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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw.

68. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samsleg. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung 9 Psg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Dienstag, Len 7. November 1893.

ÄbonnementSoreiS Lv Pfg. Trägerlohn, durch die ganz Württemberg Mk. 1. 35.

rltch in der Stadt 90 Pfg. Mck oft bezogen Mk. 1. 15, sonst 1»

Calw, 6. Nov. Die Stadtpfarrstelle an der Drcifaltigkeitskirche in Ulm ist dem Hrn. Stadtpfarrer Eytel hier übertragen worden. Derselbe wird uns also in Bälde verlassen um in seinen neuen Wirkungs­kreis überzusiedeln. Mit Bedauern wird man den beliebten Geistlichen und Konferenzdirektor von hier scheiden sehen. Hr. Eytel hat sich während seiner fünfjährigen treuen Thätigkeit als Geistlicher, Schul­inspektor, Konferenzdirektor und Vorstand des evangel. Bundes viele Freunde erworben und seine Kräfte stets zum Wohl fürs allgemeine Ganze eingesetzt. Ein treues Andenken an seine hiesige verdienstvolle Wirksamkeit wird ihm daher gesichert sein.

x. Calw, 6. Novbr. Unter zahlreicher Be­teiligung von nah und fern fand am gestrigen Sonn­tag in der kath. Kirche die feierliche Investitur des hochwürdigen Herrn Stadtpfarrers Schwaier statt. Die kirchliche Feier wurde vollzogen durch den hochw. Herrn Dekan Schneider aus Sruttgart, welcher in ergreifenden Worten die gegenseitigen Pflichten des Geistlichen und der Kirchengemeinde schilderte. Um 12 Uhr versammelten sich die Fest­teilnehmer (etwa 40 an der Zahl) im Gasthof zum Waldhorn zu einem gemeinsamen Mahle. Während desselben wurde die Bedeutung des besonders für die hiesige kath. Gemeinde wichtigen Tages in verschie­denen Reden gefeiert. Herr Dekan Schneider toastierte auf den neuernannten Herrn Stadtpfarrer, dieser auf Se. Maj. den König, Herr Präzeptor Lob­miller aus Weilderstadt auf den hochw. Herrn Bi­schof, Herr Domkapitular I)r. von Ries sowie Herr Stadtschultheiß Hoffner auf die Familie Schwaier und Herr Verw.-Aktuar Staudenmeyer namens des kath. Stiftungsrats auf alle diejenigen, welche bei

Gründung der hiesigen Stadtpfarrstelle zusammen­gewirkt haben, besonders auf Herrn Dekan Schneider. Das letzte Hoch des Herrn Stadtpfarrer Schwaier galt den Vertretern von Bezirk und Stadt Calw, den Herren Oberamtmann Lang und Stadtschultheiß Haffner. Nach Beendigung des Nachmittagsgottes­dienstes war gesellige Unterhaltung in den Räumen des badischen Hofes, welche bis auf den letzten Platz dicht besetzt waren. Unter mit Humor gewürzten Reden und gut eingeübten Gesangsvorträgen des kath. Kirchenchors nahm das Fest einen wirklich schönen Verlauf. Dis Abendzüge entführten die von aus­wärts herbeigekommenen Freunde und Bekannte des Herrn Stadtpfarrers. Möge derselbe recht lange zum Segen der Gemeinde wirken!

* Calw. Der beim hiesigen Bezirksbauamt angestellte Bautechniker Bauer geriet gestern abend um '/-12 beim Nachhausegehen unglücklicher Weise hinter dem Hause von Konditor Haager (seinem Wohnhaus) in die Nagold. Heute morgen fand man den Hut und Stock des Verunglückten an der Un­glücksstätte. Sofort angestellte Nachforschungen er­gaben, daß derselbe den Tritt zum Hauseingang ver­fehlte und den Abhang hinunter in das Wasser stürzte, rc. Bauer ist 21 Jahre alt und der Sohn des Bäcker­meisters B. in Neckarsulm. Der junge Mann wird gewiß von allen, die ihn kannten, aufs innigste bedauert.

Calw, 6. Nov. Gestern abend gab E. Bleicher's Süddeutsches Männer-Sextett im bad. Hof ein Konzert, das erfreulicherweise zahlreich besucht war. Die Konzertgcber haben sich hier schon öfters hören lassen und sind ihre vorzüglichen Leistungen bekannt. Ganz besonders zeichnete sich am gestrigen Abend der neue Tenor (Hr. Holder) aus, welcher mit seiner kräftigen und biegsamen Stimme im Duett aus Martha" mitwirkte. Auch die Gesamtvorträge ließen

nichts zu wünschen übrig, namentlich war das Lied 's Kübele rinnt" von Braun, schlank und dezent vor­getragen. Als ein Klavierspieler ersten Rangs zeigte sich Hr. Arent in einer Phantasie von Chopin. Der dem Ensemble wie den Einzelvorträgen in reichem Maße gespendete Beifall war daher ein wohlverdienter.

Solitude, 3. Nov. Heute wurde in den hier angrenzenden Staatswaldungen Hofjagd ab­gehalten, wobei sich etwa 24 Schützen beteiligten. Obwohl das anhaltend regnerische, teilweise auch neb­lige Wetter der Jagd nicht sehr günstig war, so konnten doch 3 Rehböcke, 1 Fasanenhahn und 65 Hasen zur Strecke gebracht werden.

Untertürkheim, 4. Nov. Gegenwärtig wird jeden Tag noch Mostobst auf hiesigen Bahnhof zugeführt. Die Preise stellen sich auf 2 80 bis

3 per Zentner.

Bietigheim, 3. Nov. Beim Bahnbau ar­beiten seit Mai über 100 Italiener. Dieselben gehen an den Werktagen fleißig ihrer Arbeit nach; an den Sonntagen besuchen sie manchmal das Wirts­haus, und wie es scheint, wird der 1893er oftmals sehr Herr über sie, da es häufig zu Händeln und Streit kommt, bei denen das Messer eine große Rolle spielt. Am letzten Sonntag wurde wiederum einer derselben von einem Kameraden durch mehrere Messer­stiche schwer verwundet, so daß er in das Spital verbracht werden mußte.

Heilbronn, 3. Nov. Der hies. Weingärtner­gesellschaft wurde nach einer Nachricht aus Chicago ! für ihre dort ausgestellten Weine vom Preisgericht eine Metaille zuerkannt. Von dem Reingewinn des Salzwerks erhielt die Stadt ihren Anteil mit 41000 ^ ausbezahlt. Nach Abzug von 30°/», die sie an Frhr. Pergler v. Perglas auszufolgen hat.

Isrrikketorr.

Brandkäthe.

Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.

Von A. finden.

(Schluß).

Na, Schulmeisterchen, so arg unrecht habt Ihr damals doch nicht gehabt, die Marie ist doch just die Rechte gewesen für den Bernhard!" sagte er schmun­zelnd.Aber was ist denn das? Der hätt' doch auch morgen kommen können, mußt' denn der Abraham grad' heut den Ochsen holen!" brummte er unzufrieden, als dem weit geöffneten Thor seines HofeS zwei Metzzerburschen einen gewaltigen gefesselten Stier herausführten.Das Tier war mir zu bös geworden, manchmal wurde er so wütig, daß ich und die Knechte selber bang vor ihm waren und uns scheuten, ihm nahe zu kommen, d'rum Hab ich ihn verkauft," setzte er erklärend hinzu.

Das gewaltige Tier sah wirklich furchterregend aus, als eS mit den wild funkelnden, von zottigen Haarbüscheln beschatteten Augen den ihm entgegenkommenden buntschimmernden Hochzeüszug erspähte. Die Burschen, welche es leiteten, faßten die Kette fester und zogen sie dichter an. Dadurch wohl gereizt, riß der Stier mit einem heftigen Ruck sich los und stürmte die Dorfstraße hinunter auf uns zu. Kreischend flogen die Frauen und Mädchen auseinander. Das rote Tuch, welches Käthe trug, mochte wohl besonders seine Wut erregen; an den andern vorüber wandte er sich drohend gegen diese, einen kleinen Hund, der ihm in den Weg ge­laufen kam, scheuderte er mit den Hörnern hoch in die Lust. Käthe hatte in einen -Hof flüchten wollen, das Thor desselben war aber verschlossen, und so stand sie

blaß mit gefalteten Händen wehrlos dem Angriff des Tieres gegenüber. Schnell wie der Blitz warf sich ihm Hermann entgegen. Mit eisernem Griff packte er di« Hörner des Stieres und riß ihn seitwärts; jetzt eilten auch die andern herbei und nach kurzem Kampfe war das Ungetüm wieder überwältigt und gefesselt. Schwankend, wie betäubt, lehnte Hermann an dem Pfosten des Thorrs. Ohne der anderen zu achten, nur ihrer Angst gehorchend, eilte Käthe auf ihn zu und umfaßte seine beide« Hände.

Hermann, bist Du verletzt, hat der Stoß Dich getroffen?" rief sie aus und die ganze volle Liebe ihres Herzens lag in ihrem Ton und Blick.

O nein, es ist nichts, es ist schon vorüber, Käthe!" sagte er mit auf­leuchtenden Blicken. Und so standen sie einen Moment Hand in Hand, einer in des andern Augen lesend, was Stolz und Trotz bisher verhüllt; die Schranke» die sie trennte, war gefallen. Ich empfand eS wohl und sah voraus, daß di« beiden bald ein glückliches Paar werden und die Käthe einst schalten und walte« würde als Herrin auf dem Reinbergshof. Und wie ich's geahnt, ging eS in Erfüllung.

. * .

Nicht ganz ohne «eidliche Augen sah ich der beiden Glück. War auch Hermann mir immer mehr ein vertrauter Freund geworden und hatte auch mein Gefühl für Käthe kich allmählich in herzliche Freundschaft verwandelt, oft schlich dennoch ein heimliches Weh sich in mein Herz, wenn ich der Vergangenheit gedachte, und es war mir, als könne ich auch niemals ein anderes Weib die meine nennen, nun, da Käthe es nicht geworden. Auch ihrer Hochzeit hatte ich nicht beigewohnt ; sie fiel in meine Ferienzeit und ich hatte nun diese Wochen zu einer längeren Reise ins Gebirge benutzt. Es kostete mich Überwindung, das Heim des jungen Paares zu betreten, so traulich eS auch unter Käthes waltenden Händen sich gestaltete.