502

»on Seiten des Vorstands des Ortsvereins Calw er­stattete Universitätsbibliothekar vr. Geiger aus Tübingen einen Bericht über die am 31. Aug. und den folgenden Tagen in Speier stattgehabte General­versammlung des Ev. Bundes. Der Redner schilderte nicht in Form eines Vortrags sondern in durchaus zwangloser und von urwüchsigem Humor durchwehter Erzählung die Festtage und die anstrengenden Arbeiten in den Versammlungen. Ein frischer, fröhlicher Zug sei bei den biederen Pfälzern schon beim Empfang der Gäste auf dem Bahnhof zu bemerken gewesen; die Einwohner haben in jeder Weise ihre Freude über den Besuch des Bundes zu erkennen gegeben; denn in Gegenden mit gemischter Bevölkerung, wie auch in Baden und Württemberg sei der Bund (gegenwärtig 90,000 Mitglieder) in stetem Wachstum begriffen und ein Einigungspunkt der evangelischen Bevölkerung ge­worden. In den Verhandlungen, getragen von dem Geist brüderlicher Liebe, seien besonders die Diakonissen­sache, der Vertrieb der Schriften des Ev. Bundes, der Kampf zwischen Glaube und Aberglaube, die Zustände unserer Kirche in Deutschland und noch manch andere wichtige Angelegenheiten zur Sprache gekommen. In der Hauptsache sei im allgemeinen volles Einverständnis erzielt worden und durch das sich freie Aussprechen der Brüder aus Ost und West, aus Nord und Süd habe sich der Bund in jeder Weise gekräftigt und gehoben. Einen erhebenden Eindruck habe es gemacht, daß bei der öffentlichen Hauptversammlung auch die Wiedertäufer , die Altkatholiken und Waldenser die freundlichsten Grüße von ihren Mitgliedern über­brachten und daß aus Holland, Italien und England die Evangelischen einander näher getreten und so ein Band auch für äußerlich getrennte Kirchen dargestellt haben in dem Bewußtsein, daß sich alle diese Landes­kirchen eins wissen auf dem evangel. Boden, Groß­artig sei die Beteiligung der Bevölkerung bei der Grundsteinlegung der Protestkirche gewesen. Alles habe zusammengewirkt, um die Festtage in Speier, auf dem großen historischen Boden mit seinem herr­lichen Dome, dem schönsten Bauwerk romanischer Kunst und der Begräbnisstätte von 7 deutschen Kai­sern, zu wahrhaft erhebenden zu machen und ein mächtiger Eindruck von der inneren Wahrheit des Protestantismus habe sich allen Teilnehmern tief ein­geprägt. Reicher Beifall, welchem Hr. Stadtpfarrer Eytel noch durch besondere Dankesworte Ausdruck verlieh, folgte den frischen Ausführungen des Redners.

Z Liebenzell, 7. Okt. Der Termin, an welchem die erneuerte hiesige Kirche der Gemeinde zur Benützung übergeben werden wird, steht jetzt nahe bevor, ohne daß bis heute eine Entscheidung der K. Domänendirektion, unserer Baubehörde, die zugleich Eigentümerin der Kirche ist, bekannt geworden wäre. Zu vollenden sind nur noch einige kleine Ar­beiten im Turm, die erst jetzt, nachdem das Läutewerk aufgestellt und die erneuerte Uhr samt Schlagwerk in Gang gesetzt ist, nachgeholt werden können. Noch eine gründliche Reinigung im Innern der Kirche, und wir

können Kirchweih halten; diejenigen aber, die wünsch­ten, daß dies am landesüblichen Kirchweihfest geschehen möchte, werden auf ihren Wunsch verzichten und sich noch einige Tage länger gedulden müssen. Es sei gestattet, über die restaurierte Kirche dahier anläßlich der demnächstigen Vollendung des Bauwesens einiges mitzuteilen. Da das Langhaus von Grund auf fast ganz neugebaut und von der alten Kirche nur der Chor stehen geblieben ist, der im Innern gleichfalls eine gänzliche Umwandlung erfahren hat schon dadurch, daß der Emporeneinbau, auf welchem früher die Orgel stand, entfernt wurde, so darf unsre Kirche wohl als eine neue bezeichnet werden. Der gotische Baustil des Chors ist für die Ausführung des Neu­baus''im allgemeinen maßgebend gewesen, woraus je­doch nicht folgt, daß unsre Kirche den Anspruch er­heben dürfte, eine gotische Kirche zu sein; die Sorg­falt aber, mit der für das Gebäude in allen seinen »Teilen und auch für die kleinen und unbedeutenden Gegenstände der inneren Ausstattung edle, stilgerechte Formen gesucht und angewendet wurden, verdient alle Anerkennung. Die Pietät gegen das Schöne, das in der alten Kirche trotz der Aermlichkeit ihres äußeren Ansehens und ihrer inneren Einrichtung vorhanden war, bethätigte sich aber nicht bloß durch Conseroier- ung des Chors mit seinem Netzgewölbe und mit seinen 5 Fenstern, deren edles Maßwerk die Bau­leitung veranlaßt hat, auch die Fenster des neuen Langhauses mit, wenn auch einfachem und einförm­igem, gotischem Maßwerk auszustatten, sondern nicht minder dadurch, daß das alte und zerfallene Chor­gestühl, das aus dem Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts stammen mag, von dem aber nur noch die Unterpartie mit je 7 Sesseln hüben und drüben im Chorraum, mit geschnitzten Zwischenstücken und mit den 4 Wangen, die auf der Außenseite gotische Flachschnitzerei zeigen, vorhanden war, durch Erneuerung des fehlenden Baldachins und durch Aus­besserung der sonstigen Mängel im alten Stil wieder hergestellt wurde. In ähnlicher Weise wurde auch der kunstvoll geschnitzte Fuß der Kanzel und das Ge­länder der Kanzeltreppe wieder verwendet, und die neue Kanzel diesen Vorbildern entsprechend ausgeführt. Daß die etwas schiefe Stellung des Langhauses zum Chor bei dem Neubau nicht hat beseitigt werden können, indem die Westwand der alten Kirche aus Rücksichten der Sparsamkeit hat stehen bleiben sollen und ursprünglich gehofft wurde, auch die Südwand werde stehen bleiben können, das mag bedauert wer­den. Diese Unsymetrie scheint nun aber einmal ein Wahrzeichen der Liebenzeller Kirche zu sein, und in­dem sie jetzt von der alten auch in die neue Kirche übergegangen ist, drückt sie, die Gegenwart und Zu­kunft mit der Vergangenheit verbindend, der neuen Kirche den Stempel des Altertums auf; und das möge ihr zur Ehre, nicht zur Schande gereichen! Zu­dem weiß man von berühmten und monumentalen Kirchen, die an demselben Mangel leiden wenn nämlich diese seitliche Abweichung des Chors von den

»Ja, rS hat tüchtig geschneit/ entgegnet« ich, indem ich ihm meinen Korb­sessel bot. Er schob ihn zum Ofen und setzte sich hinein, daß der leichte Stuhl be­denklich krachte.

»Na, gut ist'« für die Saat, daß da« bißchen Schnee liegt," meinte er dann, sich behaglich zurücklehnend und die Beine gegen den Ofen ausstreckend, »wenn'« nur meiner Alten und mir nicht immer drei Tage vorher in den Gliedern säß'! Ja, ja, Herr Lehrer» wir werden alle Tage älter und 's will gar nicht so recht mehr geh'n."

»Aber an Ihrem Sohne haben Sie doch in Allem eine tüchtige Hilfe," sagte ich.

Er nickte zusiimmend.Hm, ja, fleißig und brav ist der Junge, das muß man ihm lassen, wenn er nur nicht den eigensinnigen Kopf hätt' und seinem Vater mehr gehorsam wär."

Ah, Sie meinen wegen der Schwiegertochter?"

Grad' das mein ich, und wie er will, so will ich nicht; gegen die Marie Hab' ich nichts, aber al« Frau auf unserem Hof können wir doch keine nehmen, die auf dem Webstuhl gesessen hat, um sich ihr täglich Brot zu verdienen."

»Ich meine aber, da» ist doch keine Schande; ehrliche Arbeit schändet niemals!"

»Ach, das versteht Ihr nicht, Herr Schulmeister!" unterbrach der Alte mich kurz. Dann saß er eine Weile schweigend da, räusperte sich mehrmals und schien irgend etwas auf dem Herzen zu haben, mit dem herauszurücken er sich doch nicht so recht entschließen konnte. Er sah mich eine Weile scharf an, dann begann er: »Herr Lehrer, ich wollt' Ihnen was sagen, d'rum bin ich hergekommen, Hab' schon immer d'ran gedacht, wie ich's wohl so ein bißchen schicklich einkleiden könnt', aber ich kann nicht viel Umschweife machen, unsereins fährt am liebsten grad' aus. Also ich mein', e« schickt sich doch nicht für Euch, wenn Ihr die Brandkäth' zur Lehrers­frau in Nordenkirch machen wollt."

* Ich fühlte, wie ich rot wurde.

Linien des Schiffs als Mangel angesehen werden will und nicht vielmehr darin eine von den Bau­meistern beabsichtigte charakteristische Eigentümlichkeit der betreffenden Kirchen erkannt wird. Unsymetrisch und eigenartig ist an unserer Kirche auch der schmale Anbau, der, um Raum zu gewinnen, auf der Nord­seite dem Langhaus angefügt wurde, ein Seiten­schiff auf einer Seite der Kirche! Der harmonische Gesamteindruck, den die Kirche auf den Beschauer macht, wird dadurch nicht notleiden. Die Situation der ganzen Umgebung bringt es mit sich, und die Zugänge zum Kirchhof sind so gelegen, daß die Kirche stets nur von einer Seite gesehen werden kann; und dem, der von Nordwesten her durch den Haupt­eingang den Kirchhof betritt, gewährt gerade der An­bau mit seiner reicheren Architektur, mit den über den Fenstern sich erhebenden Giebeln, die in gotische Fialen ausmünden, einen ganz besonders lieblichen Anblick. Im Innern aber wird die einseitige Anord­nung des Gestühls und der Emporen dem Zwecke des evangelischen Gottesdiensts, wie wir hoffen, nur günstig sein. Auf der Westseite, wo die Kirche ihren Haupt­eingang hat, erhielt sie eine Vorhalle, von der aus auf beiden Seiten eine Treppe zur Empore führt, während eine dritte Treppe in der nordöstlichen Ecke der Kirche, anschließend an eine andere Kirchenthür, sich findet. Einen wesentlichen Vorteil erkennen wir darin, daß von den 4 Eingängen keiner unmittelbar ins Innere der Kirche, sondern jeder zunächst in einen. Vorraum führt, von welchem aus man erst durch eine zweite Thür den inneren Kirchenraum betritt. Im Oberraum der genannten westlichen Vorhalle, der unter einem spitzen Bogen gegen das Innere der Kirche sich öffnet, hat jetzt die Orgel ihren Stand­ort bekommen. Diese, im Jahr 1846 von Schäfer in Heilbronn erbaut, wurde mit einem Kosten-Auf­wand von 1800 ^ durch die Firma Goll in Kirch- heim umgebaut und durch Einsetzung eines neuen Zungen-Registers, wie auch durch Erweiterung des Pedals wesentlich verbessert. Der Orgelrevident un­seres Bezirks, Seminar-Oberlehrer Hegelein Nagold, der die erneuerte Orgel in allen ihren Teilen prüfte, hat seine volle Zufriedenheit mit der Reparatur ge­äußert und hinsichtlich der Tonart der einzelnen Re­gister, deren es 21 sind, wie hinsichtlich der Klang­fülle des ganzen Werks nur Rühmendes erwähnen können. In dem gegen früher erweiterten und nament­lich bedeutend erhöhten Kirchenraum, der oben zwar nicht mit einem gotischen Gewölbe aus Stein, son­dern mit einer bescheidenen, aber würdig bemalten hölzernen Decke in Dachkonstruktion abschließt, erzielte das Orgelspiel des genannten Herrn eine wohlthuende und bei reicherer Registrierung überwältigende Wirk­ung. Dem zur Kirche gehörigen Turm wäre eine Erhöhung durch steinernen Aufbau sehr zu wünschen gewesen. Doch ist auch ihm, dessen obere Partie neu gebaut wurde, eine gefälligere Form zuteil geworden, und das eichene Balkengefüge an den Wänden der Glockenstube, das jetzt von seiner Tünche befreit und

Aber wie kommen Sie denn dazu, anzunehmen, daß ich das thun will?" fragte ich stockend.

Na, das erzählen sich doch die Kinder auf der Straß', daß Ihr immer nach dem Ginsterberg geht und die Dirn besucht. Da Hab' ich zu meiner Frau gesagte Der Schulmeister ist sonst ein vernünftiger Mann, ich werd' hingehen und es ihm sagen; 's kann ja auch sein, daß er sich nichts Arges dabei gedacht hat, man muß aber doch sorgen, daß man nicht in der Leute Mund kommt."

O, an das, was die Leute reden, kehr' ich mich nicht," entgegnete ich lachend. Ja, das hat der Hermann Reinberg anch gesagt und nachher hat er's doch anders bedacht und ist weggeblieben von der Käth'; dem hatten sie ja dasselbe Ge- red' gemacht. Jetzt ist er vernünftig geworden und hatte eingesehen, daß die Toni> aus der Thalmühle besser zu ihm paßt."

Die Toni?" fragte ich verwundert.Wie meinen Sie da» ?"

Ja wissen's denn noch nicht, daß die Beiden miteinander eins geworden, sind? Am zweiten Christtag soll der Verspruch gefeiert werden?"

Die Nachricht überraschte mich gar zu sehr, ich konnte ihr keinen Glauben schenken. So wie ich Hermann Reinberg kannte, schien es mir unmöglich, daß er, der prächtige junge Mensch, Wohlgefallen finden konnte an diesem Mädchen, das, reich und auch wohl fleißig und arbeitsam, doch geistig beschränkt, mit Stolz herab­sah auf die anderen, die ihr an Reichtum nicht gleichstanden.

.Das ist nicht möglich! Ich kenne den Hermann zu genau und weiß wohl, daß er sich niemals in die Toni verlieben könnte," rief ich ordentlich empört.Das ist nur ein dummes Geschwätz von den Leuten."

Dummes Geschwätz! Mit so was halt' ich mich nicht auf!" entgegnete Peter Bordmann beleidigt.Wenn ich's Euch aber sag, so könnt Jhr's glauben!"

Ich schüttelte de» Kopf.Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Bordmann; ich kann mir aber gar nicht denken, daß der Hermann die Toni lieben könnte."

Lieben? Davon ist auch keine Red'. Das steht bloß immer in den Geschichten­büchern, wo zwei sich erst kriegen, ryenn sie vorher allerlei Malheur und Molesten