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Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw
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Erscheint Dienstag, Donnerstag und Sam Stag. Die Einrückimgsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. die Zeile, sonst IS Psg.
Dienstag, den 21. November 1893.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt SO Pfg« «Ad .. -7 - - 1 . 15 , sonst 1 ,
20 Pfg. Trägerlohn, durch die ganz Württemberg Mr. 1. 35.
Post bezogen ML.
Amtliche Aekanulmachungen.
Calw.
Dekanntmachrrng.
Der Vorstand der Steinbruchsberufsgenoffenschaft Sektion II in Karlsruhe hat für den diesseitigen Bezirk als Vertrauensmann der Steinbruchd- berufsgenossenschaft für die Zeit vom 1. Oktober 1893/95 Gottlieb Goftger, Steinbruchsbesitzer in Renningen OA. Leonberg und als Stellvertreter desselben Friedrich Ecker, Steinbruchsbesitzer in Herrenalb, OA. Neuenbürg, bestellt.
Den 18. November 1893.
K. Oberamt.
Lang.
Tages-Ueuigkeiten.
sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Die zweite Lehrerdienstprüfung hat bestanden und ist zur Versetzung von Schuldiensten befähigt erklärt worden: Kömpf, Eduard, Unterlehrer in Gechingen HA. Calw.
* Calw. Am gestrigen Ernte- und Herbstdankfest hielt Hr. Stadtpfarrer Eytel in dem von Andächtigen dichtgefüllten Gotteshaus seine Abschieds- predigt. Nach einem Vortrag des Kirchengesangvereins und dem Gemeindegesang nahm der Scheidende in einer ergreifenden Rede Abschied von der Ihm so lieb gewordenen Stätte seiner Wirksamkeit und von der ganzen ev. Gemeinde. Nach der Predigt verabschiedete sich in der Sakristei der Kirchengemeinderat von dem beliebten und treuen Geistlichen. Am Samstag brachte der Schülerchor des Hrn. Schullehrer Roos und gestern abend noch der Kirchengesangverein der scheidenden Stadtpfarr-
familie ein Ständchen. Am Dienstag vereinigte sich ein großer Damenkranz im Waldhorn hier, um mit der scheidenden Frau Stadtpfarrer noch einige gemütliche Stunden zuzubringen und am Donnerstag traf Hr. Stadtpfarrer Eytel zum letztenmal bei der „Calwer Abendgesellschaft" ein, woselbst in einer Reihe von Reden auch der öfteren Mitwirkung bei den musikalischen Aufführungen, seitens des Scheidenden und seiner werten Frau Gemahlin, Erwähnung gethan wurde. Morgen (Dienstag) wird uns Hr. Stadtpfarrer Eytel verlassen; unsere besten Wünsche begleiten ihn auch auf seinem ferneren Lebensweg.
' ' <, .* Calw, 20. Novbr. Am letzten Samstag durften die Schüler der Volksschule ein schönes Fest begehen: die feierliche Einweihung ihres neuen Schulgebäudes. Die Schüler und Schülerinnen sammelten sich um 10 Uhr in der Salzgaffe und zogen von da gemeinsam durch die mit einer Ehrenpforte sinnig gezierte, reich beflaggte Badgaffe zum neuen Schulhaus. Vor dem Eintritt in das Gebäude wurden von den Herren Stadtschultheiß Haffner, Ortsschulinspektor Eytel, Dekan Braun und Oberlehrer Dengler der Bedeutung des Festes entsprechende Ansprachen gehalten. Hierauf bezogen die Klassen die für sie bestimmten Lokale, woselbst Kümmelküchlein an die Schüler zur Verteilung kamen. Das neue Schulhaus, schür und frei gelegen, mit einem laufenden Brunnen uns einem großen Spielplatz versehen, imponiert durch die schmuckoolle Vorderseite, durch seine reichgegliederten Formen und durch seine ganze praktische Einteilung. Ohne Zweifel darf das Gebäude zu den schönsten Schulhäusern des ganzen Landes gerechnet werden. Im Parterre befinden sich rechts ein für den Handfertigkeitsunterricht bestimmter Saal, sowie die Wohnung des Schuldieners, links
ebenfalls ein großer Saal, die Heizungsanlage und Kellsrcänme. Der 1. Stock enthält 5, der 2. Stock 6 Lehrzimmer; die Frauenarbeitsschule hat in 3 Zimmern ihre Aufnahme gefunden; für den Arbeitsunterricht ist ebenfalls ein besonderer Saal zur Verfügung. Sämtliche Lehrzimmer entsprechen den an sie zu stellenden Anforderungen, sind zum größten Teil mit neuen, sehr praktischen Schulbänken versehen, sind hell und leicht zu lüften und machen einen durchaus freundlichen, recht behaglichen Eindruck; der Aufenthalt in diesen prächtigen Lokalen muß für Lehrer und Schüler gleich angenehm sein. Im Dachstock befinden sich 2 Zimmer für unständige Lehrer und 2 sehr schön ausgefallene, geräumige und gesunde Lehrerswohnungen. Das Gebäude wurde am Samstag und Sonntag von vielen Einwohnern einer eingehenden Besichtigung unterworfen und sehr anerkennend besprochen. Das neue Schulhaus gereicht in jeder Beziehung der Stadt zur Zierde und dieser Umstand dürfte so manche Mißstimmung gemildert haben, die die Wahl des Platzes oder die Art der Ausführung des Baues geschaffen hatten. Möge das neue Gebäude eine Pflanzstätte echt deutscher Bildung und Erziehung für unsere liebe Jugend sein und werden!
* Calw, 20. Nov. Das gestrige Konzert des Liederkranzes erfreute sich eines sehr zahlreichen Besuches. Das Programm bot diesmal nur gesangliche Stücke. In angenehmer Abwechslung folgten Chöre, Doppelquartette, Tirolerquartette und Duette. Die Chöre wurden unter der tüchtigen Leitung des Dirigenten, Herrn Mittelschullehrers Müller, flott und exakt vorgetragen. Die beiden neuen Cyöre „Sängers Heimat", eine sehr schön angelegte und stimmungsvolle, dabei aber feurige Kam«
Ileuikketon.
- N-chSruck »erdotin.
Auf falschen ZLahnen.
Eine Künstlergeschichte von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
„Ich bin gekommen/ begann Martin, „mich von dir zu verabschieden, Lorenz! Ich werde heute noch abreisen. Habe tausendmal Dank für alles Gute, das du mir erwiesen!"
„Du willst abreisen? — Wohin? — und warum so plötzlich? — Du hast mir vorher nie von einer derartigen Absicht gesprochen. Hast du denn eine Ursache, mir dein Vertrauen zu entziehen?'
Martin schüttelte stumm den Kopf und zog statt der Antwort eine sorgfältig zufammengefaltete Zeitung aus der Tasche, di« er Gerdinger überreichte. Lorenz glaubte zu wissen, was sie enthielt, aber er konnte sich eines Gefühl» der Bestürmung nicht erwehren, als er den Artikel überflog, der da mit dicken Bleistiftstrichen hervorgehoben war. Er enthielt einen kritischen Bericht über die für dir Altarbild- concurrenz in W. eingesandten Gemälde, die einige Tage vor der Verkündigung der Entscheidung zur öffentlichen Ausstellung gelangt waren. Mehr als die Hälfte des Aufsatzes war der Arbeit Martin'S gewidmet, und in härteren, vernichtenderen Worten war wohl kaum jemals über rin Kunstwerk abgeurteilt worden, als eS hier geschah. Der Recensent hob zunächst in scharfen Ausdrücken die gröbsten Mängel de« Bilde« hervor, um dann zu dem Ergebnis zu gelangen, daß man eS nur mit einem armseligen Pfuschwerke zu thun habe, und um eine ganze Schal« beißenden Spottes über den unglücklichen Künstler auszugießen. Es war ein liebloses Verdick, aber e« war doch unverkennbar von einem berufenen und sachkundigen Kenner gefällt.
„Armer Gisrlher," sagte Gerdinger bewegt, „du bist zu früh in den Kampf
hinausgetreten, und ich fühle gut genug mit dir, wie schmerzlich dir dies« Wund« sein muß. Nun aber ist es an dir, zu zeigen, daß du ein Mann bist!, der sich nicht durch den ersten Mißerfolg zu Boden schmettern läßt!"
Ein unsäglich wehmütige», hoffnungslose« Lächeln glitt über Martin'S Züge.
„Willst du mir eine einzige Frage ehrlich und aufrichtig beantworten, Lorenz?* fragte er.
„So aufrichtig, wie ich eS meinem Freunde schulvig bin!*
„Nun wohl! — Findest du, daß diese Besprechung meinem Bilde unrecht thut?"
Lorenz zauderte mit der Erwiderung, aber das Bewußtsein, daß er gerade in diesem Augenblick dem jungen Maler mit einer Unwahrhaftigkeit einen schlechten Dienst leisten würde, trug rasch über die Bedenklichkeit seine» Zartgefühls den Sieg davon.
„Nein, Mackin,* sagte er, „was der Kritiker hier über deine Schöpfung sagt, ist — abgesehen von der allzu harten Fassung — leider nur zu wahr. Aber wem» auch die Größe dieses Wagnisses deine Kräfte noch überstieg —*
Der andere ließ ihn nicht auSreden. Stumm nickte er mit dem Kopfe und streckte dann dem Freunde — ihn unterbrechend — die Hand entgegen.
„Aber du willst wirklich fort? Und schon heut«?*
„Ja, meine alte Mutter bedarf de« Trostes!"
„Ich habe kein Recht, dich daran zu hindern. Aber du wirst wiederkommea, nicht wahr?"
„Vielleicht! Ich habe noch nicht daran gedacht! Lebe wohl, Lorenz! Und noch ein»! Willst du dich meine» armen Hunde« erbarmen?"
„Du nimmst ihn nicht mit? Und du hieltest doch so viel von ihm!"
„Ja, eben deshalb! — Es ist ein häßliche« Tier, aber gut und treu! Wem» du willst, kannst du ihn wie ein Vermächtnis ansehen, da» ich dir hinterlass«! Adieu, Freund! — Ich könnt« den Zug versäumen, wenn ich mich noch läng«« aufhirlte!"