123. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. Jahrgang"
Erscheint Di enS tag , Dann er «tag und Samstag. Die Einriicknngsgebiihr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung 9 Psg. dis Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, Len 19. Oktober 1893.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt Sv Pfg.
2v Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst tL ganz Württemberg Mr. 1. 3b.
Tages-Ueuigkeiien.
sAmtliches aus dem Staats anzeig er.) Die Prüfung im Hufbeschlag an der Tierärztlichen Hochschule hat mit Erfolg bestanden Roller, Gg. von Teinach OA. Calw.
T Amtsbezirk Leonberg. Die Kartoffelernte, welche im hies. Bezirk nahezu vollendet, ist sowohl nach Qualität als Quantität gut ausgefallen, auch die Spätjahr-Futtergewächse sind befriedigend. Der Hopfen brachte manchem ein schönes Stück Geld ein und der Wein in den weinbautreibenden Bezirksorten fand raschen Absatz zum Preise von 130—170 ^ per Eimer. Der Obstmost ist dieses Jahr vorzüglich, vielfach hört man zwar, daß er in den Fässern sauer werde.
Stuttgart, 16. Okt. Heute Vormittag fuhren Ihre Majestäten und Prinzessin Pauline nebst Gefolge mit der Bahn nach Stuttgart, begaben sich zunächst in den Wilhelmspalast und nahmen daselbst eine Ovation des zum Besuch des Stuttgarter Liederkranzes in Stuttgart anwesenden Straßburger Männergesangvereins entgegen. Nachdem der Präsident Rechtsanwalt Frhr. Schott v. Schotten stein von Straßburg dem Dank des Vereins für die ihm erwiesene Ehre mit warmen Worten Ausdruck gegeben und ein Hoch auf Ihre Majestäten ausgebracht hatte, trug der Verein 4 Lieder, „Gut Württemberg" von Hilpert, „Zu Straßburg auf der Schanz" und „Es geht bei gedämpfter Trommel klang" von Silcher und „Germanenzug" von Rheinberger, vor. Se. Maj. der König sprach darauf den Mitgliedern des Vereins seine Anerkennung des Geleisteten, sowie seine Freude über ihr Erscheinen in Stuttgart und seinen Dank
für die dargebrachte Ovatiou aus und unterhielt sich ebenso wie I. M. die Königin längere Zeit mit einer Anzahl der Anwesenden. Unter den wiederholten Hochrufen der Versammelten zogen sich die Allerhöchsten Herrschaften sodann zurück.
Stuttgart, 17. Oktober. Straßburger Männergesangverein. Der gestr. Tag wurde zu kleineren Ausflügen benützt. In der Frühe wurde eine Partie mit der Zahnradbahn nach Degerloch unternommen, wobei Oberpostmeister Steidle und Kaufmann Otto Mayer als Führer dienten. Der Rundblick vom Aussichtsturm nach der schwäbischen Alb und über die Stadt hinweg ins Unterland wird den Sangesbrüdern aus dem Elsaß noch lange in freundlicher Erinnerung bleiben. Nachmittags besichtigten die fremden Gäste noch die K. Schlösser, das benachbarte Cannstatt und die Karlsbrücke. Die Rückfahrt nach Straßburg erfolgte um 6 Uhr abends, nachdem zuvor noch im Leuze'schen Bad ein kräftiger Abschiedstrunk eingenommen worden war. Möge der Männergesangverein unsere Stadt in gutem Andenken behalten!
Stuttgart, 16. Oktober. Hopfenmarktbericht. Die Zufuhr auf heutigem Markt belief sich auf 170 Bll. Die Eigner, welche auf eine Preissteigerung rechneten gaben nur teilweise und widerstrebend zu den seitherigen Preisen ab, der größere Teil zog es vor, noch abzuwarten. Der Umsatz war deshalb ein geringer und bezifferte sich auf kaum 60 Ballen. Die Stimmung ist mit ruhig aber fest zu bezeichnen. Bezahlt wurden 200—210 für ge
ringe, ^ 215—225 für mittlere und ^ 230 für prima Ware.
Stuttgart, l7. Okt. Am 15. d. M. vor-
mittags 8"/« Uhr lud ein Weingärtner in der Alexanderstraße ein ca. 2 Eimer haltendes Faß mit neuem Wein auf ein mit einem Pferd bespanntes Leiterwägelchen auf. In der Nähe daselbst brannte ein Unbekannter einige Feuerwerkskörper ab, wobei ein brennender Schwärmer in unmittelbarer Nähe des Pferdes niederfiel. Hiedurch wurde das Pferd scheu und rannte die Alexanderstraße hinab. Das Fuhrwerk kam ins Schwanken und fiel schließlich um, wobei das Faß heruntergeschleudert wurde und einen Gartenzaun auf 2 Meter Länge eindrückte. — Gestern abend S'/- Uhr hat ein verh. Mann in der Judenstraße in seiner, zu ebener Erde gelegenen Wohnung seine Frau schwer mißhandelt, ihr verschiedenes Küchengeschirr am Kopfe zerschlagen, so daß sie mehrfache Verletzungen erhielt, und ihr auch mittelst eines Messers einen Stich in die rechte Hand beigebracht. Die Frau sprang mit ihrem l'/s Jahre alten Kinde zum Fenster hinaus und blieb bewußtlos liegen. DaS Kind selbst erhielt keine Verletzungen. Die in der Nähe befindlichen Personen nahmen sich der beiden an und brachten sie in Sicherheit, während der Mann festgenommen wurde.
Untertürkheim, 16. Okt. Gestern abend 6'/s Uhr wurde der hier beschäftigte verheiratete Bahnarbeiter Seyerlen von Plochingen, als er auf der Strecke zwischen hier und Obertürkheim die Bahn beging, von dem Lokalzug Nr. 830, den er nicht hatte herankommen hören, während er auf dem Bankett lief, hinterrücks von der Seite ersaßt und über die Böschung hinabgeschleudert. Dabei soll er mehrere Rippen gebrochen haben. Der Zug machte Halt und nahm den Verunglückten sofort mit nach Obertürkheim.
Reutlingen, 15. Okt. Dem Herbstschießen»
„Sind Sie es, Marie und Bernhard? Beim Himmel, wie kommen denn Sie hierher?" rief ich erstaunt, indes ich so schnell als möglich Hilfe leistete.
„O, Herr Lehrer, es ist ein Glück, daß Sie kommen, ich kann ihn nicht mehr halten!"
„Er ist doch nicht tot?"
„Ich weiß es nicht, helfen Sie nur, ihn heraufbringen."
Unseren vereinten Anstrengungen gelang es, den Leblosen über die gemauerte» Treppenstufen in den Garten zu bringen.
„Bernhard ist nicht tot, er ist nur ohnmächtig," sagte ich, indes wir ihn auf den Rasen niederließen.
Unterdessen waren auch andere herzugecilt, die gleich mir den Hilferuf vernommen haben mochten.
Bernhard kam wieder zu sich, war jedoch zu erschöpft, um reden zu können. An seinem Hinterkopfe zeigte sich eine tiefe, blutende Wunde.
„Aber wie ist's gekommen?" fragte ich.
Marie erzählte: „Gerade vorher, als das Dach zusammenbrach, war er herabgestiegen, und weil er sich arg verbrannt hatte, wollte er hier ans Wasser gehen und sich's ein wenig kühlen. Ich traf ihn hinter dem Hause und ging mit ihm, weil ich ihm helfen wollte. Wie wir hier in den Garten kamen, begegnete uns ein Mensch, der kam so schnell gelaufen, daß wir sein Gesicht nicht recht erkennen konnten, er sah aber aus wie einer, der was Böses gethan hat, so verdächtig und scheu. Bernhard wollte ihn genauer ansehen, da stieß der Mensch ihn mit der Faust vor di« Brust, so sehr, daß Bernhard rücklings hinunter fiel und mit dem Kopfe auf die harten, gemauerten Stufen schlug. Ehe ich hinunter kam, war er schon in's Wasser geglitten, ich wollte ihn herausholen, war aber nicht stark genug und konnte nur seinen Kopf und seine Brust in die Höhe halten. Mit dem einen Arm hielt ich mich an der Weide fest, well der Boden so schlüpfrig war."
Bordmann, der zuerst in seiner Verzweiflung nicht hatte glauben wollen, daß sein Sohn wirklich gerettet sei, eilte herzu und umarmte Bernhard und uns
Aeurtteton.
Brandkäthe.
Nachdruck verboten.
Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von A. Linden.
(Fortsetzung.)
„Was ist's mit ihm?" fragte ich den jungen Mann, „ist Herr Sallert überfallen worden?"
„Ja, ein Mensch, den ich in der Dunkelheit nicht erkannte, rang mit ihm und ihn zu würgen, er muß sich durch die Hinterthür, welche die Magd, als sie bei dem Feuerlärm hinauseilte, offen gelassen hat, hier eingeschlichen haben; jedenfalls hat er stehlen wollen," entgegnete Konrad. „Aber nun müssen wir eilen, Herr Sallert, Sie müssen das Haus verlassen, cs ist vom Feuer gefährdet."
Willenlos ließ sich Sallert fortführen, die Angst, der plötzliche Schreck hatten die Kraft des Mannes gebrochen.
Da drangen auch schon die Leute ein, um das Hausgerät aus der gefährdeten Wohnung zu räumen. Sallert ließ sie gleichgültig gewähren, was er unter anderen Umständen gewiß nicht gethan haben würde.
Als ich über den Hof ging, war mir's, als vernähme ich wieder einen Hilferuf, diesmal von einer weiblichen Stimme; aus dem Sallertschen Garten her kam's. Ich ging der Stelle zu. Da hörte ich's deutlicher:
„Hilfe! Hilfe! Helft dem Bernhard!" tönte es angstvoll herauf von dem Ufer des nicht sehr großen, aber tiefen Teiches, der an den Garten stieß. Und als ich näher eilte und den Uferabhang hinabspähte, sah ich eine weibliche Gestalt, die, halb im Wasser stehend, mit dem einen Arm einen Weidenstumpf umklammerte, während die andere krampfhaft den Oberkörper eines anscheinend leblosen Mannes hielt und ühn dadurch vor dem gänzlichen Untersinken bewahrte.