in Erfüllung ging. Nachdem nun in Teinach ein stattliches Pfarrhaus erbaut wurde, fand heute der Einzug des ersten definitiven Seelsorgers statt. Herr Pfarrer Schell, bisher in Zwerenberg, wurde von dortigen Bürgern bis Oberhaugstett begleitet und da von den hiesigen Pfarrgemeinderäten, welche in ö Wagen dahin entgegengefahren waren, abgeholt. Um 12 Uhr fand die Einfahrt in Teinach unter Glockengeläute und Gesang der Schulkinder statt. Die Hauptstraße war mit Tannenbäumen, das Pfarr­haus mit Kränzen und Guirlanden reichlich geschmückt. Herr Schullehrer Haug von Teinach begrüßte den Herrn Pfarrer namens der Kirchen-Gemeinde, worauf Herr Pfarrer Schell in der Kirche eine Ansprache an die versammelte Gemeinde hielt. Die Investitur findet am nächsten Sonntag durch Herrn Dekan Braun von Calw statt.

DerStaatsanz." schreibt: In einem Teil der Presse wird es als eine vorher nicht bedachte Folge der Verwaltungsnovelle vom 21. Mai 1891 bezeichnet, daß im Fall der Wahl von Bürgeraus­schußmitgliedern in den Gemeinderat die erforderliche Ergänzung des Bürgerausfchusses nicht mehr sofort, sondern erst nach Ablauf eines Jahres stattsinden

könne. Der Vorwurf, der hiemit gegen die Regierung erhoben werden soll, beruht auf vollständiger Unkenntnis des Gesetzes. Das Verwaltungs­edikt wie auch das Gesetz vom 6. Juli 1849 ent­hielten über den Zeitpunkt der Vornahme der Bür­gerausschuß mahlen und über die Vornahme außer­ordentlicher Ergänzungswahlen gar keine Bestimmung. Erst die Novelle vom 21. Mai 1891 hat diese Lücke ausgefüllt. Nach Art. 9 Abs. 3 des letzteren Gesetzes finden auf die Vornahme außer­ordentlicher Ergänzungswahlen beim Bürgerausschuß die für den Gemeinderat geltenden Bestimmungen ent­sprechende Anwendung. Hienach sisid die Gemeinde­kollegien zu jederZeit in der Lage, die Vornahme einer Wahl behufs Ersetzung abgegangener Mitglieder zu beschließen, wenn ihnen dies als Bedürfnis er­scheint; sie sind verpflichtet, eine Ergänzungswahl anzuordnen, wenn andernfalls eines der beiden Kollegien beschlußunfähig würde. Hiemit ist die Möglichkeit gegeben, abgegangene Mitglieder des Bürgerausschusses alsbald wieder zu ersetzen, wobei übrigens nicht bloß der besondere Fall der Wahl eines Bürgerausschuß­mitglieds in den Gemeinderat, sondern auch alle sonstigen Möglichkeiten des Abgangs, z. B. durch Tod, Wegzug, Erkrankung u. s. f., ins Auge zu fassen sind.

Heilbronn, 20. Nov. Letzte Woche stand ein Verbrecherpaar, dem nicht weniger als 44 Dieb­stähle zur Last gelegt wurden, vor der hiesigen Straf­kammer. Es sind dies der vielbestrafte, 38 Jahre alte, ledige Korbmacher Jakob Moser von Meims- heim und die 32 Jahre alte, ledige Dienstmagd Bar­bara Hoffmann von Hütten, OA. Gerabronn. Die Angeklagten hatten von Anfang Februar bis End« Mai d. I. in verschiedenen Orten der Oberämter Heilbronn, Besigheim, Brackenheim, Neckarsulm und Weinsberg Einbruchsdiebstähle gemeinschaftlich oder

einzeln verübt. In 23 Fällen konnten sie überführt werden. Die Verhandlung nahm l'/s Tage in An­spruch und endigte mit der Verurteilung des Moser zu der Gesamtzuchthausstrafe von 10 Jahren, lOjähr. Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht, der Hoffmann zu der Gesamtzuchthausstrase von 3 Jahren und 6 Monaten neben Sjährigem Ehrverlust.

Heilbronn, 22. Novbr. Ein bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich gestern abend in einer Wohnung in der Dammstraße. Ein vierjähriges Mädchen, kurze Zeit allein gelassen, kam der Erdöl­lampe zu nahe, wobei seine Kleider Feuer fingen und bevor Hilfe zur Stelle war, lichterloh brannten. Das schrecklich verbrannte Kind wurde in das Spital ver­bracht, dürfte aber schwerlich am Leben erhalten bleiben.

Gmünd, 20. Novbr. Die bekannte Violin­künstlerin Anna Rohleder von Lautern ist am 17. ds. nach länger.,, schweren Leiden zum Leidwesen aller derjenigen, welche dieselbe kannten, gestorben. Die Fortschritte der kaum 19 Jahre alten talentvollen Künstlerin erweckten die weitgehendsten Hoffnungen.

Ellwangen, 22. Novbr. Wir haben ein« winterliche Landschaft. Das Feld hat eine leichte Schneedecke und in vergangener Nacht trat bei Ost­wind und Hellem Himmel Frost von 8 Grad U. ein.

Riedlingen, 21. Nov. Vor ein paar Tagen ging ein 18jähriger Knecht in Tiefenbach ohne Licht auf den sog. Heustock, fiel herunter und war sofort eine Leiche. Der so jäh Gestorbene war die Stütze seiner Mutter, einer armen Witwe mit mehreren Kindern.

Neckarbischofsheim, 19. Nov. Ein hie­siger Flaschnerlehrling, dessen Freund, ein 15jähriger Kaufmannslehrling, sich einen kleinen Taschenrevolver

II suitte Ion.

-- Nachdruck »erbeten.

Auf falschen Mahnen.

Eine Künstlergeschichte von Reinhold Ortmann.

(Fortsetzung.)

Als die Hausfrau hinausgegangen war, um in der Küche den Abendimbiß zu bereiten, und sich auch Helene mit dem jüngsten Schwesterchen, das zur Ruhe gebracht werden sollte, entfernt hatte, gab der Lithograph seinem jungen Gast einen Wink, ihm in das anstoßende Gemach zu folgen.

Eine Anzahl von lithographischen Steinen und Arbeitsgeräten, sowie eine kleine Handpresse und eine Menge der verschiedenartigsten Bilder, welche alle vier Wände bedeckten, ließen erkennen, daß der kleine Mann hier seine Arbeitsstätte aufgeschlagen habe. Martin erinnerte sich der stolzen Worte, mit denen ihm Wintrrfeld vorhin sein HauS gezeigt hatte, und vielleicht um ihm «in wenig zu schmeicheln sagte er:

Das also ist Ihr Atelier?*

Mit einem pfiffigen Lächeln sah ihn der Kleine an und schüttelte gleichzeitig seinen grauhaarigen Kopf.

Nein, mein Freund, das ist meine Werkstube, da ich aber einmal von meinem Atelier gesprochen habe, soll Ihnen auch dieses nicht vorenthalten bleiben.*

Damit schlug er den Vorhang von einer andern Thür zurück und ließ Martin «intreten. Erstaunt und kaum seinen Augen trauend sah sich der junge Maler um. Der kahle Raum war in der That nichts anderes, als ein wirkliches und leibhaftiges Bildhaueratelier, an gefüllt mit zahlreichen Gipsabgüssen von Skulpturen der ver­schiedensten Art und Größe, während sich auf einem Postament zwischen den beiden Fenstern unter einem nassen Tuche ganz deutlich die Conturen einer Büste ab­

zeichneten, wahrscheinlich also das Thonmodel eines neuen Werkes, an welchem der Künstler eben arbeitete. Winterfeld hatte sich eine kleine Weile an der Über­raschung seines Gastes geweidet, dann legte er ihm die Hand auf die Schütter und sagte:

Sie hatten das nicht erwartet, nicht wahr? Und nun will ich Ihnen auch gestehen, daß ich sie nicht mit hierher gebracht habe, weil ich glaubte, die Gesellschaft so einfacher und unbedeutender Leute, wie ich und meine Familie eS sind, könne Jhnm ein besonderes Vergnügen bereiten. Ich lud Sie vielmehr ausschließlich ein, um Ihnen diese beiden Räume zu zeigen, und um Ihnen durch den Augenschein zu demonstrieren, wie man starken Herzens seine liebst« Jugendhoffnung begraben und doch glücklich werden kann.*

Er setzte die Lampe nieder und zog Martin neben sich auf ein einfaches Sopha. Dann begann er mit ernster und hier und da merklich bewegter Stimme:

Ich bin ein Kind des Volkes und hatte meinen braven Eitern keine anderen Schätze zu verdanken, als eine bescheidene Ausbildung und einen rechtschaffenen Namen. Schon in frühere Jugend zog mich eine mächtige innere Neigung zur bildenden Kunst. Freundlich« Gönner, die in meinen kindlichen Versuchen die Kenn­zeichen einer großen, naturwüchsigen Begabung zu erkennen glaubten, ebneten mir die Wege, so daß eS mir wmn auch unter großen Schwierigkesten, möglich wurd^ acedemische Studien als Bildhauer zu betreiben. Aber sei iS nun, daß ich mich in derselben Selbsttäuschung befand, deren Sie, mein junger Freund sich anklagen, sei e», daß nur ungünstige äußere Umstände die Schuld daran trugen, genug, je weiter ich in meiner Ausbildung vorrückte, desto geringer war der Beifall, den mein« Schöpfungen bei meinen Lehrern und Freunden fanden, und ei war vorauSzusehrn^ daß ich einen harten Kampf zu bestehen haben würde, um mir nur durch me«« Kunst eine gesicherte und geachtete Existenz zu erringen. Aber meine leidenschaftliche Liebe für diese Kunst war durch di« Leinen Mißerfolg« des AnfängertumS nicht